Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 04.05.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 A 13/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0504.OVG6A13.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 17 Abs 1 S 1 KitaG BB |
1. Die Festsetzung des Essengeldes für die Versorgung eines Kindes mit Mittagessen durch den Einrichtungsträger muss lediglich im Ergebnis den durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen der Eltern entsprechen. Es bedarf keiner Kalkulation, wie sie etwa im Kommunalabgabenrecht verlangt wird.
2. Es steht den Einrichtungsträgern frei, welcher Kriterien und Methode sie sich bei der Festsetzung des Essengeldes bedienen oder ob sie sich ohne eigene Ermittlungen etwa auf Empfehlungen des Landkreises stützen. Der den Einrichtungsträgern zustehende Gestaltungsspielraum setzt einen Toleranzrahmen voraus, innerhalb dessen Essengelder ohne nähere Begründung festgesetzt werden können. Solange sich die Festsetzung in diesem Rahmen bewegt, bedarf es seitens des Einrichtungsträgers keiner näheren Aufschlüsselung, wie die durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen im Einzelnen ermittelt worden sind.
3. Die in Ausübung dieses Gestaltungsspielraums erlassenen Festsetzungen sind gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Essengeld seiner Höhe nach noch im Rahmen dessen liegt, was nach richterlichen Erfahrungswerten durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen im Land Brandenburg entspricht.
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Antragstellerin ist Mutter zweier Kinder, für deren Versorgung mit Mittagessen in Kindertagesbetreuungseinrichtungen bzw. Hort der Antragsgegnerin sie zur Zahlung von Essengeld herangezogen wird.
Grundlage hierfür ist die Satzung über den Zuschuss zur Versorgung mit Mittagessen für die Kindertagesstätten, Horten und alternativen Betreuungsformen in Trägerschaft der Stadt W ...vom 28. Mai 2020, bekannt gemacht im Amtsblatt der Stadt W ... vom 18. Juni 2020. Nach der Anlage zur Essengeldsatzung beträgt der Zuschuss ab dem 1. August 2020 1,87 Euro pro Portion.
Gegen diese Satzung wendet sich die Antragstellerin mit dem am 7. Juni 2021 erhobenen Normenkontrollantrag. Sie hält die Satzung für rechtswidrig, da die häusliche Ersparnis nach einer Berechnung einiger Eltern von in der Einrichtung betreuten Kindern im Durchschnitt nicht mehr als 1,66 Euro betrage. Dabei seien nicht generell und abstrakt die nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen Lebensmittelmengen, sondern die konkret angebotenen Mittagessen der Einrichtung im Zeitraum vom 7. Oktober bis 1. November 2019 für Krippe, Kindergarten und Hort sowie die Lebensmittelpreise für frische Bio- bzw. Vollkornprodukte bei REWE zugrunde gelegt worden. Daraus ergäben sich unter Einbeziehung der für die Zubereitung erforderlichen Energiekosten ersparte Eigenaufwendungen für ein Mittagessen im Durchschnitt in Höhe von 1,66 Euro. Kosten für Trinkwasser und Abwasser könnten nur im Umfang der tatsächlichen Ersparnis berücksichtigt werden. Die von der Antragsgegnerin eingerechneten Grundgebühren in Höhe von 0,16 Euro fielen bei den Eltern unabhängig von der Versorgung der Kinder mit Mittagessen an. Der Antragsgegnerin stehe kein Gestaltungsspielraum zu, da sie an die mit dem Landkreis P ... geschlossene Rahmenvereinbarung, die die Einhaltung der Empfehlungen zur Ermittlung der Entgelte in Kindertagesstätten des Landkreises vorsehe, gebunden sei. Daraus gehe hervor, dass Kosten für Grundgebühren im Haushalt der Personensorgeberechtigten nicht bei der Kalkulation des Essengeldes einzubeziehen seien.
Die Antragstellerin beantragt,
für Recht zu erkennen, dass die Satzung über den Zuschuss zur Versorgung mit Mittagessen für die Kindertagesstätten, Horte und alternativen Betreuungsformen in Trägerschaft der S ... vom 28. Mai 2020, bekannt gemacht am 18. Juni 2020, unwirksam ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Das Essengeld, das nach der Essengeldsatzung von 2016 1,70 Euro pro Mahlzeit betragen habe, sei im Jahr 2019 neu kalkuliert worden. Unter Berücksichtigung der Kosten für Lebensmitteleinsatz, Strom, Küche, Trink- und Abwasser und Müll seien für alle Betreuungsbereiche in Höhe von 2,31 Euro pro Mahlzeit ermittelt worden. Die überarbeitete Kalkulation berücksichtigte nur noch Kosten für Lebensmitteleinsatz und Wasserverbrauch und habe einen Betrag in Höhe von 1,87 Euro pro Mahlzeit ergeben. Die Mittelwerte für die Kalkulation der Lebensmittelkosten habe sie anhand der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bezug auf Auswahl und Menge für Kinder bis zur sieben Jahren ermittelt. Die Lebensmittelpreise von durchschnittlich insgesamt 1,70 Euro seien an zwei verschiedenen Tagen durch verschiedene Mitarbeiter in einem örtlichen Discounter und einem höherpreisigen Supermarkt ermittelt worden. Die Grundgebühren für Trinkwasser und Abwasserentsorgung seien einzubeziehen, da es sich dabei um mit der Nutzung von Trink- und Abwasser zwingend verbundene Kostenpositionen handele. Insoweit stehe ihr ein Gestaltungsspielraum zu. Die mit dem Landkreis P ... geschlossene Rahmenvereinbarung vom 1. September 2018 betreffe den interkommunalen Kostenausgleich im Landkreis. Die aufgrund der Rahmenvereinbarung vom Jugendhilfeausschuss beschlossenen Empfehlungen seien grundsätzlich unverbindlich. Im Übrigen entspreche das festgesetzte Essengeld insgesamt den Empfehlungen, wonach der Betrag eine Höhe von 2,00 Euro am Tag nicht überschreiten sollte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakten und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Der zulässige Normenkontrollantrag ist unbegründet. Die Essengeldsatzung vom 28. Mai 2020 ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Antragstellerin vermag mit ihren Einwendungen nicht durchzudringen.
1. Die Festsetzung des Essengeldes nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KitaG hat durch die Gemeinde als Einrichtungsträger zu erfolgen. Sie erfordert eine Entscheidung über die Höhe der durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen der Eltern, weil sie nicht ohne weiteres mit den für die Bereitstellung des Mittagessens in der Kindertagesstätte tatsächlich anfallenden Kosten gleichgesetzt werden können. Nicht die Herstellungskosten sind der Maßstab, sondern der Gegenwert, den die Eltern dadurch einsparen, dass ihre Kinder in der Kindertagesstätte zu Mittag essen. Der Durchschnitt berechnet sich nach den ersparten Eigenaufwendungen aller Eltern bzw. Personensorgeberechtigten der Kinder der Kindertagesstätte. Besonders aufwendige, teure Verpflegungsstile haben ebenso unberücksichtigt zu bleiben wie besonders einfache bzw. preiswerte. In den Wert der ersparten Eigenaufwendungen gehen die Rohmaterialien, Grundstoffe, Energie und in entsprechendem Umfang Be- und Entsorgungskosten ein. Personalkosten sind hingegen nicht zu berücksichtigen, da im Familienrahmen die Essenzubereitung in der Regel eine unentgeltliche Leistung ist und die Eltern deshalb insoweit nichts einsparen (Urteil des Senats vom 13. September 2016 – OVG 6 B 87.15 – juris Rn. 26 unter Bezugnahme auf Diskowski/Wilms, Kindertagesstätten in Brandenburg, zu § 17 Ziff. 2.3). Den Einrichtungsträgern ist insofern ein eigener Gestaltungsspielraum belassen, als vom Gesetz weder ein genauer Satz noch nähere Kriterien oder eine bestimmte Methode zur Ermittlung der durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen vorgegeben ist; diese sind vielmehr von den Trägern festzulegen. Hinzu kommt, dass es den Einrichtungsträgern letztlich auch freisteht, von einer Erhebung des Essengeldes ganz abzusehen (vgl. zu den unterschiedlichen Modellen und Spielräumen auch die Hinweise im Urteil des Senats vom 13. September 2016, a.a.O., Rn. 29, auf die Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. vom 12. Februar 2015 sowie das Urteil des OVG Bremen vom 22. Oktober 2014 – 2 D 106/13 – juris Rn. 81, und die Sonderauswertung in BT-Drs. 17/3404 S. 90). Der danach bestehende Gestaltungsspielraum des Einrichtungsträgers kann nicht durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden (Urteile des Senats vom 23. März 2022 – OVG 6 B 12/21 – UA S. 12 und vom 28. März 2022 – OVG 6 B 13/21 – UA S. 10).
2. Eine solche Festsetzung hat die Antragsgegnerin durch Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 28. Mai 2020 vorgenommen und das Essengeld ab dem 1. August 2020 auf einen Betrag in Höhe von 1,87 Euro pro Portion festgesetzt.
Hinsichtlich der erfolgten Festsetzung des Essengeldes sieht der Senat keinen Anlass anzunehmen, dieser Betrag überschreite den dargelegten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum der Antragsgegnerin. Er bewegt sich vielmehr ohne weiteres innerhalb des Spektrums, das als den durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen entsprechend angesehen werden kann.
3. Die von der Antragstellerin hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.
a) Der Normenkontrollantrag beruht auf der bereits im Ausgangspunkt unzutreffenden Annahme, dass die Festsetzung des Essengeldes einer Kalkulation bedürfe.
Die Festsetzung des Essengeldes muss lediglich im Ergebnis den durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen entsprechen. Hierzu bedarf es keiner Kalkulation, wie sie etwa im Kommunalabgabenrecht verlangt wird. Die Verwendung des Begriffs „durchschnittlich“ in § 17 Abs. 1 Satz 1 KitaG verdeutlicht, dass es keine punktgenaue Ermittlung der ersparten Eigenaufwendungen geben kann. Ersparte Eigenaufwendungen lassen sich nur annäherungsweise und nicht exakt bestimmen. Weder Lebensmittelkosten noch sonstige Kosten wie etwa Energie- oder Wasserkosten sind kalkulatorisch „spitz“ ermittelbar. Es steht den Einrichtungsträgern frei, welcher Kriterien und Methode sie sich bei der Festsetzung des Essengeldes bedienen oder ob sie sich ohne eigene Ermittlungen etwa auf Empfehlungen des Landkreises stützen. Sie sind nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise beschränkt. Der den Einrichtungsträgern zustehende Gestaltungsspielraum setzt einen Toleranzrahmen voraus, innerhalb dessen Essengelder ohne nähere Begründung festgesetzt werden können. Solange sich die Festsetzung in diesem Rahmen bewegt, bedarf es seitens des Einrichtungsträgers keiner näheren Aufschlüsselung, wie die durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen im Einzelnen ermittelt worden sind. Dem entsprechend sind die in Ausübung dieses Gestaltungsspielraums erlassenen Festsetzungen gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Essengeld seiner Höhe nach noch im Rahmen dessen liegt, was nach richterlichen Erfahrungswerten durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen im Land Brandenburg entspricht. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass mit einem Betrag von 1,87 Euro pro Mahlzeit der Toleranzrahmen verlassen worden sein könnte.
b) Hiervon ausgehend bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob – wie die Antragstellerin vorträgt – die von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Lebensmittelpreise um 0,04 Euro pro Portion zu hoch angesetzt worden seien oder anteilige Grundgebühren für Trink- und Abwasser nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Es kommt nach allem auch nicht auf den Einwand der Antragstellerin an, dass nach den Empfehlungen des Jugendhilfeausschusses des Landkreises P ... vom 19. November 2019 zur Ermittlung der Entgelte in Kindertagesstätten bei den auf das Essengeld umlagefähigen Kosten die Kosten der Wasser- und Abwasserversorgung, nicht jedoch die Grundgebühren aufgeführt sind. Im Übrigen halten die Empfehlungen ein Essengeld bis zu einer Höhe von 2,00 Euro pro Tag für zulässig (Empfehlungen S. 17).
c) Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin unter anderem davon abgesehen hat, Kosten für Strom und Müllentsorgung in die Berechnung des Essengeldes einzustellen. Deren Berücksichtigung hätte – selbst bei Ausklammerung der hier in Rede stehenden Grundgebühren für Trink- und Abwasser – ein höheres Essengeld als 1,87 Euro zur Folge gehabt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.