Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 13 UF 71/18


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 10.03.2022
Aktenzeichen 13 UF 71/18 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0310.13UF71.18.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 26.03.2018 wie folgt abgeändert:

Der Antragsgegner wird unter Antragsabweisung im Übrigen verpflichtet, an die Antragstellerin 40.952,43 € zu zahlen.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen zu 1/5 die Antragstellerin und zu 4/5 der Antragsgegner.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 50.000 €.

Gründe

Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs gemäß § 40 FGB/DDR an die Antragstellerin, seine geschiedene Ehefrau, im Scheidungsverbundverfahren.

Die Antragsbeteiligten schlossen am 18.04.1973 die Ehe, aus der im Jahr 1975 eine Tochter hervorging. Der Antragsgegner brachte in die Ehe mehrere Grundstücke in Zehdenick ein. Auf dem Flurstück (X3) befanden sich bei Eheschließung bereits ein Wohnhaus und ein Werkstattgebäude. Der Wert des bebauten Grundstücks betrug 12.100 Mark der DDR. Bis zum 03.10.1990 wurden die Gebäude saniert, um- und ausgebaut. In der umgebauten Werkstatt betrieb der Antragsgegner eine Tischlerei, bei der die Antragstellerin angestellt war. Die beiden Flurstücke (X1) und (X2) waren bei Eheschließung noch unbebaut. 1985 wurde auf dem Flurstück (X2) eine Lagerhalle errichtet. Vom Flurstück (X1) wurde 2001 ein Teil veräußert und 1996 das mit dem Wohnhaus bebaute Flurstück (X3) schenkungsweise an die gemeinsame Tochter übertragen, die den Eheleuten ein lebenslanges Wohnrecht einräumte.

Im Scheidungsverfahren hat die Antragstellerin als Folgesache mit Stufenantrag zunächst Auskunft über Anfangsvermögen bei Eheschließung und Endvermögen zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags am 24.08.2016 verlangt. Nach Erteilung der Auskunft hat sie das Verfahren auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs nicht weiter verfolgt, sondern eine Ausgleichszahlung gemäß § 40 FGB/DDR - begrenzt auf den Vermögenszuwachs an den Flurstücken (X2), (X1) und (X3) - begehrt, nachdem die Ehegatten vom Optionsrecht nach Art. 234 § 4 Abs. 2 S. 1 EGBGB keinen Gebrauch gemacht hatten.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, mit der Versorgung und Betreuung des gemeinsamen Kindes, sowie ihrer Mitarbeit in der Tischlerei das Vermögen des Antragsgegners gesteigert zu haben und hat einen Anteil von 25 % am Wert der Immobilien am 03.10.1990, den sie mit 400.000 € beziffert hat, für angemessen gehalten, sodass ihr 50.000 € zuständen.

Sie hat beantragt,

ihr einen Anteil am Vermögen des Antragsgegners gemäß § 40 FGB/DDR zuzusprechen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 36) auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht die Ehe der Antragsbeteiligten rechtskräftig geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt, den Antragsgegner auf der Grundlage von § 40 FGB/DDR und eines außergerichtlichen Sachverständigengutachtens zum Wert der Betriebsgrundstücke des Antragsgegners am 27.01.1992 zur Zahlung von 50.000 € verpflichtet und ihm 95 % der Verfahrenskosten auferlegt.

Mit seiner gegen die Zahlungsverpflichtung und die Kostenentscheidung gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Abweisungsbegehren weiter. Erstmals im Beschwerdeverfahren rügt er, dass die Wertangaben aus dem außergerichtlichen Sachverständigengutachten für die Berechnung verwandt wurden und das Amtsgericht nicht ein auf den 03.10.1990 datiertes Sachverständigengutachten eingeholt habe, welches aber zu einem geringeren Immobilienwert gekommen wäre. Zudem hätte das Amtsgericht verkannt, dass die Antragstellerin aus ihrer Anstellung in seinem Betrieb mit ihrem Arbeitslohn und den Annehmlichkeiten seiner Selbständigkeit bereits einen angemessenen Ausgleich erhalten habe. Schließlich habe das Amtsgericht nicht berücksichtigt, dass wesentliche Teile der Immobilien nicht mehr in seinem Eigentum ständen.

Der Antragsgegner beantragt (Bl. 94) sinngemäß,

den Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 26.03.2018 abzuändern und den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. K... K... vom 02.12.2021 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erst- und zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in tenoriertem Umfang Erfolg.

Dem Grunde nach zu Recht hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages gemäß § 40 FGB/DDR verpflichtet.

Das Vorbringen der Antragstellerin, die bereits erstinstanzlich ihr Begehren nicht mehr auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs, sondern auf einen Ausgleichsanspruch aus § 40 FGB/DDR gestützt hat, ist prozessual als Antragsänderung i.S. des §§113 FamFG, 263 ZPO zu werten, in die der Antragsgegner auf Grund seines Vorbringens, dem kein Entgegentreten entnommen werden kann, eingewilligt hat (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. 10. 2005 - 9 UF 54/05, NJOZ 2006, 2140, beck-online).

Der Anwendungsbereich von § 40 FGB/DDR ist eröffnet, denn die Antragsbeteiligten haben vor dem 03.10.1990 geheiratet und vom Optionsrecht des Art. 234 § 4 Abs. 2 EGBGB keinen Gebrauch gemacht. Für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung ist trotz Wechsels des Güterstands und Anwendbarkeit von §§ 1372 ff. BGB für den Zeitraum bis 03.10.1990 das Recht der §§ 39 f. FGB/DDR maßgebend (vgl. BGH, Urteil vom 5. 5. 1999 - XII ZR 184–97-NIW 1999, 2250).

Der Antrag der Antragstellerin ist auch im Übrigen zulässig. Da der Anspruch aus § 40 FGB/DDR hinsichtlich der Bemessung weitgehend richterlichem Ermessen (von der festen Höchstgrenze des Abs. 2 S. 1 der Vorschrift abgesehen) unterliegt, ist der unbezifferte Zahlungsantrag der Antragstellerin zuzulassen, denn der anspruchsbegründende Sachverhalt ergibt sich hinreichend genau aus dem Klagevortrag (vgl. BGH, Urteil vom 05.05.93 - XII ZR 38/92 - DtZ 1993, 281, beck-online; BGH, NJW 1952, 382; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. 10. 2005 - 9 UF 54/05, NJOZ 2006, 2140, beck-online).

Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 40 FGB/DDR liegen vor.

Zwischen dem Tag der Eheschließung und dem 03.10.1990 hat sich der Wert des Vermögens des Antragsgegners erhöht und hierzu hat die Antragstellerin einen wesentlichen kausalen Beitrag geleistet.

Zur Begründung des Ausgleichsanspruchs nach § 40 FGB/DDR ist eine unmittelbar auf die Erhaltung oder Mehrung des Vermögenswertes abzielende Beteiligung nicht erforderlich. Es reicht aus, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte durch Übernahme aller häuslichen und familiären Pflichten den ausgleichspflichtigen Ehepartner entlastet und dadurch mittelbar zur Steigerung oder Erhaltung dessen Vermögens beigetragen hat (Brandenburgisches Oberlandesgericht, 12. Januar 2015 – 9 WF 290/14 –, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 19. September 2007, 9 WF 269/07, FamRZ 2008, 518 und Brandenburgisches Oberlandesgericht, 15. September 2005, 9 UF 221/04, FamRB 2006, 197; OLG Dresden, 5. Mai 1999, 22 UF 44/99, FamRZ 2000, 885, und OLG Rostock, 17. Juni 1997, 3 UF 167/96, FamRZ 1998, 1174). Ein derartiger Beitrag der Antragstellerin ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Darauf, dass die Antragstellerin für ihre Mitarbeit in der Tischlerei entlohnt wurde, kommt es nicht an, weil es für die Entlastung durch die (zusätzliche) Übernahme häuslicher und familiärer Pflichten ohne Belang ist, ob der den anderen entlastende Ehegatte darüber hinaus auch noch einen wirtschaftlichen Beitrag für die eheliche Gemeinschaft durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit geleistet hat.

Der Ausgleich kann berechtigterweise erst ab Rechtskraft der Scheidung verlangt werden. Für die Ermittlung des Wertes des Anspruchs nach § 40 Abs. 1 und 2 FGB/DDR ist in Überleitungsfällen der Stichtag 03.10.1990 maßgebend: Für Ehen, welche am 03.10.1990 noch bestanden haben und mangels Fortgeltungsklärung ab diesem Zeitpunkt dem Zugewinnausgleich unterliegen, muss der Ausgleichsanspruch nach § 40 FGB/DDR wertmäßig auf den 03. 10.1990 begrenzt werden. Sonst ergibt sich eine Überschneidung mit der Teilhabe an der Wertsteigerung des Vermögens des anderen Ehegatten im Zugewinnausgleich (BGH, BGHZ 141, 307 = NJW 1999, 2520 = VIZ 1999, 502 = FamRZ 1999, 1197). Auf den Vermögensstand zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung, insbesondere das Vorhandensein von Vermögen beim Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt kommt es daher nicht an. Höchstgrenze des Ausgleichsanspruchs ist nach § 40 Abs. 1 FGB/DDR die Hälfte des Vermögens des Ausgleichspflichtigen. Dabei ist der Wert desjenigen Vermögens anzusetzen, an dessen Mehrung der Ausgleichsbegehrende Ehegatte beteiligt war (BGH, DtZ 1993, 281 = FamRZ 1993, 1048 [1050]; Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 1986, 670).

Im obigen Sinn beteiligt war die Antragstellerin an der Erhaltung, Sanierung, Aus- und Umbau der bei Eheschließung vorhandenen Gebäude und dem Neubau der Lagerhalle auf den Grundstücken des Antragsgegners. Auf eine etwaige Wertsteigerung des Flurstücks (X1) kommt es nicht an, da dieses bis zur Veräußerung im Jahr 2001 brachlag und der Wert nur vom Grundstücksmarkt, nicht aber von den Eheleuten beeinflusst werden konnte. Da § 40 Abs. 2 FGB/DDR eine Beteiligung am Vermögen des Ausgleichspflichtigen nicht lediglich am während der Ehe erfolgten Wertzuwachs bestimmt, war der Wert des Gebäudes zu bestimmen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 28. 4. 2000 - 10 UF 518/99, VIZ 2001, 343, beck-online). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Wert der Gebäude auf den Grundstücken des Antragsgegners am 03.10.1990 insgesamt 328.434 DM betrug. Dies ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. K... K... vom 02.12.2021, dem sich der Senat anschließt und welches von den Beteiligten auch nicht angegriffen worden ist.

Der Wert der Gebäude zum Zeitpunkt der Eheschließung am 18.04.1973 ist nicht bekannt. Die Antragstellerin hat aber unbestritten vorgetragen, dass der Wert des Flurstücks (X3) zur Zeit der Eheschließung 12.100 Mark der DDR betrug (BL. 88 SB Gü). Der Wert der Aufbauten allein war zwangsläufig geringer. Bei der Umrechnung von Mark der DDR in DM orientiert sich der Senat am Umstellungskurs für Bargeld und Bankguthaben. Danach konnten mit Übernahme der westdeutschen Wirtschafts- und Rechtsordnung - wie hier - 15- bis 59-jährige Bürger der DDR bis zu 4.000 Mark der DDR im Verhältnis 1:1 in DM umtauschen. Beträge darüber wurden im Verhältnis 2:1 umgestellt (https://www.bundesregierung.de/breg-de). 12.100 Mark der DDR entsprechen danach 8.050 DM. Der Wert der bei Eheschließung unbebauten Flurstücke (X2) und (X1) ist mit 0 DM anzusetzen. Der Wertzuwachs betrug damit mindestens 320.384 DM (328.434 DM - 8.050 DM).

Die höchst zulässige Grenze des danach jedenfalls bestehenden Ausgleichsanspruchs der Antragstellerin ist nach § 40 Abs. 2 FGB/DDR die Hälfte desjenigen Alleinvermögens des zur Zahlung verpflichteten Antragsgegners am 03.10.1990, an dessen Mehrung oder Erhaltung der andere beteiligt war. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die volle Höhe des Ausgleichsanspruchs (= Hälfte des Alleinvermögens des ausgleichspflichtigen Ehegatten) tatsächlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Gesamtwert des Alleinvermögens zum Stichtag faktisch ausschließlich auf die Beiträge des berechtigten Ehegatten zurückführen ließe. Hiervon geht die Antragstellerin selbst nicht aus.

Für den hier vorliegenden Fall, dass sich der Gesamtwert des Alleinvermögens des pflichtigen Ehegatten als Produkt gleichwertiger Beiträge beider Ehegatten darstellt, entspricht es der Gesetzessystematik, den Anspruch der Höhe nach auf die Hälfte des nach § 40 Abs. 2 FGB höchstzulässigen Ausgleichsbetrages (= ¼ des Wertes des Alleinvermögens) festzusetzen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12. Januar 2015 – 9 WF 290/14 –, Rn. 4 - 5, juris; OLGR Brandenburg 2002, 51; Beschluss vom 15. September 2005, Az. 9 UF 221/04 – veröffentlicht in juris; FamRZ 2008, 518; OLG Dresden, FamRZ 2000, 885; 2001, 761; zum Verbot einer schematischen Ausschöpfung des Höchstbetrages siehe auch BGH FamRZ 1993, 1048). Die Antragstellerin, die ihren Anspruch auf die Wertsteigerung an den Immobilien begrenzt, hält einen Anteil von 1/4 für angemessen (Bl. 91 SB GÜ). Der Antragsgegner hat zuletzt selbst ebenfalls vorgetragen (Bl. 220 R), dass er durch seine Arbeit und durch die Investitionen in die Objekte eine Wertsteigerung erreicht und die Antragstellerin mit der Kindererziehung und Mitarbeit hierzu ebenfalls Beiträge geleistet hat.

25 % von einer Wertsteigerung von 320.384 DM ergeben einen Betrag von 80.096 DM, entspricht 40.952,43 €.

Ein Ausgleich ist an die Antragstellerin nicht bereits durch Einräumung eines Wohnrechts im Haus des Antragsgegners erfolgt. Hier fehlt bereits ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Einräumung des Wohnrechts im Jahr 1996 und der Ausgleichsforderung der Antragstellerin knapp 20 Jahre später im Jahr 2017. Zutreffend hat auch das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin das Wohnrecht nicht vom Antragsgegner, sondern von ihrer Tochter eingeräumt bekommen hat. Im Übrigen übt der Antragsgegner das Wohnrecht seit 2015 alleine aus.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG und das Beschwerdeverfahren betreffend zusätzlich auf dem Rechtsgedanken von § 97 Abs. 2 ZPO. Der Beschwerdeführer hat erstmals im Beschwerdeverfahren den von der Antragstellerin vorgetragenen Wert des Vermögens bestritten.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 55 Abs.2, 35 FamGKG.

Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§70 Abs. 2 FamFG).