Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 5 L 141/22


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer Entscheidungsdatum 04.05.2022
Aktenzeichen 5 L 141/22 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2022:0504.5L141.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Ausbau der Dorfstraße in, OT K ... im Geltungsbereich des Biosphärenreservats S ...  bis zur Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung zu unterlassen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist eine im Land Brandenburg anerkannte Naturschutzvereinigung.

Die Naturschutzvereinigung beantragt den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf die vom Antragsgegner beabsichtigten Baumaßnahmen an der Dorfstraße in, Ortsteil K ... .

Die vom Antragsgegner vertretene Gemeinde S ... , Ortsteil K ... liegt im Biosphärenreservat S ... . Die Gemeinde S ... beabsichtigt, die 115 Jahre alte, in den 1970er Jahren teilweise mit einem Asphaltüberzug versehene Dorfstraße in K ... zu sanieren. Der Straßenraum der zentralen Dorfstraße im Ortsteil K ... ist ca. 40-50 m breit und hat eine Länge von ca. 1100 m. Der (Straßen-)Raum ist für Brandenburg mit einer mittigen linienförmigen Dorfstraße in einer Fahrbahnbreite von ca. 4 m aus Feldsteinen mit einem dünnen Asphaltüberzug und beidseitigen unbefestigten Sommerwegen typisch geprägt. Die aufgebrachten Asphaltschichten weisen derzeit erhebliche Schäden (Schlaglöcher, großflächige Ablösungen – Schollenbildung) auf. Flankiert wird die Straße durch einen parallel verlaufenden, beidseitigen Baumbestand vor anliegenden Gebäuden. Die Dorfstraße weist aufgrund der Verkehrsbelastung Schäden am Bestand auf wie eine gestörte Pflasteroberfläche, Ausfahrungen der unbefestigten Fahrbahn im gesamten Ortsbereich in unterschiedlichen Ausmaßen und einzelne Pflasterdefekte, speziell im Randbereich der Fahrbahn im gesamten Ortsbereich ebenfalls in unterschiedlichen Ausmaßen.

Nach der vorliegenden Entwurfsplanung soll die Dorfstraße beidseitig mit einem Pflasterstreifen versehen werden und grundhaft in Asphaltbauweise (tw. in Pflasterbauweise) bis zu einer Breite von 10,00 m (einschließlich Bankette) und auf einer Länge von 1350 m ausgebaut werden.

Der Antragsteller hat am 29. April 2022 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beruft sich auf eine Verletzung seines Beteiligungsrechts im Rahmen einer sogenannten Partizipationserzwingungsklage. Er ist der Ansicht, der Antragsteller könne sich danach als eine von einem Land anerkannte Naturschutzvereinigung auf die Verletzung seines Beteiligungsrechts berufen, ohne dass die erforderliche Zulassungsentscheidung, die hier als Befreiung zu erteilen wäre, erlassen worden sei. Bei den Verfahrensrechten der anerkannten Naturschutzvereinigung handle es sich um eine selbstständig durchsetzbare, begünstigende subjektive Rechtsposition.

Antragsbegründend führt der Antragsteller in der Sache aus, er könne im Wege der einstweiligen Anordnung die Unterlassung des Straßenbauvorhabens von der Antragsgegnerin verlangen. Denn die Baumaßnahme verletze seine Beteiligungsrechte aus § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG und § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG. Vorliegend sei der beabsichtigte Straßenausbau eine befreiungsfähige Entscheidung. Seiner Ansicht nach handle es sich bei der Dorfstraße in K ... um eine gemäß den Bestimmungen der Verordnung über die Festsetzung von Naturschutzgebieten und einem Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeutung mit der Gesamtbezeichnung „Biosphärenreservat S ... “ geschützte historische Pflasterstraße. Der beabsichtigte Straßenausbau verstoße gegen das in der genannten Verordnung enthaltene Gebot der Erhaltung bzw. Unterhaltung der Pflasterstraßen. Mit dem beabsichtigten Ausbau würde der besondere und idyllische Charakter der Straße, der Dorfanger, das Gesamtbild, zerstört oder jedenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Die vorhandene Asphaltschicht, die sich in Auflösung befinde, zeige deutlich, dass es sich um eine historische Pflasterstraße handele, deren Erkennbarkeit mit dem (geplanten) massiven Überbau unwiderruflich verloren gehen würde. Mithin widerspreche die eingeschränkte Sichtbarkeit der Pflasterstraße im aktuellen Zustand nicht dem ihr zukommenden Schutz. Mit der Verbreiterung der Straße um 1,5 m durch Ansetzung von zwei gepflasterten Randstreifen a´ 0,75m handle es sich um einen Ausbau und nicht mehr um eine Instandsetzung (im Sinne einer Unterhaltungsmaßnahme). Durch die Errichtung der Asphaltschicht im Hocheinbau werde die vorhandene Pflasterstraße vollständig überdeckt sein. All dies verstoße gegen die in der Schutzgebietsverordnung enthaltene Pflicht zur Erhaltung der historischen Pflasterstraßen. Dieser Verstoß wäre nur über eine naturschutzrechtliche Befreiung überwindbar; im Befreiungsverfahren habe der Antragsgegner den Antragsteller entsprechend § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG zu beteiligen.

Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Denn dem Antragsteller sei es nicht zumutbar, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Beginn der Baumaßnahme stehe unmittelbar bevor.

Der Antragsgegner hat sich dahin eingelassen, dass die Gemeinde S ... die Ertüchtigung der Straße plane, weil sie nicht die technischen Anforderungen an eine Haupterschließungsstraße erfülle. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sei nicht gewährleistet. Entgegen den Behauptungen des Antragstellers handle es sich bei der Dorfstraße in K ... nicht um eine historische Pflasterstraße, da sie über ihre gesamte Länge und Breite fast vollständig mit Asphalt überdeckt sei. Pflastersteine seien nur noch vereinzelt erkennbar und zwar an den Stellen, wo der Asphalt abbröckle.

II.

Der wörtliche Antrag des Antragstellers,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Erteilung einer Befreiungsentscheidung unter Mitwirkung des Antragstellers zu verpflichten, den Ausbau der Dorfstraße 10, 1 ... , Ortsteil K ... zu unterlassen,

hat wie tenoriert Erfolg.

A.

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass der von ihm beantragten einstweiligen Anordnung ist zulässig insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt analog § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.

1. Die Antragsbefugnis entspricht der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren, die sich für Leistungsklagen aus einer analogen Anwendung des §§ 42 Abs. 2 VwGO ergibt. Da mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Anspruch gesichert werden soll, der im Hauptsacheverfahren zu verfolgen ist, ist auch für einen Antrag nach § 123 VwGO eine Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich. Der Antragsteller muss geltend machen können, durch ein behördliches Handeln oder Unterlassen in eigenen Rechten verletzt oder gefährdet zu sein. Eine solche Rechtsbeeinträchtigung ist im Anordnungsverfahren geltend gemacht, wenn sie nach dem dem Gericht vorliegenden Sachverhalt zumindest als möglich erscheint. Daran fehlt es, wenn offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, dass eigene Rechte des Antragstellers verletzt oder in ihrer Verwirklichung gefährdet sein können (vergleiche OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Dezember 2008, 4 ME 315/08, juris Rn. 3).

2. Vorliegend hat der Antragsteller, eine im Land Brandenburg anerkannte Naturschutzvereinigung, eine solche Verletzung eigener Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend gemacht. Denn er hat nachvollziehbar substantiiert dargelegt, dass der vom Antragsgegner beabsichtigte Ausbau der Dorfstraße in S ... , Ortsteil K ... nur aufgrund einer Befreiung nach § 29 des brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes – BbgNatSchAG i.V.m. § 67 Bundesnaturschutzgesetz –BNatSchG und § 8 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung über die Festsetzung von Naturschutzgebieten und einem Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeutung mit der Gesamtbezeichnung „Biosphärenreservat S ... “ vom 12. September 1990 (DDR-GBl.1990 SDr., [Nr. 1472]) - N ... erfolgen dürfte. Im Rahmen der vom Antragsgegner weder beantragten noch diesem erteilten Befreiungsentscheidung hat der Antragsteller weiter zutreffend dargelegt, dass der Antragsgegner ihn gemäß § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG und § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG zuvor hätte beteiligen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten hätte geben müssen. Zu Recht beruft sich der Antragsteller darauf, dass sein Beteiligungsrecht verletzt sei, indem die Dorfstraße ohne eine vorherige naturschutzrechtliche Befreiung ausgebaut werde. Dass der Antragsgegner kein naturschutzrechtliches Befreiungsverfahren durch Antragstellung eingeleitet hat, steht der möglichen Verletzung von Beteiligungsrechten des Antragstellers nicht entgegen. Denn das Beteiligungsrecht eines Naturschutzverbandes kann auch dann verletzt sein, wenn die zuständige Behörde das an sich gebotene beteiligungspflichtige Verfahren rechtswidrig unterlässt oder in ein nicht beteiligungspflichtiges Verfahren ausweicht, in dem die Naturschutzvereinigungen nicht mitwirkungsberechtigt sind oder rechtswidrig gar kein Verfahren durchführt (vgl. auch P. Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer Hüftle, BNatSchG 2. Auflage, § 63 Rn. 64f.). Wenn das Gesetz den Naturschutzverbänden ein eigenes Recht auf Verfahrensbeteiligung einräumt, darf eine Missachtung des dem Antragsteller zukommenden Beteiligungsrechts mit Blick auf die notwendige Gewährleistung der Effektivität des Verfahrensrechts durch Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes nicht sanktionslos bleiben (vgl. P. Fischer-Hüftle a.a.O.). Dies gilt nach der Rechtsprechung auch dann, wenn die Behörde ein erforderliches naturschutzrechtliches Befreiungsverfahren nicht durchführt und – wie hier – durch tatsächliches Handeln vollendete Tatsachen schafft bzw. schaffen will. In diesem Fall kann die Naturschutzvereinigung, der ein eigenes Beteiligungsrecht vor der Erteilung der Befreiung zusteht, verlangen, dass die Behörde alle Maßnahmen, die einer Befreiung bedürfen, unterlässt oder unterbindet (ausführlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Dezember 2008, 4 ME 315/08, juris Rn. 4; genauso Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Juli 2003 – 1 KO 389/02 – juris Rn. 18). Mithin vermittelt § 36 Nr. 3 BbgNatSchG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG dem Antragsteller ein selbstständig durchsetzbares, subjektiv – öffentliches Recht auf Beteiligung am durchzuführenden Befreiungsverfahren.

3. Der Antragsteller ist als anerkannte Naturschutzvereinigung im Land Brandenburg durch das Vorhaben auch in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt, § 36 BbgNatSchAG a.E.. Zweck des Vereins ist nach § 2 Abs. 1 seiner Satzung ein umfassender Schutz von Natur und Landschaft, insbesondere der Arten– und Biotopschutz sowie die Landschaftspflege sowie der Umweltschutz einschließlich des Schutzes der menschlichen Gesundheit vor Schäden durch Umweltbeeinträchtigungen. Als wesentliche Aufgabe bezeichnet die Satzung auch die Mitwirkung bei Planungen und in Verwaltungsverfahren, die für den Schutz der Natur, der Umwelt und der menschlichen Gesundheit vor Lärm und Umweltverschmutzung bedeutsam sind, § 2 Abs. 1 Buchstabe e) der Satzung. Dieser satzungsmäßige Aufgabenbereich wird zweifellos berührt, wenn in einem Naturschutzgebiet Maßnahmen durchgeführt werden, die im Hinblick auf die mit ihnen für das jeweilige Gebiet verbundenen Beeinträchtigungen ohne vorherige Durchführung eines naturschutzrechtlichen Befreiungsverfahren unter Beteiligung des Antragstellers nicht zulässig sind.

B.

Der Antrag des Antragstellers ist begründet.

1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Der Antragsteller hat i. S. von § 123 Abs. 3 VwGO i. V. mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht, dass sowohl der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch als auch der ebenfalls notwendige Anordnungsgrund vorliegen. Der Antragsteller kann vom Antragsgegner verlangen, dass dieser die Bauarbeiten an der Dorfstraße in der Gemeinde S ... , Ortsteil K ... , einstellt, bis der Antragsteller Gelegenheit erhalten hat, seine Beteiligungsrechte nach § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG umfassend wahrzunehmen.

2. Gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG und § 36 Nr. 3 BbgNatSchAG ist einer vom Land anerkannten Naturschutzvereinigung, die nach ihrer Satzung landesweit tätig ist, vor der Erteilung von Befreiungen nach § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben. Sachlich besteht die Mitwirkung in dem Recht, durch eine Stellungnahme auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen im Sinne einer substantiellen Anhörung (vgl. P. Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer Hüftle, BNatSchG 2. Auflage, § 63 Rn. 43). Ein solcher Fall liegt hier zweifellos vor, weil die vom Antragsgegner beabsichtigte Baumaßnahme an der Dorfstraße in der Gemeinde S ... Ortsteil G ... , eine Befreiung von den Geboten in § 5 der N ... voraussetzt, § 8 Abs. 1 und 2 N ... . Gemäß § 4 Abs. 1 N ... dient die Unterschutzstellung dem Schutz, der Pflege und der Entwicklung der besonderen Vielfalt, Eigenart und Schönheit einer in Mitteleuropa einzigartigen Kulturlandschaft. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 N ... sind zur Erhaltung und Wiederherstellung des Naturhaushaltes die historischen Pflasterstraßen und die sie begleitenden Sommerwege zu erhalten und zu unterhalten.

3. Bei der in Rede stehenden Dorfstraße in der Gemeinde S ... , Ortsteil K ... handelt es sich entgegen der bereits vorgerichtlich ausführlich begründeten Ansicht des Antragsgegners (Schriftsatz vom 22. Dezember 2021, Anlage Ast5 zur Antragsschrift) zum einen um eine historische Pflasterstraße. Der Antragsgegner meint, das historische Pflaster sei fast vollständig verschwunden, das historische Pflaster nur an den Rändern vereinzelt erkennbar, so dass die Straße nicht als historische Pflasterstraße eingeordnet werden könne. Dies greift nicht. Wie im Gutachten „Dorfstraße, G ... “ Gemeinde S ... – Erläuterungsbericht, Stand: 8. Mai 2017 ausgeführt handelt es sich um eine 115 Jahre alte, in den 1970er Jahren teilweise mit einem Asphaltüberzug versehene Dorfstraße. Diese Straße wurde in einer Breite von ca. 4,00 m aus Feldstein errichtet und später – im 20. Jahrhundert – mit einem dünnen Asphaltüberzug versehen. Dieser Zustand ist aus den im Gutachten befindlichen Lichtbildern ohne weiteres ersichtlich. Auch die Baubeschreibung des Ingenieurbüros für Bauplanung GmbH E ... vom Juli 2021 geht davon aus, dass „die vorhandene Verkehrsanlage … derzeit aus einer mit Asphalt überbauten Natursteinpflasterstraße (besteht)“. Substantiell handelt es sich nach alldem weiterhin um eine historische Pflasterstraße, da der Asphaltüberzug lediglich oberflächlich – im Rahmen der technischen Möglichkeiten der ehemaligen DDR – aufgebracht wurde, und ein Substanzverlust - etwa durch Entfernung der Feldsteine und Einbau eines anderen Untergrundes – zu keinem Zeitpunkt eingetreten ist.

4. Zum anderen erscheinen die streitigen Baumaßnahmen jedenfalls deswegen als rechtswidrig, weil sie im Biosphärenreservat S ...  mit Blick auf den in § 4 N ... niedergelegten Schutzzweck grundsätzlich unzulässig sind und das erforderliche Befreiungsverfahren bis dato nicht durchgeführt worden ist. Soweit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 N ... Unterhaltungsmaßnahmen an historischen Pflasterstraßen ausgenommen sind und diese lediglich des Einvernehmens mit der Verwaltung des Biosphärenreservats bedürfen, § 9 N ... , liegt eine solche Unterhaltungsmaßnahme im Sinne der genannten Schutzgebietsverordnung nicht vor. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass im Biosphärenreservat alle Handlungen untersagt sind, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen, § 6 Abs. 1 Nr. 19 N ... . Bei der Auslegung des in der genannten Bestimmung verwendeten Begriffs der Veränderung und der Abgrenzung zu den nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 N ... zulässigen Unterhaltungsmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass die in § 6 N ... genannten Verbote die bundesrechtliche Vorschrift des § 23 Abs. 2 S. 1 BNatSchG konkretisieren. Danach sind alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Gemessen daran geht mit der beabsichtigten Baumaßnahme nicht nur eine Veränderung der Dorfstraße einher, sondern zugleich auch eine Veränderung im Sinne der genannten Schutzgebietsverordnung. Hierbei können auch solche Baumaßnahmen Straßenveränderungen im Sinne einer Schutzgebietsverordnung darstellen, die aus der Sicht des Straßenrechts noch als Unterhaltungsmaßnahmen an einer bestehenden Straße im weiteren Sinne einzuordnen sind (vergleiche hierzu Thüringer Oberverwaltungsgericht, a.a.O., Rn 27). Demgemäß kommt dem Begriff der Unterhaltung einer Straße je nach dem Zusammenhang, in dem er verwendet wird, ein unterschiedlicher Gehalt zu. Ob es sich um Unterhaltungsmaßnahmen oder um befreiungsfähige Veränderungen durch Baumaßnahmen handelt, ist allein nach Maßgabe der einschlägigen naturschutzrechtlichen Bestimmungen und mit Blick auf die Schutzzwecke der jeweiligen Schutzgebietsausweisung zu beurteilen. Im konkreten Einzelfall gehen die geplanten Baumaßnahmen über eine Unterhaltungsmaßnahme an einer bestehenden historische Pflasterstraße erheblich hinaus. Denn nach der technischen Gestaltung der Baumaßnahme soll nicht nur eine Verkehrsflächenbefestigung in Asphaltbauweise erfolgen (Breite: 4,20 m), sondern auch eine Verkehrsflächenbefestigung in Pflasterbauweise (Pflasterstreifen) beidseitig in einer Breite von jeweils 0,75 m (vergleiche Baubeschreibung des Ingenieurbüros für Bauplanung GmbH E ... vom Dezember 2021, Seite 3). Mit dieser Baumaßnahme wird der Schutzzweck der Schutzgebietsverordnung – Pflege und Entwicklung der besonderen Vielfalt, Eigenart und Schönheit einer in Mitteleuropa einzigartigen Kulturlandschaft – erheblich beeinträchtigt. Denn es liegt auf der Hand, dass die Herstellung einer asphaltierten und grundhaft ausgebauten Straße erfahrungsgemäß auch dann mit einer Zunahme des Verkehrs und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen durch Lärm, Abgase etc. verbunden ist, selbst wenn die Asphaltierung nicht mit einer Verbreiterung der Trasse verbunden ist (vergleiche auch Thüringer Oberverwaltungsgericht a.a.O. Rn. 29).

C.

Der Anordnungsgrund ergibt sich zwanglos daraus, dass der Antragsgegner trotz der inzwischen erklärten Zusage, die Baumaßnahmen bis zu einer Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Verfügung, höchstens jedoch für zwei Monate, also bis zum 04. Juli 2022 zurückzustellen, die Durchführung der in Rede stehenden Baumaßnahmen ab dem 2. Mai 2022 im Grundsatz weiterhin beabsichtigt und somit die Schaffung vollendeter Tatsachen im Raum steht, verbunden mit der Gefahr, dass die historische Pflasterstraße endgültig in Verlust gerät. Im Hinblick auf die offensichtliche Begründetheit des vorläufigen Rechtsschutzantrags sieht sich die Kammer auch nicht veranlasst, ihrerseits zuzuwarten und die angekündigte Antragserwiderung abzuwarten. Soweit mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist, geht die Kammer hier davon aus, dass dem Antragsteller im Hinblick auf seine gesetzlichen Beteiligungsrechte vor der Erteilung von Befreiungen nach § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen, und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes eine solche Vorwegnahme der Hauptsache geboten ist (vergleiche Eyermann/Happ, VwGO 15. Aufl., § 123 Rn. 66a). Nach alledem erscheint es nicht zumutbar, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Beteiligungsrechts auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen.

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG i. V. mit § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.