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Entscheidung VG 1 K 1251/21


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 10.05.2022
Aktenzeichen VG 1 K 1251/21 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0510.1K1251.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 22 KomVerf BB, § 31 KomVerf BB, § 34 KomVerf BB, § 35 KomVerf BB, § 42 Abs 2 VwGO, § 43 Abs 1 VwGO

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Beklagte die Klägerin in ihrem Recht aus § 35 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 3 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg verletzt hat, indem er eine Aussprache und Beschlussfassung zu dem Tagesordnungspunkt „Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Stadtverordneten D ... “ (33alt/30neu, Vorlagennummer: S ... bzw. S ... ) in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... am 15. Dezember 2021 auf der Grundlage eines geänderten Beschlussvorschlages der Klägerin vom 14. Dezember 2021 nicht zuließ; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Fraktion der Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... begehrt die Feststellungen, dass es der Beklagte rechtswidrig unterlassen habe, einen Tagesordnungspunkt auf der Grundlage eines von ihr am Vortag geänderten Beschlussvorschlages zur Aussprache und Abstimmung zuzulassen und in diesem Zusammenhang auch eine Abstimmung zu der Frage eines Mitwirkungsverbotes der in dem Antrag namentlich bezeichneten Stadtverordneten herbeizuführen.

Die Klägerin reichte am 18. November 2021 für die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 15. Dezember 2021 zu dem Tagesordnungspunkt

„Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Stadtverordneten: D ... “

eine Beschlussvorlage (Vorlagennummer: S ... ) mit dem Beschlussvorschlag –

“ 1. Die Verwaltung wird beauftragt, bei einer auf dem Gebiet des Kommunalrechts spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei einen Rechtsrat einzuholen:

a. Ob in der Mitwirkung der Stadtverordneten [es folgen die oben genannten Namen] bei der Beschlussfassung in der Stadtverordnetenversammlung vom 24.4.2020 zu S ... (neu) „Umbau und Sanierung G ... als Kinder- und Jugendzentrum der Stadt F ... hier: Bestätigung der Vorplanung“ und der Sondersitzung vom 27.5.2020 eine Pflichtverletzung im Sinne § 25 BbgKVerf und andere Sorgfaltspflichten zu sehen ist.

b Sollte 1. zu bejahen sein, welche Erfolgsaussichten bezüglich einer Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen diese Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung bestehen.

2. Das Ergebnis von Nr. 1) ist in der nächsten Stadtverordnetenversammlung vorzustellen.

3. In die Tagesordnung dieser nächsten Stadtverordnetenversammlung vorbereitend für eine Beschlussfassung im Sinne von § 31 Abs. 2 Nr. 7 BbgKVerf den Tagesordnungspunkt bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die oben genannten Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung aufzunehmen.“ –

ein. Die Vorlage geht davon aus, dass die namentlich bezeichneten Stadtverordneten, so auch der Beklagte, nach § 31 Abs. 2, § 22 Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) von einer Mitwirkung ausgeschlossen seien.

Der Tagesordnungspunkt wurde mit der von der Klägerin gewählten Formulierung unter Nr. 33 auf die Tagesordnung der 16. Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... am 15. Dezember 2021 aufgenommen.

Die Bürgermeisterin der Stadt F ... beauftragte eine rechtsanwaltliche Begutachtung der Frage eines Mitwirkungsverbots. Die Stellungnahme der Kanzlei verneinte die Frage am 08. Dezember 2021.

Die Klägerin reichte daraufhin am 14. Dezember 2021 zu demselben Tagesordnungspunkt eine geänderte Beschlussvorlage ein:

„1) Die Verwaltung wird beauftragt, eine auf dem Gebiet des Kommunalrechts spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei folgenden Auftrag zu erteilen:

a) Die Vorfrage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu beantworten: Haften die Stadtverordneten [es folgen die 15 Namen] wegen der Art und Weise ihrer Beteiligung bei der Beschlussfassung in der Stadtverordnetenversammlung vom 24.4.2020 zu S ... (neu) „Umbau und Sanierung G ... als Kinder- und Jugendzentrum der Stadt F ... hier: Bestätigung der Vorplanung“ und der Sondersitzung vom 27.5.2020 der Stadt auf Schadensersatz und wenn ja, in welcher Höhe?

b) Die sich aus 1) a) ergebenden Ansprüche gegenüber den benannten Stadtverordneten geltend zu machen und unter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten durchzusetzen.

2. Das Ergebnis von Nr. 1) a) ist bereits in der nächsten Stadtverordnetenversammlung vorzustellen.“

Die weitere rechtsanwaltliche Stellungnahme vom 15. Dezember 2021 sieht die genannten Stadtverordneten nunmehr von der Mitwirkung als ausgeschlossen an. Der geänderte Beschlussvorschlag der Klägerin wurde den Stadtverordneten als „Tischvorlage“ zusammen mit einer „Nachtragstagesordnung“ (S ... ) am 15. Dezember 2021 zu Beginn der Sitzung vorgelegt.

Die Stadtverordnetenversammlung beschloss eingangs der Sitzung, den Tagesordnungspunkt 33 als Punkt 30 der Tagesordnung zu behandeln.

Zu diesem Tagesordnungspunkt erklärten Vertreter der Klägerin, der erste Beschlussvorschlag sei gegenstandslos, zu behandeln sei ausschließlich die Tischvorlage. Die namentlich bezeichneten Stadtverordneten würden gebeten, eine Entscheidung über die Frage ihrer Mitwirkung herbeizuführen.

Der Beklagte erklärte im Wesentlichen, eine Aussprache und Abstimmung über die geänderte Beschlussvorlage sei unzulässig, weil der Vorschlag von dem ursprünglichen Entwurf der Klägerin in wesentlichen Punkten abweiche und es sich damit der Sache nach um eine neue Vorlage handele. Er selbst kenne nicht einmal das zweite Rechtsgutachten der Rechtsanwaltskanzlei.

Im Rahmen der sich anschließenden, mehr als dreißigminütigen Diskussion widersprachen Vertreter der Klägerin dieser Auffassung und beantragten unter Bezugnahme auf § 22 Abs. 4 S. 4 BbgKVerf eine Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung über das Vorliegen eines Mitwirkungsverbotes für die in dem Tagesordnungspunkt 30 benannten Mitglieder. Nachdem der Beklagte mehrfach seine Auffassung bekräftigt hatte, zog die Klägerin die Vorlage zurück und beantragte, sie in der nächsten Stadtverordnetenversammlung zu behandeln.

Die Klägerin hat am 21. Dezember 2021 Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend macht:

Ihr stehe ein schutzfähiges und anzuerkennendes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der bezeichneten Handlungen des Beklagten zu. Dessen Weigerung, den geänderten Beschlussvorschlag von der Stadtverordnetenversammlung behandeln zu lassen, sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten aus § 32 und 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf. Die geänderte Beschlussvorlage, die von dem ursprünglich eingereichten Vorschlag „nur minimal“ abweiche und die dem Tagesordnungspunkt entspreche, habe den Beratungsgegenstand, § 35 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf, unverändert gelassen. Eine Verletzung der Form- und Fristvorschriften des § 34 BbgKVerf sei daher nicht ersichtlich. Der Beklagte, der dem Mitwirkungsverbot unterlegen habe, hätte die Sitzungsleitung abgeben müssen und er hätte die Behandlung des Beschlussvorschlages nicht behindern dürfen. Aus entsprechenden Gründen sei die Stadtverordnetenversammlung verpflichtet gewesen, nach § 31 Abs. 2 Nr. 5 und § 22 Abs. 4 S. 4 BbgKVerf eine Entscheidung über das Verbot der Mitwirkung für die betroffenen Stadtverordneten herbeizuführen. Eines Antrages bedürfe es insoweit nicht.

Die Klägerin beantragt:

1. festzustellen, dass die Nichtzulassung des geänderten Beschlussvorschlages vom 14. Dezember 2021 zum Tagesordnungspunkt der Stadtverordnetenversammlung vom 15. Dezember 2021, TOP 33alt/30neu, Vorlagennummer:
S ..., „Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Stadtverordneten D ... “, rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt,

2. festzustellen, dass die Nicht-Herbeiführung einer Feststellung zum Tagesordnungspunkt der Stadtverordnetenversammlung vom 15. Dezember 2021, 2021, TOP 33 alt/30 neu, Vorlage Nummer: S ..., ob die Voraussetzung des Mitwirkungsverbotes bezüglich der unter Nr. 1. benannten Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung vorliegen, rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist im Wesentlichen der Auffassung, er habe den Vorgaben der Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung und deren Ausschüsse der Stadt F ... vom 26. August 2019 nach (Amtsblatt für die Stadt F ... Nr. 5/2019 vom 05. Oktober 2019, Seite 11 – nachfolgend: Geschäftsordnung, GO), maßgeblich seien § 1 Abs. 4 und 5, § 2 Abs. 1 und 2 GO, rechtmäßig gehandelt. Das ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass es sich bei der Tischvorlage vom 14. Dezember 2021 um einen geänderten Antrag mit einer geänderten Beschlussvorlage gehandelt habe. Die Frist des § 2 Abs. 1 GO sei insoweit nicht eingehalten worden und die Voraussetzung für eine Dringlichkeitsentscheidung nach § 2 Abs. 2 GO lägen ebenfalls nicht vor. Auf die Argumentation der Klägerin, bei der geänderten Beschlussvorlage habe es sich um eine lediglich „minimale Änderung“ gehandelt, komme es daher nicht an; allerdings sei der Klägerin insoweit auch nicht zuzustimmen, denn bereits die zweite rechtsanwaltliche Ausarbeitung zur Frage eines Mitwirkungsverbotes belege, dass es sich um keine minimale Änderung der Beschlussvorlage „und damit einhergehend des Tagesordnungspunktes“ gehandelt habe; hiervon ausgehend sei die geänderte Rechtsauffassung nunmehr für die betroffenen Stadtverordneten überraschend gewesen. Die Stellungnahme der Kanzlei habe allein in ihrer Begründung sechs Seiten Text umfasst und es habe von den Stadtverordneten daher nicht erwartet werden können, sich unmittelbar mit der Thematik zu befassen. Entsprechende Erwägungen seien auch hinsichtlich des Klageantrages zu 2. maßgeblich. Das Begehren der Klägerin sei ebenfalls nicht spätestens am 15. Tag vor dem Sitzungstag mit der Bitte um Aufnahme in die Tagesordnung vorgelegt worden. Es habe auch hierfür keinen Grund gegeben, diesen Antrag nachträglich in die Tagesordnung aufzunehmen.

Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... beschloss die geänderte Beschlussvorlage S ... (neu – Amtsblatt für die Stadt F ... Nr. 1/2022, S. 7) in ihrer 17. Sitzung am 26. Januar 2022.

Das Gericht hat die Sache am 05. Mai 2022 mit den Beteiligten erörtert; auf die Niederschrift der nicht-öffentlichen Sitzung wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst den als Beiakte angelegten Bildaufzeichnungen der Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung vom 15. Dezember 2021 und 26. Januar 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht entscheidet über die Klage im Anschluss an den Übertragungsbeschluss der Kammer vom 22. Februar 2022 durch den Berichterstatter als Einzelrichter, § 6 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), und mit dem im Erörterungstermin erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist mit beiden Klageanträgen als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, jedoch nur hinsichtlich des ersten Klageantrages zulässig. Insoweit ist die Klage auch begründet (sogleich unter II.).

Hinsichtlich des zweiten Klageantrages ist die Klage hingegen bereits unzulässig (unter III.).

II. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.).

1. a) Das Gericht konkretisiert, § 88 VwGO, den Klageantrag aus der Klageschrift vom 21. Dezember 2021 dahingehend, dass der Klägerin an der gerichtlichen Feststellung gelegen ist, die Verhinderung einer Aussprache und Beschlussfassung zu dem bezeichneten Tagesordnungspunkt der Stadtverordnetenversammlung vom 15. Dezember 2021 auf der Grundlage der geänderten Beschlussvorlage vom 14. Dezember 2021 habe sie in ihrem organschaftlichen Recht aus § 35 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 3 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg verletzt.

b) Zwischen der Klägerin als Fraktion der Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... und dem beklagten Vorsitzenden der kommunalen Vertretung sind durch die von ihm unterbundene Behandlung des bezeichneten Tagesordnungspunktes in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 15. Dezember 2021 Rechtsbeziehungen entstanden, die ein konkretes und feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bilden.

c) Die Klägerin hat im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Versagung der inhaltlichen Aussprache und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 30 rechtswidrig war, § 43 Abs. 1 VwGO.

Das Feststellungsinteresse meint jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art und es liegt insbesondere dann vor, wenn die Rechtslage unklar ist, die Beteiligten gegensätzlicher Auffassung sind und der Kläger Grund zu der Besorgnis hat, dass seine Rechte gefährdet sind. Bei – wie hier – der Vergangenheit angehörenden Rechtsverhältnissen ist ein berechtigtes Interesse allerdings nur dann anzuerkennen, wenn das Rechtsverhältnis über seine Beendigung hinaus anhaltende Wirkungen in der Gegenwart äußert, insbesondere bei fortdauernden Rechtsbeeinträchtigungen, wenn die Klärung der Frage für das künftige Verhalten des Klägers wesentlich ist oder wenn es nicht nur abstrakt denkbar, sondern konkret möglich erscheint, dass sich in Zukunft ein ähnlich gelagerter Sachverhalt wiederholt (Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 43 Rn. 23/24 und 25 m. w. N.).

Die Klägerin kann ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zu dem ersten Klageantrag geltend machen und sich darauf berufen, dass vergleichbare Auseinandersetzungen über die Behandlung der von einer Fraktion geänderten Beschlussvorlage durch den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung in Zukunft konkret möglich sind. Das ergibt sich bereits aus der angesichts der Regelungen in der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung unklaren Rechtslage.

d) Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) und das Rechtsschutzbedürfnis in der Ausprägung des Grundsatzes der Organtreue unterliegen ebenfalls keinen Bedenken.

Dieser Grundsatz begründet namentlich die Obliegenheit, die beanstandete Maßnahme gegenüber dem Organ selbst rechtzeitig zu rügen und diesem die Möglichkeit zu geben, die Einwände zu prüfen und gegebenenfalls für Abhilfe Sorge zu tragen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen [OVG NW], Urt. v. 14. September 2017 – 15 A 2785/15 –, juris Rn. 43 – 44 m. w. N.). Die Klägerin hat ihrer Rügepflicht vorliegend mehr als ausreichend genügt, indem sie eine Behandlung des Tagesordnungspunktes gegenüber dem Beklagten wiederholt angemahnt und erst mit Blick auf die Erfolgslosigkeit dieser Bemühungen nach einer mehr als halbstündigen Diskussion über die Verfahrensfrage einer Behandlung in der nachfolgenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung notgedrungen zugestimmt hat.

2. Die Klage ist insoweit auch begründet.

Es ist festzustellen, dass der Beklagte die Klägerin in ihrem Organrecht aus § 35 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 3 BbgKVerf verletzt hat, indem er eine Aussprache und Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... zu dem Tagesordnungspunkt der Stadtverordnetenversammlung vom 15. Dezember 2021 „Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Stadtverordneten …“ auf der Grundlage des geänderten Beschlussvorschlages der Klägerin vom 14. Dezember 2021 (Tischvorlage) nicht zuließ.

Der Tagesordnungspunkt entsprach auch unter Berücksichtigung der geänderten (Tisch-) Vorlage den formellen Anforderungen der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg und den (rechtswirksamen) Bestimmungen der Geschäftsordnung.

a) Die Klägerin hat den Tagesordnungspunkt „Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Stadtverordneten …“ schriftlich am 18. November 2021 und damit rechtzeitig für die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 15. Dezember 2021 benannt.

Die Voraussetzungen einer Initiative zur Aufstellung der Tagesordnung als Voraussetzung der Beratung und Beschlussfassung über einen bestimmten, in der Stadtverordnetenversammlung zu behandelnden Gegenstand ergeben sich aus § 35 BbgKVerf.

Nach § 35 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf setzt der Vorsitzende der Gemeindevertretung die Tagesordnung im Benehmen mit dem Hauptverwaltungsbeamten fest, nach § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf sind in die Tagesordnung die Beratungsgegenstände aufzunehmen, die innerhalb einer in der Geschäftsordnung zu bestimmenden Frist von mindestens einem Zehntel der gesetzlichen Anzahl der Gemeindevertreter oder einer Fraktion oder die von dem Hauptverwaltungsbeamten „benannt“ werden, und nach § 35 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf ist die Tagesordnung der Ladung zu den Sitzungen beizufügen.

Im Unterschied zur alten Rechtslage – § 43 Abs. 1 S. 2 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg, wonach in die Tagesordnung die Vorschläge aufzunehmen sind, die innerhalb einer in der Geschäftsordnung zu bestimmenden Frist unter anderem von einer Fraktion „vorgelegt werden“ – besteht nach neuer Rechtslage ein gesetzliches Schriftformerfordernis nicht mehr, wobei es der Kommune allerdings – insoweit – unbenommen bleibt, in der Geschäftsordnung für Anträge zur Tagesordnung, etwa um Beweisschwierigkeiten zu begegnen, dennoch diese Form zu verlangen (vgl. Philipsen in: Potsdamer Kommentar, Kommunalrecht und kommunales Finanzrecht in Brandenburg, November 2020, § 35 Rn. 17/19; Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 Nr. 5.1; entsprechend zu § 48 Abs. 1 S. 2 GO NW: OVG NW, Beschl. v. 13. September 1995 – 15 B 2233/95 –, juris Rn. 14).

In der Gesetzesbegründung zu einem Kommunalrechtsreformgesetz (Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 4/5056, S. 185) heißt es insoweit:

„…Eine weitere Neuerung besteht darin, dass Vorschläge zur Tagesordnung nach dem Gesetzeswortlaut nicht mehr zwingend „vorgelegt werden“ müssen, was für ein Schriftlichkeitserfordernis sprach, sondern auch lediglich „benannt“ werden können, womit auch die Möglichkeit eröffnet ist, in mündlicher Form von seinem Antragsrecht Gebrauch zu machen. In Angleichung an die anderen Bundesländer, die typischerweise kein Schriftlichkeitserfordernis vorsehen, wurde an dieser Stelle ein Standard abgebaut. Soweit hierdurch Beweisschwierigkeiten vermutet oder gesehen werden, bleibt es der jeweiligen Gemeinde jedoch unbenommen, in der Geschäftsordnung für Anträge zur Tagesordnung dennoch die Schriftform zu fordern…“

So ergibt sich auch vorliegend aus dem Innenrecht der Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... Anderes: Nach § 2 Abs. 1 S. 2 GO (entsprechend § 9 Abs. 1 S. 1 GO) hat der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung in die Tagesordnung Vorschläge aufzunehmen, die ihm in schriftlicher Form spätestens am 15. Tag vor dem Sitzungstag unter anderem von einer Fraktion vorgelegt worden sind.

b) Der Vorschlag entspricht auch den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Tagesordnungspunktes.

aa) Die Tagesordnung dient der Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges und damit der Arbeitsfähigkeit der Gemeindevertretung und sie umreißt abschließend die Gegenstände, die dort an einer bestimmten Sitzungstag behandelt werden. Sie ermöglicht es den Mitgliedern der Gemeindevertretung damit, sich auf die Sitzung vorzubereiten und einzustellen (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19. März 2010 – 2 A 10006/10 –, Rn. 28, juris).

Entsprechend muss die Öffentlichkeit auf Grund der Angaben in der Tagesordnung über eine Teilnahme an dem öffentlichen Teil der Sitzung entscheiden können (Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 Nr. 3.1).

Beschlüsse, zu Tagesordnungspunkten, die den Bestimmtheitsanforderungen nicht genügen, sind mangels ordnungsgemäßer Ladung, § 35 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf, wegen eines schweren Verfahrensfehlers unwirksam (Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 Nr. 3.3)

bb) Der Tagesordnungspunkt (für einen in öffentlicher Sitzung zu behandelnden Gegenstand) muss folglich so genau – wenngleich summarisch oder schlagwortartig – das Thema bezeichnen, dass ersichtlich ist, worüber konkret beraten und beschlossen werden soll; er muss Angaben über den ungefähren Inhalt des Beschlusses mitteilen (Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 Nr. 3.1). So sind etwa Tagesordnungspunkte zur Beschlussfassung durch die Gemeindevertretung mit dem Inhalt „Änderung der Hauptsatzung“, „Sonstiges“ oder Verschiedenes“ nicht hinreichend bestimmt (Sommer in: Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, Kommunal- und Schulverlag, 4. Aufl. 2013, unter Nr. 8.1.4).

Darüber hinaus muss mit der Formulierung des Tagesordnungspunktes hinreichend konkret beschrieben werden, mit welchem Ziel der Tagesordnungspunkt – Beratung und/oder Beschlussfassung oder Information – durch die kommunale Vertretung behandelt werden soll (Sommer in: Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, Kommunal- und Schulverlag, 4. Aufl. 2013, unter Nr. 8.1.4; vgl. auch in diesem Zusammenhang: OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19. März 2010 – 2 A 10006/10 –, juris Rn. 29 [Der Tagesordnungspunkts "Wahl der ehrenamtlichen Beigeordneten" umfasst nicht die Möglichkeit einer Aussprache über die vorgeschlagenen Kandidaten]; Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 Nr. 5.1).

cc) Demgegenüber erfordert § 35 BbgKVerf auch mit Blick auf die notwendige Bestimmtheit eines Beratungsgegenstandes nicht, dass der Inhalt des zu fassenden Beschlusses bereits konkret mit der Tagesordnung wiedergegeben wird, denn in der Praxis ergibt sich erst aus der Beratung des Gegenstandes in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung und der möglichen Änderung von Beschlussvorlagen auf Grund von Änderungsanträgen anderer Fraktionen oder einzelner Stadtverordneter, § 30 Abs. 3 S. 1 BbgKVerf, der konkrete Beschlussinhalt (VG Münster, Urt. v. 05. Dezember 2017, 1 K 1187/15 –, beck.online). Die Kommunalverfassung geht vielmehr davon aus, dass die Vertreter mit einer ordnungsgemäß erstellten Tagesordnung ausreichend über die beabsichtigten Verhandlungsgegenstände informiert werden (Philipsen in: Potsdamer Kommentar, Kommunalrecht und kommunales Finanzrecht in Brandenburg, August 2013, § 35 Rn. 34; Schmitz: „Die vorrangige Abstimmung über den weitestgehenden Antrag – zur Auslegung der Geschäftsordnung des Gemeinderates“, NVwZ 1992, 547; für die § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf entsprechende Regelung des § 48 Abs. 1 S. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen: OVG NW, Beschl. v. 13. September 1995 – 15 B 2233/95 –, juris Rn. 4; vgl. auch: VG Greifswald, Beschl. v. 22. Mai 1998 – 4 B 683/98 –, LKV 1999, 110).

dd) Der Tagesordnungspunkt „Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Stadtverordneten …“ wahrte vorliegend die sich aus § 35 Abs. 1 S. 1- 3 BbgKVerf ergebenden Bestimmtheitsanforderungen.

aaa) Zwar unterscheiden sich die Inhalte der ursprünglichen Beschlussvorlage und der als Tischvorlage verteilten Beschlussvorlage in wesentlichen Punkten und nicht, wie die Klägerin meint, „nur minimal“.

Die wesentliche Änderung zwischen den Beschlussvorlagen ergibt sich schon daraus, dass der Beschlussvorschlag ursprünglich lediglich darauf zielte, eine auf dem Gebiet des Kommunalrechts versierte Rechtsanwaltskanzlei damit zu betrauen, die Frage der Pflichtverletzung einzelner Stadtverordneter und die Erfolgsaussichten von Schadensersatzansprüchen ihnen gegenüber zu begutachten („einen Rechtsrat einzuholen“), die geänderte Beschlussvorlage vom 14. Dezember 2021 nach Beantwortung dieser Fragen jedoch zum Ziel hat, die Ansprüche „gegenüber den benannten Stadtverordneten geltend zu machen und unter Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten durchzusetzen“.

Der geänderte Antrag hat mithin in politischer, aber auch in finanzieller Hinsicht – durch den immanenten Klageauftrag erhöhen sich die Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erheblich und es können zudem Gerichtsgebühren sowie mögliche außergerichtliche Kosten der Beklagten anfallen – wesentlich weitreichendere Folgen für die betroffenen Stadtverordneten, aber auch die Stadt F ... Mit der Zustimmung zu der geänderten Beschlussvorlage hat sich die Stadtverordnetenversammlung zu der Frage der Durchsetzung eventueller Schadensersatzansprüche gegenüber den benannten Stadtverordneten, anders als dem ursprünglichen Beschlussvortrag nach, bereits abschließend verhalten, und sie hat bei der in ihrer Zuständigkeit liegenden Sache – um ein Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 5 BbgKVerf handelt es sich insoweit nicht – vorsorglich Klageauftrag erteilt. Der Inhalt dieses geänderten Antrages entsprach im Übrigen auch der Zielsetzung der Klägerin, die von dem Antrag erfassten Stadtverordneten von einer Teilnahme an der Aussprache und der Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt auszuschließen.

bbb) Die wesentlichen inhaltlichen Differenzen in den von der Klägerin entwickelten Beschlussvorschlägen sind allerdings unerheblich, weil die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg die Aussprache und Beschlussfassung über einen Antrag in § 35 Abs. 1 S. 2 ausschließlich an die Benennung eines „Beratungsgegenstandes“ bindet und die darüber hinausgehenden Anforderungen der Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung und deren Ausschüsse der Stadt F ... damit gegen höherrangiges Recht verstoßen.

Nach § 9 Abs. 1 S. 1 GO sind Anträge einer Fraktion – insoweit in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 1 S. 2 GO – schriftlich, spätestens am 15. Tag vor dem Sitzungstermin der Stadtverordnetenversammlung bei dem Vorsitzenden einzureichen; nach § 9 Abs. 1 S. 2 GO müssen Anträge einer Fraktion jedoch einen Beschlussvorschlag und eine Begründung enthalten.

Die erstgenannte Regelung ist, wie ausgeführt, sowohl hinsichtlich des Schriftlichkeitsgebots als auch mit Blick auf die benannte Frist rechtlich unbedenklich.

Mit dem Erfordernis eines (fristgemäßen) Beschlussvorschlages und einer Begründung geht § 9 Abs. 1 S. 2 GO jedoch für Anträge einer Fraktion, die zur Beschlussfassung eingereicht werden, über die allgemeinen Anforderungen für Vorschläge auf Aufnahme von Gegenständen in die Tagesordnung durch sonstige Antragsberechtigte – den in § 2 Abs. 1 GO entgegen § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf nicht benannten Hauptverwaltungsbeamten und ein Zehntel der gesetzlichen Anzahl der Stadtverordneten – hinaus. Die Bestimmung verknüpft ihrem Wortlaut und ihrer Systematik nach die Erfordernisse eines Beschlussvorschlages und einer Begründung mit der Fristbestimmung in § 9 Abs. 1 S. 1 GO („Sie müssen“), mit der Folge, dass auch diese Unterlagen in der benannten Frist einzureichen sind.

Die Regelung des § 9 Abs. 1 S. 2 GO beinhaltet damit eine Einschränkung des Initiativrechts unter anderem einer Fraktion, was sich unmissverständnlich auch aus § 9 Abs. 1 S. 3 GO ergibt, wonach „die weiteren Regelungen“ des § 2 Abs. 1 GO – nämlich die Bestimmungen der Geschäftsordnung über die „Tagesordnung“ – „unberührt“ bleiben. Sie widerspricht damit § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf, denn diese Norm bindet das Initiativrecht ausschließlich an die – zulässigerweise auch schriftliche – „Benennung“ eines Beratungsgegenstandes gegenüber dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung innerhalb einer in der Geschäftsordnung zu bestimmenden Frist, und sie ermächtigt nicht dazu, weitergehende formelle Anforderungen an dieses Initiativrecht zu stellen und dieses es damit einzuschränken (so explizit: Philipsen in: Potsdamer Kommentar – Kommunalrecht und kommunales Finanzrecht in Brandenburg, November 2020, § 35 Rn. 19 [vom Konkretisierungsrecht im Rahmen der Geschäftsautonomie nicht mehr gedeckt]; so auch: Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 Nr. 3.1 und 9.; vgl. zu § 48 Abs. 1 S. 2 GO NW entsprechend: OVG NW, Beschl. v. 13. September 1995 – 15 B 2233/95 –, juris Rn. 12).

Einer Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung steht auf Grund ihrer Geschäftsordnungsautonomie – nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 BbgKVerf ist der Vertretung die Entscheidung unter anderem über ihre Geschäftsordnung vorbehalten – aber nicht das Recht zu, ihre inneren Angelegenheiten in einer Weise zu regeln, die den abschließenden Vorgaben des Landesgesetzes widerspricht, sofern nicht das formelle Landesrecht, wie etwa in § 39 Abs. 2 BbgKVerf oder in § 32 Abs. 3 BbgKVerf, hierzu ausdrücklich ermächtigt.

Die Bestimmung lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Initiativrecht in mittelbarem Zusammenhang mit der in § 34 BbgKVerf geregelten Einberufung zu den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung steht – vgl. auch § 9 Abs. 2 S. 1 GO, wonach „rechtzeitig gestellte Anträge vervielfältigt und mit der Einladung zur Sitzung an die Mitglieder verteilt werden – und dass § 34 Abs. 4 BbgKVerf dazu ermächtigt, „die Form der Einberufung, die regelmäßige Ladungsfrist und die vereinfachte Einberufung unter verkürzter Ladungsfrist“ in der Geschäftsordnung zu regeln. Es geht hier im Kern nicht um “die Form der Einberufung“, sondern um eine Erweiterung der Voraussetzungen des anderweitig und abschließend in § 35 Abs. 1 BbgKVerf geregelten Initiativrechts.

Entsprechend genügt ersichtlich nicht, dass § 32 Abs. 3 BbgKVerf dazu ermächtigt, das Nähere auch über die „Pflichten“ einer Fraktion in der Geschäftsordnung zu regeln, und dass § 9 Abs. 1 S. 2 GO das legitime Ziel verfolgt, die Möglichkeiten der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung zur Vorbereitung der Sitzung zu verbessern. Der letztgenannte Gesichtspunkt kann schon deshalb zu keiner abweichenden Entscheidung führen, weil es der Stadtverordnetenversammlung jederzeit freisteht, die Sache zu vertagen, sofern eine hinreichende Vorbereitung nicht möglich war, § 12 Abs. 3 lit. d) GO, § 34 Abs. 5 BbgKVerf. Nach § 34 Abs. 5 BbgKVerf kann die Gemeindevertretung mit der Mehrheit der anwesenden Mitglieder die Unterbrechung der Sitzung und deren Fortsetzung an einem anderen Termin beschließen, wenn die Tagesordnung in der laufenden Sitzung nicht abschließend behandelt werden kann. Die Fortsetzungssitzung ist allein der Behandlung der noch offenen Tagesordnungspunkt derselben Tagesordnung vorbehalten. Der Beschluss über die Unterbrechung der Sitzung muss Zeit und Ort der Fortsetzungssitzung bestimmen. Für die Fortsetzungssitzung ist eine erneute Ladung entbehrlich.

ccc) Hiervon ausgehend entspricht der Tagesordnungspunkt „Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Stadtverordneten …“ sowohl für sich genommen als auch in Zusammenhang mit der nach dem Willen der Klägerin ausschließlich zu behandelnden „Tischvorlage“ den Bestimmtheitsanforderungen. Der Tagesordnungspunkt fasst den Inhalt der von der Klägerin geänderten Beschlussvorlage zutreffend zusammen, weil mit ihrer Annahme – anders als nach der ursprünglichen Vorlage – nunmehr ein Automatismus zur Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber den bezeichneten Stadtverordneten verbunden war, sofern sich diese auf Grund der rechtsanwaltlichen Prüfung ergeben.

Der Umstand, dass der Tagesordnungspunkt nicht explizit auf die Art seiner Behandlung hinweist, ist vorliegend unschädlich, denn aus seiner Formulierung lässt sich (noch) hinreichend entnehmen, dass er zur Beschlussfassung – und nicht lediglich zur Beratung oder zur Information – gestellt werden sollte. Ob der Auffassung der Literatur (Schumacher in: Schumacher etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 unter 3.1 unter Verweis auf VG Hannover, Urt. v. 07. März 1991 –, n. v.), im Rahmen der Bestimmtheitsanforderungen sei es ausreichend, wenn für die „Beteiligten“ aufgrund der Vorgeschichte klar sei, worum es gehe, in dieser Allgemeinheit und mit Blick auf die Belange der Öffentlichkeit zu folgen wäre, kann offen bleiben.

ee) Nach alledem wäre der Beklagte allenfalls dann nicht verpflichtet gewesen, den Tagesordnungspunkt aufzurufen, eine Aussprache zuzulassen und abschließend eine Abstimmung zu ermöglichen, wenn die Tagesordnung mit der Beschlussvorlage in unzulässiger Weise erweitert worden wäre, denn nach brandenburgischem Kommunalverfassungsrecht ist die Erweiterung einer Tagesordnung, wie sich aus § § 35 Abs. 2 S. 1 und 2 BbgKVerf zweifelfrei ergibt, nur dann zulässig, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die keinen Aufschub duldet (anders wohl nach bayerischen Kommunalrecht bei Anwesenheit der Mitglieder des Stadtrates und fehlendem Widerspruch: Bayerischer VGH, Urt. v. 12. Mai 2009 – 1 N 04.3145 –, BeckRS 2009, 43283, Rn. 31; krit. dazu: Jung in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, 01. Februar 2022, Art. 47 GO Rn. 9a -13; vgl. in diesem Zusammenhang auch Schmitz: „Zur Unzulässigkeit von Tischvorlagen bei Rats- und Ausschusssitzungen und ihre Folgen“ in Verwaltungsrundschau [VR] 1990, 266 ff.). Eine Erweiterung der Tagesordnung lag jedoch zweifelsfrei nicht vor.

ff) Seiner Verpflichtung zur Behandlung des Tagesordnungspunktes 30 (neu) konnte der Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass es mit Blick auf das erst kurzfristig vorgelegte zweite rechtsanwaltliche Gutachten zur Frage des Mitwirkungsverbots nach § 22 BbgKVerf den Stadtverordneten und ihrem Vorsitzenden an einer hinreichenden Information über den Beschlussgegenstand gefehlt habe.

Von der Frage abgesehen, ob und in welchem Umfang einzelnen Stadtverordneten ein Anspruch auf Übersendung von Material zur Vorbereitung der Entscheidung zusteht (vgl. einerseits restriktiv: Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 BbgKVerf unter Nr. 9. unter Verweis auf OVG f. d. Ld. Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 29. April 1988 – 15 A 2207/85 –, juris, wonach ein Rechtsanspruch nur ausnahmsweise bestehen soll, wenn Umfang und Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit dieses erforderlich machen; andererseits: OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 01. Juni 2010 – 2 A 11318/09 –, juris Rn. 29: Anspruch der Ratsmitglieder und Fraktionen auf angemessene Unterrichtung über die Gegenstände anstehender Ratsentscheidungen, der sich aus ihrer Stellung im Prozess der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung der Gemeinde ergebe; weitergehend auch etwa: VG Frankfurt/Main, Beschl. v. 25. August 2020 – 7 L 1818/2020.F –, juris [Anspruch einer Fraktion auf Überlassung einer Studie]) wäre es an den Stadtverordneten gewesen, den Anspruch geltend zu machen und über die abschließende Behandlung des Punktes in einer Fortsetzungssitzung zu befinden, § 34 Abs. 5 BbgKVerf.

Das gilt auch dann, wenn die obige Frage der Gültigkeit des § 9 Abs. 1 S. 2 GO abweichend beurteilt würde. Auch in diesem Fall oblag es nicht dem Beklagten, sondern in jedem Fall der Kompetenz der Stadtverordnetenversammlung darüber zu befinden, ob sie sich am 15. Dezember 2021 mit dem Tagesordnungspunkt 30 auf der Grundlage der geänderten Beschlussvorlage befassen wollte.

Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung öffnet und schließt die Sitzung, leitet die Verhandlung, handhabt die Ordnung und übt das Hausrecht aus, § 37 Abs. 1 BbgKVerf. Ihm obliegt im Rahmen der Verhandlungsleitung zwar der Aufruf der einzelnen Beratungsgegenstände der Tagesordnung (vgl. im Einzelnen: Lechleitner in: Potsdamer Kommentar, Kommunalrecht und kommunales Finanzrecht in Brandenburg, Mai 2013, § 37 Rn. 4 ff.; Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, November 2008, § 37 BbgKVerf unter Nr. 4.2), nicht jedoch die Entscheidung darüber, ob ein Tagesordnungspunkt der von der Stadtverordnetenversammlung festgestellten Tagesordnung an demselben Sitzungstag zu behandeln oder – etwa wegen nicht hinreichender Vorbereitung – zu vertagen ist (Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 BbgKVerf unter Nr. 7 und 8.1). Über eine Unterbrechung der Sitzung und deren Fortsetzung an einem anderen Termin beschließt nach § 34 Abs. 5 BbgKVerf vielmehr die Stadtverordnetenversammlung.

Das lässt sich auch dem – nicht unmittelbar einschlägigen – § 2 Abs. 3 GO entnehmen. Nach dieser Bestimmung kann die Stadtverordnetenversammlung vor Eintritt in die Tagesordnung beschließen, Tagesordnungspunkte „neu aufzunehmen“ – insoweit muss es sich, anderenfalls läge ein Verstoß gegen § 35 Abs. 2 S. 1 und 2 BbgKVerf vor und die Regelung widerspräche dem inhaltsgleichen § 2 Abs. 2 BbgKVerf, um zuvor bereits auf der Tagesordnung befindliche Punkte handeln – oder „abzusetzen“. Das „Absetzen“ eines Tagesordnungspunktes aber fällt ebenso wie ein Antrag zur Geschäftsordnung, § 12 Abs. 1 GO, insbesondere auch ein Antrag auf Vertagung, § 12 Abs. 3 lit d) GO, auch nach diesen internen Regelungen in die Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung und nicht ihres Vorsitzenden. Die Regelung verdeutlicht jedenfalls, dass die Beschlussfassung über die Behandlung eines Tagesordnungspunktes bei Auseinandersetzungen zwischen der einbringenden Fraktion und dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung der Stadtverordnetensammlung obliegt.

Abschließend ist auf § 18 GO zu verweisen, wonach Abweichungen von den Vorschriften dieser Geschäftsordnung im Einzelfall zulässig sind, wenn die Stadtverordnetenversammlung dieses mit einer Mehrheit von zwei Dritteln beschließt. Selbst wenn von der Gültigkeit des § 9 Abs. 1 S. 2 GO auszugehen wäre, hätte der Stadtverordnetenversammlung eine Entscheidung über die Frage der „Abweichung“ oblegen.

Mit diesem Ergebnis wird schließlich einen Gleichklang zu den Kompetenzen hergestellt, die dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung nach § 35 Abs. 1 S. 1 und 2 BbgKVerf zustehen.

Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung nach diesen Bestimmungen kein materielles Prüfungsrecht zu der Frage zusteht, ob der zur Beratung und Beschlussfassung gestellte Tagesordnungspunkt in die Zuständigkeit der Gemeinde und ihrer Vertretung fällt (Philipsen in: Potsdamer Kommentar, Kommunalrecht und kommunales Finanzrecht in Brandenburg, November 2020, § 35 Rn. 22 ff.; Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 BbgKVerf unter Nr. 5.7; OVG NW, Beschluss vom 13. September 1995 – 15 B 2233/95 –, juris).

Hiermit übereinstimmend steht dem Vorsitzenden auch nicht die Befugnis zu, einen einmal auf die Tagesordnung gesetzten Gegenstand (endgültig) abzusetzen oder die Sache zu vertagen. Diese Befugnis besitzt nur die Stadtverordnetenversammlung selbst unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 3 BbgKVerf (Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2017, § 35 BbgKVerf unter Nr. 7. und 8.1).

III. Der Klageantrag zu 2. ist in mehrfacher Hinsicht unzulässig.

1. Insoweit fehlt es der Klägerin in dem maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, 43 Abs. 1 VwGO.

Es ist schon weder ersichtlich noch vorgetragen – und zwar weder nach Erörterung dieser Frage in dem Termin vom 05. Mai 2022 noch in dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom selben Tag –, aus welchen Gründen es der begehrten gerichtlichen Feststellung gegenüber dem Beklagten (noch) bedarf, nachdem die Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... die geänderte Beschlussvorlage S ... (neu) in ihrer 17. Sitzung vom 26. Januar 2022 beschlossen hat (Amtsblatt für die Stadt F ... Nr. 1/2022, S. 7). Der Beklagte hat das Mitwirkungsverbot nach § 22 BbgKVerf im Vorgriff auf die Behandlung des Tagesordnungspunktes für sich akzeptiert, indem er die Sitzungsleitung an seine Stellvertreterin übergeben und den Raum verlassen hat. Entsprechend hat sich die ebenfalls befangene Stellvertreterin des Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung am 26. Januar 2022 verhalten, indem sie die Sitzungsleitung zu dem streitgegenständlichen Tagesordnungspunkt unter Verlassen des Raumes an den nach Lebensjahren ältesten Stadtverordneten abgegeben hat.

Hiervon unabhängig ist das Verfahren über die Feststellung eines Mitwirkungsverbotes in
§ 31 Abs. 2 Nr. 4 BbgKVerf, wie die Klägerin in dem Schriftsatz vom 05. Mai 2022 selbst ausführt, zum einen klar geregelt, und zum anderen lässt es der tatsächliche und rechtliche Zusammenhang zwischen dem hier zur Beratung und Beschlussfassung anstehenden Tagesordnungspunkt 30 und einem eventuellen Mitwirkungsverbot nach § 22 BbgKVerf als fernliegend erscheinen, dass es der begehrten gerichtlichen Feststellung bedarf: Der Beklagte ist einer Entscheidung der in dem Tagesordnungspunkt 30 (neu) bezeichneten Stadtverordneten zur Frage ihrer Befangenheit ebenso wie einer Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung als solcher nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 BbgKVerf nicht aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, sondern ausschließlich deshalb entgegengetreten, weil er der Auffassung war, dass eine Aussprache und Abstimmung zu dem bezeichneten Tagesordnungspunkt auf der Grundlage der „Tischvorlage“ der Klägerin unzulässig sei. Es ist danach weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beklagte künftig und bei anderen Beratungsgegenständen entsprechend verfahren würde.

2. Der Klageantrag zu 2. ist auch in Ermangelung des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil die beantragte Feststellung der Klägerin im Anschluss an den Beschluss vom 26. Januar 2022 und die Erledigung des Tagesordnungspunktes 30 offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen kann.

3. Schließlich fehlt es der klagenden Fraktion der Stadtverordnetenversammlung auch an der Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO.

Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz ist auch in einem kommunalverfassungsrechtlichen Organstreit, in dem Gemeindeorgane oder Organteile über Bestand und Reichweite zwischen- oder innerorganschaftlicher Rechte streiten, nach dem der Verwaltungsgerichtsordnung zu Grunde liegenden Prinzip des subjektiven Rechtsschutzes nur zulässig, wenn und soweit sich der Rechtsschutzsuchende auf eine Rechtsposition berufen kann, die ihm durch das Gesetz eingeräumt wurde. Ein Rechtsschutzbegehren, das auf die Feststellung einer allein objektiv-rechtlichen Überschreitung oder Unterschreitung von Kompetenzen eines Organs gerichtet ist, bleibt auch im Gewand des kommunalverfassungsrechtlichen Organstreits eine unzulässige Popularklage. Erforderlich ist, dass es sich bei der geltend gemachten Rechtsposition um ein durch das Innenrecht eingeräumtes, dem klagenden Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesenes wehrfähiges subjektives Organrecht handelt (OVG NW, Urt. v. 17. Februar 2017 – 15 A 1676/15 –, juris Rn. 57), was etwa der Fall sein kann, wenn die Fraktion geltend machen kann, in ihrem von § 32 Abs. 2 S. 1 und 2 BbgKVerf garantierten Recht, bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Gemeindevertretung mitwirken zu können, verletzt zu sein (vgl. OVG NW, Beschl. v. 22. Juni 2020 – 15 B 894/20 –, juris Rn. 8 – 10;, OVG NW, Urt. v. 08. Oktober 2002 – 15 A 3691/01 –, juris Rn. 24 [Neuregelung der Fraktionszuwendungen]; vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 03. Februar 1994 – 7 B 11/94 –, juris Rn. 1;OVG NW, Beschl. v. 22. Juni 2020 – 15 B 894/20 –, juris Rn. 6; OVG NW, Urt. v. 14. September 2017 – 15 A 2785/15 –, juris Rn. 33 [Kommunalverfassungsstreit wegen eines Ordnungsrufes]; Sommer: in Bogner: Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, 4. Aufl., 2013, Nr. 6.10.2).

Einem wegen eines vermeintlichen Mitwirkungsverbots von der Teilnahme an der Sitzung der Kommunalvertretung ausgeschlossenen Mitglied steht unzweifelhaft eine Klagebefugnis zu, die mögliche Verletzung seines freien Mandatsausübungsrechts verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen (Nds. OVG, Urt. v. 31. Oktober 2013 – 10 LC 72/12 –, juris Rn. 6, vgl. auch Rn. 84). Anderes gilt allerdings in dem spiegelbildlichen Fall, in dem sich ein Mitglied der Gemeindevertretung – Entsprechendes gilt für eine Fraktion – darauf beruft, ein an sich von dem Mitwirkungsverbot Betroffener habe zu Unrecht an der Abstimmung teilgenommen.

Zwar soll sich das Mitglied der Kommunalvertretung darauf berufen können, die Stimmrechte der anderen Mitglieder würden in ihrem Stimmgewicht durch eine generell unberechtigte Teilnahme eines Funktionsträgers an den Sitzungen geschmälert (VG Lüneburg, Urt. v. 26. April 2006 – 5 A 414/05 –, Rn. 13 - 14, juris [Begehren eines Ratsmitglieds auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Ratsbeschlusses, der unter Mitwirkung des gesetzlich teilnahmeberechtigten Bürgermeisters beschlossen wurde] und OVG NW, Beschl. v. 21. Dezember 1995 – 15 B 3104/95 –, juris Rn. 7 [entsprechender Eilantrag einer Fraktion]; vgl. auch VG Oldenburg (Oldenburg), Urt. v. 18. März 2014 – 1 A 6502/13 –, juris Rn. 26), nicht jedoch kann es geltend machen, ein aus individuellen Gründen befangenes Mitglied habe unzulässiger Weise bei der Beratung und Entscheidung einer Angelegenheit mitgewirkt.

Die Verbote des § 22 BbgKVerf – einschließlich der Verfahrensregelung in § 22 Abs. 4 S. 4 BbgKVerf und der (deklaratorischen) Entscheidung in § 31 Abs. 2 Nr. 4 BbgKVerf (Schumacher in: Schumacher etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Dezember 2012, § 22 unter 8.2) – dienen ausschließlich dem öffentlichen Interesse der Sicherung einer unvoreingenommenen und nur der Sache verpflichteten Entscheidung durch die Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung und sie sollen vor allem gewährleisten, dass die Gemeindevertreter nicht den Interessen der Gemeinde zuwiderhandeln (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Kommunalrechtsreformgesetz, LT-Drs. 4/5056, S. 160).

Die Mitwirkungsverbote vermitteln den nicht ausgeschlossenen Mitgliedern keinen Schutz, insbesondere lässt sich ihnen auch nicht entnehmen, dass der Stimmabgabe nicht nur ein bestimmter Zählwert, sondern auch ein Erfolgswert innewohnen könnte, der durch das unzulässige Mitwirken anderer Personen beeinträchtigt sein könnte. Bei der durch einen unterlassenen Ausschluss von befangenen Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung bewirkten Minderung des Stimmgewichts der anderen zur Abstimmung berufenen Stadtverordneten handelt es sich vielmehr allenfalls um einen Rechtsreflex der Befangenheitsvorschrift, die die Minderung des Stimmgewichts in Kauf nimmt (im Einzelnen: OVG NW, Beschl. v. 22. Juni 2020 – 15 B 894/20 –, Rn. 13 [zu einer Fraktion], juris; OVG NW, Urt. v. 02. Mai 2006 – 15 A 817/04 –, juris Rn. 58; OVG NW, Beschl. v. 07. August 1997 – 15 B 1811/97 –, juris Rn. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 29. August 1984 – 7 A 19/84 –, NVwZ 1985, 283).

Die Rechte der Fraktion einer Stadtverordnetenversammlung als Zusammenschluss (politisch gleich orientierter) Stadtverordneter gehen nicht über die Rechte einzelner Stadtverordneter hinaus, soweit das Gesetz der Fraktion nicht ausdrücklich weitergehende Rechte – wie in 34 Abs. 2 Nr. 2 BbgKVerf, § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf oder § 67 Abs. 3 S. 1 BbgKVerf – gewährt. Das Recht einer Fraktion, ihre Ansichten öffentlich darzustellen und ggf. auf Verstöße gegen Befangenheitsvorschriften öffentlich hinzuweisen, § 32 Abs. 2 S. 2 BbgKVerf, schließt ebenfalls nicht das Recht ein, das Vorliegen dementsprechender Verstöße gerichtlich überprüfen zu lassen. Das ist auch nicht geboten, weil die Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung als Teil der vollziehenden Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) an Gesetz und Recht gebunden ist und weil diese Gesetzesbindung durch das Beanstandungsrecht des Bürgermeisters, § 55 BbgKVerf, und das Kommunalaufsichtsrecht, §§ 108 ff. BbgKVerf, hinreichend sichergestellt wird.

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Klägerin durch das Unterlassen des Beklagten, eine Entscheidung über das Vorliegen des Mitwirkungsverbots in Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt 30 herbeizuführen, in ihrem Recht auf Mitwirkung bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung, § 32 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf, verletzt sein könnte. Eine mögliche Rechtsverletzung legt die Klägerin auch in dem Schriftsatz vom 05. Mai 2022 nicht schlüssig dar und sie übersieht insbesondere, dass der von der Stadtverordnetenversammlung im „Zweifelsfall“ zu treffenden Entscheidung nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 BbgKVerf, anders als die Klägerin offenbar meint, keine konstitutive, sondern eine ausschließlich feststellende Wirkung zukommt und dass bei einem Unterbleiben dieser Feststellung allein maßgeblich ist, ob der Stadtverordnete einem Mitwirkungsverbot nach § 22 BbgKVerf unterlag (Schumacher in: Schumacher etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Dezember 2012, § 22 unter 8.2).

4. Das Gericht weist angesichts der Unzulässigkeit des Klagebegehrens lediglich informierend auf Folgendes hin:

a) Wer annehmen muss, von der Mitwirkung ausgeschlossen (befangen) zu sein, hat den Ausschließungsgrund unaufgefordert der zuständigen Stelle, grundsätzlich vor Eintritt in die Verhandlung, anzuzeigen, § 31 Abs. 2 Nr. 3 BbgKVerf, und er hat den Sitzungsraum zu verlassen, § 31 Abs. 2 i. V. m. § 22 Abs. 4 S. 1 BbgKVerf. Er gilt in diesem Fall als nicht anwesend im Sinne des Gesetzes, § 31 Abs. 2 i. V. m. § 22 Abs. 4 S. 3 BbgKVerf. Die Stadtverordnetenversammlung stellt fest, ob die Voraussetzungen eines Mitwirkungsverbotes vorliegen und ob ein Verstoß gegen die Offenbarungspflicht vorliegt, § 31 Abs. 2 Nr. 4 und 5 BbgKVerf. Es bedarf in Zusammenhang mit dieser Feststellung der Stadtverordnetenversammlung daher eines Vorschlages aus dem Kreis der weiteren Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung – zumal unter Einhaltung der für Initiativen zur Tagesordnung bestimmten Frist, § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf, § 2 Abs. 1 GO – nicht.

b) Nach § 31 Abs. 2 i. V. m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 BbgKVerf darf der Gemeindevertreter, hier: der Stadtverordnete, weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einer „Angelegenheit“ – auch eine organisatorische Maßnahme, etwa durch den Vorsitzenden einer Stadtverordnetenversammlung, kann eine „Angelegenheit“ i. S. v. § 22 Abs. 1 BbgKVerf sein (Schumacher in: Schumacher etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Dezember 2012, § 22 unter 4.3) – ihm selbst einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann. Die Mitwirkungsverbote nach § 22 BbgKVerf sollen in erster Linie gewährleisten, dass die Gemeindevertreter nicht entgegen den Interessen der Gemeinde entscheiden (Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Kommunalrechtsreformgesetz, LT-Drs. 4/5056, S. 160) und sie sind nach ihrem Sinn und Zweck, einen Interessenwiderstreit schon vom äußeren Anschein her zu vermeiden, weit auszulegen (Schumacher in: Schumacher etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Dezember 2012, § 22 unter 2.1.2 und unter 4.4). Einer möglichen Beschlussunfähigkeit der Stadtverordnetenversammlung, § 38 Abs. 1 S. 1 BbgKVerf, wird durch § 38 Abs. 3 BbgKVerf begegnet, wonach die Vertretung ohne Rücksicht auf die Anzahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig ist, wenn mehr als die Hälfte der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder befangen ist. Die Beschlüsse bedürfen in diesem Fall der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde, die sie aus Gründen des öffentlichen Wohls versagen kann, § 38 Abs. 3 S. 2 und 3 BbgKVerf.

In welchen Fällen von einem „unmittelbaren“ Vor- oder Nachteil im Kommunalverfassungsrecht der Bundesländer auszugehen ist, ist zwar umstritten (vgl. nur Stein in: Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, 4. Aufl. 2013, unter Nr. 7.2.2.1.2) und eine gesetzliche Konkretisierung fehlt aus gutem Grund (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Kommunalrechtsreformgesetz, LT-Drs. 4/5056, S. 160:

„… Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen § 28 GO a. F. Insbesondere wurde kein Bedarf gesehen, den zentralen Begriff des unmittelbaren Vorteils bzw. Nachteils zu konkretisieren. Zwar ergeben sich hier Auslegungsprobleme. Versuche in anderen Bundesländern zu einer gesetzlichen Definition haben jedoch lediglich einen unbestimmten Rechtsbegriff durch einen anderen ersetzt (z. B. § 31 Abs. 1 Satz 2 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen: „Unmittelbar ist der Vorteil oder Nachteil, wenn die Entscheidung eine natürliche oder juristische Person direkt berührt“). Es bestand allerdings Bedarf für einige klarstellende Änderungen….“);

sowohl auf Grund einer streng formalen Betrachtungsweise, wonach es für die „Unmittelbarkeit“ darauf ankommen soll, dass die Entscheidung und der Vor- bzw. Nachteil durch keine weiteren Zwischenschritte miteinander verbunden sind (so noch: Hessischer VGH, Urt. v. 10. März 1981 – II OE 12/80 –, NVwZ 1982, 44; abweichend nunmehr: Hessischer VGH, Urt. v. 28. November 2013 – 8 A 865/12 –, juris Rn. 27) als auch auf Grund einer Betrachtungsweise, die den Zweck des Mitwirkungsverbots in den Blick nimmt und die maßgeblich darauf abstellt, ob der Gemeindevertreter aufgrund besonderer persönlicher Beziehungen zu dem Gegenstand der Beschlussfassung ein individuelles, etwa auch ein ideelles, (Sonder-) Interesse an der Entscheidung hat (Hessischer VGH, Urt. v. 28. November 2013 – 8 A 865/12 –, juris Rn. 26 m w. N.;OVG NW, Beschl. v. 08. Mai 2015 – 15 A 1523/14 –, zit. nach NRWE. de [Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte in Nordrhein-Westfalen] ; Urt. d. Kammer v. 21. Mai 2019 – VG 1 K 9/18 –, n. v., UA S. 13; Beschl. v. 04. Februar 2021 – VG 1 L 46/21 –, juris Rn. 36; so auch: Schumacher in: Schumacher etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Dezember 2012, § 22 unter 4.5), dürfte hier für die von dem Tagesordnungspunkt 30 betroffenen Stadtverordneten in jedem Fall – und losgelöst von den divergierenden Beschlussvorlagen der Klägerin – von einem Mitwirkungsverbot i. S. v. § 22 BbgKVerf auszugehen sein.

Die von der Bürgermeisterin der Stadt F ... erbetene rechtsanwaltliche Stellungnahme vom 08. Dezember 2021 dürfte ein Mitwirkungsverbot zu diesem Tagesordnungspunkt mit einer Begründung verneinen, die in mehrfacher Hinsicht Bedenken unterliegt: Die Ausarbeitung stellt zum einen darauf ab, dass die ursprüngliche Beschlussvorlage der Klägerin lediglich vorsehe, Schadensersatzansprüche gegen die bezeichneten Stadtverordneten rechtsanwaltlich prüfen zu lassen, wobei ein Prüfergebnis völlig offen und unklar sei, wie die Stadt mit dem Prüfergebnis umgehen werde. Das eingeholte Gutachten „löse gerade nicht direkt und ohne weitere Zwischenschritte die Inanspruchnahme der Stadtverordneten aus“, sodass es an einem unmittelbaren Nachteil fehle. Zum anderen liege die Zuständigkeit für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Gemeindevertreter nach § 25 Abs. 4 BbgKVerf bei dem Hauptverwaltungsbeamten.

Beide Begründungsansätze dürften nicht tragen. Die Zuständigkeit für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Gemeindevertreter liegt bei der Gemeindevertretung oder Stadtverordnetenversammlung, § 31 Abs. 2 Nr. 4 BbgKVerf, und der erstgenannte Begründungsansatz dürfte fehlgehen, weil er den Begriff der Unmittelbarkeit in § 22 Abs. 1 BbgKVerf zu eng auslegt. Unabhängig davon, dass sich das Mitwirkungsverbot nicht nach der Beschlussvorlage, sondern nach dem Tagesordnungspunkt beurteilt – die Beschlussvorlage kann im Verlaufe der Beratung ohne Weiteres geändert werden –, erscheint diese Auffassung in zweifacher Hinsicht als bedenklich: Zum einen führt die Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei, Schadenersatzansprüche gegen namentlich bezeichnete Stadtverordnete zu prüfen, losgelöst von dem Ergebnis der Prüfung in wirtschaftlicher Hinsicht zumindest zu einer Vermögensgefährdung und damit zu einem unmittelbaren Nachteil.

Zum anderen zieht das Gutachten keine rechtlichen Folgerungen aus der eingangs der Prüfung zutreffend wiedergegebenen Rechtsauffassung, auch Vor- oder Nachteile rein ideeller Art seien in Zusammenhang mit § 22 BbgKVerf beachtlich (dort: S. 3). Dass mit der rechtsanwaltlichen Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen bezeichnete Stadtverordnete für diese per se und unabhängig von den Erfolgsaussichten dieser Prüfung ein ideeller Nachteil, nämlich eine offensichtliche Beeinträchtigung ihres „guten Rufs“, verbunden ist, bleibt unerörtert.

c) Die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg regelt die Frage, ob der Betroffene im Zuge der Feststellung des Kollegialorgans über das Mitwirkungsverbot nach § 22 BbgKVerf anwesend sein darf, in § 31 Abs. 2 Nr. 4 zwar nicht, Überwiegendes spricht allerdings dafür, sie zu verneinen (so jedenfalls ohne weitergehende Begründung: Stein in Bogner, Beratungs- und Beschlussfassungsverfahren in der Gemeindevertretung, 4. Aufl. 2013, unter 7.3.1; so ebenfalls ohne weitergehende Begründung Schumacher in: Schumacher etc. Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Dezember 2012, § 22 unter 8.2 unter Bezugnahme auf OVG NW, Urt. v. 12. September 1962 –, III A 537/62 -, OVGE 18, 104 und beck.online.de [unvollständiger Abdruck]).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 und 2 VwGO.

Der Vollstreckungsausspruch ergibt sich aus § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 709 S. 2 und § 711 S. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Zwar käme eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils an sich weder mit Blick auf die Kostengrundentscheidung noch angesichts des Feststellungstenors in Betracht. Anderes gilt vorliegend aber angesichts der im Anschluss an die vorläufige Streitwertfestsetzung festgesetzten Gerichtsgebühren, die von der Klägerin einzuzahlen waren.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen, § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte. Das wäre nur dann der Fall, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwerfen würde, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Berufungsverfahren geklärt werden müsste (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 31. August 2021 – OVG 10 N 66.18 –, juris Rn. 15).