Gericht | AG Brandenburg | Entscheidungsdatum | 29.04.2022 | |
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Aktenzeichen | 85 XVII 45/21 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
In Betreuungssachen führen sowohl die Schwere des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen als auch dessen eingeschränkte subjektive Fähigkeiten zur Rechtswahrnehmung in der Regel bei Gewährung von Verfahrenskostenhilfe auch zur Beiordnung eines von dem Betroffenen ausgewählten Rechtsanwalts (§ 78 FamFG).
1. Dem Betroffenen wird für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung
Verfahrenskostenhilfe
bewilligt (§ 76 Abs. 1 FamFG, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO).
Frau Rechtsanwältin Andrea Marx wird dem Betroffenen als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Die Bewilligung erfolgt ohne Anordnung von Zahlungen.
Die beantragte Verfahrenskostenhilfe war in der ausgesprochenen Form zu bewilligen.
I. Gründe zu wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen
Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen stellen sich wie folgt dar:
…(wird näher ausgeführt)…
II. Allgemeine Gründe
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint nicht mutwillig und bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 Abs. 1 FamFG, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO).
In Betreuungs- und Unterbringungssachen führen sowohl die Schwere des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen als auch dessen eingeschränkte subjektive Fähigkeiten zur Rechtswahrnehmung in der Regel bei Gewährung von Verfahrenskostenhilfe auch zur Beiordnung eines vom Betroffenen ausgewählten Rechtsanwalts, wenn der Betroffene für seine Vertretung in dem Verfahren selbst Sorge trägt (BGH, Beschluss vom 20.12.2006, Az.: XII ZB 118/03, u.a. in: NJW 2007, Seiten 844 f.; LG München I, Beschluss vom 19.09.2016, Az.: 13 T 15081/16, u.a. in: NJW 2016, Seite 3794; LG Kleve, Beschluss vom 02.09.2014, Az.: 4 T 528/14, u.a. in: NJW 2015, Seiten 176 f.; LG Münster, Beschluss vom 12.03.2009, Az.: 5 T 106/09, u.a. in: NJW 2009, Seiten 2389 f.; LG Berlin, Beschluss vom 11.03.2002, Az.: 88 T XIV 52/02, u.a. in: BtPrax 2002, Seiten 175 f.; LG Karlsruhe, Beschluss vom 14.12.1998, Az.: 11 T 557/98, u.a. in: FamRZ 1999, Seiten 1091 f.; Dürbeck, in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 78 FamFG, Rn. 7).
Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG ist ein Anwalt nämlich beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dies ist zwar nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei kommt es aber nicht allein auf die objektiven Umstände des Falles, sondern auch auf die subjektiven Fähigkeiten des Betroffenen an (BGH, Beschluss vom 12.09.2013, Az.: V ZB 121/12, u.a. in: InfAuslR 2014, Seiten 6 f. = BeckRS 2013, Nr. 18840; BGH, Beschluss vom 23.06.2010, Az.: XII ZB 232/09, u.a. in: NJW 2010, Seiten 3029 ff.; LG München I, Beschluss vom 19.09.2016, Az.: 13 T 15081/16, u.a. in: NJW 2016, Seite 3794; LG Kleve, Beschluss vom 02.09.2014, Az.: 4 T 528/14, u.a. in: NJW 2015, Seiten 176 f.; LG Münster, Beschluss vom 12.03.2009, Az.: 5 T 106/09, u.a. in: NJW 2009, Seiten 2389 f.; LG Berlin, Beschluss vom 11.03.2002, Az.: 88 T XIV 52/02, u.a. in: BtPrax 2002, Seiten 175 f.; LG Karlsruhe, Beschluss vom 14.12.1998, Az.: 11 T 557/98, u.a. in: FamRZ 1999, Seiten 1091 f.).
Ob die Beiordnung im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG erforderlich ist, hängt somit davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte, weil Zweck der Verfahrenskostenhilfe die weitgehende rechtsschutzmäßige Gleichstellung von unbemittelten mit bemittelten Personen ist und auch ein bemittelter der Verfahrensbeteiligte die Notwendigkeit zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes unter Berücksichtigung seiner eigenen subjektiven Fähigkeit beurteilt (BGH, Beschluss vom 12.09.2013, Az.: V ZB 121/12, u.a. in: InfAuslR 2014, Seiten 6 f. = BeckRS 2013, Nr. 18840; BGH, Beschluss vom 23.06.2010, Az.: XII ZB 232/09, u.a. in: NJW 2010, Seiten 3029 ff.; LG München I, Beschluss vom 19.09.2016, Az.: 13 T 15081/16, u.a. in: NJW 2016, Seite 3794; LG Kleve, Beschluss vom 02.09.2014, Az.: 4 T 528/14, u.a. in: NJW 2015, Seiten 176 f.; LG Münster, Beschluss vom 12.03.2009, Az.: 5 T 106/09, u.a. in: NJW 2009, Seiten 2389 f.; LG Berlin, Beschluss vom 11.03.2002, Az.: 88 T XIV 52/02, u.a. in: BtPrax 2002, Seiten 175 f.; LG Karlsruhe, Beschluss vom 14.12.1998, Az.: 11 T 557/98, u.a. in: FamRZ 1999, Seiten 1091 f.).
Ob es erforderlich ist, dem Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalles einen Rechtsanwalt beizuordnen, richtet sich im Betreuungsverfahren insoweit weitgehend nach denselben Kriterien wie die Beurteilung der Frage, ob ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist. Außerhalb der Regelbeispiele des § 276 Abs. 1 Satz 2 FamFG bestimmt sich die ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls zur beurteilende Erforderlichkeit, einen Verfahrenspfleger zu bestellen, nach der Bedeutung des Verfahrensgegenstandes sowie dem Grad der Krankheit und der Behinderung der Betroffenen. Je weniger der Betroffene in der Lage ist, seine Interessen selbst wahrzunehmen, je eindeutiger erkennbar ist, dass die geplanten Betreuungsmaßnahmen gegen seinen natürlichen Willen erfolgen und je schwerer und nachhaltiger der beabsichtigte Eingriff in die Rechte der Betroffenen ist, umso dringender erforderlich ist die Bestellung des Verfahrenspflegers (BGH, Beschluss vom 11.12.2013, Az.: XII ZB 280/11, u.a. in: NJW 2014, Seiten 787 f.; LG München I, Beschluss vom 19.09.2016, Az.: 13 T 15081/16, u.a. in: NJW 2016, Seite 3794; LG Kleve, Beschluss vom 02.09.2014, Az.: 4 T 528/14, u.a. in: NJW 2015, Seiten 176 f.; LG Münster, Beschluss vom 12.03.2009, Az.: 5 T 106/09, u.a. in: NJW 2009, Seiten 2389 f.; LG Berlin, Beschluss vom 11.03.2002, Az.: 88 T XIV 52/02, u.a. in: BtPrax 2002, Seiten 175 f.; LG Karlsruhe, Beschluss vom 14.12.1998, Az.: 11 T 557/98, u.a. in: FamRZ 1999, Seiten 1091 f.).
Die hier beabsichtigte und nunmehr auch erfolgte Aufhebung der Betreuung ist aber auch ein bedeutsamer Verfahrensgegenstand in diesem Sinne (LG München I, Beschluss vom 19.09.2016, Az.: 13 T 15081/16, u.a. in: NJW 2016, Seite 3794; LG Kleve, Beschluss vom 02.09.2014, Az.: 4 T 528/14, u.a. in: NJW 2015, Seiten 176 f.; LG Münster, Beschluss vom 12.03.2009, Az.: 5 T 106/09, u.a. in: NJW 2009, Seiten 2389 f.).
Aufhebung wie Anordnung einer Betreuung sind Verfahren, in denen der Staat auch seiner Schutzpflicht gegenüber Menschen nachzukommen hat, die ihre Angelegenheiten krankheitsbedingt nicht mehr selbst regeln können. Die Einordnung als bedeutsamer Verfahrensgegenstandes entspricht auch der Wertung des Gesetzgebers. Er hat diese Entscheidung in § 15 RPflG ausdrücklich dem Richter vorbehalten und nicht auf den Rechtspfleger übertragen.
Die hier für den Betroffenen eingerichtete Betreuung umfasste unter anderem auch den Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern“, weil der Betroffene insoweit nicht in der Lage war seine Angelegenheiten in derartigen Fällen selbst sachgerecht zu besorgen (LG München I, Beschluss vom 19.09.2016, Az.: 13 T 15081/16, u.a. in: NJW 2016, Seite 3794; LG Kleve, Beschluss vom 02.09.2014, Az.: 4 T 528/14, u.a. in: NJW 2015, Seiten 176 f.).
Die vorliegende Fallgestaltung entspricht dem insofern, so dass die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auch hier bei der beabsichtigten Aufhebung der Betreuung als gegeben anzusehen ist.
Der rückwirkenden Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und der Beiordnung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass das Verfahren nunmehr bereits abgeschlossen ist, weil der Betroffene seinen Antrag bereits 6 Tage vor dem Anhörungstermin und der abschließenden Entscheidung des Gerichts formwirksam gestellt hatte. Dies ermöglicht nicht nur die rückwirkende Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, sondern auch die entsprechende Beiordnung eines Anwalts, wenn diese - wie hier - rechtzeitig beantragt worden ist (LG Kleve, Beschluss vom 02.09.2014, Az.: 4 T 528/14, u.a. in: NJW 2015, Seiten 176 f.).