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Entscheidung OVG 4 S 53/21


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 09.05.2022
Aktenzeichen OVG 4 S 53/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0509.OVG4S53.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Die Ministerin der Justiz des Landes Brandenburg muss nicht persönlich den Abbruch eines Richterbeförderungsverfahrens beschließen.
Die gesetzliche Frist zur Begründung einer Beschwerde (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) ist nicht mittels eines Antrags auf Einsichtnahme in noch beizuziehende Verwaltungsakten verlängerbar.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25. November 2021 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Dabei ist die Begründungsfrist von einem Monat zu beachten (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Die – vom Antragsteller beantragte – Verlängerung dieser gesetzlichen Frist durch das Gericht ist ausgeschlossen, weil es insoweit an der besonderen Bestimmung im Gesetz fehlt (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO). Der Antragsteller strebt die Verlängerung an, um über eine vom ihm verlangte Beiziehung zahlreicher, von ihm nur teilweise bestimmter Unterlagen und Akten des Antragsgegners Akteneinsicht zu erhalten und gegebenenfalls weitere Argumente vorbringen zu können. Das Oberverwaltungsgericht hat derartige Ermittlungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht zu fördern, weil es gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die rechtzeitig dargelegten Gründe prüfen darf. Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht zu Recht den Antrag des Richters am Sozialgericht zurückgewiesen, dem Antragsgegner mittels einstweiliger Anordnung die Fortsetzung des mit der Ausschreibung vom 15. Februar 2018 eröffneten Stellenbesetzungsverfahren zur Vergabe einer Stelle als weitere(r) aufsichtführende(r) Richter(in) am Sozialgericht aufzugeben.

Das Verwaltungsgericht, dem der Antragsgegner neben Ablichtungen aus Behördenakten mit Schreiben vom 30. März 2021 den darin ausdrücklich genannten einbändigen Vorgang 2... übersandte, hat auf dieser Grundlage und nach Erhalt der beiderseitigen Schriftsätze und deren Anlagen entschieden, dass der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens wirksam durch die Staatssekretärin beschlossen wurde, ohne den Richterwahlausschuss möglich war sowie eine in formeller Hinsicht hinreichende und in materieller Hinsicht nicht zu beanstandende Begründung aufweist.

Der Antragsteller tritt dem binnen Monatsfrist in einer sechsunddreißigseitigen Begründung und später in zwei jeweils fünfseitigen Ergänzungen, zuletzt am 4. Mai 2022 entgegen. Er meint im Wesentlichen immer mit längeren Ausführungen, dass das Verwaltungsgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht festgestellt, Akten nicht beigezogen und Einsicht nicht gewährt habe, ist der Auffassung, eine Abbruchentscheidung liege nicht vor und sei nicht von der Staatssekretärin getroffen worden, hält die Ministerin für zuständig, den Abbruch vorzunehmen, jedenfalls nicht den handelnden Referatsleiter anstelle des Abteilungsleiters, vermisst des Weiteren eine hinreichende Dokumentation der Abbruchgründe und auch Transparenz in Fragen seiner dienstlichen Beurteilung und hält schließlich den Abbruch für materiell rechtswidrig. Dazu führt er im Wesentlichen jeweils ausführlich an, der Abbruch hätte nicht erst sechs Monate nach dem Senatsbeschluss vom 7. August 2020 ergehen dürfen; wenn von einem Mangel die Rede wäre, hätte er im Verfahren geheilt werden können; der Abbruch lasse sich vorliegend weder auf die Erwägung stützen, eine hinreichende Zahl leistungsstarker Bewerber zu gewinnen, noch auf die Hoffnung, nach längerer Zeit neue Bewerber zu erhalten; auch sei eine manipulative Beeinflussung des bisherigen Bewerberfeldes anzunehmen.

Die Rüge des Antragstellers, das Verwaltungsgericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, überzeugt nicht. Das Verwaltungsgericht hatte nach der von ihm zugrunde gelegten Rechtsauffassung keine Veranlassung, weitere Ermittlungen über die Genese der Abbruchentscheidung anzustellen und dazu Akten und Unterlagen beizuziehen. Es hat vielmehr auf der Grundlage insbesondere des eingereichten Verwaltungsvorgangs, in welchem die Abbruchentscheidung enthalten ist, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes alsbald entscheiden dürfen und müssen, um die gebotene zeitnahe Klärung (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 22 f.) zu bewirken. Sollte das mit einer Beschwerde angerufene Oberverwaltungsgericht zu einer anderen Rechtsauffassung kommen, auf deren Grundlage weitere Tatsachen zu ermitteln wären, gilt für die zweite Instanz anderes (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 90 ff.).

Die weitere Beschwerdebegründung zeigt insgesamt nicht auf, dass der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens nicht existiert, unwirksam, rechts- oder ermessensfehlerhaft ist.

Der Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens ist kein Verwaltungsakt (§ 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 35 VwVfG), sondern eine verwaltungsinterne Organisationsentscheidung, über die die Bewerber von der Behörde zu informieren sind (BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 2 VR 3.20 – juris Rn. 12, 15). Ein Verwaltungsverfahren ist, selbst wenn es auf den Erlass eines Verwaltungsakts oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags hinausliefe, an bestimmte Formen grundsätzlich nicht gebunden und einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen (§§ 9 f. VwVfG). Das gilt erst recht bei einem Verwaltungsverfahren, das nach außen hin mit nicht mehr als einer Information abschließt. Handelt es sich um eine verwaltungsinterne Entscheidung, ist rechtlich unbedeutend, wer darüber nach außen hin informiert. Darauf weist der Antragsgegner zutreffend hin.

Der Antragsteller zeigt keinen Zuständigkeitsfehler bei der verwaltungsinternen Organisationsentscheidung auf. Die von ihm angeführte Gemeinsame Geschäftsordnung ist eine Verwaltungsvorschrift, bei welcher der Senat offenlassen kann, ob die Einhaltung aller oder einzelner dort enthaltener Bestimmungen drittschützende Wirkung hat. Denn bei Verwaltungsvorschriften ist grundsätzlich nicht der Wortlaut der Regelung maßgeblich, sondern ihre Anwendung in der Verwaltungspraxis (BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 1 WB 15.17 – juris Rn. 29). Insofern ist es möglich und angesichts der Grundstrukturen deutscher Behörden ohne Weiteres plausibel, wenn der Antragsgegner „die Schlusszeichnung und damit die Verantwortungsübernahme für die getroffene Entscheidung“ immer als Maßnahme von demjenigen ansieht, „der in der Verwaltungshierarchie in Bezug zu den übrigen abzeichnenden Amtsträgern an der höchsten Stelle steht“ (Schriftsatz vom 1. April 2022).

Das Beharren des Antragstellers auf der Zuständigkeit des Dienstherrn ist unergiebig, weil es sich dabei, wie der Antragsteller selbst erkennt, um das Land Brandenburg handelt (vgl. § 3 DRiG), eine juristische Person, die durch ihre Organe handelt. Die Ministerin hat keine „Dienstherreneigenschaft“; der Antragsteller benennt für seine gegenteilige Rechtsauffassung keine Norm. Die Ministerin hat auch nicht notwendig als Organ für das Land handeln müssen. Der Antragsteller verwechselt die Leitung des Ministeriums durch die Ministerin (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GGO) mit der Höchstpersönlichkeit der Geschäftserledigung durch die Ministerin. Die Ministerin muss nur in den Fällen des § 11 Abs. 1 Satz 1 GGO oder nach spezialgesetzlicher Vorgabe einen Vorgang persönlich unterzeichnen. Der Abbruch eines einzelnen Stellenbesetzungsverfahrens fällt nicht unter § 11 Abs. 1 Satz 1 GGO; er ist weder ein Dokument von grundsätzlicher Bedeutung, das sich grundsätzlich auf eine Mehrzahl von Angelegenheiten von höherem Gewicht beziehen müsste, noch eine Vorlage oder wichtige Mitteilung an Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und ausländischer Staaten oder andere Mitglieder der Landesregierung.

Für seine abweichende Auffassung beruft sich der Antragsteller zu Unrecht auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs München vom 11. August 2015 – 6 CE 15.1379 –. Das Gericht hat entschieden, dass im Fall einer Bundesrichterbeförderung das Bundesministerium der Justiz wie schon für die Auswahlentscheidung, so auch für die Abbruchentscheidung zuständig sei und nicht etwa der Präsident des Bundesfinanzhofs (juris Rn. 18 f.). Das Gericht stellt keinen Rechtssatz auf, wer innerhalb des Ministeriums zu entscheiden habe. Davon abgesehen ist der Beschluss zum Bundesrecht und nicht zum brandenburgischen Recht ergangen. Der weitere Verweis des Antragstellers auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2012 – 2 A 7.09 – juris Rn. 27 gibt für seine Rechtsauffassung, die Ministerin hätte handeln müssen, ebenso wenig her, weil in der von ihm zitierten Randnummer lediglich von der Abbruchzuständigkeit des Dienstherrn, also der juristischen Person, und noch nicht einmal von einer zuständigen Behörde die Rede ist. Auch der vom Antragsteller bemühte Gedanke des actus contrarius führt nicht weiter, wenn das geschriebene Recht differenzierende Regeln bereitstellt. Nach § 11 Abs. 1 BbgRiG entscheidet das zuständige Mitglied der Landesregierung, hier die Justizministerin, über die Einstellung, die erstmalige Berufung in ein Richterverhältnis auf Lebenszeit, die Versetzung und über die Ernennung, durch die ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes verliehen wird, gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss. Muss die Ministerin diese Angelegenheiten selbst erledigen, gilt das nicht in allen anderen Richterangelegenheiten (argumentum e contrario). Das gleiche gilt für den Richterwahlausschuss, der in anderen als den ihm zugewiesenen Angelegenheiten nicht befasst zu werden braucht.

Muss die Ministerin nicht eigenhändig unterschreiben, gilt nach § 11 Abs. 1 Satz 2 GGO, dass die Bearbeiterin oder der Bearbeiter die von ihr oder ihm verfassten Dokumente grundsätzlich selbst unterzeichnet, es sei denn, die Schlusszeichnung ist einer oder einem Vorgesetzten vorbehalten. Zeichnet eine andere Person als die Ministerin, so kennzeichnet der Zusatz „in Vertretung“ oder „im Auftrag“ (§ 11 Abs. 5 Satz 1 GGO), dass die Person für die Ministerin als Leitung des Ministeriums handelt. Die Ministerin ist rechtlich nicht gehalten, von allen derartigen Vorgängen vorab Kenntnis zu nehmen oder sie gar zu billigen.

Der Abbruchvermerk mit Verfügung und Entwurf von Schreiben an den Antragsteller und die Präsidentin des Landessozialgerichts stammt von der Referentin R..., einer abgeordneten Richterin am Amtsgericht, aus dem Referat I.1, das von Ministerialrat K... geleitet wird. Das Referat trägt im Organigramm des Ministeriums die Bezeichnung „Personalangelegenheiten des höheren Dienstes“. Mit Blick darauf und die Bezeichnungen der weiteren Referate sind die Zweifel des Antragstellers an der Zuständigkeit dieses Referats zur Bearbeitung von Richterstellenbesetzungsverfahren nicht nachvollziehbar. Frau R...hat den Text unter dem Datum 26. Januar 2021 verfasst und an dessen Ende auf Seite 12 unterschrieben. Der Referatsleiter entsprach am folgenden Tag der Bitte um Billigung. Die Unterschriftenleiste enthält weitere Personen, die um Kenntnisnahme, Mitzeichnung, Billigung und Zeichnung gebeten wurden und dem nachkamen. Als letztes lag die Abbruchentscheidung der Staatssekretärin am 2. Februar 2021 vor. Sie bat um Rücksprache („b.R.“). Es folgte die Hinzufügung „erl.“, was für erledigt steht. Die Staatssekretärin unterstrich das Wort „Billigung“ und paraphierte diese Entscheidung am 4. Februar 2021. Sie benutzte stets einen Rotstift. Das nachfolgend in der Akte befindliche Informationsschreiben trägt das Datum 4. Februar 2021 und ist vom Referatsleiter „im Auftrag“ gezeichnet. Der Entwurf hatte noch vorgesehen, dass der Abteilungsleiter I unterschreibt. Der Referatsleiter I.1 handelte als Vertreter des im Urlaub befindlichen Abteilungsleiters I, wie der Antragsgegner mitgeteilt hat.

Billigt die Staatssekretärin den Abbruch, ist das nach Wortlaut und Verwaltungspraxis mehr als eine Kenntnisnahme. Denn nach § 9 Abs. 3 GGO entscheidet die federführende Stelle auf Grundlage des Geschäftsverteilungsplans über Art und Umfang der Beteiligung anderer Organisationseinheiten, soweit hierzu keine gesonderten Regelungen bestehen. In dieser Vorschrift wird nicht bestimmt, dass andere Organisationseinheiten nicht höherrangig sein dürfen. Die Beteiligung geschieht in der Regel durch Mitzeichnung. Die mitzeichnende Stelle übernimmt die fachliche Verantwortung für den von ihr vertretenen Aufgabenbereich (§ 9 Abs. 3 Satz 4 GGO). Billigt die Staatssekretärin ein Vorhaben, übernimmt sie die Verantwortung im größeren Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 3, 5 GGO. Insofern stimmt die vom Antragsgegner benannte Verwaltungspraxis, wonach „die Schlusszeichnung und damit die Verantwortungsübernahme für die getroffene Entscheidung“ bei der Staatssekretärin als der höchsten abzeichnenden Stelle anzusiedeln sei, mit der Gemeinsamen Geschäftsordnung überein. Der Staatssekretärin lag auch der Entwurf des Schreibens an den Antragsteller vor. Sie muss ihre Billigung nicht mit vollständiger Namensunterschrift zum Ausdruck bringen; es reicht eine Paraphe in der Farbe Rot (vgl. GGO, Anlage 3, Nr. 2.4, siehe auch Nr. 5 zur Abweichungsbefugnis). Eine solche findet sich auf dem Vorgang.

Der Abbruch genügt den formellen Anforderungen. Er muss den Bewerbern rechtzeitig mitgeteilt werden. Das verlangt einen engen Zusammenhang zwischen der Abbruchentscheidung und der Information, hingegen grundsätzlich nicht zwischen dem Auftreten des Abbruchgrunds und der Abbruchentscheidung. Zudem muss der für den Abbruch maßgebliche Grund, sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden, damit die Bewerber in die Lage versetzt werden, mittels Akteneinsicht sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob sie Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 – juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 20 und 34; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2020 – OVG 4 S 24/20 – juris Rn. 11 und Beschluss vom 12. Dezember 2021 – OVG 4 S 48/21 – juris Rn. 5). Der Dienstherr wird nicht mehr mit einer Begründung gehört, die sich erst aus dem gerichtlichen Verfahren ergibt (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 – juris Rn. 25). Er darf seine Erwägungen nachträglich allenfalls ergänzen, hingegen nicht nachholen oder austauschen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 23).

Der Vermerk vom 26. Januar 2021 enthält auf den Seiten 2 ff. eine Begründung für den Abbruch. Die dort niedergelegte tragende Erwägung findet sich auch im Informationsschreiben an den Antragsteller. Der Antragsteller irrt darin, dass dieser Vermerk formell unzureichend sei und nicht den sachlichen Grund überprüfbar dokumentiert habe. Geboten ist grundsätzlich nur die schriftliche Fixierung der wesentlichen Erwägungen, nicht die Dokumentation der Grundlagen, auf denen die den Abbruch tragenden Erwägungen aufbauen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 34). Ausnahmsweise kann sogar der für sich selbst sprechende Verwaltungsvorgang ohne jede Begründung ausreichen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2011 – 2 BvR 1181/11 – juris Rn. 23). Die Spekulation des Antragstellers, es könne neben den von Frau R... am 26. Januar 2021 vermerkten und von Vorgesetzten bis hin zur Staatssekretärin gebilligten Abbruchgründen noch weitere, womöglich allein maßgebliche Abbruchgründe geben, ist unerheblich, weil es nach den genannten Maßstäben für die Überprüfung einzig auf die Begründung im Abbruchvermerk ankommt.

Der Antragsteller rügt des Weiteren hinsichtlich der neuen Erstellung der dienstlichen Beurteilungen eine Verletzung des „Transparenzgebots“, das er aus Nr. 1 der Anlage 3 (Richtlinie für die Vorgangsbearbeitung) zur GGO herleitet, wegen eines nicht unterschriebenen und datierten Vermerks des Ministeriums auf einem Schreiben des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. August 2020. Dort heißt es, die Präsidentin des Landessozialgerichts veranlasse die Neuerstellung der Beurteilungen (Anlassbeurteilungen des Antragstellers und der Mitbewerberin H...). Der Antragsteller trägt dazu vor, die Präsidentin habe in einem Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 21. Juli 2021 bestritten, persönlich eine solche Zusage gemacht zu haben. Der Antragsteller verdeutlicht in seiner Beschwerdebegründung nicht, wie sich dieser Umstand aus dem Sommer 2020 auf den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens am 4. Februar 2021 auswirken könnte. Er führt lediglich an, das Verwaltungsgericht habe nicht begründet, warum dieser Umstand rechtlich belanglos sein solle. Der Antragsteller ist hingegen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gehalten darzulegen, warum dieser Umstand belangvoll sei. Das versteht sich nicht von selbst, denn im Abbruchvermerk wird als „Anlass und Sachverhalt“ mitgeteilt, die Bewerberin habe offenbar mit Blick auf ihre aussichtsreiche Bewerbung um eine Stelle im Landessozialgericht ihre Bewerbung zurückgenommen und der Antragsteller verbleibe nunmehr als einziger Bewerber im Bewerberfeld. Das Rücknahmeschreiben datiert vom 11. Januar 2021. Damit hatte sich im Vergleich zum Sommer 2020 die Sachlage geändert.

Auch die Einwände des Antragstellers gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Abbruch sei materiell rechtmäßig, überzeugen nicht. Er beruft sich auf eine Reihe von Entscheidungen, ohne die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats in den Blick zu nehmen. Danach ist ein sachlicher Grund für den Abbruch eines Auswahlverfahrens unter anderem gegeben, wenn der Dienstherr den unverändert bleibenden Dienstposten weiterhin vergeben will, aber den Ausgang des ersten Auswahlverfahrens als unbefriedigend empfindet oder das bisherige Verfahren nach seiner Einschätzung an nicht behebbaren Mängeln mit der Folge leidet, dass eine den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werdende Auswahlentscheidung allein in einem weiteren Auswahlverfahren denkbar erscheint (BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 2 VR 3.20 – juris Rn. 13). Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Neustart auch ohne Mängel des bisherigen Verfahrens allein zur Verbesserung eines unbefriedigenden Bewerberfeldes möglich sei, baut auf älteren Entscheidungen des höchsten Verwaltungsgerichts auf, denen sich der erkennende Senat bereits angeschlossen hatte. Im Beschluss vom 17. Juni 2020 – OVG 4 S 24/20 – (darauf Bezug nehmend: Beschluss vom 15. Dezember 2021 – OVG 4 S 48/21 – juris Rn. 8) heißt es (juris Rn. 12):

„Der Dienstherr bedarf für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens eines sachlichen Grundes, der den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügt. Er darf das Auswahlverfahren unter anderem dann abbrechen, wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerberinnen und Bewerber zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 19; Beschluss vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2.15 – juris Rn. 18), er den Ausgang des ersten Auswahlverfahrens als unbefriedigend empfindet (BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 2 VR 4.18 – juris Rn. 18). Erscheint das verbliebene Bewerberfeld nicht als hinreichend leistungsstark, darf der Dienstherr den Versuch unternehmen, durch eine neue Ausschreibung noch besser qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen. Unsachlich wäre der Abbruch hingegen, wenn er in der Zielrichtung erfolgt, einen unerwünschten Kandidaten oder eine unerwünschte Kandidatin aus leistungsfremden Erwägungen auszuschließen (Senatsbeschluss vom 27. Mai 2020 – OVG 4 S 21/20 – Beschlussabdruck S. 3; Bodanowitz, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und Richter, Stand April 2020, Rn. 197a). Genügt eine Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßstäben fortzusetzen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 19).“

Diesen Anforderungen trägt die Abbruchentscheidung des Antragsgegners Rechnung. Er bezieht sich auf den Beschluss des Senats vom 7. August 2020 – OVG 4 S 17/20 –, der einem Stoppantrag des Antragstellers in diesem Stellenbesetzungsverfahren entsprach, und erwägt ausführlich, dass ein Abbruch nicht aus verfahrensbezogenen Gründen angezeigt sei, weil weder der Antragsteller nur eingeschränkt geeignet wäre noch die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens für ausschlaggebend gehalten werden sollte. Der Antragsgegner stellt sodann darauf ab, dass sich der Bewerberkreis nach dem Zurücktreten eines Mitbewerbers im November 2018 und der ursprünglich ausgewählten Mitbewerberin (im Januar 2021) nunmehr um 2/3 verringert habe mit einem verbliebenen Bewerber. Mit Blick auf den Zeitablauf von nunmehr fast drei Jahren seit der Ausschreibung sei auch zu erwarten, dass sich durch eine erneute Ausschreibung der Bewerberkreis vergrößere.

Dagegen ist nach den oben genannten Maßstäben gerichtlich nichts zu erinnern. Der Dienstherr benötigt nur einen sachlichen, nicht einen zwingenden Grund. Wie das Bundesverwaltungsgericht jüngst verdeutlicht hat, ist der Abbruch zur Ausweitung des Bewerberfelds bereits möglich, wenn der Dienstherr den Ausgang des ersten Auswahlverfahrens als unbefriedigend „empfindet“. Das Gericht räumt dem Dienstherrn, wenn es auf dessen Empfindung abhebt, eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative ein. Deswegen ist entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht eine genaue Überprüfung der Erforderlichkeit des Abbruchs und der Leistungsstärke der vorhandenen Bewerber geboten. Der Dienstherr darf bei seiner Einschätzung erwägen, ob angesichts des potentiellen Bewerberfeldes mit nennenswerten Bewerbungen zu rechnen ist. Jedenfalls ist, anders als der Antragsteller meint, der Dienstherr nicht verpflichtet, ein Verfahren mit einem nur noch schmalen Bewerberfeld zum Abschluss zu bringen, nur weil er sich in ähnlichen Verfahren früherer Jahre so verhalten haben mag. Es versteht sich von selbst, dass sich mit einem zunehmenden Abstand vom Tag der Ausschreibung das potenzielle Bewerberfeld personell verändert durch Fluktuation und dadurch, dass jüngere Richterinnen und Richter bewerbungsreif geworden sind. Ob sich das Verfahren aus Gründen in die Länge gezogen hatte, die in der Sphäre des Dienstherrn liegen oder anderweit zu erklären sind, ist unerheblich. Denn Art. 33 Abs. 2 GG dient, was das Bundesverfassungsgericht voranstellt, zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes und trägt zum anderen dem berechtigten Interesse der Richter und Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen Rechnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 31). Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht gefolgert, dass auch die Rechte von in der Zwischenzeit möglicherweise hinzugekommenen weiteren Bewerbern beachtet werden müssen, die in eine Beförderungsauswahl einbezogen werden wollen (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 A 5.18 – juris Rn. 31).

Nichts deutet darauf hin, dass der Antragsteller aus leistungsfremden Kriterien ausgeschlossen werden solle. Die Spekulation des Antragstellers, warum die Mitbewerberin ihre Bewerbung zurücknahm, legt einen Missbrauch zu seinem Nachteil nicht nahe. Deren Rücknahmeschreiben enthält keine Begründung. Der Aktenvermerk verweist auf die gute Aussicht der Mitbewerberin, an das Landessozialgericht befördert zu werden. Wenn der Antragsteller fragt, woher die Referentin R... die Erfolgsaussichten einschätzen könne, scheint er die Zuständigkeit des Referats I.1 für die Vorbereitung von Personalentscheidungen des höheren Dienstes zu verkennen. Dort liegen die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber vor. Es ist auch denkbar und teilweise üblich, einem aussichtsreichen Bewerber im zeitlichen Zusammenhang mit der Befassung des Präsidialrats Mitteilung zu machen. Es ist zudem in der Justiz bekannt, dass Beförderungsaspiranten sich auf mehrere ausgeschriebene Stellen zugleich bewerben und ihre Präferenz nicht selten danach ausrichten, bald und nicht erst nach ungewiss langer Zeit befördert zu werden.

Die weiteren Ausführungen des Antragstellers unter D.4. der Beschwerdebegründung befassen sich mit der für fehlerhaft erachteten dienstlichen Beurteilung der ursprünglichen Mitbewerberin. Das Vorbringen geht an der Begründung des Abbruchs dieses Verfahrens vorbei, der vom Antragsgegner vorgenommen wurde, nachdem die Mitbewerberin ihre Bewerbung zurückgenommen hatte.

Schließlich ist es nicht zu erwarten, dass der Antragsgegner die erneute Ausschreibung der Stelle eines/einer weiteren aufsichtführenden Richter(in) am Sozialgericht mit einem speziellen dienstpostenbezogenen Anforderungsprofil versieht, das der Antragsteller nicht erfüllt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 – juris Rn. 18). Eine derartige Ausschreibung einer Richterstelle ist kaum vorstellbar. Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, sich zu bewerben. Ist er der bestgeeignete Bewerber, wird er sich durchsetzen.