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Entscheidung 7 L 82/22


Metadaten

Gericht VG Cottbus 7. Kammer Entscheidungsdatum 28.04.2022
Aktenzeichen 7 L 82/22 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0428.7L82.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.035,85 € festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 18. Februar 2022 gegen die Nummer 1 der Ordnungsverfügung vom 26. Januar 2022 wiederherzustellen und gegen die Nummern 4 und 5 anzuordnen,

bleibt ohne Erfolg.

Der Antrag war entsprechend der §§ 122 Abs. 1, 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der oben genannten Weise auszulegen, denn da der Antragsteller sein Begehren nicht begrenzt hat, geht es ihm darum, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung vom 26. Januar 2022 insgesamt zu erlangen. Hinsichtlich der Nummer 1 der Verfügung entfällt die aufschiebende Wirkung aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in der Nummer 2 der Verfügung, so dass der Antragsteller insoweit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begehrt. Demgegenüber entfällt die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Nummer 4 der Verfügung wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 16 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Landes Brandenburg (VwVG BB) und hinsichtlich der Gebührenforderung in Nummer 5 der Verfügung wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, da es sich dabei um die Anforderung von öffentlichen Abgaben handelt. Diesbezüglich begehrt der Antragsteller daher die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Der so verstandene Antrag ist hinsichtlich der begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung unzulässig; hinsichtlich der begehrten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist er unbegründet.

Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohung begehrt, ist der Antrag unzulässig, da es insoweit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Zwar ist davon auszugehen, dass weder die freiwillige Befolgung eines Verwaltungsakts noch dessen zwangsweise Vollziehung im Regelfall zu seiner Erledigung führen. Dieser Grundsatz beansprucht jedoch nur dann Geltung, wenn der Verwaltungsakt mit einer im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts fortdauernden Beschwer einhergeht, was etwa bei einer mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchzusetzenden Grundverfügung der Fall ist. Demgegenüber hatte sich die Androhung von Verwaltungszwang mit der bereits erfolgten Abgabe des Führerscheins beim Antragsgegner erledigt. Daher kommt es auf den – zutreffenden – Einwand des Antragstellers, dass es hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins in Nummer 3 der Verfügung an einem entsprechenden Grundverwaltungsakt fehlte, nicht mehr an.

Soweit der Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Gebührenfestsetzung in Nummer 5 des Bescheides gerichtet ist, ist er ebenfalls unzulässig, da ihm insoweit § 80 Abs. 6 VwGO entgegensteht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides über die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO nicht, wenn 1. die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder 2. die Vollstreckung droht. Dabei handelt es sich um Zugangsvoraussetzungen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht vorgelegen haben müssen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn.185).

Diese Zugangsvoraussetzungen waren indes im vorliegenden Fall nicht gegeben. Eine (ganz oder teilweise) ablehnende Entscheidung des Antragsgegners über einen Aussetzungsantrag des Antragstellers lag zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht am 10. März 2022 nicht vor, weil der Antragsteller bis dahin lediglich Widerspruch und auch ausweislich dessen Begründung gerade keinen Aussetzungsantrag hinsichtlich der Gebührenentscheidung beim Antragsgegner gestellt hatte (im Widerspruchsschreiben vom 18. Februar 2022 wurde lediglich beantragt, „die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung aufzuheben“).

Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ausnahme vom Erfordernis der erfolglosen Durchführung eines behördlichen Aussetzungsverfahrens im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO sind hier gleichfalls nicht gegeben. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO kommt mangels der Stellung eines Aussetzungsantrages von vornherein nicht in Betracht. Aber es drohte zum Zeitpunkt der Antragstellung auch keine Vollstreckung. Eine Zahlungsaufforderung und selbst eine Mahnung der Behörde reichen nicht für die Annahme aus, dass eine Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO droht (vgl. Oberverwaltungsgericht Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2004 - 2 B 49/04 -, juris). Darüber noch hinausgehende Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstige konkrete Vorbereitungshandlungen der Behörde für eine alsbaldige Durchsetzung der Nummer 5 des streitgegenständlichen Bescheides lagen zum bereits genannten maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht nach Aktenlage nicht vor.

Im Übrigen ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO zwar statthaft und auch sonst zulässig, aber unbegründet.

In formaler Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nummer 2 der Verfügung nicht zu beanstanden, insbesondere ist das Vollziehungsinteresse einzelfallbezogen begründet worden und genügt damit dem Formerfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO. Gegenteiliges ist auch vom Antragsteller nicht vorgetragen worden.

In materieller Hinsicht fällt die vom Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Nach dieser Norm kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in dem Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft unter Würdigung aller einschlägigen Gesichtspunkte eine eigene Ermessensentscheidung und hat zunächst zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind: Ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes fehlt regelmäßig, wenn sich dieser bereits im Rahmen einer summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist; demgegenüber überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse eines Antragstellers, von der Vollziehung des Verwaltungsaktes vorläufig verschont zu bleiben, wenn die Regelung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist und ein besonderes Vollzugsinteresse hinzutritt. Letzteres ist hier der Fall.

Rechtsgrundlage für die in Nummer 1 des Bescheides vom 26. Januar 2022 geregelte Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl. I S. 310), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2021 (BGBl. I S. 3108) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 12. Juli 2021 (BGBl. I S. 3091). Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Die Nichteignung muss im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung positiv festgestellt sein. Unter welchen Voraussetzungen der Betäubungsmittelkonsum zur Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen führt, wird unter Nummer 9 dieser Anlage 4 näher bestimmt. Danach schließt die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung aus (Nr. 9.1), wobei nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg eine für die Vergangenheit einmalig nachgewiesene Einnahme von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis) nach der normativen Wertung des Verordnungsgebers für den Regelfall eine hinreichende Prognosegrundlage für einen künftigen eignungsausschließenden Drogenkonsum darstellt, ohne dass es der Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens bedarf (vgl.Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Juni 2009 – OVG 1 S 97.09 –, juris, Rn. 4).

Für den Antragsteller ist die Einnahme von Betäubungsmitteln nachgewiesen, insbesondere die Einnahme von Kokain und Amphetamin. Dies ergibt sich aus dem Untersuchungsbericht des Instituts für Rechtsmedizin der Charité vom 13. Juli 2021, wonach beim Antragsteller unter anderem Kokain in einer Konzentration von 2,01 ng/mg und Amphetamin in einer Konzentration von 0,09 ng/mg festgestellt worden ist. Dabei ist die Höhe der Konzentration für die Beurteilung der Fahreignung aufgrund der Einnahme eines Betäubungsmittels unerheblich (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg a.a.O., Rn. 6).

Diese Feststellungen aus dem Untersuchungsbericht der Charité sind auch verwertbar. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsgegner in rechtswidriger Weise von den Ergebnissen des Untersuchungsberichts Kenntnis erlangt hat, indem zunächst das Polizeipräsidium des Landes Brandenburg durch ein anonymes Schreiben den Bericht zur Kenntnis bekommen und diesen dann an den Antragsgegner weitergeleitet hat. In der verwaltungsgerichtlichen sowie obergerichtlichen Rechtsprechung wird im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass zu Unrecht erworbene Kenntnisse im verwaltungsrechtlichen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren keinem generellen Beweisverwertungsverbot unterliegen. So führt etwa der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 12. März 2009 – 11 CS 08.3307 –, juris, Rn. 13-14) hierzu Folgendes aus:

„Es ist davon auszugehen, dass im sicherheitsrechtlichen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen gewonnene fahreignungsrelevante Erkenntnisse ähnlich wie Erkenntnisse, die in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren möglicherweise rechtswidrig gewonnenen wurden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage 2007, Einl. RdNr. 55 unter Verweis auf BVerfG vom 30.6.2005 NStZ 2006, 46 ff.) jedenfalls keinem pauschalen Verwertungsverbot unterliegen (vgl. OVG Greifswald vom 20.3.2008 Az. 1 M 12/08; OVG Schleswig vom 14.8.2008 Blutalkohol 45, 416 ff.; VGH München vom 26.11.2007 Az. 11 CS 07.1661; vom 5.3.2009 Az. 11 CS 08.3046; zu Verwertungsverbot vgl. auch OVG Hamburg vom 21.3.2007 NJW 2008, 96 ff. für den Bereich des ausländerrechtlichen Problems der Scheinehe). In diesen Fällen ist jedenfalls nicht allgemein von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen, sondern nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen einerseits sowie des Interesses an der Straßenverkehrssicherheit und am Schutz von Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter andererseits abzuwägen, ob ein Verwertungsverbot anzunehmen ist. In diese Richtung weist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 19.3.1996 DAR 1996, 329), wonach aus Gründen der Verkehrsicherheit Erkenntnisse aus einem rechtswidrig angeordneten medizinischpsychologischen Fahreignungsgutachten verwertet werden dürfen, wenn das Gutachten der Behörde vorgelegt worden ist (vgl. OVG Schleswig vom 14.8.2008; a.a.O:).

Zwar überlässt das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) in seiner Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich jedermann selbst die Entscheidung darüber, wann und innerhalb welcher Grenzen ihn betreffende persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG vom 15.12.1983 BVerfGE 65, 1 ff.). Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann auch ein Beweisverwertungsverbot folgen. Dieses Grundrecht gilt indes nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht schrankenlos. Eingriffe können gerechtfertigt sein, wenn sie zum Schutz höchstrangiger Rechtsgüter erforderlich, geeignet und angemessen sind. In seinem Urteil vom 24. Mai 1977 (BVerfGE 44, 353 ff.) hat sich das Bundesverfassungsgericht unter dem Gesichtspunkt von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG mit der Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus Akten einer Suchtberatungsstelle befasst, die wegen des allgemeinen Verdachts, dass sich Klienten der Beratungsstelle durch Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln strafbar gemacht und solche Mittel illegal bezogen haben, polizeilich beschlagnahmt worden waren. Staatliche Eingriffe in den Schutzbereich jener Grundrechte sind nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht schlechthin ausgeschlossen. Bedeutung und Tragweite des durch sie gewährleisteten Schutzes können hiernach nicht losgelöst von anderen, gleichfalls schutzwürdigen Interessen bestimmt werden. Den verfassungsrechtlichen Maßstab, mit dessen Hilfe sich eine sachgerechte Gewichtung der zu wahrenden Belange treffen lasse, biete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er ziehe sowohl im Bereich der allgemeinen Handlungsfreiheit als auch im spezielleren Bereich der Privatsphäre des Einzelnen den staatlichen Eingriffen Grenzen und bestimme damit zugleich die Reichweite der genannten Grundrechte. Diese Grenzen seien durch Abwägung der in Betracht kommenden Interessen zu ermitteln. Führe diese zu dem Ergebnis, dass die dem Eingriff entgegenstehenden Interessen im konkreten Fall ersichtlich wesentlich schwerer wiegen würden als diejenigen Belange, deren Wahrung die staatliche Maßnahme dienen solle, so verletze der gleichwohl erfolgte Eingriff den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“

Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an, und gemessen an diesen Maßstäben führt ein etwaiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers durch Information der Fahrerlaubnisbehörde über dessen Betäubungsmittelkonsum laut der Aussage des Untersuchungsberichts der Charité bei der gebotenen Interessenabwägung nicht zu einem Verwertungsverbot. Die Weitergabe und Verwertung dieser Information war erforderlich, geeignet und auch angemessen zum Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) unbeteiligter dritter Verkehrsteilnehmer und zur Wahrung der Straßenverkehrssicherheit. Insofern sind an dieser Stelle die unterschiedlichen Zielrichtungen des Strafprozesses und des verwaltungsrechtlichen Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens hervorzuheben. Während es im Strafprozess um die Ahndung einer in der Vergangenheit liegenden Tat geht, die im Schwerpunkt den Strafausspruch gegenüber dem Täter im Blick hat, steht bei der behördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis der präventive Charakter der Maßnahme im Vordergrund. Zielrichtung dieser Maßnahme ist keine Repression gegenüber dem Fahrerlaubnisinhaber, sondern der Schutz von Verkehrsteilnehmern, deren Leben und Gesundheit durch die Teilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers am Straßenverkehr in Gefahr geraten kann (vgl. auch: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03. November 2009 – OVG 1 S 205.09 –, juris, Rn. 2; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 23. Januar 2003 – 6 K 1946/02 –, juris, Rn. 9 ff.). Es wäre mit dem staatlichen Auftrag, Leben und Gesundheit Unbeteiligter zu schützen, schlicht nicht vereinbar, wenn eine Fahrerlaubnisbehörde die Augen vor der Kenntnis der Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers verschließen und aufgrund eines Nichteinschreitens die Gefährdung der Allgemeinheit in Kauf nehmen müsste. Dies gilt umso mehr, als im vorliegenden Fall mit dem Ergebnis des Untersuchungsberichts vom 13. Juli 2021 die Nichteignung des Antragstellers aufgrund seines Konsums harter Drogen feststand. Daher ist das Schutzinteresse der Allgemeinheit, eine Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter, die von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgeht, zu verhindern, in der Abwägung stärker zu gewichten, als das Interesse des Antragstellers daran, dass die im Untersuchungsbericht vom 13. Juli 2021 enthaltene Information über bei ihm vorliegenden Betäubungsmittelkonsum über den familiengerichtlichen Bereich hinaus ohne Folgen bleibt.

Besondere Umstände, die es im Fall des Antragstellers rechtfertigten, eine Abweichung vom Regelfall im Sinne der Nr. 9.1.der Anlage 4 zur FeV anzunehmen, sind nicht erkennbar. Beim Antragsteller ist auch keine die Fahreignung wiederherstellende Entwöhnung und Entgiftung im Sinne von Nr. 9.5. der Anlage 4 zur FeV anzunehmen, denn es fehlt bereits an der erforderlichen einjährigen Abstinenzphase.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es insoweit nicht darauf an, dass sich die Feststellungen des Untersuchungsberichts der Charité vom 13. Juli 2021 auf „den Zeitraum von mindestens 4 Monaten vor der Probenahme und maximal 7 Monate vor der Probenahme“ beziehen, der Antragsteller sich nunmehr in Therapie begeben und seither keine Drogen mehr konsumiert habe.

Zwar wird in Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten – worauf auch der Antragsteller verweist –, dass ein Jahr nach dem Tag, den der Betroffene als Abstinenzbeginn behauptet, gleichsam automatisch nicht mehr vom Fortbestehen der fehlenden Fahreignung ausgegangen werden dürfe (sog. verfahrensrechtliche Jahresfrist; vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 11 CS 08.2591 – juris, Rn. 17 und Beschluss vom 9. Mai 2005 - 11 CS 04.2526 – juris, Rn. 20, 26; offenlassend aber Beschluss vom 27. Februar 2017 - 11 CS 16.2316 – juris, Rn. 25) Dieser Rechtsauffassung hat sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – OVG 1 S 101.18 –, juris, Rn. 5) nicht angeschlossen, sondern vielmehr ausgeführt,

„dass eine festgestellte Fahrungeeignetheit grundsätzlich ohne starre zeitliche Vorgaben und unabhängig von bloßen Zeitabläufen fortbesteht, solange die Wiedererlangung der Fahreignung nicht materiell nachgewiesen ist. Wie lange die (Regel-) Vermutung der Ungeeignetheit ohne weitere Ermittlungen fortbesteht, lässt sich dabei nur nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer des Drogenkonsums, und nicht schematisch anhand fester Fristen beurteilen (vgl. OVG Weimar, Beschluss vom 9. Juli 2014 - 2 EO 589/13 - juris Rn. 18; VGH Mannheim, Beschluss vom 7. April 2014 - 10 S 404/14 - juris, Rn. 9 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 3. September 2010 - 16 B 382/10 - juris, Rn. 5 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 24. April 2002 - 3 Bs 19/02 - juris Rn. 23; OVG Greifswald, Beschluss vom 19. März 2004 - 1 M 2/04 - juris Rn. 30). Für die Annahme, dass der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung im Laufe der Zeit wiedererlangt hat, müssen jedenfalls begründete Anhaltspunkte vorliegen. Diese sind nicht schon gegeben, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber vorgibt, seit längerer Zeit keine Drogen mehr zu konsumieren, oder einzelne Abstinenznachweise erbringt. Vielmehr setzt dies im Regelfall eine mindestens einjährige Abstinenz voraus, die - bei den hier in Rede stehenden Zeitspannen - in einer forensisch gesicherten Form nachgewiesen werden muss, d.h. qualifizierten Anforderungen einer anzuerkennenden Analyse genügt. Außerdem ist durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung der Nachweis zu erbringen, dass der Fahrerlaubnisinhaber seine Einstellung zum Drogenkonsum geändert hat und von einer dauerhaften und stabilen Drogenabstinenz ausgegangen werden kann (stRspr. des Senats, zuletzt Beschluss vom 14. August 2018 - OVG 1 S 70.18 - S. 3; ebenso OVG Weimar, Beschluss vom 9. Juli 2014 – 2 EO 589/13 - juris Rn. 17; VGH Kassel, Beschluss vom 21. September 2017 - 2 D 1471.17 - juris Rn. 15)“.

Dieser Rechtsauffassung folgt die Kammer. Deshalb ist es für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unerheblich, dass sich der Antragsteller laut der ärztlichen Bescheinigung der Oberberg Fachklinik Berlin Brandenburg in der Zeit vom 6. Oktober 2021 bis 16. Dezember 2021 einer Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung von multiplen Substanzen unterzogen hat, denn seit dem Beginn dieser Behandlung am 6. Oktober 2021 ist die einjährige Abstinenzphase noch nicht verstrichen.

Auch das besondere öffentliche Vollzugsinteresse an der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis ist gegeben. Die besondere Eilbedürftigkeit folgt aus der obigen Darlegung, dass es zum Schutz von Leben und Gesundheit unbeteiligter Verkehrsteilnehmer unerlässlich ist, die Teilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers am öffentlichen Straßenverkehr schnellstmöglich zu unterbinden. Dabei muss ein Betroffener wegen des staatlichen Schutzauftrags aus Art. 2 Abs. 2 GG insbesondere auch erhebliche negative berufliche Folgen regelmäßig hinnehmen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. Juli 2007 - 1 BvR 305/07 -, juris, Rn. 6; zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO: Beschluss vom 15. Oktober 1998 - 2 BvQ 32/98 -, juris, Rn. 5).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. den Nummern 46.1 und 46.5 sowie Nr. 1. 5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/01. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (abgdr. u. a. bei Kopp/Schenke: VwGO, 26. Aufl. 2020, Anh. § 164 Rn. 14). Für die Festsetzung des Streitwerts in Verfahren über die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht für jede der vom Betroffenen innegehabten Fahrerlaubnisklasse der Streitwert nach Nr. 46 des Streitwertkatalogs gesondert festzusetzen und sodann zusammenzurechnen. Vielmehr sind nur diejenigen heranzuziehen, denen eine eigenständige wertmäßige Bedeutung zukommt, nicht hingegen die Fahrerlaubnisklassen, die gemäß § 6 Abs. 3 FeV von den heranzuziehenden Fahrerlaubnisklassen eingeschlossen sind (st. Rspr.; vgl. nur: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2016 - OVG 1 L 26.16 -, juris Rn. 3; Beschluss vom 31. Oktober 2018 - OVG 1 S 101.18 -, juris Rn. 8.)

Daher sind im vorliegenden Fall nur die die weiteren Fahrerlaubnisklassen einschließenden Fahrerlaubnisklassen A und C1E maßgeblich und daher nach den vorgenannten Nummern des Streitwertkataloges wertmäßig zu berücksichtigen. Der so ermittelte Betrag in Höhe von 10.000,00 € ist für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren; zusätzlich ist ein Viertel der mit der Nummer 5 des Bescheides angeforderten bezifferten Geldleistung in Ansatz zu bringen (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges).