Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 14.04.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 N 10/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0414.OVG3N10.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80 VwVfG |
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Dezember 2020 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 784,74 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Erlass einer Kostengrundentscheidung nach Abschluss eines Widerspruchsverfahrens, das die Aufnahme des Klägers zu 1 in die Schulanfangsphase der K.-Grundschule für das Schuljahr 2020/21 betrifft, abgewiesen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht dargelegt. Das Zulassungsvorbringen stellt weder einen entscheidungstragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angefochtenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Die Kläger machen ohne Erfolg geltend, der Beklagte habe ihrem Widerspruch gegen den die Aufnahme in die von ihnen gewünschte Grundschule ablehnenden Bescheid vom 27. April 2020 faktisch abgeholfen, indem er mit seinem - so bezeichneten - Zweitbescheid vom 17. Juni 2020 dem Kläger zu 1 einen Schulplatz an der gewünschten Schule zur Verfügung stellte, und die Bezeichnung als Zweitbescheid diene nur dazu, die Kostentragungspflicht nach § 80 VwVfG zu vermeiden.
Will die (Ausgangs-)Behörde, deren Maßnahme mit einem Widerspruch angegriffen worden ist, den angefochtenen Verwaltungsakt aus der Welt schaffen, hat sie vor Erlass eines Widerspruchsbescheids grundsätzlich die Wahl, ob sie dem Widerspruch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gemäß § 72 VwGO abhilft oder ob sie den Verwaltungsakt in einem eigenständigen Verfahren außerhalb des Widerspruchsverfahrens gemäß § 48 VwVfG zurücknimmt. Diese Wahl hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen und darf dabei - etwa - berücksichtigen, ob sie den Widerspruch für von Anfang an begründet hält oder ob sie ihm aus anderen, etwa aus nachträglich entstandenen Gründen entsprechen will (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2009 - 2 A 8.08 - juris Rn. 16; Urteil vom 18. April 1996 - 4 C 6.95 - juris Rn. 20 ff.). Vermeidet die Behörde eine förmliche Entscheidung über den Widerspruch ausschließlich deswegen, weil sie bei erkannter Erfolgsaussicht des Widerspruchs den Widerspruchsführer um den zu erwartenden Kostenanspruch bringen will, so fällt ihr ein Formenmissbrauch zur Last mit der Folge, dass sie im Hinblick auf die Kosten so zu stellen ist, als wäre die Abhilfeentscheidung ergangen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2009 - 2 A 8.08 - juris Rn. 18; Urteil vom 18. April 1996 - 4 C 6.95 - juris Rn. 20 ff.). So liegt der Fall hier nicht.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der Beklagte dem Kläger zu 1 in seinem Zweitbescheid nicht etwa deshalb einen Schulplatz an der gewünschten Grundschule zur Verfügung gestellt habe, weil er den Argumenten der Kläger in der Widerspruchsbegründung gefolgt wäre und den Ausgangsbescheid für rechtswidrig gehalten hätte, sondern weil nachträglich ein Schulplatz frei geworden sei. Er habe damit auf eine Änderung der Sachlage außerhalb des Widerspruchsverfahrens reagiert. Die Richtigkeit dieser Einschätzung, für die im Übrigen der Aktenvermerk des Beklagten vom 12. Juni 2020 spricht, in dem Zuzüge, Rückstellungen und anderweitige Schulzusagen für Kinder aus dem Einzugsbereich nach Versendung der Ablehnungsbescheide aufgeführt sind, in deren Folge drei Plätze frei geworden seien, die abgelehnten Bewerber/innen zur Verfügung gestellt werden könnten, stellt der Zulassungsantrag nicht schlüssig in Frage. Er macht geltend, es komme allein darauf an, dass „der Widerspruchsführer das bekommt, was er wollte“, die Gründe dafür seien belanglos. Auf die Gründe für die Änderung der Behördenentscheidung kommt es nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber nur dann nicht an, wenn ein Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid ergeht, der immer die Kostenfolge nach § 80 VwVfG hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1996 - 4 C 6.95 - juris Rn. 15; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 80 Rn. 26). Einen solchen hat der Beklagte hier gerade nicht erlassen.
Dass der Ablehnungsbescheid vom 27. April 2020 zum maßgeblichen Zeitpunkt der als verbindlicher Abschluss des bei einer Übernachfrage durchzuführenden Aufnahmeverfahrens gemäß § 56 Abs. 6 SchulG ergehenden Aufnahmeentscheidung (ständige Rechtsprechung, vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. September 2021 - OVG 3 S 88/21 - juris Rn. 3 m. Nachw.) rechtswidrig gewesen sei, legt der Zulassungsantrag nicht mit Erfolg dar. Spricht danach nichts dafür, dass der Beklagte dem Widerspruch Aussicht auf Erfolg hätte beimessen müssen, kommt es für die Frage, ob der Erlass eines Zweitbescheides rechtsmissbräuchlich war, auch nicht darauf an, ob der Kläger zu 1, wie der Zulassungsantrag geltend macht, den Schulplatz lediglich erhalten hat, weil er gegen die ablehnende Auswahlentscheidung Widerspruch eingelegt hat und sie damit nicht hat bestandskräftig werden lassen.
Mit dem Hinweis, der Gerichtsbescheid verstoße gegen die angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, ist eine Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht dargelegt. Dies würde voraussetzen, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung der in dort aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz widersprochen hat. Eine Divergenz ist dagegen nicht begründet, wenn auf der Ebene der Subsumtion ein höchstrichterlich aufgestellter Rechtssatz nicht oder unzutreffend angewandt worden ist (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2022 - 1 B 19.22 - juris Rn. 36 f.), was hier im Übrigen - wie ausgeführt - nicht der Fall ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).