Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 19.04.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 4 L 4/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0419.OVG4L4.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 40 Abs 1 VwGO, § 17a Abs 4 GVG, Art 19 Abs 4 GG, Art 33 Abs 2 GG |
Die vom Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 17. März 2021 - 2 B 3.21 - formulierten Grundsätze für den Rechtsweg bei einer Auswahlkonkurrenz mit gemischtem Bewerberfeld (Arbeitnehmer und Beamte) gelten auch für den Abbruch des Auswahlverfahrens.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Januar 2022 wird aufgehoben.
Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
I.
Der Antragsteller, ein Arbeitnehmer im Dienst des Landes Berlin, dessen Arbeit nach Entgeltgruppe 14 TV-L bezahlt wird, hat sich mit zwei Beamtinnen um eine schulpsychologische Leitungsstelle beworben, für welche die Besoldungsgruppe A 15 / Entgeltgruppe 15 TV-L ausgeschrieben ist. Der Antragsgegner hat das Auswahlverfahren abgebrochen und den Antragsteller darüber mit Schreiben vom 11. November 2021 (zugegangen am 16. November 2021) informiert. Zur Begründung führte er an, es sei eine Überprüfung und Anpassung des Anforderungsprofils für das zu besetzende Aufgabengebiet unerlässlich. In der im Schreiben in Bezug genommenen ausführlichen Begründung heißt es, die eine Bewerberin erfülle nicht die Anforderungen bezüglich der Qualifikation, die andere nicht die Voraussetzungen nach § 28 BLVO, der Antragsteller nicht das wünschenswerte Kriterium einer dreijährigen Leitungserfahrung. Der Antragsteller hat am 16. Dezember 2021 um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens nachgesucht. Der Antragsgegner hält den Arbeitsrechtsweg für gegeben. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erachtet und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die innerhalb von zwei Wochen eingelegte Beschwerde ist begründet. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Der Senat orientiert sich dabei am Bundesverwaltungsgericht, das im Beschluss vom 17. März 2021 – 2 B 3.21 – (juris) die Rechtswegfragen in Auswahlkonkurrenzen mit Arbeitnehmern und Beamten als Bewerbern neu geordnet hat (daran anschließend BAG, Beschluss vom 21. Juli 2021 – 9 AZB 19/21 – juris Rn. 17; kritisch und mit Darstellung der bisherigen Ansätze: von Roetteken, jurisPR-ArbR 30/2021 Anm. 6). An diesem Beschluss haben sich auch das Verwaltungsgericht und die Beteiligten ausgerichtet und sind dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Das wundert nicht, weil das Bundesverwaltungsgericht sich mit dem Abbruch eines Auswahlverfahrens mit gemischtem Bewerberfeld weder konkret befassen musste noch abstrakt befasst hat. Immerhin hat es dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf, das im Beschluss vom 21. August 2020 – 3 Ta 202/20 – den Verwaltungsrechtsweg beim Abbruch eines Auswahlverfahrens bestätigte und dazu ausführte, es gebe keine konkrete arbeitsrechtliche Vorschrift, die Vorgaben zur Durchführung und zu einem Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens für Beförderungsstellen mache (LAG a.a.O., juris Rn. 34), insoweit zugestimmt (BVerwG a.a.O., juris Rn. 21).
Der Ausgangspunkt des Bundesverwaltungsgerichts erfasst auch den vorliegenden Fall: Danach bestimmt sich der Rechtsweg bei dem Streit um die Vergabe eines öffentlichen Amts nach Art. 33 Abs. 2 GG, um das sich sowohl Arbeitnehmer, Selbstständige und Beamte bewerben (sog. gemischtes Bewerberfeld), nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO (juris Rn. 14). Nachfolgend führt das Bundesverwaltungsgericht vermeintlich alle Fälle („nur dann“) an, in denen dieser Obersatz anzuwenden ist (juris Rn. 20). Dabei wird der Abbruch eines Auswahlverfahrens mit gemischten Bewerbern nicht thematisiert. Später wird der Gedanke der effektiven Rechtsschutzgewährung gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG im Konkurrenteneilverfahren um öffentliche Stellen ins Feld geführt dafür, soweit möglich gespaltene Rechtswege zu verschiedenen Fachgerichtsbarkeiten und damit unweigerlich eintretende zeitliche Verzögerungen und womöglich in der Sache sich widersprechende Entscheidungen in unterschiedlichen Rechtswegen zu vermeiden (juris Rn. 22 mit Erläuterungen, die wiederum nur eine Auswahlentscheidung bei gemischtem Bewerberfeld betreffen und nicht einen Abbruch).
Nach Ansicht des Senats spricht der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts auf Art. 19 Abs. 4 GG (dessen Bedeutung betont auch von der Weiden, jurisPR-BVerwG 13/2021 Anm. 1 <C.II. letzter Absatz>) für die Subsumtion der Abbruchfälle mit gemischtem Bewerberfeld unter § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Aspekt, schnell eine Klärung herbeizuführen, beherrscht auch das bei einem Abbruch zu beachtende gerichtliche Verfahren (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 22 ff.). Widerstreitende Entscheidungen der Arbeits- und Verwaltungsgerichte wären auch bei einem Abbruch denkbar, wenn insoweit der aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2021 – 2 B 3.21 – herzuleitende Gedanke der Konzentration auf einen Rechtsweg nicht gelten sollte. Denn die beiden verbeamteten Mitbewerberinnen des Antragstellers wären jedenfalls gehalten, vor dem Verwaltungsgericht gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens vorzugehen. Die Entscheidung über den von einem Arbeitnehmer einzuschlagenden Rechtsweg kann nicht davon abhängen, ob ebenfalls vom Abbruch betroffene Beamte einen Antrag vorher, nachher, rechtzeitig oder gar nicht gestellt haben.
Die Zulassung der weiteren Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht beruht auf § 17a Abs. 4 Satz 4, 5 GVG. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zum Rechtsweg bei gemischtem Bewerberfeld anhand von Abbruchfällen klärt. Die weitere Beschwerde ist in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglich, wenn es rechtlich an die Stelle der Hauptsache tritt (BVerwG, Beschluss vom 17. März 2021 – 2 B 3.21 – juris Rn. 5, 7). Das trifft auf den Abbruch eines dienstrechtlichen Auswahlverfahrens zu (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 22 ff.).