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Asylverfahren; Zulassung der Berufung; Divergenz; EuGH-Urteil; divergenzfähiges Gericht; Darlegung der Abweichung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 25.04.2022
Aktenzeichen OVG 3 N 11/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0425.OVG3N11.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 3a Abs 2 Nr 5 AsylVfG 1992, § 3a Abs 3 AsylVfG 1992, § 78 Abs 3 Nr 2 AsylVfG 1992, § 78 Abs 4 S 4 AsylVfG 1992

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Nach den allein maßgeblichen Darlegungen des Zulassungsantrags (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) ist der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) nicht gegeben.

Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung eines der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Die erfolgreiche Erhebung der Divergenzrüge erfordert daher, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz eines divergenzrelevanten Gerichts widersprochen hat. Der Rechtssatz ist, sofern er nicht ausdrücklich in der erstinstanzlichen Entscheidung angegeben ist, im Zulassungsantrag so deutlich aus dem gedanklichen Zusammenhang der divergierenden Entscheidung herauszuarbeiten, dass unzweifelhaft feststeht, welcher Rechtssatz aufgestellt bzw. zugrunde gelegt wurde. Die nach Auffassung eines Rechtsmittelführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss hierauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Hingegen genügt Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung eines solchen Rechtssatzes den Anforderungen an eine Divergenzrüge nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2017 - 10 BN 4.16 - juris Rn. 13; Beschluss vom 19. Januar 2022 - 1 B 83.21 - juris Rn. 28 f.; Beschluss vom 10. Februar 2022 - 8 B 1.22 - juris Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Februar 2020 - OVG 3 N 80.17 - juris Rn. 2). Dem genügt das Zulassungsvorbringen des Klägers nicht.

Ungeachtet der Frage, ob die geltend gemachte Abweichung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vom Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 19. November 2020 - C-238/19, EZ - (curia.europa.eu) schon deshalb ausscheidet, weil sich der Gerichtshof nicht unter den in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten divergenzfähigen Gerichten findet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2001 - 6 B 35.00 - juris Rn. 10; Beschluss vom 26. Januar 2010 - 9 B 40.09 - juris Rn. 2; Beschluss vom 10. März 2021 - 1 B 2.21 - juris Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. März 2020 - 4 LA 218/19 - juris 2 f.; OVG Münster, Beschluss vom 7. Juli 2014 - 13 A 791/14.A - juris Rn. 16; VGH München, Beschluss vom 1. Juni 2017 - 6 ZB 17.30519 - juris Rn. 9) oder unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer effektiven Durchsetzung des Unionsrechts eine entsprechende Anwendung dieses Zulassungsgrundes in Bezug auf Entscheidungen des Gerichtshofes geboten sein kann (in diesem Sinn OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. Februar 2011 - 11 LA 491/10 - juris Rn. 6 f.; GK-AsylG, Stand: Januar 2022, § 78 Rn. 202.2), leistet der Zulassungsantrag die notwendige Darlegung einander widersprechender Rechtssätze nicht.

Insbesondere formuliert er keine abstrakten Rechtssätze, die in dem angefochtenen Urteil aufgestellt wurden und die von Rechtssätzen der EuGH-Entscheidung abweichen sollen. Dies gilt namentlich, soweit das Verwaltungsgericht entscheidungstragend eine Verknüpfung zwischen einer möglichen Strafverfolgung oder Bestrafung wegen einer in Form der Ausreise vorliegend konkludenten Verweigerung des Militärdienstes im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG und der Zuschreibung einer politischen Überzeugung gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG - unter Verweis auf eine nicht anzunehmende Bestrafung auch nur eines signifikanten Teils der potentiellen männlichen Rückkehrer sowie auf die Besonderheit, dass der Kläger aus einem Oppositionsgebiet geflohen ist - als nicht plausibel verneint hat. Der Kläger arbeitet insoweit einen klar erkennbaren Rechtssatz des Verwaltungsgerichts nicht heraus. Vielmehr stellt er den Ausführungen des Gerichtshofes, es spreche eine starke Vermutung dafür, dass die Verweigerung des Militärdienstes unter den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU genannten Voraussetzungen mit einem der fünf in Art. 10 der Richtlinie 2011/95/EU genannten Gründe in Zusammenhang stehe, lediglich die Aussage gegenüber, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend dargelegt, warum eine solche Verknüpfung nicht plausibel sei. Damit wirft er dem Verwaltungsgericht lediglich vor, es werde der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht gerecht. Deutlich wird dies an einer Formulierung, dass „die Urteilsbegründung sich mit der Wahrscheinlichkeit der drohenden Verfolgung und in diesem Sinne der Plausibilität der Verknüpfung orientiert an den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs“ auseinandersetzen müsse. Das genügt er den Anforderungen an eine Divergenzrüge nicht.

Soweit der Kläger ausführt, es sei davon auszugehen, dass eine Verfolgung gemäß § 3a AsylG, die aufgrund der Weigerung eintritt, den Kriegsdienst in einem völkerrechtswidrigen Konflikt zu leisten, immer aufgrund eines tauglichen Verfolgungsgrundes gemäß § 3b AsylG erfolge, die schutzsuchende Person für diese Verknüpfung also nicht mehr darlegungs- oder nachweispflichtig sei, legt er allein seine (auch von den Erwägungen des Gerichtshofes abweichende) Rechtsauffassung dar, zeigt jedoch keine Divergenz der angefochtenen Entscheidung auf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG, § 152 Abs. 1 VwGO).