Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 30.03.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 4 U 212/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0330.4U212.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 13.08.2020, Az. 5 O 162/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 23.326,56 € festgesetzt.
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages, der zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossen wurde.
Der Kläger unterzeichnete am 19.05.2016 einen Darlehensantrag für einen Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 30.790,00 Euro zu einem über die gesamte Vertragsdauer gebundenen Sollzinssatz von 2,95 % p. a. über eine Laufzeit von 48 Monaten zu je 273,47 Euro und einer Schlussrate von 20.726,97 Euro. Der Kläger leistete zudem eine Anzahlung in Höhe von 10.200,00 Euro. Das Darlehen diente der Finanzierung des Kaufpreises für den privatnützigen Erwerb eines gebrauchten Pkw …, wobei die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß an die Verkäuferin ausgezahlt werden sollte und auch wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch hinsichtlich der Darlehensbedingungen, wird auf den Darlehensantrag (Anklage K1, Anlagenband Kläger) Bezug genommen.
Ebenfalls am 19.05.2016 unterzeichneten der Kläger sowie die Autohaus … GmbH, die Verkäuferin des finanzierten Fahrzeugkaufs, eine Vereinbarung über ein sog. „verbrieftes Rückgaberecht“. Wegen der Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf Anlage B 50 (Bl. 493 d.A.) Bezug genommen.
Nach Auszahlung des Darlehens erklärte der Kläger mit Schreiben vom 04.04.2019 den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung und erläuterte den Widerruf sodann durch Anwaltsschreiben vom 26.06.2019.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine primären Leistungspflichten aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 19.05.2016 aufgrund des erklärten Widerrufs erloschen seien.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht zu laufen begonnen habe, weil verschiedene Pflichtangaben nach § 356b Abs. 2 S. 1 BGB i. V. m. § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 - 13 EGBGB in der Vertragsurkunde nicht enthalten bzw. - wie insbesondere die Widerrufsinformation - fehlerhaft seien.
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts gerügt. Sie hat überdies im Wesentlichen geltend gemacht, der Widerruf sei verfristet, denn sie habe die Widerrufsinformation sowie die anderen erforderlichen Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt.
Das Landgericht hat die Klage mit am 13.08.2020 verkündetem Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass das Gericht örtlich zwar zuständig und die Klage damit zulässig sei. Sie sei aber nicht begründet. Zwar habe dem Kläger als Darlehensnehmer eines Verbraucherdarlehensvertrages ein Widerrufsrecht zugestanden. Dieses sei aber bei Erklärung des Widerrufs verfristet gewesen, da die Beklagte den Kläger mit den Vertragsinformationen hinreichend über das ihm zustehende Widerrufsrecht belehrt habe.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die fehlerhafte Rechtsanwendung rügt und sein Vorbringen zu den unzureichenden Pflichtangaben wiederholt und unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 09.09.2021 vertieft.
Nachdem der Kläger das Fahrzeug im Rahmen der Zusatzvereinbarung über die Ratenkaufbedingungen im Juli 2021 an die Verkäuferin zu einem Rücknahmewert von 20.762,97 € zurückgegeben hat, hat er die auf die Feststellung, dass er ab seiner Widerrufserklärung aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulde, gerichtete Klage für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt nunmehr unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin, Az.: 5 O 162/20 -,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 23.326,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise beantragt er,
festzustellen, dass der ursprüngliche Klageantrag zulässig und begründet war und sich durch die Beendigung des Leistungsaustausches erledigt hat.
Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hilfswiderklagend für den Fall, dass das Gericht von einem wirksamen und durchsetzbaren Widerruf und einem durchsetzbaren Rückabwicklungsanspruch ausgeht, beantragt sie,
den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 20.263,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint, wegen des Gebrauchmachens von dem verbrieften Rückgaberecht handele der Kläger widersprüchlich und könne sich daher nicht auf die Wirksamkeit des Widerrufs berufen
Der Kläger beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne ihm nicht, insbesondere auch nicht wegen des Gebrauchmachens von dem verbrieften Rückgaberecht, zur Last gelegt werden. Die Beklagte habe mit der Sicherheitenfreigabe der Fahrzeugveräußerung konkludent zugestimmt. Die Rückabwicklung führe auch nicht zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis, da die Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung einen Anspruch auf Wertersatz in Höhe des durch die Veräußerung des Fahrzeugs erzielten Verkaufserlöses habe. Der Veräußerung des Fahrzeugs habe es nur deshalb bedurft, weil die Beklagte den Widerruf als unbegründet zurückgewiesen habe, bei rechtmäßigen Verhalten der Bank hätte sie das Fahrzeug unverzüglich - § 355 Abs. 3 BGB – nach Eingang des Widerrufs zurücknehmen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.
II.
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
1. Die Berufung hat in der Sache indes keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
a) Es stand dem Kläger nach §§ 525, 264 Nr. 2 ZPO frei, seinen Feststellungsantrag in der Berufungsinstanz als Zahlungsantrag weiterzuverfolgen. Es war daher insoweit nur über diesen Leistungsantrag zu entscheiden, für eine Erledigungserklärung besteht in diesem Fall kein Raum.
aa) Geht der Kläger von einer Feststellungsklage zu einer deckungsgleichen Leistungsklage über, ohne die Feststellungsklage weiterzuverfolgen, handelt es sich um eine ohne weiteres zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO. Es ist dann nur noch über die Leistungsklage zu entscheiden. Für eine Erledigungserklärung ist kein Raum (vgl. BGH, Urt. v.16.05.2021 - XII ZR 199/98 - Rn. 6 zur positiven Feststellungsklage).
So liegt der Fall hier. Mit der negativen Feststellungsklage verfolgte der Kläger sein Interesse an der Rückabwicklung des streitgegenständlichen Darlehensvertrags, indem er die Feststellung begehrte, zur Erfüllung primärer Leistungspflichten (Zinsen, Tilgung) aus dem Darlehensbetrag infolge deren widerrufsbedingten Erlöschens nicht mehr verpflichtet zu sein. Der Wert dieses Feststellungsantrags ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dementsprechend nach dem Nettodarlehensbetrag zu bemessen (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 23.11.2021 - XI ZR 159/21 m.w.N.). Dieser Wert geht nunmehr in dem Leistungsantrag auf (vgl. Senat, Urt. v. 21.04.2021 - 4 U 95/20 - Rn. 103), mit dem der Kläger das deckungsgleiche Interesse auf Geltendmachung der sich aus dem Rückabwicklungsverhältnis ergebenden Zahlungspflicht der Beklagten weiterverfolgt. Ausgehend von dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren des Klägers bestand daher kein Anlass, den – hilfsweise gestellten - Erledigungsfeststellungsantrag zu bescheiden (so bereits Senat, Urt. v. 26.01.2022 – 4 U 199/20 – Rn. 34).
bb) Soweit bereits das Landgericht seine Zuständigkeit angenommen hat, bedarf dies mit Blick auf § 513 Abs. 2 ZPO keiner Erörterung mehr, weil der Senat durch diese Regelung gehindert wird, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2004 - V ZR 47/04 - Rn. 28). Hieran ändert es auch nichts, dass der Kläger in der Berufungsinstanz seine Klage von einem Feststellungsantrag auf einen Leistungsantrag umgestellt hat, für den das Landgericht Neuruppin nicht zuständig wäre (vgl. Senat, Urt. v. 21.04.2021 - 4 U 95/20 - Rn. 27ff.), weil insoweit § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eingreift, wonach die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Zwar findet die Vorschrift ihre Grenze im Falle einer Klageänderung. Als solche ist es aber gerade nicht anzusehen, wenn - wie hier - lediglich ein Fall des § 264 ZPO vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 26.04.2001 - IX ZR 53/00 - Rn. 12; Bacher in: BeckOK ZPO mit Stand 01.09.2021, § 261 Rn. 21; Senat, Urt. v. 26.01.2022 – 4 U 199/20 – Rn. 35).
b) Die Klage ist aber unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der begehrte Zahlungsanspruch nicht zu.
Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger seine auf den Abschluss des gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung vom 19.05.2016 mit Schreiben vom 04.04.2019 wirksam widerrufen hat. Denn jedenfalls ist es dem Kläger wegen widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB verwehrt, die Rechte aus dem Widerruf geltend zu machen.
aa) Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet, selbst wenn die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vorliegen (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15 - Rn. 43), eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. So kann sich eine Rechtsausübung bei der insoweit gebotenen umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände als unzulässig darstellen, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 501/15 - Rn. 18 und 20 m. w. N.), wobei auch eine Änderung der Verhältnisse dazu führen kann, dass die zunächst zulässige Rechtsausübung missbräuchlich wird. Da im Rechtsstreit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist, kann der Tatrichter bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 242 BGB darüber hinaus auch solche Umstände berücksichtigen, die erst nach Erklärung des Widerrufs eingetreten sind (vgl. BGH, Urt. v. 07.11.2017 – XI ZR 369/16 - Rn. 17).
Hiervon ausgehend stellt sich - worauf der Senat die Parteien mit Beschlüssen vom 04.08.2021 und vom 29.09.2021 hingewiesen hat - die Geltendmachung der auf sein Widerrufsrecht gestützten Ansprüche durch den Kläger als rechtsmissbräuchlich dar.
(1) Indem der Kläger von dem durch die Autohaus … GmbH (im Folgenden: Verkäuferin) mit Vereinbarung vom 19.05.2016 (Anlage B 50, Bl. 493 d.A.) eingeräumten Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat, hat er sich in einen nicht auflösbaren Widerspruch zu seinem mit Schreiben vom 04.04.2019 erklärten Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung vom 19.05.2016 gesetzt.
Der erklärte Widerruf hatte zur Folge, dass der Kläger weder an die auf Abschluss des mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages noch an die gegenüber der Verkäuferin abgegebene und auf Abschluss des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug gerichtete Willenserklärung gebunden war (§§ 355 Abs. 1, 358 Abs. 2 BGB) und die wechselseitig empfangenen Leistungen zurück zu gewähren sind (§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB), wobei die Beklagte im Verhältnis zum Kläger auch hinsichtlich der Rechtsfolgen in die Rechte und Pflichten des Verkäufers aus dem Kaufvertrag eingetreten ist, weil dem Verkäufer das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen war (§ 358 Abs. 4 Satz 5 BGB).
Zu diesen - von ihm mit der Erklärung vom 04.04.2019 (und im vorliegenden Rechtsstreit) angestrebten - Rechtsfolgen hat sich der Kläger dadurch, dass er im Juli 2021 von dem ihm eingeräumten verbrieften Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat, in einen nicht auflösbaren Widerspruch gesetzt.
Hierdurch unterscheidet sich das Gebrauchmachen von einem verbrieften Rückgaberecht von denjenigen Fällen, in denen der Verbraucher das Darlehen - unter dem Vorbehalt der Rückforderung der geleisteten Zahlungen - selbst ablöst (Senat, Urt. v. 13.10.2021 – 4 U 283/20 – Rn. 55; OLG Köln, Urt. v. 08.07.2021 - 12 U 159/20 – Rn. 12; KG, Beschl. v. 21.01.2021 - 4 U 1033/20 - Rn. 192; OLG Braunschweig, Urt. v. 08.07.2020 – 11 U 101/19 - Rn. 153). Derjenige, der nach Erklärung des Widerrufs eines Darlehensvertrages die vereinbarten Darlehensraten, einschließlich einer Schlussrate, unter Verwendung eigener Mittel unter Vorbehalt der Rückforderung weiterzahlt, verfolgt erkennbar lediglich den Zweck, Nachteile aus einem Streit mit dem Darlehensgeber über die Wirksamkeit des Widerrufs und gleichzeitig für den Fall der Richtigkeit seiner Rechtsposition die Wirkungen des § 814 BGB zu vermeiden, macht aber durch den Vorbehalt gegenüber seinem Vertragspartner gleichzeitig deutlich, dass dieser nicht darauf vertrauen könne, das Empfangene behalten zu können; er verhält sich deshalb auch nicht widersprüchlich. Derjenige, der – wie der Kläger - einen mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrag gegenüber dem Darlehensgeber widerruft und diesem gegenüber erklärt, er erbringe nachfolgende Zahlungen lediglich unter Vorbehalt, nachfolgend jedoch (zwangsläufig vorbehaltlos, da der Verkäufer anderenfalls kaum bereit sein dürfte, das Fahrzeug ohne Verhandlungsmöglichkeit zu dem bereits Jahre zuvor festgelegten Kaufpreis in Höhe der Schlussrate des Darlehens zurück zu erwerben) von einem mit dem Verkäufer vereinbarten Rückgaberecht Gebrauch macht, das diesen verpflichtet, den Rückkaufpreis „für den Kunden an die … Bank auf die bei der Bank offene Forderung aus dem Darlehensvertrag“ (Ziff. 4. der Vereinbarung vom 19.05.2016 - Bl. 493 d.A.) zu zahlen, möchte sich – sowohl für den Fall der Wirksamkeit als auch für den Fall der Unwirksamkeit des Widerrufs - gleichzeitig gegenüber dem Darlehensgeber die Vorteile aus dem Widerruf und diejenigen Vorteile sichern, die er mit dem Verkäufer nur für den Fall einer vereinbarungsgemäßen Durchführung des Darlehensvertrages vereinbart hat. Anders gewendet, er möchte die Vorteile des Widerrufs in Anspruch nehmen, ohne die sich hieraus ergebenden Nachteile tragen zu wollen, zu denen es - wie vorstehend ausgeführt - gehört, dass er sich auf die für den Fall eines wirksamen Vertragsverhältnisses getroffenen Abreden eben nicht (mehr) berufen kann; ein solches Verhalten ist widersprüchlich (Senat, Urt. v. 13.10.2021 – 4 U 283/20 - Rn. 55; Senat, Urt. v. 26.01.2022 – 4 U 199/20 – Rn. 43).
(2) Mit dem Gebrauchmachen von einem dem Kläger nach erklärtem Widerruf gerade nicht (mehr) zustehenden Recht, liegen zugleich auch Umstände vor, welche sein Verhalten gegenüber der Beklagten als treuwidrig erscheinen lassen. Dem kann auch nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 564/15 – Rn. 39) entgegenhalten werden, allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers könne der Darlehensgeber ein schutzwürdiges Vertrauen nicht bilden. Dabei bliebe unberücksichtigt, dass sich diese Sichtweise des BGH, die der Senat teilt, darauf bezieht, dass ein Rechtsmissbrauch nicht damit begründet werden kann, dass ein Verbraucher vor Ausübung seines Widerrufsrechts seinen Vertragspflichten langjährig vereinbarungsgemäß nachgekommen sei. Mit diesem Verhalten ist ein Gebrauchmachen von einem mit dem Verkäufer vereinbarten „verbrieften Rückgaberecht“ - mag dessen Einräumung dem Darlehensgeber bei Abschluss des Darlehensvertrages auch bekannt gewesen sein - nach Erklärung des Widerrufs eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Verbraucher das Vertragsverhältnis durch die Ausübung seines Widerrufsrechts dahin umgestaltet hat, dass wechselseitige Rechte und Pflichten nur noch aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis bestehen, die ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten sowohl aus dem Darlehensvertrag als auch aus dem Kaufvertrag entfallen sind und die Rückabwicklung zudem ausschließlich - ohne dass dem Verbraucher insoweit ein Wahlrecht zustünde (vgl. nur: Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 358 Rn. 21; BGH, Urt. v. 04.04.2017 – II ZR 179/16 - Rn. 18) - im Verhältnis zwischen dem Verbraucher und dem Darlehensgeber vorzunehmen ist, der gemäß § 358 Abs. 4 S. 5 BGB in die Rechte und Pflichten des Verkäufers eintritt. In dieses danach allein noch bestehende Rückabwicklungsregime greift der Verbraucher in einer schutzwürdige Interessen des Darlehensgebers beeinträchtigenden Weise ein, wenn er durch das Gebrauchmachen von dem verbrieften Rückgaberecht die infolge des Widerrufs geschuldete Rückgewähr des finanzierten Fahrzeuges an den Darlehensgeber (§ 358 Abs. 4 Satz 5 BGB a.F.) sehenden Auges (zum eigenen Vorteil) durch die Veräußerung des Fahrzeuges an den Verkäufer - vorbehaltlich eines etwaigen Rückkaufs durch den Darlehensnehmer - unmöglich macht (vgl. OLG Köln, Urt. v. 08.07.2021 - 12 U 159/20 – Rn. 13; KG, Beschl. v. 21.01.2021 - 4 U 1033/20 - Rn. 194; OLG Braunschweig, Urt. v. 08.07.2020 – 11 U 101/19 - Rn. 155; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.03.2021 – 3 U 106/20 - sowie Beschl. v. 30.11.2020 – 3 U 106/20 -, abgedruckt unter BeckRS 2021, 21047). Insofern ist der Darlehensgeber zwar seinerseits vor einer Inanspruchnahme durch den Verbraucher insoweit geschützt, als er dessen Rückerstattungsansprüchen aus § 357 a Abs. 1 BGB gemäß § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB - soweit keine Ausnahme nach § 357 Abs. 4 Satz 2 BGB oder ein Verzug mit der Annahme des Fahrzeugs vorliegt - ein Leistungsverweigerungsrecht entgegenhalten kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass dem Darlehensgeber die Durchsetzung seiner Ansprüche (etwa auf Zahlung des Sollzinses aus § 357 a Abs. 3 Satz 1 BGB oder auf Erstattung des Wertverlustes aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB) und Interessen (etwa an einer ggf. nach einer Klärung der Wirksamkeit des Widerrufs erfolgenden zügigen Abwicklung) im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses durch das Gebrauchmachen von dem verbrieften Rückgaberecht bereits durch die Unsicherheit, ob der Verbraucher seiner Vorleistungspflicht in Bezug auf die Rückgewähr des Fahrzeugs durch dessen Rückerwerb vom Verkäufer doch noch nachkommen wird, wesentlich erschwert werden. Dem Darlehensnehmer ist es aufgrund des Streits um die Wirksamkeit des Widerrufs und des dadurch eingetretenen Schwebezustandes auch nicht unzumutbar, bis zur Klärung der Rechtslage auf die Inanspruchnahme der vertraglich vereinbarten Rückgabemöglichkeit zu verzichten.
Soweit der Kläger darauf verweist, dass es der Veräußerung des Fahrzeugs nur deshalb bedurft habe, weil die Beklagte den Widerruf als unbegründet zurückgewiesen habe, bei rechtmäßigen Verhalten der Bank hätte sie das Fahrzeug unverzüglich - § 355 Abs. 3 BGB – nach Eingang des Widerrufs zurücknehmen müssen, verkennt er die ihm nach § 357 Abs. 4 obliegende Vorleistungspflicht (BGH, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19 – Rn. 23), der er nicht nachgekommen ist. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befunden hätte. Das war hier jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. In seinem Widerrufsschreiben vom 04.04.2019 bot er die Herausgabe des Fahrzeugs noch nicht einmal an. Auch das nachfolgende Anwaltsschreiben vom 26.06.2019 genügte weder formal (kein vorheriges tatsächliches Angebot im Sinne des § 294 BGB) noch in Bezug auf die die Vorleistungspflicht nicht berücksichtigende Art der Leistung den Anforderungen an ein wörtliches Angebot im Sinne des § 295 BGB. Denn darin fordert der Kläger die Beklagte lediglich auf, mitzuteilen, wann und wo die Übergabe erfolgen soll.
An diesem Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ändert es auch nichts, dass die Beklagte nach Zahlung der Schlussrate selbst das ihr zur Sicherheit übertragene Eigentum an dem finanzierten Fahrzeug an den Verkäufer übertragen hat. Die Beklagte hat durchweg die Ansicht vertreten, dass der Kläger sich gerade nicht auf sein Widerrufsrecht berufen könne. Sie hat daher lediglich entsprechend den ihrer Auffassung nach fortbestehenden vertraglichen Pflichten gehandelt, ohne damit zum Ausdruck zu bringen, dass der Kläger ein etwaiges Widerrufsrecht trotz Inanspruchnahme vertraglicher Rechte weiter in Anspruch nehmen dürfe (Senat, Urt. v. 13.10.2021 – 4 U 283/20 – Rn. 57; OLG Braunschweig, Urt. v. 08.07.2020 – 11 U 101/19, - Rn. 159).
bb) Eine andere Bewertung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Widerrufsrecht europarechtlichen Ursprungs ist. Es ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits geklärt, dass die nationalen Gerichte das missbräuchliche Verhalten auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen können, um einem Verbraucher gegebenenfalls das Berufen auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren, solange die Anwendung einer nationalen Vorschrift die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt (vgl. EuGH, Urt. v. 23.03.2000 - C-373/97 - Ziffer 34; BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15 - Rn. 18). Insoweit lässt sich - wie der Europäische Gerichtshof zuletzt auf verschiedene Vorlagefragen des Landgerichts Ravensburg klargestellt hat (vgl. EuGH, Urt. v. 09.09.2021 - C-33/20, C-155/20 und C-187/20, Rn. 119 f.) - im Anwendungsbereich von Art. 14 der Richtlinie 2008/48/EG, welche den Gewerbetreibenden davon abschrecken soll, gegen die ihm nach den Bestimmungen der Richtlinie obliegenden Pflichten gegenüber dem Verbraucher zu verstoßen, zwar, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG vorgesehene zwingende Angabe – wie auch im vorliegenden Fall - weder im Kreditvertrag noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist und unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte, ein Rechtsmissbrauch nicht auf den Vorwurf stützen, zwischen dem Vertragsschluss und dem Widerruf durch den Verbraucher sei erhebliche Zeit vergangen. Um einen derartigen Vorwurf der rechtsmissbräuchlichen Ausübung des dem Verbraucher nach Art 14 der Richtlinie zustehenden Widerrufsrechts geht es bei der Annahme rechtsmissbräuchlich widersprüchlichen Verhaltens jedoch nicht, wenn – wie hier - der Verbraucher nach Erklärung des Widerrufs von einem ihm in Zusammenhang mit dem mit dem widerrufenen Darlehen verbundenen Kaufvertrag durch den Verkäufer zum Zwecke der Zahlung der in dem Darlehensvertrag vereinbarten Schlussrate eingeräumten Recht zum Rückverkauf des finanzierten Fahrzeugs Gebrauch gemacht hat. Der insoweit in Rede stehende Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bezieht sich vielmehr allein auf die Folgen des wirksam ausgeübten Widerrufsrechts. Die Folgen des Widerrufs eines Kreditvertrages sind jedoch in der Richtlinie 2008/48/EG überhaupt nicht geregelt (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts zu den Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20 vom 15.07.2021, Rn. 126); die einzige Bestimmung der Richtlinie 2008/48/EG, die sich auf die Folgen der Ausübung eines Widerrufsrechts bei verbundenen Kreditverträgen bezieht, nämlich Art. 15 Abs. 1, betrifft den Fall, dass ein Verbraucher dieses Recht in Bezug auf einen Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen ausübt. Die Wirkungen der Ausübung des Rechts zum Widerruf des Verbraucherkreditvertrages für durch diese finanzierte Kaufverträge zu regeln, ist danach den Mitgliedsstaaten überlassen (so zuletzt auch BGH, Urt. v. 26.10.2021 – XI ZR 608/20 – Rn. 19); diese sind dabei in ihrem Ermessen lediglich insofern beschränkt, als sie die Wirksamkeit des in der Richtlinie 2008/48/EG vorgesehenen Widerrufsrechts unangetastet lassen müssen. Daraus folgt jedoch, dass auch die Annahme eines Missbrauchs der einem Verbraucher infolge eines wirksamen Widerrufs eingeräumten Rechte, der darauf gestützt ist, dass der Verbraucher in das nationalrechtlich geregelte Regime der Rückabwicklung des mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrag eingriffen hat, die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigt (vgl. Senat, Urt. v. 13.10.2021, a.a.O., Rn. 58; so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.11.2021 – I-16 U 291/20 – Rn. 33, 44).
2. Da der Kläger wegen des Einwandes des Rechtsmissbrauchs keine Ansprüche infolge des Widerrufs geltend machen kann, fällt die Hilfswiderklage der Beklagten nicht zur Entscheidung an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO. Die Bewertung eines Handelns als Verstoß gegen Treu und Glauben unterliegt der tatrichterlichen Würdigung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Die Möglichkeit der Annahme des Rechtsmissbrauchs im Falle der Geltendmachung des Widerrufs bei nachfolgender Inanspruchnahme des verbrieften Rückgaberechts ist überdies höchstrichterlich bereits gebilligt worden (vgl. BGH, Beschl. v. 27.07.2021 - XI ZR 205/21, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschl. d. OLG Frankfurt v. 16.03.2021 - 3 U 106/20 - zurückgewiesen worden ist).
Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Die nicht zur Entscheidung angefallene Hilfswiderklage bleibt bei der Wertbemessung außer Ansatz (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).