Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 16.02.2022 | |
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Aktenzeichen | 4 U 193/16 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0216.4U193.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 29.04.2016 – 4 O 109/12 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten der Streithelferinnen der Beklagten, hat die Klägerin zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte bzw. deren Streithelferinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld, Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung zukünftiger materieller und immaterieller Schäden, Ersatz ihres Verdienstausfallschadens in Höhe von 18.364,68 € und eines monatlichen Betrages von 2.040,52 € im Zeitraum vom 01.05.2013 bis Dezember 2014 sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Sie macht geltend, dabei handele es sich um Schäden, die ihr aus dem - als solchem unstreitigen - Bruch des Keramikinlays einer von der Beklagten hergestellten, der Klägerin in der Klinik der Streithelferin zu 1. implantierten, Hüfttotalendoprothese entstanden seien.
Die Pfanne dieser Prothese bestand aus einem Keramikinlay aus dem Material (X1) mit einem Durchmesser von 36 mm, das bei der Streithelferin zu 2. produziert worden war, und das bei der Beklagten bzw. in einem bei deren Zulieferbetrieb B... errichteten Reinraum durch eigene Mitarbeiter der Beklagten in eine Metallummantelung (sog. Hütchen) eingepresst worden ist.
Der Einsatz der streitgegenständlichen Hüfttotalendoprothese bei der Klägerin erfolgte am 10.08.2007 in der Klinik der Streithelferin zu 1. der Beklagten.
Nachdem die Klägerin - nach ihrem von der Beklagten mit Nichtwissen bestrittenen Vortrag – am 20.06.2011 eine Fehlfunktion der Prothese festgestellt hatte, wurde diese am 25.07.2011, ebenfalls in der Klinik der Streithelferin zu 1., reimplantiert.
Die Klägerin hat, gestützt auf ein Gutachten des Sachverständigen Dr. H..., behauptet, der Bruch des Inlays sei auf eine Fehlpositionierung des Keramikinlays in der Metallummantelung zurückzuführen. Insbesondere sei das Inlay um 0,65 mm und damit zu tief in die Metallummantelung eingepresst gewesen. Dabei handele es sich um einen Fertigungsfehler, für den die Beklagte einzustehen habe. Diese Fehlpositionierung habe sich mindestens bruchbegünstigend ausgewirkt. Im Übrigen handele es sich um einen sogenannten Serienschaden.
Die Beklagte hat sowohl die Fehlerhaftigkeit des von ihr hergestellten Produkts als auch die Kausalität einer etwaigen Fehlerhaftigkeit für den Bruch des Inlays bestritten. Sie hat darüber hinaus unter verschiedenen Gesichtspunkten die der Klägerin aufgrund des Bruchs des Inlays entstandenen Schäden und Beeinträchtigungen in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. H... und G… sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. B..., das dieser am 23.07.2014 erstattet und im Rahmen der Verhandlung vom 20.01.2016 mündlich erläutert hat.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin sei nicht der Nachweis gelungen, dass die Beklagte ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht habe und deshalb nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG verpflichtet sei, die der Klägerin aufgrund eines Produktfehlers entstandenen Schäden zu ersetzen. Zwar habe die Klägerin durch die Aussage des Zeugen Dr. H... bewiesen, dass das Keramikinlay in dem sog. „Hütchen“ einen Abstand zu dessen oberem Metallrand von 0,65 mm aufgewiesen habe. Der Sachverständige Dr. B... habe jedoch überzeugend ausgeführt, dass das Keramikinlay auch bei dem Abstand von 0,65 mm zum oberen Rand des metallenen Hütchens nicht versagt hätte, wenn Kugel und Inlay nur der üblichen Belastung für ein Hüftgelenk ausgesetzt gewesen wären.
Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 04.02.2016 bleibe gemäß § 296a ZPO unberücksichtigt; die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung lägen nicht vor.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klageziel in vollem Umfang weiter verfolgt.
Sie macht geltend, das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass es sich um einen Serienschaden im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 05.03.2015, Az: C-503/13, C 504/13) handele. Diese Rechtsprechung sei auf Hüftendoprothesen bzw. Teilprodukte dieser Prothesen übertragbar. Der vorliegende Serienschaden beziehe sich auf das Produkt der Größe 36 mm. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei die Versagensrate bei Inlays dieser Größe in 0,5 % aller Fälle 10 mal höher als sie in der Literatur sonst angegeben werde. Die Streithelferin zu 2. der Beklagten gebe die Bruchquote für (X1) Inlays mit 0,0002 % an; in der Literatur werde die Versagensquote von (X1) Inlays mit 0,0004 % angegeben.
Das Produkt habe zum Zeitpunkt der Implantation bei der Klägerin auch nicht dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprochen. Das Produkt (X2), nach dessen Einführung nach den Ausführungen des Sachverständigen keine Bruchereignisse mehr zu verzeichnen gewesen seien, sei bereits seit dem Jahr 2004 auf dem Markt gewesen. Zwar sei das Produkt (X1) zum Zeitpunkt der Implantation der Klägerin noch zugelassen und auch noch nicht von dem kurz darauf erfolgten Vertriebsstopp bei der Beklagten umfasst gewesen. Dies führe jedoch nicht dazu, dass es als fehlerfrei angesehen werden müsste.
Der Rechtsstreit sei zum Zeitpunkt der Verkündung des landgerichtlichen Urteils noch nicht entscheidungsreif gewesen. Der Sachverständige habe erstmals in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass ein zu tiefes Einsinken des Keramikinlays in der Metallummantelung zwar für einen erhöhten Druck sorge, Keramik jedoch nicht druck- sondern zugempfindlich sei. Diesen Vortrag habe der Sachverständige nicht belegt. Die Aussage stehe im Widerspruch zu den Ausführungen in dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen und könne darüber hinaus nicht begründen, dass ein zu tiefes Einsinken des Inlays sich nicht bruchbegünstigend auswirke. Die Ausführungen des Sachverständigen zur Messreihensimulation seien unzulänglich und insbesondere für das streitgegenständliche Produkt nicht aussagekräftig. Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Klägerin zusätzlich vorgetragen habe, dass eine weitere Ursache in der fehlerhaften Metallummantelung und einem dadurch bedingten, postoperativen Einsinken des Kreamikinserts liegen könne; dazu hätte zusätzlich Beweis erhoben werden müssen. Darüber hinaus seien die Ausführungen des Sachverständigen in Bezug auf seine Feststellungen zu dem Pressvorgang widersprüchlich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 29.04.2016 abzuändern und wie folgt zu erkennen:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welches mindestens jedoch 30.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit betragen soll.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Fehlerhaftigkeit des Medizinproduktes zukünftig noch entstehen wird, sofern die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
2. a)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Verdienstausfallschaden bis einschließlich April 2013 in Höhe von 18.364,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.
2. b)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Verdienstausfallschaden in Höhe von 2.040,52 € beginnend ab 1. Mai 2013 endend Dezember 2014 (einschließlich) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.369,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte sowie die Streithelferinnen der Beklagten zu 1. und zu 2. beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und ihre Streithelferinnen verteidigen das Urteil des Landgerichts. Die Beklagte tritt der Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu einer Haftung für einen potenziellen (Serien-)fehler auf die streitgegenständliche Problematik des Bruchs des Inlays einer Hüfttotalendoprothese ebenso entgegen wie den Angaben der Klägerin zu Versagensquoten. Sie vertritt die Auffassung, mit ihrem Vorbringen, die Beklagte hätte das Material (X2) verwenden müssen, sei die Klägerin gemäß § 531 Abs. 2 ZPO bereits präkludiert. Das Material (X2) sei für sie im Jahr 2007 noch nicht verfügbar gewesen. Sie hätte dieses Material auch deshalb nicht verwenden dürfen, weil sie dazu aufgrund der Richtlinie 2005/50/EG seit 2007 zunächst ein Prüfungsverfahren hätte beantragen müssen, das mindestens ein Jahr in Anspruch nehme. Das erste Bruchereignis eines Inlays des Materials (X1) bei der Beklagten habe sich im Übrigen erst im Februar 2009 ereignet. Die Beweisaufnahme durch das Landgericht sei nicht zu beanstanden. Die Streithelferin zu 2. trägt insbesondere ausführlich dazu vor, dass Produkte des Materials (X1) bis heute neben solchen des Materials (X2) verwendet würden und zwar auch für Pfannen mit dem Durchmesser 36 mm. Beide Materialien entsprächen nach wie vor dem Stand von Wissenschaft und Technik; welches Produkt im Hinblick auf die unterschiedlichen Eigenschaften für eine Heilbehandlung am besten geeignet sei, sei im Einzelfall durch den Operateur zu entscheiden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch mündliche Ergänzung und Erläuterung des erstinstanzlich beauftragten Gutachtens durch den Sachverständigen Dr. B... sowie durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. K... sowie dessen mündliche Erläuterung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.02.2018 (Bl. 892 ff. d.A.), das Gutachten des Sachverständigen Dr. K... vom 27.07.2020, dessen Ergänzungsgutachten vom 15.06.2021 (Bl. 1239 ff. d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2021 (Bl. 1273 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche, als deren Grundlage im Verhältnis zur Beklagten nur § 1 Abs. 1 ProdHaftG i.V.m. § 8 und § 9 ProdHaftG bzw. § 1 Abs. 1 ProdHaftG i.V.m. § 253 BGB in Betracht kommt, nicht zu.
Sämtliche vorgenannte Ansprüche setzen voraus, dass die am 10.08.2007 bei der Klägerin implantierte Hüfttotalendoprothese einen Produktfehler im Sinne des § 3 ProdHaftG aufwies, der dafür ursächlich geworden ist, dass das Keramikinlay gebrochen ist und deshalb am 27.05.2011 eine Reimplantation durchgeführt werden musste. Ein solcher Produktfehler der streitgegenständlichen Hüfttotalendoprothese kann indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter keinem Gesichtspunkt festgestellt werden.
Gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, sowie des Zeitpunkts, in dem es in Verkehr gebracht wurde (§ 3 Abs. 1 ProdHaftG), berechtigterweise erwartet werden kann. Abzustellen ist dabei nicht auf die subjektive Sicherheitserwartung des jeweiligen Benutzers, sondern objektiv darauf, ob das Produkt diejenige Sicherheit bietet, die die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Dies ist nach denselben objektiven Maßstäben zu beurteilen wie bei den Verkehrspflichten eines Herstellers im Rahmen der deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Dementsprechend ist auch im Anwendungsbereich des ProdHaftG zu unterscheiden zwischen Fabrikations-, Konstruktions- und Instruktionsfehlern (BGH, Urteil vom 16.06.2009 – VI ZR 107/08 – Rn. 12, juris).
Die Darlegungs- und Beweislast für den Fehler – ebenso wie für den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden - trägt der Geschädigte (§ 1 Abs. 4 S. 1 ProdHaftG). Dieser danach ihr obliegende Beweis ist der Klägerin nicht zur Überzeugung des Senats gelungen.
1. Die Klägerin kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf stützen, des Beweises eines Fabrikations- oder Konstruktionsfehlers der konkreten Hüfttotalendoprothese bzw. genauer des modularen Keramikeinsatzes der implantierten Pfanne bedürfe es bereits deshalb nicht, weil insoweit ein sogenannter potenzieller (Serien-)fehler vorliege.
Zwar trifft es zu, dass ein Fehler im Sinne des § 3 Abs. 1 ProdHaftG auf der Grundlage der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG durch den EuGH (Urteil vom 05.03.2015 – C-503/13 und C-504/13 – juris Rn. 37 ff.) bei bestimmten medizinischen Produkten bereits dann bejaht werden kann, wenn bei einer signifikanten Anzahl von Produkten derselben Produktgruppe oder Produktionsserie eine Fehlfunktion aufgetreten ist mit der Folge, dass aufgrund eines demgemäß potenziellen Fehlers alle Produkte dieser Gruppe oder Serie als fehlerhaft einzustufen sind, ohne dass ein Fehler des konkreten Produkts nachgewiesen werden muss (BGH, Urteile vom 09.06.2015 – VI ZR 327/12 und VI ZR 284/12).
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten sprechen durchaus gute Gründe dafür, diese Rechtsprechung, die in Bezug auf Herzschrittmacher und implantierbare Cardioverte Defibriallatoren entwickelt worden ist, auf Fehlfunktionen von Hüftprothesen zu übertragen (ebenso KG, Urteil vom 28.08.2015 – 4 U 189/11; Heynemann, GuP 2021, 32 ff.; a.A. KG, Urteil vom 25.07.2019 – 20 U 115/17; zweifelnd auch Schaub, MedR 2016, 138, 140; zur Übertragbarkeit auf andere Produkte im Allgemeinen vgl. auch: Timke, NJW 2015, 3060 ff.; Wagner, JZ 2016, 292 ff.; ders. Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., 2020 Rn. 53 ff.). Zwar ist nicht zu verkennen, dass angesichts der möglichen Todesgefahr, die für Patienten bei einer Fehlfunktion eines Herzschrittmachers oder Defibrillators besteht, die Anforderungen an die Sicherheit dieser Geräte, die die Patienten zu erwarten berechtigt sind, in Anbetracht ihrer Funktion und der Situation besonderer Verletzlichkeit der diese Geräte nutzenden Patienten besonders hoch sind und die Potentialität des durch eine Fehlfunktion verursachten Personenschadens besonders groß ist (zu diesen beiden Aspekten der Begründung vgl. nur: EuGH, Urteil vom 05.03.2015 – C-503/13 und C-504/13 – juris Rn. 40/41). Insbesondere der letztgenannte Aspekt der Potentialität des Personenschadens besteht jedoch auch bei einer implantierten Hüftprothese. So ist die Fehlfunktion einer Hüftprothese regelmäßig bereits als solche mit einer Gesundheitsschädigung verbunden. Ebenso regelmäßig, steht – wie hier – der Bruch des Inlays der Pfanne in Rede sogar ausnahmslos, begründet die Fehlfunktion einer Hüftprothese zudem die Notwendigkeit einer (Revisions-)Operation zur Explantation der alten und Implantation einer neuen Prothese oder zumindest eines Teils derselben. Diese Operation wiederum ist ihrerseits ein schwerer körperlicher Eingriff und verlangt eine Anästhesie, die nach allgemeiner Lebenserfahrung ebenfalls nicht risikolos ist. Angesichts dieser Konsequenzen rechtfertigen die Zwecke des ProdHaftG auch im Falle einer Fehlfunktion einer implantierten Hüftprothese insbesondere, dem Benutzer/Patienten einen Anspruch gegen den Hersteller eines solchen Medizinproduktes bereits dann zu gewähren, wenn sich der Schaden zwar noch nicht realisiert hat, jedoch bei Produkten derselben Produktgruppe oder Produktserie in einer so großen Anzahl von Fällen eine Fehlfunktion aufgetreten ist, dass der konkrete Verdacht begründet ist, diese Fehlfunktion werde früher oder später auch bei allen anderen Produkten der derselben Produktgruppe oder Produktserie eintreten.
b) Der Anwendbarkeit der Rechtsprechung zur Haftung eines Herstellers nach den Regeln des ProdHaftG für einen potenziellen Fehler zugunsten der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass die den Entscheidungen des BGH zugrunde liegenden Fälle jeweils Ansprüche der dortigen Kläger in einer Situation betrafen, in der sich die Fehlfunktion noch nicht realisiert hatte, die Kläger vielmehr präventiv eine Revisionsoperation durchführen wollten und von dem jeweiligen Produkthersteller die Erstattung der Aufwendungen für diese Maßnahme verlangten. Daraus kann nach Auffassung des Senats nicht der Schluss gezogen werden, dass sich die Haftung eines Herstellers für einen potenziellen Fehler auf präventive Maßnahmen beschränkt (so jedoch wohl: Kaufmann/Seehafer, MedR 2017, 369, 373), würde dies doch bedeuten, dass derjenige, bei dem sich die Fehlfunktion eines Produktes bereits realisiert hat, schlechter stünde als derjenige, bei dem lediglich ein konkreter Verdacht einer Fehlfunktion festgestellt werden kann; dies wäre mit dem Schutzzweck des ProdHaftG nicht vereinbar.
c) Die vorstehenden Fragen bedürfen gleichwohl keiner abschließenden Beurteilung, weil ein Verdacht, dass der Bruch des Keramikinlays als Teil des modularen Keramikeinsatzes der Pfanne der bei der Klägerin implantierten Hüfttotalendoprothese auf einem Fehler im Sinne des § 3 ProdHaftG beruht, nur dann eine Haftung der Beklagten begründen könnte, wenn feststünde, dass eine entsprechende zu einem Bruch des Inlays führende Fehlfunktion, bei einer signifikanten Anzahl von Produkten derselben Produktgruppe oder Produktionsserie aufgetreten ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Insbesondere reicht es nicht aus, dass der Sachverständige Dr. K... in seinem Gutachten vom 20.07.2020 festgestellt hat, die in der Auswertung der Verkaufs- und Versagenszahlen der Beklagten, Stand: 31.12.2012, (Anlage A9 zum Gutachten des Sachverständigen Dr. B... vom 23.07.2014; lesbare Kopie Bl. 894 a d.A.) ausgewiesene Bruchrate für das streitgegenständliche Keramikinlay … …-… entspreche, verglichen mit der in der veröffentlichten Statistik der Streithelferin zu 2. dokumentierten Versagensrate von (X1) Inlays aller Größen, nahezu dem 5,5-fachen bzw., lege man die von der Beklagten als Anlage BLD BE4 (Bl. 1053 d.A.) vorgelegte Tabelle (Stand 13.11.2019) zugrunde, sogar einer nahezu 9-fach erhöhten Rate. Ebenso wenig kann sich die Klägerin darauf stützen, dass der Sachverständige Dr. K... in seinem Ergänzungsgutachten/Thesenpapier vom 15.06.2021 (Bl. 1239 d.A.) auch in der Auswertung der …-Studie … zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Bruchrate bei (X1) Inlays aller Größen (wegen der erheblichen Unterschiede zwischen den Angaben der Streithelferin zu 2. der Beklagten und denjenigen in der Literatur) gemittelt bei 0,2 % liege, während sich für das streitgegenständliche (X1) Inlay der Größe 36 mm der Beklagten unter Zugrundelegung der Gesamtzahl der Implantationen eine Bruchrate von 0,82 % ergebe.
Auf diese Feststellungen ließe sich die Annahme eines die Haftung der Beklagten begründenden potenziellen Fehlers des bei der Klägerin implantierten Keramikinlays aus dem Material (X1) der Größe 36 mm nur dann stützen, wenn sämtliche Keramikinlays aus dem Material (X1) gleich welcher Größe zu derselben Produktgruppe gehören würden. Dies trifft jedoch nicht zu.
Ob ein Produkt derselben oder einer anderen Produktgruppe zuzurechnen ist, kann rechtlich – daran hält der Senat auch angesichts der in der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2021 geführten Diskussion fest - nicht allein danach bestimmt werden, ob daran unter einem bestimmten Aspekt dieselben Sicherheitserwartungen gestellt werden; insoweit ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich in Bezug auf das Bruchrisiko eines Keramikinlays einer Hüftprothese bei Keramik/Keramik-Gleitpaarungen die Sicherheitserwartung nicht danach unterscheidet, ob es sich um ein Keramikinlay der Größe 28 mm oder der Größe 36 mm handelt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass für die Frage der Zuordnung zu derselben Produktgruppe auch und gerade zu berücksichtigen ist, worauf die Unterschiede zwischen den für einen Vergleich heranzuziehenden Produkten beruhen. Dies führt dazu, dass zwischen Keramikinlays des Materials (X1) der Größe 36 mm und solchen kleinerer Größen relevante Unterschiede bestehen, die zur Folge haben, dass diese produkthaftungsrechtlich unterschiedlichen Produktgruppen zuzuordnen sind. Wie bereits der Sachverständige Dr. B... u.a. unter Bezugnahme auf eine durch die M… AG veröffentlichte Ausarbeitung (Anlage A 5 zum Gutachten vom 23.07.2014) ausgeführt hat, ist mit der Verwendung größerer Pfannen- und Kugeldurchmesser als 28 mm insbesondere der Vorteil verbunden, dass diese ein erweitertes Bewegungsausmaß der Kugel in der Pfanne ermöglichen und damit gleichzeitig das Risiko einer Luxation (Ausrenken) vermindert wird (S. 7 des Gutachtens vom 23.07.2014). Wird damit aber einer anderen Sicherheitserwartung, nämlich derjenigen unter dem Aspekt des Luxationsrisikos Rechnung getragen, so wird die Bedeutung dieses Unterschiedes einer Gleitpaarung der Größe 36 mm im Verhältnis zu einer solchen kleinerer Größen auch mit Blick auf die daran zu stellenden Sicherheitserwartungen nicht dadurch gemindert, dass mit der Verwendung einer größeren Größe gleichzeitig einhergeht, dass die Pfanne und damit das Keramikinlay dünnerwandiger gestaltet werden muss. Hinzu kommt, dass ein Operateur die Entscheidung, ob eine Keramik/Keramik Gleitpaarung der Größe 36 mm oder eine solche eines kleineren Durchmessers besser geeignet ist, regelmäßig nach den physiologischen Voraussetzungen des jeweiligen konkreten Patienten und damit danach treffen wird, ob dieser wegen seiner größeren Beweglichkeit gerade des mit dem größeren Durchmesser der Gleitpaarung verbundenen Schutzes vor einer Luxationsgefahr bedarf. Auch dies spricht dafür, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Keramikinlay aus dem Material (X1) der Größe 36 mm um ein Produkt handelt, das nicht derselben Produktgruppe zuzuordnen ist wie ein Keramikinlay aus dem Material (X1) anderer, insbesondere kleinerer Größen.
Kommt danach aber für die Feststellung einer signifikanten Abweichung des streitgegenständlichen Keramikinlays von vergleichbaren Produkten die maßgebliche Bedeutung der Größe von 36 mm zu, so können derselben Produktgruppe auch nur in Keramik/Keramik-Gleitpaarungen von Hüftprothesen verwandte Keramikinlays dieser Größe 36 mm angehören. Auf der Grundlage dieses Vergleichsmaßstabes lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Bruchrate der von der Beklagten hergestellten Keramikinlays der Größe 36 mm in signifikantem Umfang von derjenigen von Keramikinlays der Größe 36 mm (anderer Hersteller) abweicht.
Dies gilt allerdings nicht erst deshalb, weil der Sachverständige Dr. K... in seinem Ergänzungsgutachten vom 15.06.2021 in Auswertung der Ergebnisse der …studie … zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Bruchrate der von der Beklagten hergestellten Inlays mit 0,82 % im Mittelfeld der Ergebnisse der Bruchraten von 0,21 % und 1,17 % aus in der Metastudie zusammengefassten vier Studien betreffend Keramikinlays der Größe 36 mm anderer Hersteller liegt. Käme es darauf an, könnten gute Gründe dafür sprechen, den Sachverständigen – wie von der Klägerin beantragt - eine Nachbegutachtung dahin vornehmen zu lassen, dass auf der Basis der Studie … auch solche Produkte einbezogen werden, die eine Versagensquote von „0“ aufweisen. Entscheidend ist vielmehr, dass es für belastbare Feststellungen, auf die eine Haftung der Beklagten für einen potenziellen Fehler des Keramikinlays der bei der Klägerin implantierten Hüftprothese gestützt werden könnte, an einer hinreichenden Datenbasis fehlt. Dies hat der Sachverständige Dr. K... zu Beginn der Erläuterung seines Gutachtens im Termin am 11.08.2021 (Bl. 1273 d.A.) eindrucksvoll dargestellt und dabei insbesondere geschildert, dass die Datenlage im Zeitraum bis 2011 – nur auf den Zeitraum bis zu diesem Jahr beziehen sich die Bruchraten der Beklagten für Keramikinlays der Größe 36 mm aus dem Material (X1) – gänzlich unzureichend gewesen sei und auch in der Folgezeit bis zur Einführung einer verpflichtenden Meldung aufgrund der neuen EU-Richtlinie Meldungen an die jeweiligen Hersteller und durch diese zum Register selten und zudem uneinheitlich erfolgt seien. Allein die auf der Grundlage der …studie … mögliche Auswertung einiger weniger - aus Sicht des Sachverständigen Dr. K... nur vier - verwertbarer Studien mit jeweils einer geringen Anzahl - zwischen 85 und 472 - von Gleitpaarungen der Größe 36 mm und einer entsprechend geringen - jeweils 1 Bruchereignis - Anzahl von Versagensfällen (S. 4 des Gutachtens vom 15.06.2021 (Bl. 1242 d.A.) liefert keine belastbaren Ergebnisse.
d) Selbst wenn man dieser Sichtweise nicht folgen und mit der Klägerin, deren Auffassung aufgrund seiner Erfahrungen in der Praxis von dem Sachverständigen Dr. K... geteilt wird, allein darauf abstellen wollte, dass sich die Sicherheitserwartungen des Verkehrs im Hinblick auf das Bruchrisiko von Keramikinlays einer Hüfttotalendoprothese nicht danach unterscheiden, ob eine Keramik/Keramik Gleitpaarung kleineren oder größeren Durchmessers implantiert wird, reicht die durch den Sachverständigen Dr. K... festgestellte Abweichung der Bruchrate der von der Beklagten hergestellten Keramikinlays aus dem Material (X1) der Größe 36 mm von der Bruchrate von Inlays aus demselben Material aller Größen nicht aus, um eine Haftung der Beklagten wegen eines potenziellen Fehlers zu begründen.
Zwar hat der Sachverständige Dr. K... insoweit in Auswertung der ….Studie … für Keramikinlays aus dem Material (X1) aller Größen unter Einbeziehung der von der Streithelferin zu 2. der Beklagten berichteten Daten im Mittel Bruchraten von 0,2 % ermitteln können (Ergänzungsgutachten vom 15.06.2021 - Bl. 1243 d.A.), was hinsichtlich der Anzahl der insoweit vorhandenen Daten hinreichend valide sein mag. Auch ergibt sich daraus verglichen mit der Bruchrate von 0,82 % (36 Brüche bei insgesamt 4.343 Implantationen) der streitgegenständlichen Keramikinlays der Größe 36 mm der Beklagten eine Versagensquote von mehr als dem Vierfachen. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine Haftung der Beklagten für einen potenziellen Fehler zu begründen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass danach zum einen auch bei Keramikinlays anderer Größen - was die Klägerin auch nicht in Abrede stellt - Brüche nicht zu 100 % ausgeschlossen sind, so dass die berechtigte Sicherheitserwartung im Sinne des § 3 ProdhaftG auch nicht dahin gehen kann, dass keinerlei Bruchrisiko besteht, zum anderen, dass auch eine Versagensquote von 0,82 % bedeutet, dass immerhin eine statistische Wahrscheinlichkeit besteht, dass bei mehr als 99 % der Implantationen kein Bruch auftreten wird, und schließlich, dass ein aus der erhöhten Bruchrate abzuleitender Verdacht eines Produktfehlers nicht ausschließt, dass das konkrete Produkt tatsächlich fehlerfrei ist. Vergegenwärtigt man sich dies, so ist die Situation eines Benutzers einer Hüfttotalendoprothese, auch wenn bei dieser das Risiko eines Bruchs des Pfanneninlays im Verhältnis zu anderen vergleichbaren Prothesen um mehr als das vierfache erhöht ist, nicht mit derjenigen eines Benutzers eines Herzschrittmachers oder Defibrillators vergleichbar, für den bereits der Verdacht eines ggf. todbringenden Produktfehlers die Notwendigkeit präventiver Gegenmaßnahmen in Form der Explantation begründet. Bei objektiver Betrachtung wird demgegenüber niemand, dem eine Hüftprothese implantiert wurde, allein aufgrund einer Wahrscheinlichkeit von 0,82 %, dass es zu einem Bruch des Pfanneninlays kommen könnte, einen präventiven operativen Austausch der implantierten Hüftprothese gegen eine solche mit einem geringeren Risiko des Bruchs des Pfanneninlays erwarten. Ebenso wenig entspricht es deshalb der mit der Richtlinie 85/374/EWG intendierten Gewährleistung einer gerechten Verteilung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller (EuGH, Urteil vom 05.03.2015 - C-503/13 und C-504/13 - Rn. 42, juris) allein aufgrund eines um das wenig mehr als Vierfache im Verhältnis zu vergleichbaren Produkten erhöhten, aber absolut gleichwohl geringen Risikos des Bruchs des Pfanneninlays einer Hüftprothese, den Hersteller gegenüber einem Geschädigten, bei dem sich das Risiko verwirklicht hat, haften zu lassen. Dafür bedürfte es, auch wenn man eine Gleichstellung eines potenziellen mit einem nachgewiesenen Produktfehler auch für Hüftimplantate aus den unter a) ausgeführten Gründen grundsätzlich als möglich erachtet, einer erheblich höheren Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts.
2. Der Beklagten kann auch kein Instruktionsfehler zur Last gelegt werden. Einen solchen kann die Klägerin insbesondere nicht daraus herleiten, dass die Beklagte sie über eine erhöhte Bruchanfälligkeit des bei der streitgegenständlichen Hüftprothese verwandten Kreamikinlays der Größe von 36 mm im Verhältnis zu einer Verwendung einer Keramik/Keramik Gleitpaarung mit einem Keramikinlay kleinerer Größe hätte aufklären müssen.
Zwar ist der Hersteller auch dann, wenn sich mit der Verwendung eines Produkts verbundene Gefahren nach dem Stand von Wissenschaft und Technik durch konstruktive Maßnahmen nicht vermeiden lassen oder konstruktive Gefahrvermeidungsmaßnahmen dem Hersteller nicht zumutbar sich und das Produkt trotz der von ihm ausgehenden Gefahren in den Verkehr gebracht werden darf, grundsätzlich verpflichtet, die Verwender des Produkts vor denjenigen Gefahren zu warnen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder nahe liegendem Fehlgebrauch drohen und die nicht zum allgemeinen Gefahrenwissen des Benutzerkreises gehören. Denn den Verwendern des Produkts muss eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber ermöglicht werden, ob sie sich in Anbetracht der mit dem Produkt verbundenen Vorteile den mit seiner Verwendung verbundenen Gefahren aussetzen wollen; sie müssen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, den Gefahren soweit wie möglich entgegenzuwirken. Dabei werden Inhalt und Umfang der Instruktionspflichten im Einzelfall wesentlich durch die Größe der Gefahr und das gefährdete Rechtsgut bestimmt. Je größer die Gefahren sind, desto höher sind die Anforderungen, die in dieser Hinsicht gestellt werden müssen. Ist durch ein Produkt die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit von Menschen bedroht, ist schon dann eine Warnung auszusprechen, wenn aufgrund eines ernst zu nehmenden Verdachts zu befürchten ist, dass Gesundheitsschäden entstehen können (vgl. zum Ganzen nur: BGH, Urteil vom 16.06.2009 – VI ZR 107/08 – Rn. 23/24).
Ein im vorgenannten Sinne ernstzunehmender Verdacht, dass allein deshalb, weil bei einer Keramik/Keramik Gleitpaarung der Größe 36 mm das Keramikinlay der Pfanne infolge Platzmangels dünnerwandiger hergestellt werden musste, über ein bei einer Hüftprothese generell bestehende - und deshalb sowohl dem Operateur als auch (ggf. vermittelt durch diesen) dem Patienten/Benutzer bekannte - hinausgehende erhöhte Risiko bestand, lässt sich jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Hüfttotalendoprothese nicht feststellen. Auch insoweit reicht allein die abstrakte Erkenntnis, dass ein Keramikinlay umso eher bricht je dünnerwandiger es ist, nicht. Dagegen spricht insbesondere, dass die Pfannen der Beklagten auch in einer Größe von 36 mm nach deren unwidersprochenem Vortrag die im Auftrag der Streithelferin zu 2. durchgeführten Bersttests bestanden haben und Bruchereignisse nach dem ebenfalls unstreitigen Vortrag der Beklagten trotz Verwendung seit 2005 (Anlage A 9; Bl. 894 a d.A.) erstmals im Jahr 2009 bekannt geworden sind.
3. Ein Fabrikationsfehler der konkreten bei der Klägerin implantierten Hüfttotalendoprothese, der ursächlich für den als solchem unstreitigen Bruch des Keramikinlays geworden wäre, lässt sich nicht feststellen.
a) Ein die Haftung der Beklagten begründender Fabrikationsfehler liegt nicht bereits deshalb vor, weil das bei der Klägerin explantierte Kreamikinlay einen Abstand von 0,65 mm zu dem oberen Metallrand des sog. „Hütchens“, d.h. der Metallummantelung, aufwies.Von diesem Befund ist zwar nach den - insoweit gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat bindenden - aufgrund der Aussage des Zeugen H... getroffenen Feststellungen des Landgerichts auszugehen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Würdigung der Aussage des Zeugen Dr. H... sind nicht ersichtlich und von der Beklagten oder ihren Streithelferinnen auch nicht vorgetragen. Dafür, dass dem Sachverständigen H... bei seinen Feststellungen anhand der konkreten Pfanne ein Messfehler unterlaufen ist, besteht ebenso wie dafür, dass das Inlay erst in Zusammenhang mit der Explantation in die Metallummantelung eingesunken sein könnte – wie die Beklagte mutmaßt -, keinerlei Anhaltspunkt. Allein damit, dass der im vorliegenden Rechtsstreit beauftragte Sachverständige Dr. B... infolge der zerstörenden Untersuchungen des Privatsachverständigen Dr. H... eigene Feststellungen zur Positionierung des Keramikinlays in dem Metallhütchen nicht mehr hat treffen können, lässt sich das Nichtvorliegen eines Fabrikationsfehlers deshalb nicht begründen.
Umgekehrt kommt es allerdings – entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht darauf an, ob der Sachverständige Dr. B... in seinem Gutachten vom 23.07.2014 auf hinreichend belastbarer Grundlage zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Einsinken des Inlays in die Metallummantelung um 0,65 mm, wäre es bereits durch zu tiefes Verpressen bei der Fertigung erfolgt, bei der Endkontrolle bemerkt und das Teil nicht zur Implantation freigegeben worden wäre. Insoweit - dies verkennt der Senat nicht - bestehen durchaus erhebliche Bedenken gegen die Überzeugungskraft der Feststellungen des Sachverständigen Dr. B..., hat er doch nach den in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K... vom 20.07.2020 getroffenen Feststellungen nicht beachtet, dass zum Zeitpunkt der Fertigung der streitgegenständlichen Hüftprothese zum Einpressen des Keramikinlays in die Metallummantelung die erstmals mit Schriftsatz vom 02.04.2020 der Beklagten vorgelegte Arbeitsanweisung (Anlage BLD 5 vom 15.09.2006; Bl. 1054 d.A.) galt und eine Kniehebelpresse ohne Drucksensor und ohne Höhenmessung und nicht diejenige Kniehebelpresse zum Einsatz gekommen ist, mit der die zur Erstattung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. B... vom 23.07.2014 reproduzierten Höhenmessungen durchgeführt worden sind.Die diesbezüglichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. B... sind im Übrigen bereits deshalb für die streitgegenständliche Problematik unerheblich, weil sie jeweils ein „Überstehen“ des Keramikinlays über den Rand der Metallummantelung beschreiben. Im vorliegenden Fall stehen jedoch ein um 0,65 mm unterhalb des Randes der Metallummantelung eingesunkenes Keramikinlay und die Auswirkungen dieses Einsinkens auf die Bruchanfälligkeit des Keramikinlays in Rede. Dies ist jedoch nicht von entscheidender Bedeutung und steht insbesondere nicht insgesamt der Brauchbarkeit der Feststellungen des Sachverständigen Dr. B... entgegen.
b) Entscheidend ist nämlich, dass sich nach den insoweit nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B... nicht feststellen lässt, dass der Umstand, dass das Inlay zum Zeitpunkt der Explantation um 0,65 mm in die Metallummantelung eingesunken war, Auswirkungen auf die Bruchsicherheit des bei der Klägerin implantierten Keramikinlays hatte.
Bereits in der ersten Instanz hat der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, das Keramikinlay werde – gleichgültig ob bei dem Verpressen im Rahmen der Fertigung, intraoperativ oder postoperativ infolge einer Einwirkung von Kräften bei Belastung – in jedem Fall so weit einsinken, bis ein Kraftschluss zwischen dem Kreamikinlay und der Metallummantelung vorliege, der eine ausreichend sichere Verbindung gewährleiste (S. 19 des Gutachtens vom 23.07.2014). Soweit die Klägerin geltend macht, das Keramikinlay könnte auch deshalb zu tief in die Metallummantelung eingesunken sein, weil ein Fehler bei der Fertigung der Metallummantelung aufgetreten sein könnte, indem die Titanlegierung in zu großen Schritten gewalzt worden sein könnte mit der Folge, dass sich die Metallummantelung nach der Fertigung in der Weise geweitet haben könnte, dass „die winklige Seitenwand einen minimal größeren Durchmesser“ eingenommen hat, „der aber für die Bruchempfindlichkeit der Keramik schon zu groß“ gewesen sein könnte, gilt nichts anderes. Auch ein solcher Fertigungsfehler bei der Herstellung der Metallummantelung hätte lediglich zur Folge gehabt, dass das Keramikinlay so tief in die Metallummantelung eingesunken ist, bis ein Kraftschluss zwischen Keramikinlay und Metallummantelung vorlag. Dass das Keramikinlay nicht kraftschlüssig, sondern etwa verkantet in die Metallummantelung eingesunken ist und Spannungen entstanden sind, die zum Bruch des Inlays geführt haben, hat der Sachverständige anhand der festgestellten gleichmäßigen Abriebspuren nachvollziehbar und überzeugend ausgeschlossen.
Das Einsinken des Keramikinlays in die Metallummantelung als solches könne jedoch – dies hat der Sachverständige im Rahmen der Anhörung durch den Senat im Termin am 14.02.2018 (Bl. 892 d.A.) erneut bestätigt – für den Bruch des Keramikinlays nicht ursächlich geworden sein, da nach dem Einsinken des Inlays bis zum Kraftschluss mit der Metallummantelung – wie auf der Skizze der Anlage A 18 zum Gutachten vom 23.07.2014 ersichtlich - konstruktiv zwischen dem Inlay und der Metallummantelung ein Abstand verbleibe. Dies habe zur Folge, dass bei Belastung durch den Hüftkopf am Boden des Inlays keine Druck-, sondern eine Zugbelastung entstehe. Angesichts dessen lasse sich Bruch des Keramikinlays der bei der Klägerin am 10.08.2007 implantierten Prothese auf sog. Mikroseparationen zurückführen, d.h. „den Vorgang eines Lösens des Kugelkopfes in der Entlastungsphase des Gelenks, wobei sich dieser geringfügig aus der Pfanne im Sinne einer Subluxation herausbewegt und beim Aufsetzen des Fußes – oft unter starker Belastung des Keramikinlays – wieder in die ursprüngliche Position gedrückt wird“ (Begriffserklärung S. 7 des Gutachtes vom 23.07.2014). Dies begründet der Sachverständige mit den in dem Gutachten des Sachverständigen H... dokumentierten Abriebspuren in Form eines sog „stripe wear“, die er auch selbst an den (bei der Akte befindlichen) Bruchstücken des Inlays und der Kugel hat feststellen können. Mikroseparationen führten – so der Sachverständige - typischerweise zu „stripe wear“ und im weiteren Verlauf zu Brüchen wie dem im vorliegenden Fall aufgetretenen (Gutachten vom 23.07.2014, S. 14). Letzteres hat der Sachverständige bereits auf S. 11 seines Gutachtens vom 23.07.2014 nachvollziehbar und überzeugend damit erklärt, dass Keramikmaterial vor allem durch seine Sprödigkeit bedingt anfällig auf Zugbelastungen reagiere, wie sie bei zentralem Druck des Keramikkopfes in die Pfanne (d.h. das Kreamikinlay) am Pfannenboden bei dem Zurückdrücken des Kugelkopfes im Rahmen von Mikroseparationen entstünden. Derartige Zugkräfte erklärten – so der Sachverständige Dr. B... - auch die zirkulär verlaufende Bruchlinie am Boden des bei der Klägerin reimplantierten Inlays, soweit diese – durch die zerstörende Prüfung des Vorgutachters bedingt – noch nachvollziehbar sei (Gutachten vom 23.07.2014, S. 11).
c) Nach den – auch insoweit überzeugenden – Ausführungen des Sachverständigen Dr. B... im Rahmen seiner mündlichen Beantwortung der ergänzenden Fragen des Senats im Termin am 14.02.2018 (Bl. 892 ff. d.A.) lässt sich auch nicht feststellen, dass der Umstand, dass das Inlay in einer Weise gefertigt worden ist, dass es überhaupt um (im Mittel) 0,65 mm in die Metallummantelung hat einsinken können, für das Auftreten der – wie ausgeführt – ihrerseits für den Bruch des Inlays ursächlichen Mikroseparationen kausal geworden ist oder diese im Sinne einer Mitursächlichkeit jedenfalls begünstigt hat.
Eine solche Mitursächlichkeit des Einsinkens des Inlays in die Metallummantelung um (im Mittel) 0,65 mm hat der Sachverständige – gleichgültig, ob dieses bereits im Fertigungsprozess oder, was durchaus möglich sei, infolge des Einschlagens in die Pfanne mittels Hammerschlägen während der Implantationsoperation eingetreten sei - im Hinblick auf die Ausführung des für das Auftreten von Mikroseparationen beeinflussenden Kapselbandapparats aus Sehnen und Bändern durch die Operateure mit der nachvollziehbaren Begründung ausgeschlossen, dass sich insoweit aufgrund des biologischen Materials nur Einflüsse im Bereich von Zentimetern, nicht jedoch im Bereich von Bruchteilen von Millimetern auswirken können.
Ebenso hat der Sachverständige mit der überzeugenden Begründung, dass Mikroseparationen oder Luxationen mangels Komprimierbarkeit des Inlays keine geometrischen Veränderungen in dem Inlay bewirken können, ausgeschlossen, dass Mikroseparationen oder Luxationen ihrerseits dafür ursächlich gewesen sein können, dass das Inlay (postoperativ) in die Metallummantelung eingesunken sein kann.
d) Ergibt sich danach jedoch aus den überzeugenden Feststellungen des Sachverständen Dr. B..., dass nicht das Einsinken des Inlays in die Metallummantelung, sondern das Versagen des Keramikmaterials des Inlays infolge von durch Mikroseparationen ausgelösten Zugkräften für den Bruch des Inlays ursächlich war, so kommt als weiterer im Verantwortungsbereich der Beklagten als Herstellerin der bei der Klägerin implantierten Hüfttotalendoprothese liegender möglicher Fabrikationsfehler lediglich noch in Betracht, dass das Keramikinlay entweder mit zu hohem oder mit zu geringem Druck in das Hütchen eingepresst worden sein könnte mit der Folge, dass es – sei es bereits bei der Fertigung oder sei es durch plötzliche Setzbewegungen im Rahmen der Implantationsoperation oder postoperativ - durch Druckbelastung zu Spannungen im Pol der Keramik gekommen sein könnte, die zu einem Anriss des Keramikinlays geführt haben könnten. Auch ein solcher den Schadenshypothesen des Sachverständigen Dr. K... (Gutachten vom 27.07.2020, S. 5/6) entsprechender Kausalverlauf lässt sich jedoch für die konkrete bei der Klägerin implantierte Hüftprothese jedenfalls nicht mehr feststellen.
Allein der Umstand, dass die Beklagte entsprechend der als Anlage BLD 5 vorgelegten Arbeitsanweisung vom 15.09.2006 (Bl. 1054 d.A.) zum Zeitpunkt der Fertigung der streitgegenständlichen Hüftprothese zum Einpressen des Keramikinlays in die Metallummantelung eine Kniehebelpresse ohne Drucksensor verwandt hat, lässt einen für eine solche Feststellung erforderlichen hinreichend sicheren Schluss auf eine Mitursächlichkeit für den konkret bei der Klägerin entstandenen Bruch des Inlays selbst in einer Gesamtschau mit dem zum Zeitpunkt der Explantation festgestellten Einsinken des Inlays in das Metallhütchen nicht zu. Insbesondere begründet die Änderung der Arbeitsanweisung und der technischen Ausstattung der Kniehebelpresse mit einem Drucksensor im Jahr 2009 ebenso wenig wie die gänzliche Einstellung der Herstellung von Keramikinlays für Hüfttotalendoprothesen mit Keramik/Keramikgleitpaarungen der Größe 36 mm aus dem Material (X1) ein hinreichendes Indiz dafür, dass ein im Jahr 2007 gefertigtes Inlay an einem Fabrikationsfehler litt. Eine weitere Aufklärung anhand der vorhandenen Explantate ist – dies hat der Sachverständige Dr. B... bereits in Bezug auf die von ihm getroffenen Feststellungen dargelegt - infolge deren Zerstörung nicht mehr möglich.
4. Auch ein für den Bruch des Keramikinlays der am 10.08.2007 bei der Klägerin implantierten Hüfttotalendoprothese ursächlich gewordener Konstruktionsfehler lässt sich nicht feststellen.
Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das Produkt schon seiner Konstruktion nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt. Zur Gewährleistung der erforderlichen Produktsicherheit hat der Hersteller bereits im Rahmen der Konzeption und Planung des Produkts diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur Vermeidung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind (BGH, Urteil vom 16.06.2009 - VI ZR 107/08 - Rn. 15). Erforderlich sind die Sicherungsmaßnahmen, die nach dem im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorhandenen neuesten Stand der Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich sind und als geeignet und genügend erscheinen, um Schäden zu verhindern. Dabei darf der insoweit maßgebliche Stand der Wissenschaft und Technik nicht mit Branchenüblichkeit gleichgesetzt werden; die in der jeweiligen Branche tatsächlich praktizierten Sicherheitsvorkehrungen können durchaus hinter der technischen Entwicklung und damit hinter den rechtlich gebotenen Maßnahmen zurückbleiben. Die Möglichkeit der Gefahrvermeidung ist gegeben, wenn nach gesichertem Fachwissen der einschlägigen Fachkreise praktisch einsatzfähige Lösungen zur Verfügung stehen (BGH a.a.O. Rn. 16). Für die Frage, ob eine Sicherungsmaßnahme nach objektiven Maßstäben zumutbar ist, ist insbesondere die Größe der vom Produkt ausgehenden Gefahr maßgeblich. Je größer die Gefahren sind, desto höher sind die Anforderungen, die in dieser Hinsicht gestellt werden müssen. Bei erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen sind dem Hersteller weitergehende Maßnahmen zumutbar als in Fällen, in denen nur Eigentums- oder Besitzstörungen oder aber nur kleinere körperliche Beeinträchtigungen zu befürchten sind. Des Weiteren sind für die Zumutbarkeit die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sicherungsmaßnahme, im Rahmen derer insbesondere die Verbrauchergewohnheiten, die Produktionskosten, die Absatzchancen für ein entsprechend verändertes Produkt sowie die Kosten-Nutzen-Relation maßgeblich (BGH a.a.O. Rn. 18).
a) Allein der Umstand, dass es überhaupt zu einem Bruch des Inlays gekommen ist, lässt – dies wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht - keinen Rückschluss auf das Vorliegen eines Konstruktionsfehlers zu. Es ist vielmehr unstreitig, dass zum Zeitpunkt der Implantation der Hüftprothese bei der Klägerin im August 2007 bei Keramik/Keramik-Gleitpaarungen von Kugelkopf und Pfanne (Keramikinlay) Brüche der Pfannen nicht gänzlich ausgeschlossen waren und es deshalb auch nicht der berechtigten Sicherheitserwartung im Sinne des § 3 Abs. 1 ProdhaftG entsprach, dass Brüche des Inlays mit 100%iger Sicherheit ausgeschlossen sein würden.
b) Ein Konstruktionsfehler kann – entgegen der Auffassung der Klägerin – aber auch nicht darin gesehen werden, dass die Beklagte für das Inlay das Material (X1) verwandt hat und nicht das Material (X2)
Zwar mag die Darstellung des Sachverständigen Dr. B... auf den Seiten 15 und 21 seines Gutachtens vom 23.07.2014, zum Zeitpunkt der Implantation bei der Klägerin im August 2007 habe es sich bei dem Werkstoff (X1) für das Keramikinlay um den ausschließlich zur Verfügung stehenden Werkstoff gehandelt, zumindest insofern zu relativieren sein, als unstreitig - und deshalb entgegen der Auffassung der Streithelferin zu 2. unter dem Gesichtspunkt der Zulassungsfähigkeit gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unproblematisch – ist, dass die Streithelferin zu 2. das Material (X1) bereits im Jahr 2004 auf den Markt gebracht hatte, was sich im Übrigen auch aus der dem Gutachten vom 23.07.2014 als Anlage A 6 beigefügten Broschüre der Streithelferin zu 2. (dort S. 11) ergibt. In dieser Broschüre stellt die Streithelferin zu 2. das Material (X2) auch selbst als ein Material dar, das geeignet ist, die Gefahr eines Bruchs des Keramikinlays zu vermeiden, da es – im Verhältnis zu dem bei der Klägerin verwandten Material (X1) - eine erhöhte Risszähigkeit und Bruchfestigkeit aufweise und damit in diesem Sinne weniger bruchanfällig sei (Dr. B... Gutachten vom 23.07.2014, S. 21).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Material (X2) im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der steitgegenständlichen Hüfttotalendoprothese vor August 2007 nach gesichertem Fachwissen der einschlägigen Fachkreise als praktisch einsatzfähige Lösungen zur Verfügung stand. Auch wenn die Fortentwicklung des Materials (X1) zu dem Material (X2) zumindest auch gerade dazu diente, Inlays mit geringeren Wandstärken anzubieten und die bei Pfannen größeren Durchmessers ab 36 mm bestehende Bruchgefahr zu vermindern, lässt dies weder den Schluss darauf zu, dass es bereits im Jahr 2007 gesichertem Fachwissen entsprach, dass das Material (X2) - was nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. K... (Ergänzungsgutachten vom 15.06.2021; Bl. 1243 d.A.) retrospektiv betrachtet ohnehin nicht der Fall ist - diese Erwartung tatsächlich erfüllte, noch dass es – worauf die Beklagte zu Recht hinweist - angesichts der Dauer der Zulassungsverfahren für entsprechende Medizinprodukte in im Jahr 2007 durch die Beklagte hergestellten Hüfttotalendoprothesen tatsächlich bereits hätte eingesetzt werden dürfen. Ebenso wenig lässt sich umgekehrt feststellen, dass es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, allein wegen der Existenz des Materials (X2) auf den Einsatz des bereits eingeführten und für ihre Produkte zugelassenen Materials (X1) gänzlich oder auch nur in solchen der mit größeren Pfannendurchmessern als 28 mm zu verzichten. Der bloße Umstand, dass der Geschäftsführer der Beklagten ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen diesem gegenüber im Jahr 2014 bekundet haben soll, dass die Versagensquote bei Inlays aus dem Material (X1) in einer Größe von 36 mm bei 0,5 % gelegen habe, während bei entsprechenden Inlays aus dem Material (X2) nach dessen Einführung bei der Beklagten – diese erfolgte nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien erst im Juni 2011 - kein einziger Versagensfall aufgetreten sei, besagt für den Erkenntnisstand im Jahr 2007 ebenso wenig wie die von der Klägerin vorgetragenen Bruchquoten für (X1)-forte Inlays von 0,0002 % nach (nicht datierten) Angaben der Streithelferin zu 2. oder Angaben in der Literatur von 0,0004 % aus dem Jahr 2014.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin vorgetragenen Rückrufaktionen. Soweit sich die Klägerin auf einen im Dezember 2007 erfolgten Rückruf der Fa. merete (K 7; Bl. 99 f. d.A.) bezieht, betrifft dieser Keramikköpfe – nicht Inlays/Pfannen – des Produkts Bioball, hat also bereits inhaltlich mit dem hier streitgegenständlichen Produkt nichts zu tun. Soweit die Klägerin vorträgt, die Beklagte habe - bezogen auf den Zeitpunkt der Implantation bei der Klägerin - „kurz darauf“ einen Vertriebsstopp für (X1) Inlays angeordnet, trifft dies – wie ausgeführt - nicht zu; der Vertriebsstopp (nicht Rückruf) der Beklagten für Inlays der Größe 36 mm aus dem Material (X1) verbunden mit dem Angebot solcher Inlays nur noch aus dem Material (X2) erfolgte unstreitig erst im Juni 2011, d.h. fast vier Jahre nach der Implantation bei der Klägerin.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Sache weist grundsätzliche Bedeutung auf, da sich die Fragen einer Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum potenziellen Fehler auf andere Produkte im Allgemeinen und deren Begrenzung durch die Zuordnung zur selben Produktgruppe oder Produktserie in einer Vielzahl von Fällen stellen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 95.000 € festgesetzt.