Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 02.03.2022 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 179/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0302.9UF179.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 17. September 2021 wird der Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 17. August 2021 (Aktz. 51 F 128/18) hinsichtlich des Ausspruches zur Folgesache nachehelicher Unterhalt (Ziff. 3. des Tenors) unter Beibehaltung der übrigen Regelungen des Scheidungsverbundbeschlusses sowie unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:
...
3. Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab dem 27. Dezember 2021 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen nachehelichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 219 € und ab dem 01. Januar 2022 bis einschließlich 31. Januar 2023 in Höhe von monatlich 206 € zu zahlen.
Der weitergehende Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt wird zurückgewiesen.
...
II. Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen zu 70 % die Antragsgegnerin und zu 30 % der Antragsteller.
III. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 6.000 €.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten um einen nachehelichen Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller.
Die Beteiligten haben am … 2010 die Ehe geschlossen, aus der das am … 2015 geborene und seit Trennung der Beteiligten im Dezember 2017 bei der Antragsgegnerin lebende Kind stammt. Ihre Ehe ist mit dem hier teilangefochtenen Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 17. August 2021 (Az. 51 F 128/18), rechtskräftig seit dem 27. Dezember 2021, geschieden worden.
Die Beteiligten sind beiderseits vollschichtig erwerbstätig, die Antragsgegnerin bei einer Arbeitszeit von 38 Wochenarbeitsstunden. Betreffend des Unterhalts für das gemeinsame Kind besteht eine Jugendamtsurkunde, innerhalb welcher sich der Antragsteller zur Zahlung von 110 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes an das gemeinsame Kind verpflichtet hat.
Wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse im Übrigen wird auf die nachfolgenden Ausführungen und die tabellarische Berechnung Bezug genommen.
Die Ehefrau war vor der Geburt des Kindes vollschichtig erwerbstätig. Nach Ableistung des Elternjahres nahm sie zu September 2016 ihre vorherige Erwerbstätigkeit wieder auf. Seither besuchte das gemeinsame Kind eine Kindertageseinrichtung mit einer Betreuungszeit von 8 -10 Stunden; mittlerweile ist es eingeschult und geht nach Ende der schulischen Unterrichtszeit in den Hort, wofür 81 € monatlich von der Antragsgegnerin zu zahlen sind.
Seit Februar 2018 leistete der Antragsteller der Antragsgegnerin Trennungsunterhalt von monatlich 391,36 €.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, ihr sei lediglich eine Erwerbsobliegenheit mit 30 Wochenarbeitsstunden zumutbar, weshalb sie teilweise überobligatorisch tätig sei und ihre Einkünfte daher teilweise nicht zu berücksichtigen seien. Sie hat zudem die Auffassung vertreten, als Erwerbstätigenbonus sei 1/10 anzusetzen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antragsteller zu verpflichten, an sie für den Fall der Rechtskraft der Ehescheidung einen Nachscheidungsunterhalt in Höhe von monatlich 484,87 € zu zahlen.
Der Antragsteller hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat insbesondere die Auffassung vertreten, angesichts der Regelung des § 1573 Abs. 2 BGB unter Berücksichtigung der obwaltenden Verhältnisse sei ein Unterhaltsanspruch bereits dem Grunde nach ausgeschlossen.
Mit dem einleitend genannten Scheidungsverbundbeschluss hat das Amtsgericht Cottbus zur Folgesache nachehelicher Unterhalt den Antragsteller verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung befristet bis einschließlich 31. Januar 2022 einen monatlichen, jeweils im Voraus fälligen nachehelichen Unterhalt i.H.v. 219 € zu zahlen. Den weitergehenden Unterhaltsantrag der Antragsgegnerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie in Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens betreffend eines überobligatorisch erzielten Teils ihrer Einkünfte und einer nicht gerechtfertigten Befristung ihres nachehelichen Unterhaltsanspruches weiterhin beantragt,
in Abänderung des Ausspruchs zum nachehelichen Unterhalt des angefochtenen Scheidungsverbundbeschlusses den Antragsteller zu verpflichten, an sie ab Rechtskraft der Scheidung einen monatlichen, jeweils im Voraus fälligen nachehelichen Unterhalt i.H.v. 484,87 € zu zahlen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Auch er wiederholt und vertieft insoweit sein erstinstanzliches Vorbringen bezogen auf die Beschwerdeangriffe der Antragsgegnerin.
Mit Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2021 ist die Beschwerde dem Berichterstatter des Senats als Einzelrichter übertragen worden. Mit weiterem Beschluss vom 02. Februar 2022 ist die schriftliche Entscheidung unter Begründung im Einzelnen angekündigt worden; eine weitere Stellungnahme durch die Beteiligten ist nicht erfolgt.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin hat teilweise Erfolg; sie ist teilweise begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch der Antragsgegnerin wegen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB verneint, dagegen einen solchen aus Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 1 BGB – befristet – zuerkannt.
1. Betreuungsunterhalt
Ein Anspruch der Antragsgegnerin aus Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB scheidet – erkennbar – aus.
a. Verlängerung der Betreuung
Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen, § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht, § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB.
Mit Vollendung des 3. Lebensjahres des gemeinsamen Kindes setzt daher grundsätzlich eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils ein. Dabei ist stets zu beachten, dass die gesetzliche Regel, wonach der Betreuungsunterhalt grundsätzlich nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich begründet werden muss, nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf (vgl. auch BGH FamRZ 2010, 444). Die Verlängerung des Betreuungsunterhalts kann also lediglich in Ausnahmefällen aus Gründen der Billigkeit zu einer über die Vollendung des 3. Lebensjahres hinaus erfolgen, was wegen dieses Ausnahmecharakters vom Unterhaltsberechtigten in vollem Umfange darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist (st. Rspr. des BGH, vgl. FamRZ 2016, 887; BGH 2015, 1369; BGH FamRZ 2011, 1375).
Zu berücksichtigen ist vorliegend, dass das betroffene Kind bei Rechtskraft der Ehescheidung rund sechs Jahre und vier Monate alt war. Aufgrund der Ausnahmekonzeption eines verlängerten Betreuungsunterhaltsanspruchs über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus ist dann nicht erkennbar, welche konkrete Ausnahmesituation hier eine weitergehende Betreuungsbedürftigkeit rechtfertigen würde.
Allein aus dem Umfang einer (hier tatsächlich) ausgeübten Erwerbstätigkeit kann zwar nicht geschlossen werden, dass ein Erwerbshindernis in Form der Kinderbetreuung nicht besteht. Wenn der betreuende Ehegatte etwa vollschichtig erwerbstätig ist, obwohl kindes- oder elternbezogene Gründe (§ 1570 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 2 BGB) ausreichend dargelegt sind, die einen fortdauernden Unterhaltsanspruch rechtfertigen würden, ist die Tätigkeit als überobligationsmäßig zu bewerten (BGH FamRZ 2014, 1987). Dies bedarf aber eines besonders sorgsamen Vortrags zum Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen. Da der verlängerte Unterhalt nur wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes (§ 1570 Abs. 1 S. 1 BGB) gewährt wird, muss nämlich die übernommene Kindesbetreuung dafür ursächlich sein, dass der betreuende Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nicht oder nur teilweise nachgehen kann (BGH FamRZ 2015, 1369).
b. Kindbezogene Verlängerungsgründe
Kindbezogene Gründe i.S.e. Ausnahmesituation sind nicht durch die Antragsgegnerin dargetan. Solche in Gestalt einer erheblichen körperlichen/gesundheitlichen Beeinträchtigung des Kindes, die eine entsprechend erhöhte Betreuungsbedürftigkeit bedingen würden (z.B. dauerhafte Erkrankung oder Behinderung des Kindes, BGH FamRZ 2015, 1369), liegen nicht vor.
Zudem besteht (mindestens) eine ausreichende und tatsächlich in Anspruch genommene Betreuungsmöglichkeit. In einer nahezu ganztägigen Betreuung befindet sich das gemeinsame Kind bereits seit rund fünf Jahren. Angesichts dessen, dass selbst bei Vorliegen kindbezogener Gründe eine Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer (kindgerechten) Betreuungsmöglichkeit besteht (BGH FamRZ 2010, 1050), wäre selbst bei einer zeitlichen geringeren Betreuung des Kindes in einer Fremdeinrichtung (Schule, Hort) die Antragsgegnerin gehalten, eine solche – hier real existierende – Betreuungsmöglichkeit wahrzunehmen. Erst recht gilt dies angesichts dessen, dass die Betreuung in diesem Umfang auch bereits vor der Trennung der Beteiligten (für dann etwa anderthalb Jahre) wahrgenommen wurde.
c. Ehe- bzw. elternbezogene Verlängerungsgründe
Ebenso scheidet erkennbar eine ausnahmsweise Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruchs aus ehe- bzw. elternbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 2 BGB aus. Es handelt sich hierbei um einen aus der ehelichen Solidarität folgenden Ausnahmefall; einem Ehegatten, der im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft aufgegeben oder zurückgestellt hat, soll ein längerer Betreuungsunterhalt eingeräumt werden als einem Ehegatten, der von vornherein alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte (BGH FamRZ 2012, 1624).
Gegen das Vorliegen solcher ehebezogener Ausnahmegründe spricht schon indiziell die Rollenverteilung innerhalb der Ehe, die gerade nicht eine dauerhafte Hauptbetreuung des betroffenen Kindes durch die Antragsgegnerin zu Lasten ihrer (vollschichtigen) Erwerbstätigkeit – mit Ausnahme des Elternjahres – hervorgerufen hat. Auch die verhältnismäßig eher geringe Dauer der Ehezeit spricht indiziell dagegen. Sonstige, die Antragsgegnerin in ihrem beruflichen Fortkommen behindernde ehebedingte Ausnahmegründe sind nicht erkennbar.
2. Aufstockungsunterhalt
Zutreffend hat das Amtsgericht dagegen der Antragsgegnerin einen Aufstockungsunterhaltsanspruch gegen den Antragsteller zuerkannt, § 1573 Abs. 2 BGB.
a. Allgemeines
Soweit die Beteiligten erstinstanzlich noch um Einzelfragen der wirtschaftlichen Verhältnisse gestritten haben, hat die Beschwerde dies nicht mehr im Einzelnen aufgegriffen; der bloße Verweis auf erstinstanzliches Vorbringen ist angesichts der detaillierten Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichen. Das Amtsgericht hat zudem die Einzelbeträge weitgehend im unstreitigen Tatbestand angeführt, ohne dass es zu einer Tatbestandsberichtigung (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 320 ZPO) gekommen ist. Letztendlich kann all dies dahinstehen, da das Amtsgericht nachvollziehbar im Einzelnen zu diesen (Zurechnungs- und Abzugs)Beträgen ausgeführt hat, weshalb auf die entsprechenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden kann.
Beim vom Antragsteller geschuldeten Kindesunterhalt war aber zu beachten, dass die titulierten 110 % des Mindestunterhalts ab 01. Januar 2022 nunmehr 391,50 € im Zahlbetrag ergeben.
b. Erwerbstätigenbonus
Der Beschwerde ist darin zuzustimmen, dass der Erwerbstätigenbonus lediglich mit 1/10 (anstelle des durch das Amtsgericht zugrunde gelegten 1/7) anzusetzen ist. Dies entspricht den auch in diesem Punkt aktualisierten Leitlinien des Brandenburgischen OLG Stand 01.01.2022 (dort Ziff. 15.2 – anknüpfend an BGH FamRZ 2020, 171), zumal dies nunmehr bundesweit in den entsprechenden Unterhaltsleitlinien so niedergelegt ist.
Dabei mag dahinstehen, ob insoweit eine zeitliche Differenzierung vorzunehmen wäre, da die vorangegangenen Leitlinien des Brandenburgischen OLG hierbei noch 1/7 zugrunde gelegt hatten. Da es hier nur um wenige Tage (ab 27. Dezember 2021) geht, kann insoweit einheitlich das aktuell geltende 1/10 angewandt werden. Dieses ist im Übrigen vor Verminderung der Einkünfte um Kindesunterhalt und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten zu kürzen (Ziff. 15.2 der Leitlinien), d. h. letztendlich auf die beruflich bereinigten Einkünfte, anzuwenden. Dies hat auf Seiten des Antragstellers insbesondere zur Folge, dass erst nach Abzug des Erwerbstätigenbonus nunmehr Kindesunterhalt und entsprechende Versicherungen des Sohnes in Abzug zu bringen sind.
Zudem sind auf beiden Seiten die Einkommensteuerrückerstattungen als Teil der beruflichen Einkünfte vor Abzug des 1/10 anzusetzen.
c. Unterhaltsberechnung
Damit ergibt sich zunächst folgende Berechnung:
Antragsgegnerin | ab 27.12.2021 | ab 01.01.2022 |
Nettoeinkommen | 2.266,41 € | 2.266,41 € |
Vorsorgeaufwand (4% Jahresbrutto) | - 137,89 € | - 137,89 € |
Fahrtkosten | - 366,66 € | - 366,66 € |
Steuererstattung | 89,60 € | 89,60 € |
Hortkosten | - 81,00 € | - 81,00 € |
ergibt | 1.770,46 € | 1.770,46 € |
abzgl. Erwerbstätigenbonus 1/10tel | - 177,05 € | - 177,05 € |
bereinigtes Einkommen | 1.593,41 € | 1.593,41 € |
Antragsteller | ||
Nettoeinkommen | 3.170,73 € | 3.170,73 € |
Vorsorgeaufwand (4% Jahresbrutto) | - 177,00 € | - 177,00 € |
Fahrtkosten | - 308,00 € | - 308,00 € |
Steuererstattung | 74,52 € | 74,52 € |
beruflich bereinigtes Einkommen | 2.760,25 € | 2.760,25 € |
abzgl. Erwerbstätigenbonus 1/10tel | - 276,03 € | - 276,03 € |
Kindesunterhalt Stan | - 387,50 € | - 391,50 € |
Rentenversicherung Stan | - 50,00 € | - 50,00 € |
Krankenzusatzversicherung Stan | - 19,33 € | - 19,33 € |
Unfallversicherung Stan | - 18,49 € | - 18,49 € |
bereinigtes Einkommen | 2.008,91 € | 2.004,91 € |
Differenz beider Einkünfte | 415,49 € | 411,49 € |
Hälfte = Unterhaltsanspruch | 207,75 € | 205,75 € |
Ein darüber hinausgehender Anspruch der Antragsgegnerin ergibt sich allerdings für die Zeit vom 27. Dezember 2021 bis einschließlich 31. Januar 2022 aus dem Grundsatz der reformatio in peius infolge der erstinstanzlich titulierten 219 €. Ab Februar 2022 sind dagegen gerundet 208 € zuzuerkennen, da die Rechtskraftwirkung der erstinstanzlichen Entscheidung sich auf den 31. Januar 2022 – vorbehaltlich der weiteren Frage einer Befristung, dazu nachfolgend – begrenzt.
3. Herabsetzung/Befristung, § 1578b Abs. 2 BGB.
Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Unterhaltsanspruch in zeitlicher Hinsicht zu befristen ist. Unzutreffend ist dagegen die Dauer der gewährten Frist.
a. Billigkeitskriterien
Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578b Abs. 1 S. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578b Abs. 2 S. 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile i.S.d. S. 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben, § 1578b Abs. 1 S. 3 BGB.
Ehebedingte Nachteile sind dabei vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden sind, z.B. wenn ein Ehegatte sich entschließt, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen (BGH FamRZ 2020, 171).Ein ehebedingter Nachteil äußert sich also in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen könnte (BGH FamRZ 2020, 97).
b. Ehebedingte Nachteile
Unter Beachtung dessen hat das Amtsgericht zutreffend festgestellt, dass ehebedingte Nachteile auf Seiten der Ehefrau nicht erkennbar sind. Vor wie auch nach der Trennung (wohl auch bereits vor Geburt des Kindes) hat die Ehefrau keinerlei zeitlich oder betragsmäßig umfangreichere vollschichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt; insoweit ist eine konkrete finanzielle (unter Umständen auch auf zeitlicher Beschränkung beruhende) Einbuße bei ihren Einkünften nicht erkennbar.
c. Eheliche Solidarität
§ 1578b BGB beschränkt sich jedoch nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen (BGH FamRZ 2020, 97). Dies erfordert eine umfassende Billigkeitsabwägung.
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Ehe hier jedenfalls nicht von langer Dauer (8,5 Jahre) ist und dass die Antragsgegnerin bereits annähernd vier Jahre Trennungsunterhalt – zumal in deutlich höherem Umfange als sich nunmehr ergebend – bezogen hat.
Umgekehrt ist aber – wie bereits zuvor im Rahmen des Betreuungsunterhalts, § 1570 BGB, ausgeführt – zu berücksichtigen, dass jedenfalls die Hauptlast der Betreuung des betroffenen Kindes aktuell die Antragsgegnerin trägt; ob dies angesichts eines offenbar streitig geführten Umgangsverfahrens sich zukünftig anderweitig darstellt, ist gänzlich offen und kann daher jedenfalls derzeit der Ermessensabwägung nicht zugrunde gelegt werden.
Ebenso ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Frage einer überobligationsmäßigen Tätigkeit der Antragsgegnerin angesichts des noch jungen Alters des Kindes allgemein betrachtet jedenfalls nicht abwegig erscheint. Eine verpflichtende vollschichtige Erwerbstätigkeit wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung – wenngleich es sich stets um eine Einzelfallentscheidung handelt – oftmals erst ab einem Lebensalter des Kindes von etwa 7/8 Jahren (bzw. dessen Eintritt in die Schule) angenommen, so diese Erwerbstätigkeit nicht bereits zuvor ausgeübt wurde (vgl. die Auflistung von OLG-Rspr. bei Bömelburg in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl. § 4 Rn. 202).
Damit ist dem Amtsgericht ebenso darin zu folgen, dass hier eine Befristung der gesamten (Trennungs- wie nachehelichen) Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin auf eine Gesamtdauer von fünf Jahren angemessen erscheint. Rechnerisch entspricht dies allerdings (ausgehend vom Beginn des Trennungsunterhalts im Februar 2018) nicht einer Befristung auf Januar 2022, sondern einer solchen auf den 31. Januar 2023. Selbst hierauf kommt es aber maßgeblich nicht an. Denn unter Berücksichtigung dessen, dass der Trennungsunterhaltsanspruch (gleich aus welchen Gründen) erst Ende Dezember 2021 endete, muss aus Gründen der nachehelichen Solidarität und der geleisteten Betreuung des Kindes der Antragsgegnerin ein ausreichend langer Zeitraum verbleiben, sich auf die bereits mit dem nachehelichen Unterhalt verbundene Reduzierung des zuvor mehr als doppelt so hohen Trennungsunterhaltes und auf dessen späteres gänzliches Entfallen einzustellen. Damit erscheint die Zubilligung eines solchen Unterhaltsanspruches von hier rund 13 Monaten (und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem der Sohn annähernd 7,5 Jahre alt ist) angemessen.
Angesichts dessen, dass der nacheheliche Unterhaltsanspruch daher bereits in einem sehr überschaubaren Zeitraum endet, liegen Billigkeitserwägungen für eine – gegebenenfalls stufenweise – Herabsetzung des Unterhalts in diesem Zeitraum nicht vor. Dafür spricht auch, dass im Verhältnis zum gezahlten Trennungsunterhalt bereits eine (deutliche) Reduzierung stattgefunden hat.
3. Monatlicher Unterhaltsanspruch
-27.12.2021 – 31.01.2022: 219 €;
-01.02.2022 – 31.01.2023: 206 € (205,75 €, aufgerundet).
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 113 Abs. 1, 243 FamFG, 92 Abs. 2 ZPO, 40, 51 FamGKG. Dabei war - obgleich sich dies nicht in dem Beschwerdewert niederschlägt - die erfolgte Befristung bei der Kostentragungslast der Antragsgegnerin zu berücksichtigen (vgl. nur Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO/FamFG, 42. Aufl., § 243 FamFG Rn. 7).
Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde bestehen nicht.