Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 21.04.2022 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 209/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0411.9UF209.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1.
Die Beschwerde des Kindesvaters vom 26. November 2021, gerichtet gegen den Beschluss des Amtsgerichts ... vom 10. November 2021 (Aktz.: 54 F 178/19), wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kindesvater.
3.
Der Beschwerdewert beträgt 4.000 €.
4.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die beteiligten Kindeseltern streiten im vorliegenden Verfahren um den Umgang des Kindesvaters mit der gemeinsamen Tochter ... ..., geboren am … 2011. In einem weiteren, ebenfalls vor dem Senat anhängigen Hauptsacheverfahren (Aktz. 9 UF 208/21) streiten sie zudem um das bislang gemeinsam ausgeübte Sorgerecht für die Tochter.
Die Kindesmutter ist im … 1975 geboren, der Kindesvater im … 1961. Die Mutter hat (noch während der Ehe mit dem Kindesvater) in Gesundheitswissenschaften promoviert und übt aktuell eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin in … aus. Der Vater arbeitet vollzeitig bei einem Verlag als Journalist in …. Nach seinen Angaben sind seine Arbeitszeiten flexibel, soweit dies (ausgeweitete) Umgangszeiten betrifft.
Die Kindeseltern lernten sich über das Internet 2010 kennen und bezogen im Herbst 2010 eine gemeinsame Wohnung und heirateten. Bereits kurz nach der Geburt von ... traten Probleme auf, man trennte sich zunächst innerhalb der Wohnung. Spätestens zum Februar 2014 erfolgte die endgültige Trennung durch den Auszug der Kindesmutter mit ... aus der gemeinsam bewohnten Wohnung. Seither lebt ... in der Obhut ihrer Mutter. 2017 verzog die Mutter mit ... von … (nahe …) aus beruflichen Gründen nach ….
Einige Wochen nach der endgültigen Trennung wurden Umgangskontakte des Kindesvaters mit der Tochter vereinbart und aufgenommen, zunächst stundenweise (tagsüber am Samstag und Sonntag), dann alle 2 Wochen von Freitag bis Sonntag (zzgl. mittwochs nachmittags).
Bereits früh haben die Eltern über Fragen des Umgangs gerichtlich gestritten, wobei diese Verfahren stets vom Kindesvater eingeleitet wurden. Ein vor dem Amtsgericht Pinneberg (Aktz. 47 F 83/14) vom Kindesvater in 2014 angestrengtes Umgangsverfahren endete am 27. März 2015 mit einer vergleichsweisen und sodann gerichtlich gebilligten Umgangsregelung, welche im Wesentlichen einen Regelumgang alle zwei Wochen von Freitag bis Montag und zudem Mittwochnachmittag bis Donnerstag früh vorsah. Diese Regelung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts ... v. 29. November 2017 (Aktz. 54 F 173/17) geringfügig abgeändert (bzgl. des Rückgabeortes, aber auch des Entfallens des Umgangs Mittwochnachmittag bis Donnerstag früh).
Noch im Frühling 2014 verschärfte sich der elterliche Streit. Im Mai 2014 hatte die Mutter gegenüber dem Vater Vorwürfe hinsichtlich eines sexuellen Missbrauchs der betroffenen Tochter erhoben und Strafanzeige erstattet, welcher der Vater mit einer Verleumdungsanzeige gegenüber der Mutter und dem Vorwurf von der Mutter ausgeübter Übergriffe auf das Kind durch Schläge und Verletzungen begegnet war. Letztendlich blieben die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ergebnislos. Ausweislich des vom Amtsgericht Pinneberg im vorgenannten Verfahren eingeholten psychologischen Sachverständigengutachtens (Dipl.-Psych. ..., Bl. 62 ff.) konnten die Vorwürfe sexueller Übergriffe nicht näher verifiziert werden. Im Übrigen stellte der Sachverständige ... eine sichere Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen und insbesondere auch zu dem Kindesvater fest; zudem sprach sich ... hier (noch) für Umgangskontakte zum Vater aus. Andererseits erkannte der Sachverständige eine erheblich eingeschränkte Kooperationsfähigkeit der Kindeseltern untereinander. Bezogen auf den Vater kritisierte der Sachverständige eine deutliche und fortdauernde Thematisierung der elterlichen Streitpunkte (Erwachsenenthemen) gegenüber dem Kind, obgleich der Sachverständige den Kindesvater gebeten hatte, dies zu unterlassen.
In der Folgezeit kam es immer wieder zu Unstimmigkeiten der Eltern über die Umgänge. Anfang 2019 verschärfte sich der Streit. Der Vater hatte bereits zuvor ... beim Wochenendumgang regelmäßig bereits zum Sonntag (und nicht erst zum Montag) zur Mutter zurückgebracht, ohne dass dem ein elterlicher Konsens zugrunde lag. Mitte 2019 kam es dann zu einem Vorfall, bei welchem ... auf einen Abholversuch des Kindesvaters von der Schule mit Schreien, um sich schlagen und unter dem Tisch verstecken reagierte und schlussendlich mit dem Vater nicht mitging (nach Angaben der Kindesmutter war ... bereits zuvor einmal von der Schule weggelaufen und zu einer Nachbarin der mütterlichen Wohnung gegangen, wo sie ihre Mutter dann abholte). Der Sommerferienumgang sollte ab dem 24. Juni 2019 stattfinden; ... verblieb aber beim Abholversuch des Vaters in der Wohnung der Mutter (wobei es nur zu einem kurzen persönlichen Blickkontakt kam), der Kindesvater seinerseits blieb über mehrere Stunden vor dieser Wohnung stehen.
Der Vater hat daraufhin das vorliegende Umgangsverfahren eingeleitet und insbesondere einen vertieften Ferienumgang sowie die Einrichtung einer Umgangspflegschaft begehrt.
Während des laufenden Verfahrens hat sich die Tochter am ... 2019 geweigert, in den Wagen des Vaters zu steigen; Hintergrund war, dass der Verfahrensbeistand im Wagen des Kindesvaters mitgefahren war und ... zur persönlichen Anhörung zum Gericht - die an diesem Tage stattfinden sollte – bringen wollte. Hierbei kam es nach den Angaben des Verfahrensbeistandes zu einer erheblichen körperlichen Widerstandsreaktion des Kindes. Letztendlich konnte die Kindesanhörung daher erst am 19. September 2019 stattfinden. Bei dieser Anhörung erklärte ..., dass sie den Kindesvater lieb habe; andererseits fühlte sie sich vom Vater bedrängt, er habe sie belogen und rede auf sie über die gesamte Umgangszeit ein. Spätestens hier zeigte sich eine beginnende Verweigerungshaltung des Kindes. Im Zusammenhang damit erklärte ..., die Kindesmutter habe ihr gesagt, dass sie (Anm.: ...) über den Umgang entscheiden dürfe; die Mutter würde sich sogar freuen, wenn sie mit dem Kindesvater mitfahren würde, was ... aber mit Ausnahme eines rein sonntäglichen Umgangs ablehnte. Anderweitige seitens Verfahrensbeistand und der zuständigen Amtsrichterin ihr mehrfach unterbreitete Vorschläge für Umgang lehnte sie ab.
Mit Beschluss vom 02. Oktober 2019 hat das Amtsgericht die Einholung eines lösungsorientierten familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zum Umgang und die Bestellung der Dipl.-Psychologin ... in … zur Sachverständigen angeordnet. Nachdem die Kindesmutter zunächst die Einholung des Gutachtens und ihre Mitwirkung daran ablehnte, hat sie schließlich an der Erstellung mitgewirkt.
Die Sachverständige ... ist in den mündlichen Verhandlungen vom 05. März 2020, vom 08. Juni 2020 und vom 09. November 2020 angehört worden. Sie berichtete von dem (unstreitig gegebenen) gravierenden, sich stetig weiter verschlechternden elterlichen Konflikt mit wechselseitiger Respektlosigkeit. Aus diesem elterlichen Konflikt heraus stellte die Sachverständige eine deutliche Belastungssituation für ... dar, welche die elterliche Problematik sehr feinsinnig aufnehme und eine sich stetig verfestigende Verweigerungshaltung entwickele. Objektive Anzeichen einer negativen Beeinflussung der Tochter seitens der Kindesmutter konnte sie nicht erkennen.
Bereits dem mündlichen Verhandlungstermin vom 8. Juni 2020 nachfolgend wurde im einstweiligen Anordnungsverfahren (Aktz. 44 F 118/20, Beschluss vom 16. Juni 2020) der Umgang des Kindesvaters an den ungeraden Wochen von Freitag bis zum darauf folgenden Montag früh sowie zu bestimmten Ferienzeiten festgelegt und insoweit – vom Vater beantragt – eine Umgangspflegschaft (Umgangspfleger: Herr ...) angeordnet. Nach Angaben des Pflegers in der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts vom 9. November 2020 verlief der erste Umgangskontakt (4. bis 5. Juli 2020) gut. Der nächste Umgang (Ferienumgang vom 31. Juli bis 9. August 2020) fand nach einem Urlaub von ... mit der Mutter statt. Hierbei musste ... bereits durch den Umgangspfleger zum Umgang überredet werden. Der Umgang wurde vorzeitig am 2. August 2020 abgebrochen, der Kindesvater brachte ... auf ihren Wunsch hin zur Kindesmutter zurück. In einem anschließend mit dem Umgangspfleger geführten Telefonat äußerte der Kindesvater nach den Angaben des Pflegers diesem gegenüber wörtlich (vgl. Bl. 253): Ich will keinen Kontakt mehr und sie auch nicht. Ich habe ab sofort kein Kind mehr.
Vom Umgangspfleger in Aussicht gestellte Ersatztermine scheiterten zumindest auch an einer Verweigerungshaltung von ..., welche darauf bestand, allein nach ihrem freien Willen Umgang mit dem Kindesvater haben zu wollen, jedoch keinen Umgang zu wünschen.
Es folgte ein Umgang am 22. Oktober 2020, von dessen Ablauf beide Kindeseltern unterschiedliche Eindrücke hatten (Kindesvater: Toll; Kindesmutter: ständiges Einreden des Kindesvaters auf die Tochter mit abfälligen Bemerkungen). Der nächste Umgang zwischen ... und dem Vater fand am 21. November 2020 für etwa 5 Stunden statt. Nachfolgend kam es zu einer Quarantäne, weshalb der nächste Umgang erst im Februar 2021 (Tierpark ... für 4 Stunden) erfolgte. Den darauffolgenden Umgang sagte der Kindesvater einseitig ab; weitere Umgänge fanden dann noch zweimal im April und Mai 2021 (je für 2 Stunden) statt. Bei dem Umgang am 21. Mai 2021 war der Vater angesichts eigener Verspätung sehr verärgert und zeigte dies auch gegenüber .... Der letzte Umgang erfolgte vom 18. bis 20. Juni 2021; dazu äußerte ... nach den Angaben des Umgangspflegers, der Vater habe ihr beim Besuch des … … das Anziehen eines Badeanzugs untersagt und sie hätte mit ihm (gegen ihren Willen) in die Sauna gehen müssen. Weitere Umgänge wurden von ... endgültig verweigert. Seit ihrer letzten Anhörung von dem Amtsgericht (6. August 2021) hat sie dies fortwährend bekräftigt.
Die Sachverständige ... hat ihr Gutachten unter dem 13. April 2021 schriftlich erstellt. Der Kindesvater hat daraufhin ein Gegengutachten der Diplom-Psychologin ... vom 15. Mai 2021 eingeholt (Bl. 275 ff.). In der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts vom 08. Juni 2021 hat die Sachverständige ... ihr schriftliches Gutachten erläutert.
Der Kindesvater hat behauptet, die Schwierigkeiten bei den Umgängen und auch die Verweigerungshaltung der Tochter seien der Mutter zuzurechnen bzw. von ihr durch Beeinflussung herbeigeführt. Er hat dies (durch Einreichung von Chat-Verläufen, Bl. 137 ff.; durch Bildmaterial, Bl. 168 ff., 198, 439 ff.; ferner audiovisuell, vgl. schon Bl. 78) zu dokumentieren versucht. In psychischer Hinsicht sei die Kindesmutter krankheits- und persönlichkeitsbedingt nur sehr eingeschränkt erziehungsfähig, sie versuche die Beziehung seiner Tochter zu ihm zu torpedieren; das gesamte Verfahren sei von ihr inszeniert; ebenso der Vorfall im … …. (Auf Grund dieser Vorwürfe hat der Vater mehrfach betont, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ... müsse ihm allein übertragen werden. Um sie in seinen Haushalt aufzunehmen und dem schädigenden Einfluss der Mutter zu entziehen. Darum wird in einem gesonderten Verfahren gestritten).
Der Kindesvater hat beantragt,
in Abänderung der vorangegangenen Umgangsregelungen ihm einen im Einzelnen festgelegten Umgang zu gewähren; auf seinen Antrag vom 18. Juli 2019 (Bl. 2 ff.) – der im Wesentlichen einen regelmäßigen Wochenendumgang und konkrete Feiertags-/Ferienregelungen beinhaltet – wird Bezug genommen.
Die Kindesmutter hat zuletzt beantragt,
Umgang allein in begleiteter Form zu gewähren.
Sie hat innerhalb des Verfahrens mehrmals bekräftigt, zur grundsätzlichen Gewährung von Umgang bereit zu sein, aber nicht soweit der Kindesvater die Tochter ständig bedränge und unangemessen behandele. Angesichts der mittlerweile verfestigten Verweigerungshaltung sei ihre Tochter für sie nicht mehr erreichbar, ein einschränkungslos gewährter Umgang daher nicht kindeswohldienlich.
Mit Beschluss vom 10. November 2021 hat das Amtsgericht ... in Abänderung der vorangegangenen gerichtlichen Umgangsregelungen das Recht des Kindesvaters auf Umgang mit ... für die Dauer von zwei Jahren ausgeschlossen. Zur Begründung hat sich das Amtsgericht weitgehend auf die gefestigte Verweigerungshaltung der Tochter gestützt, die angesichts der von ... vorgebrachten Vehemenz letztendlich unabhängig von einer konkreten Schuldzuweisung an die Kindeseltern oder deren Ursächlichkeit zum zeitweisen Ausschluss des Umgangs führe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters, mit welcher er in Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin seine bereits in erster Instanz gestellten Umgangsanträge verfolgt.
Die Kindesmutter beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt nunmehr auch den angeordneten befristeten Umgangsausschluss.
Mit Senatsbeschluss vom 29. Dezember 2021 (Bl. 539) ist der Antrag des Kindesvaters auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der erstinstanzlichen Entscheidung mangels Erfolgsaussichten der Beschwerde zurückgewiesen worden. Zugleich ist die persönliche Anhörung des Kindes auf den Berichterstatter des Senats übertragen worden, die sodann unter dem 02. Februar 2022 (im Beisein des Verfahrensbeistands) erfolgt ist (Bl. 567).
In der nachfolgenden mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11. April 2022 wurden die beteiligten Kindeseltern persönlich angehört.
II.
Die Beschwerde des Vaters ist zulässig; insbesondere ist das Rechtsmittel fristgerecht angebracht worden (§§ 58, 63 Abs. 1, 64, 65 FamFG).
In der Sache selbst bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Voraussetzungen eines auf 2 Jahre zu befristenden Umgangsausschlusses – wie durch das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung tenoriert – liegen vor.
1.
Nach § 1684 Abs. 4 S. 1 und 2 BGB kann das Familiengericht den Umgang eines Elternteils mit dem Kind ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Für längere Zeit oder auf Dauer darf der Umgang nur ausgeschlossen werden, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Ein Ausschluss des Umgangs kommt nur als äußerstes Mittel in Betracht, wenn ein milderes Mittel zur Abwehr der Gefährdung des Kindeswohls nicht in Betracht kommt, und ist regelmäßig zu befristen (z.B. BVerfG NZFam 2015, 234: drei Jahre Ausschlussfrist). Eine derartige, den Eingriff in das unter dem Schutz des Grundgesetzes stehende Umgangsrecht des Elternteils mit seinem Kind rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls liegt erst vor, sobald die aufgrund von Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass bei unveränderter Weiterentwicklung der Verhältnisse bei dem Kind mit ziemlicher Sicherheit eine erhebliche Schädigung seines geistigen oder körperlichen Wohls zu erwarten ist (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 112; BGH FamRZ 2019, 598; st. Rspr. der Senate des Brandenburgischen OLG: Senat ZKJ 2012, 356; Brandenburgisches OLG – 3. FamS - FamRZ 2014, 1124).
Bei der Entscheidung, ob der Umgang auszuschließen oder einzuschränken ist, kommt dem Willen des Kindes, der Ausdruck seines Selbstbestimmungsrechts ist, mit zunehmendem Alter vermehrt Bedeutung zu. Die eigene Willensbildung ist Ausdruck der Individualität und Persönlichkeit des Kindes als Grundrechtsträger. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört es, dass der wachsenden Fähigkeit eines Kindes zu eigener Willensbildung und selbständigem Handeln Rechnung getragen wird, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann und es durch eine Missachtung seines Willens in seiner Persönlichkeitsentwicklung nicht beeinträchtigt wird (BVerfG FamRZ 2015, 1093). Durch die Erfahrung der Missachtung der eigenen Persönlichkeit kann ein gegen den ernsthaften Widerstand des Kindes erzwungener Umgang unter Umständen mehr Schaden verursachen als Nutzen bringen (BVerfG FamRZ 2016, 1917; Brandenburgisches OLG v. 31. August 2020 – 15 UF 40/18). Dies gilt gerade bei Fällen, in denen das Kind Loyalitätskonflikten ausgesetzt ist (BVerfG FamRZ 2015, 1093). Dabei ist es nicht entscheidend, ob der Wille auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruht, solange er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist; das Außerachtlassen des beeinflussten Willens ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn die manipulierten Äußerungen des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen (BVerfG FamRZ 2016, 1917; Brandenburgisches OLG v. 31. August 2020 – 15 UF 40/18). Eine feste Altersgrenze, ab der dem kindlichen Willen jedenfalls im Regelfall nachzukommen ist, existiert nicht; dies ist kindesindividuell zu bestimmen. Mit zunehmendem Alter kommt dem kindlichen Willen eine erhebliche Bedeutung zu (Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie, 3. Aufl., 2.6.2.4 ff; vgl. auch Brandenburgisches OLG - 2. FamS, FuR 2016 303 - 9 Jahre; OLG Saarbrücken, NZFam 2015, 44 - 11 Jahre).
Zwar steht das Umgangsrecht ebenso wie das Sorgerecht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Die betroffenen Grundrechtspositionen des an sich umgangsberechtigten Elternteils als auch Wohl und Wille des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger (Art. 1, 2 GG) müssen gegeneinander abgewogen werden (BVerfG FamRZ 2016, 1917). Bloße Widerstände des Kindes oder dessen Lustlosigkeit am Umgang können den Ausschluss des Umgangs nicht rechtfertigen. Andererseits ist trotz der grundrechtlich geschützten Position der Eltern ein Ausschluss des Umgangs dann veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren. Von vornherein kann der vom Eingriff in das Umgangsrecht betroffene Elternteil nicht beanspruchen, dass Maßnahmen getroffen werden, die der Gesundheit und der Entwicklung des Kindes schaden würden (Volke, FamRZ 2020, 10, 11 m.N. zur Rspr. des EuGH). Diese grundrechtliche Überformung des Verfahrens führt aber nicht dazu, dass das Familiengericht stets gehalten wäre, sich sachverständig beraten zu lassen. Vielmehr kann das Familiengericht, wenn es anderweitig über eine zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung verfügt, auf die Einholung eines Sachverständigengutachten verzichten (BVerfG FamRZ 2009, 1897; OLG Saarbrücken NZFam 2015, 44).
2.
Die allein in Ausnahmefällen gegebenen Voraussetzungen für einen Ausschluss des Umgangs liegen vor. ... lässt bereits seit längerem eine solche Verweigerungshaltung erkennen, dass sowohl nach derzeitigem Stand als auch vorausschauend ein Umgang ihr Kindeswohl in hohem Maße gefährden würde. Dieser bereits seitens der ersten Instanz und insbesondere auch seitens des Verfahrensbeistands gewonnene Eindruck hat sich im Ergebnis der in der Beschwerde erneut durchgeführten Kindesanhörung noch verstärkt. ...s Wille, den Kontakt zum Vater abzubrechen, stellt sich als stabil, zielorientiert, intensiv und autonom dar:
Vor sämtlichen neutralen Stellen (Amts- und Oberlandesgericht, Verfahrensbeistand, Sachverständige, Umgangspfleger) hat die (praktisch 11 Jahre alte) ... zuletzt durchgängig persönliche Kontakte zum Vater abgelehnt. Bereits bei der ersten Anhörung vor dem Amtsgericht am 19. September 2019 ist eine klare Abwehrhaltung von ... bezüglich Umgang mit dem Kindesvater zum Ausdruck gekommen, die sich vereinfacht wie folgt darstellt: Umgang nur soweit und wie dies ... selber wünscht. Zwar hat sie dabei (noch) zu erkennen gegeben, dass sie den Vater (noch) lieb habe. Bei ihrer letzten Anhörung von dem Amtsgericht hat ... dagegen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, den Vater vorläufig gar nicht mehr sehen zu wollen; sie hat sich angesichts einer ihr eröffneten Perspektive, ihn längere Zeit nicht zu sehen, äußerlich befreit gezeigt. Ausdrücklich hat sie dazu erklärt das wäre toll, ich mag es, ihn so wenig wie möglich zu sehen, dann würden wir schreiben (wobei sie solche Schreiben – zuvor – als nervend und deutlich ablehnend gekennzeichnet hat). Obgleich ... in mehrfacher Hinsicht von der zuständigen Richterin und dem Verfahrensbeistand diverse Alternativen für einen Umgang mit dem Kindesvater aufgezeigt wurden, ist sie bei dieser starren Positionierung verblieben. Ihre ablehnende Haltung zeigt sich auch an sonstigen Äußerungen dahingehend, dass sie praktisch sämtliche in letzter Zeit stattgefundenen Umgänge als belastend und doof bezeichnet und insbesondere nicht mehr zum Vater nach ... – was sie ängstige – wolle.
All dies hat ... bei ihrer Anhörung vor dem beauftragten Richter des Senats bestätigt – und bekräftigt. Sowohl ihre Äußerungen als auch ihre Körpersprache waren von einer deutlichen Ablehnung eines Kontakts zum Kindesvater geprägt. Selbst ein mehrmals angebotener gemäßigter Kontakt (Umgangsbegleitung; Briefe o. WhatsApp, Skype usw.) wurde von ihrer Seite vehement abgelehnt und mit Tränen untermauert. Positive Gefühlsbezeugungen gegenüber dem Vater fanden sich nicht mehr. Besonders erschreckend stellt sich ihre Äußerung, der Vater sei ihr egal, dar. Selbst einem einvernehmlichen Willen beider Elternteile in der Frage des persönlichen Umgangs (der nach derzeitigem Stand zudem realitätsfern erscheint) wollte sie sich nicht beugen. Insgesamt wird auf das Protokoll ihrer Anhörung vom 02. Februar 2022 Bezug genommen.
Die Umgangsverweigerung ...s hat sich beginnend spätestens Mitte 2019 in einer Art und Weise verfestigt, dass diese nach derzeitigem Stand einen Umgang mit dem Vater gänzlich ausschließt. Soweit sie in ihrer Anhörung mit einem Umgang konfrontiert wurde, hat sie dies verbal abgelehnt und mindestens zuletzt mit deutlich sichtbaren körperlichen Abwehrreaktionen (Weinen, Verzweiflung bis hin zu Entsetzen) untermauert. Zudem ist es bereits in der Vergangenheit zu Vorfällen gekommen, welche darauf schließen lassen, dass ein solcher Umgang auch tatsächlich das Kindeswohl gefährden würde, wie die geschilderten körperlichen Reaktionen des Kindes (schreien, schlagen, verstecken, weglaufen) dokumentieren. Letztendlich hat all dies auch dazu geführt, dass die eingerichtete Umgangspflegschaft gescheitert ist.
Ihren unmissverständlichen Willen zu brechen und sie zum Umgang zu zwingen, wäre nach derzeitigem Kenntnisstand (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit/Dürbeck, BGB, Stand 06.03.2022 bei juris, § 1684 Rz. 305 m.w.N. insbes. zum Stand der sozialwissenschaftlichen Forschung) nicht zu verantworten und würde durch die Erfahrung der Missachtung ihrer Persönlichkeit ihr kindliches Wohl erheblich gefährden. Dabei kann – wie bereits ausgeführt – es dahinstehen, ob und in welchem Maß der Wille von elterlichem Verhalten beeinflusst worden ist (wobei die Tochter angesichts des Inhalts ihrer Anhörungen die Mutter eher liebevoll und der Vater eher aggressiv erlebt hat). Denn es besteht der gefestigte Eindruck, dass die Minderjährige den bestehenden Loyalitätskonflikt, der sich seit der Trennung ihrer Eltern offenbar kontinuierlich bei ihr aufgebaut und verstärkt hat und in dem sie sich unzweifelhaft nach wie vor befindet, für sich dahin gelöst hat, dass sie den Vater derzeit komplett ablehnt.
Der geäußerte Wille von ... ist Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen zur Mutter, die ihre primäre Bezugsperson ist und bei der sie seit der Trennung der Eltern ihren Lebensmittelpunkt hat. Gleichwohl hat ... aber auch ausdrücklich erklärt, selbst ihre Mutter könne sie nicht zwingen, Umgang mit dem Vater gleich welcher Art wahrzunehmen (keiner könne dies). ... hat jegliche angebotenen milderen Mittel wie die Einrichtung begleiteter (lediglich stundenweiser) Umgänge abgelehnt; selbst audiovisuellen bzw. schriftlichen (also nicht unmittelbar persönlichen) Kontakten gegenüber ist sie verschlossen.
Dass sich diese Haltung der Tochter bei ordnungsgemäßer Unterstützung des Umgangs durch die Mutter (vgl. dazu nachfolgend) ändern würde, ist angesichts der darauf abzielenden Fragestellungen von anhörenden Richtern und Verfahrensbeistand derzeit ausgeschlossen.Sich über ...s Willen, nämlich die Ablehnung jeglichen Umgangs mit dem Vater, durch Anordnung von Kontakten (gleich in welcher Form) hinwegzusetzen, würde ihrer Persönlichkeit nicht gerecht. Wollte man - wie es innerhalb der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2022 erörtert wurde - einen auch nur stundenweise begleiteten Umgang (der bereits in der Vergangenheit gescheitert war) anordnen, um zu dokumentieren, dass die Bindungen zum Vater nicht abreißen sollen, wäre dies allenfalls formal vertretbar. In der Praxis würde ein solcher Umgangstitel angesichts der durch das Kind beständig ausgesprochenen und geradezu demonstrativ gelebten Verweigerung ins Leere laufen. Gegen den betreuenden Elternteil kann aber zur Durchsetzung eines solchen Titels ein Ordnungsgeld gemäß § 89 FamFG nur insoweit festgesetzt werden, als dem Elternteil vorgeworfen werden kann, nicht auf das Kind zur Verwirklichung einer Umgangsregelung eingewirkt zu haben. Bei größeren Kindern wird von derartigen Einwirkungsmöglichkeiten in der Regel nicht ausgegangen, wobei dies schon bei einem Alter von neun bis elf Jahren angenommen wird (Brandenburgisches OLG – 2. FamS – FuR 2016, 303 m.w.N.). Im Erkenntnisverfahren eine Umgangsregelung zu erlassen, die dann im Vollstreckungsverfahren doch nicht durchgesetzt werden kann, scheidet bei entgegenstehendem Kindeswillen aus. Denn die gerichtliche Umgangsregelung kann hier keinen Appellcharakter – gegenüber dem Kind – entfalten und muss dies auch nicht, weil das Kind anders als die Eltern zum Umgang nicht verpflichtet ist (Brandenburgisches OLG a.a.O.). Es liegt auf der Hand, dass ... – wie diese es auch bei ihrer Anhörung ausdrücklich bestätigt hat – eine gerichtliche Umgangsregelung nicht befolgen und dagegen erheblichen körperlichen Widerstand ausüben würde. Dann muss aber auch jetzt schon davon abgesehen werden, eine solche Regelung zu erlassen.
Bekräftigt wird all dies dadurch, dass der Verfahrensbeistand sich (auch) im Beschwerdeverfahren sowohl mit Schreiben vom 22. Dezember 2021 als auch im Ergebnis der Anhörung vom 02. Februar 2022 (persönlich gegenüber dem beauftragten Richter) für die Beibehaltung des Ausschlusses ausgesprochen hat. Letztendlich entspricht dies auch den Wahrnehmungen der Sachverständigen ..., die ... als in Gänze unflexibel und zielgerichtet auf einen Nicht-Umgang ausgerichtet kennengelernt hat. Ob dagegen den weiteren sachverständigen Schlussfolgerungen zu folgen ist, kann dahinstehen, weshalb es weder eines näheren Eingehens auf das vom Kindesvater eingeholte Gegengutachten der Diplom-Psychologin ... vom 15. Mai 2021 noch der Einholung eines Sachverständigengutachtens überhaupt bedarf. Vorliegend hat der Senat lediglich tatsächliche Wahrnehmungen der Sachverständigen wie bei einer Auskunftsperson berücksichtigt und keine gutachterlichen Schlüsse.
3.
Die Ursachen für dieses außergewöhnlich deutliche kindliche Ablehnungsverhalten finden sich erkennbar in dem hochemotional geführten elterlichen Streit, der inzwischen auch den Kampf um den Lebensmittelpunkt der Tochter umfasst und bei welchem sich die Kindeseltern wechselseitig Beschimpfungen und Beleidigungen – so auch vor dem Senat am 11. April 2022 – bzw. kindeswohlgefährdendes Verhalten vorhalten. Inwieweit die Eltern an der verfestigten Verweigerungshaltung der Tochter ein konkretes Verschulden trifft, ist zwar nicht entscheidend für den anzuordnenden Ausschluss des Umgangs. Gleichwohl soll dazu ausgeführt werden, um auch den Zwiespalt, in dem sich das betroffene Kind befindet, besser nachvollziehen zu können; es bleibt zu hoffen, dass die Eltern ihr eigenes Versagen (endlich) wahrnehmen und dem zukünftig zumindest besser begegnen werden.
a.
Dass die Kindesmutter den Kindesvater vor der Tochter oder Dritten dauerhaft schlecht redet, kann zwar nicht festgestellt werden.
Der von der Mutter stets und auch bei ihrer Anhörung bekundete uneingeschränkte Respekt vor der Beachtung des freien Willens ihrer Tochter ist aber angesichts ihres elterlichen Erziehungsauftrags und zumindest unter Beachtung der sog. Wohlverhaltensklausel des § 1684 Abs. 2 BGB äußerst bedenklich. Kinder – wie hier auch ... – wollen Umgang vielfach nach ihren eigenen Vorstellungen wahrnehmen. Dies ist ein typisches kindliches Merkmal, dem Eltern bei der Erziehung ihres Kindes durch entsprechende erzieherische Maßnahmen begegnen müssen. Der sog. Obhutselternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält (hier also die Mutter), hat grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu ermöglichen, um dem umgangsberechtigten Elternteil die Möglichkeit zu geben, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Hinzu tritt, dass nach § 1684 Abs. 2 BGB die Eltern zum wechselseitigen loyalem Verhalten bei der Verwirklichung des Umgangsrechts verpflichtet sind. Dem Elternteil, bei dem das Kind seinen regelmäßigen Aufenthalt hat, obliegt es, auf das Kind erzieherisch einzuwirken, damit der persönliche Umgang nicht als belastend empfunden wird. Eventuelle psychische Widerstände des Kindes gegen den Umgang mit dem anderen Elternteil muss der Obhutselternteil möglichst abbauen und eine positive Einstellung des Kindes zur Durchführung des Umgangs mit dem anderen Elternteil herbeiführen.
Der betreuende Elternteil hat also Kontakte zum anderen Elternteil nicht nur zuzulassen, sondern auch positiv zu fördern, um dem Kind mögliche Loyalitätskonflikte zu ersparen. Aufgrund der Wohlverhaltenspflicht ist der zur Umgangsgewährung verpflichtete Elternteil gehalten, erzieherisch auf das Kind einzuwirken und es zur Wahrnehmung des Umgangs anzuhalten (Senat NZFam 2019, 883; OLG ... FamRZ 2018, 599).
Es ist nur eingeschränkt erkennbar, welche konkreten Maßnahmen die Kindesmutter rechtzeitig vor Eskalation des Umgangsstreits ergriffen hat, um in adäquater Weise auf die Tochter einzuwirken. Zwar hat die Kindesmutter verbal bzw. schriftlich stets bekräftigt, einen Umgang zu unterstützen und diesen auch selbst zu wollen. Immerhin hat die Mutter trotz der sich aufbauenden Widerstände es das eine oder andere Mal geschafft, die Tochter mittels in Aussicht gestellter Belohnungen (danach machen wir etwas Schönes zusammen) zum Umgang zu bewegen (wobei der Mutter zugute zu halten ist, dass sie die Fragwürdigkeit solcher Überredungsmethoden vor dem Senat selbst bekundet hat). Andererseits hat sie mehrfach bekundet, es ihrer Tochter nach deren freier Entscheidung zu überlassen, ob Umgang wahrgenommen werden soll oder nicht; sie vollziehe ...s Ablehnung nach und wolle dem nicht entgegenwirken. Auch seitens des Umgangspflegers wurde eine mangelnde Unterstützung der Kindesmutter bei der Umsetzung des Umgangs gerügt. Weiter hat die Kindesmutter in den Umgang fallenden anderweitigen Terminen der Tochter den Vorrang einräumt, was einer konkret gefassten Umgangsregel – zu deren Umsetzung die Mutter verpflichtet war – widerspricht (wenngleich nicht verkannt werden soll, dass der Kindesvater seinerseits bei einzelnen Terminen eine Verlegung oder auch Änderung der festgelegten Umgangszeiten der Kindesmutter einseitig vorgegeben hat). Vor dem Senat hat die Mutter zudem sich als resigniert gezeigt und angesichts der Haltung ihrer Tochter deutlich zum Ausdruck gebracht, auch nur moderate Kontakte zum Vater nicht fördern zu wollen.
Bestätigt wird diese – die Verweigerungshaltung der Tochter zumindest indirekt unterstützende – Einstellung der Mutter durch die Aussagen der Tochter darüber, dass die Mutter ihr sage, sie müsse den Vater sehen, zwinge sie dazu aber nicht. All dies entspricht bei weitem nicht ihre Aufgabe als Obhutsberechtigte, wonach sie diesen Umgang durch eigene Überzeugung ihrer Tochter ständig und dauerhaft zu fördern und einen entgegenstehenden Willen der Tochter mittels erzieherischen Methoden möglichst zu überwinden hat.
b.
Ebenso steht aber fest, dass die Ursachen für das außergewöhnlich deutliche kindliche Ablehnungsverhalten mindestens auch in den väterlichen Verhaltensweisen zu finden sind.
Der Kindesvater lässt jeglichen einfühlsamen Umgang mit den von der Tochter geäußerten Ängsten vermissen. Deutlich wird dies angesichts der von ... geäußerten Ängste über einen Wechsel in den väterlichen Haushalt nach ...; trotz der entsprechenden Hinweise des Senats innerhalb der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2022 (insbesondere bezogen auf das noch laufende sorgerechtliche Verfahren) ließ der Vater keinerlei Verständnis dafür erkennen und ging darauf nicht einmal ein. Dass sonstige kindliche Probleme (durchaus verstärkt durch die mindestens einsetzende Pubertät der Tochter) bestehen könnten, negiert er vollends. Die Akzeptanz einer eigenen Meinung seiner Tochter und ihrer Entwicklung zu einer eigenen Persönlichkeit lässt er nicht erkennen. Ein echtes Interesse des Vaters an den kindlichen Bedürfnissen und Problematiken ist – außerhalb verbaler Bekundungen – im Ergebnis seiner Anhörung vor dem Senat nicht feststellbar.
Erschwerend tritt hinzu, dass der Kindesvater herabwürdigende Verhaltensweisen gegenüber seiner Tochter bei dem wahrgenommenen Umgang gezeigt hat. Nach Angaben von ... hat er sie teilweise als Arschloch oder zu dick betitelt und war ihr gegenüber mehrmals aufbrausend und aggressiv. ... verinnerlicht dadurch offenbar zudem, dass sie hinter der Erwartungshaltung des Vaters zurückbleibt.
Weiter hat die Tochter mehrfach geäußert, dass der Vater während der Umgänge stets (auch schlecht bis herabwürdigend) über die Mutter geredet habe; selbst wenn sie (Anm.: ...) ihm erklärte, dies nicht hören zu wollen, habe er damit fortgefahren. Die Bindungsintoleranz, die auf Seiten des Vaters hierdurch zum Ausdruck kommt, hat die Abwehrhaltung der Mutter zumindest mitverursacht – wie diese auch selbst vor dem Senat erklärt hat – und wiederum das Bild der Tochter vom Vater mitgeprägt. ... erlebt nicht, dass sich die Kindeseltern positiv wertschätzend einander gegenüberstehen. Dem Vater ist vorzuwerfen, dass er hierdurch den elterlichen Konflikt vor der Tochter ausgetragen hat, was bereits der erste Sachverständige (Dipl.-Psych. ...) festgestellt hat und was auch die nachfolgenden weiteren Verfahrensteilnehmer (insbesondere Verfahrensbeistand, die hiesige Sachverständige und der eingesetzte Umgangspfleger) übereinstimmend wahrgenommen haben. Hinzu tritt, dass der Kindesvater offenbar von einzelnen Äußerungen des Kindes – wenn sich diese als negativ gegenüber der Kindesmutter darstellten – Audio-/Videoaufnahmen angefertigt hat. Gleiches gilt für die Zurverfügungstellung von persönlichem Bildmaterial über die Vater-Kind-Zusammenkünfte (wobei ... dazu erklärt hat, der Vater habe sie zu Fotos bedrängt und ihr auch erklärt, wie sie sich zu verhalten habe). Ein solches elterliches Verhalten ist äußerst kritisch zu betrachten. Mit der Herstellung von derartigem Material sind stets auch Belastungssituationen für Kinder verbunden, denen diese bei Wahrnehmung des Umgangs gerade nicht ausgesetzt werden dürfen. Auch der BGH (BGH v. 27.11.2019 - XII ZB 511/18, FamRZ 2020, 252 zum Filmen von Übergabesituationen) sieht derartige Aufzeichnungen elterlichen bzw. kindlichen Verhaltens als eher kritisch und erziehungseinschränkend an.
Dem Kindesvater war auch durch den Senat nicht zu vermitteln, dass kindliche Äußerungen in seiner Gegenwart nur eingeschränkt verlässlich sind. Während der Kindesvater für negative Äußerungen des Kindes in der Gegenwart der Mutter stets bei der Kindesmutter die Ursache bzw. Schuld dafür vermutet, nimmt er in seiner Gegenwart getätigte positive Äußerungen des Kindes stets für wahr an und kann sich selbst nach Aufforderung dazu nicht vorstellen, dass das Kind hier möglicherweise nicht wahrheitsgetreu erzählt oder handelt. Der Senat konnte sich davon selbst ein Bild machen: Im Zuge seiner Anhörung hat der Kindesvater einen eigenen Willen von ... zum Umgangsabbruch in Abrede gestellt oder jedenfalls als durch die Mutter manipuliert angesehen, überhaupt durchgängig die Kindesmutter mit einseitigen Vorwürfen und Schuldzuweisungen überzogen. Es ist derzeit nur schwer vorstellbar, dass der Kindesvater dieses (auch gegenüber ...) in der Vergangenheit gezeigte Verhalten zukünftig unterlässt.
Die Ursache von Umgangsabbrüchen/-verweigerungen oder sonstigen umgangsablehnenden Verhaltensweisen seiner Tochter weist der Kindesvater einseitig dem Verhalten der Mutter zu, ohne zu reflektieren, welchen Anlass er selbst dafür gesetzt haben bzw. ob es sich um den eigenständig gebildeten Willen von ... handeln könnte. Entsprechenden Hinweisen Dritter – auch seitens des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2022 – dahin, Verständnis für die andere Seite zu zeigen, kann sich der Kindesvater nicht öffnen; er hat eine verfestigte Vorstellung davon, dass an sämtlichen Problematiken und insbesondere auch dem hier stattgefundenen Umgangsabbruch die Kindesmutter allein schuld sei. Es ist in keiner Weise erkennbar, dass der Kindesvater in der Lage wäre, eigene Problematik als Ursache für die umgangsverweigernde Haltung der Tochter (bzw. den elterlichen Streit) überhaupt in Erwägung zu ziehen. Gerade die beim Kindesvater verfestigte und auch gegenüber der Tochter immer wieder zum Ausdruck gebrachte stark ablehnende Haltung der Kindesmutter hat jedoch die umgangsverweigernde Haltung der Tochter (letztendlich aber auch der Mutter) erkennbar verstärkt. Bezeichnend für das aufbrausende und unkontrollierte Verhalten des Kindesvaters ist auch die oben angeführte telefonische Äußerung des Vaters am 02. August 2020 gegenüber dem Umgangspfleger H. .... Es liegt auf der Hand, dass diese väterlichen Verhaltensweisen die Tochter erheblich verletzt und ihre Widerstandshaltung (mit)begründet haben. Einer solchen Erkenntnis verschließt sich der Vater aber zusehend. Eine Lösung des bestehenden Umgangskonflikts scheint angesichts seiner verfestigten Haltung auf absehbare Zeit unerreichbar.
Diese Einschätzung wird verstärkt durch ein zunehmend problematisches und aggressives Verhalten des Vaters. Dritte, die nicht seinen Vorstellungen entsprechend agieren, werden bekämpft oder abgelehnt (so gegenüber einem früheren Mediator, gegenüber den Umgangspfleger H. ..., gegenüber der Sachverständigen ... oder nunmehr auch gegenüber der erstinstanzlichen Richterin); Bilder werden unaufgefordert zu Behörden bzw. sonstigen neutralen Beteiligten (Verfahrensbeistand) geschickt; die Sachverständige ... berichtet von zuletzt täglichen Nachrichten, E-Mails und Anrufen des Vaters. Impulsdurchbrüche des Vaters waren Anlass für das Amtsgericht, ihn innerhalb der letzten mündlichen Verhandlung vom 12. August 2021 (Bl. 460 ff.) mehrfach zu gemäßigterem Verhalten aufzurufen. Auch vor dem Senat war er nur schwer zu beruhigen und unterbrach immer wieder Äußerungen der Kindesmutter oder auch der Vorsitzenden. Bei allem Verständnis für einen um seine Tochter kämpfenden Vater sind solche Vorgehensweisen unangemessen und zeigen die fehlende Fähigkeit zur Selbstreflexion und Perspektivübernahme des Vaters - Verhaltensweisen, welche von der Tochter als übergriffig und sie gering achtend empfunden werden.
4.
Bei den vorliegenden Gegebenheiten ist die erstinstanzlich ausgesprochene Dauer des Umgangsausschlusses nicht zu beanstanden. Das Familiengericht hat das Umgangsrecht für eine Frist von zwei Jahren (die angesichts der erstinstanzlichen Entscheidung bis einschließlich November 2023 andauert) ausgeschlossen. Dies entspricht zur Überzeugung des Senats der Zeit, die die Tochter braucht, um – ggf. auch unter Zuhilfenahme therapeutischer Hilfe – Abstand von negativen Empfindungen bezüglich ihres Vaters zu gewinnen und ihre erkennbar vorhandenen Ängste möglichst zu überwinden.
Aus dem derzeit zu veranlassenden Umgangsausschluss resultiert zugleich die Pflicht des Vaters, jeden Kontakt zu dem Kind zu unterlassen (vgl. nur Dürbeck, ZKJ 2020, 209, 212 m.w.N.).
Der Senat weist nachdrücklich darauf hin, dass nach Ablauf der Ausschlussfrist das Umgangsrecht des Vaters erneut auf den Prüfstand zu stellen ist. Ziel des hier bestätigten befristeten Umgangsausschlusses ist die Wiederanbahnung des Umgangs zwischen Vater und Tochter nach Fristablauf. Der Vater wird zu beachten haben, dass gerade seine negativen bis abwertenden Bemerkungen über die Mutter gegenüber der Tochter die starre Ablehnungshaltung der Tochter mitbewirkt hat. Ohne eine Bewältigung des in ihm offenbar weiter schwelenden Paarkonflikts und der Vermeidung ständiger Schuldzuweisungen an seine ehemalige Partnerin wird er auch in der Zukunft voraussichtlich keinen Zugang zu seiner Tochter finden können. Die Mutter sollte sich dagegen vor Augen halten, dass erfahrungsgemäß ein Verhalten, wie sie es hier an den Tag legt, häufig nicht ohne Folgen bleibt. Mit zunehmendem Alter stellt ein derartig betroffenes Kind nicht selten eindringliche Fragen. Gerade im Falle unredlicher oder nicht überzeugender Antworten wendet es sich häufig von dem Elternteil ab, der ihn jahrelang durch sein instrumentalisierendes Verhalten vom anderen Elternteil abgeschnitten und entfremdet hat.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 84 FamFG, 40 Abs. 1, Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG. Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde bestehen nicht.