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Entscheidung 1 Ws 30/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 04.04.2022
Aktenzeichen 1 Ws 30/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0404.1WS30.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag des Anzeigenden auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg vom 31. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Der Antragsteller erstattete am 26. Oktober 2021 gegenüber der Staatsanwaltschaft Potsdam Strafanzeige gegen die … der Partei … und nunmehrige … …, Mitglied der deutschen Bundestages, wegen Steuerhinterziehung, § 370 AO. Den Hintergrund der Strafanzeige bildeten Medienberichte über der Politikerin von ihrer Partei gewährte Sonderzahlungen, die sie gegenüber der Bundestagsverwaltung nicht angezeigt hatte. Der Antragsteller wähnt, dass die Angezeigte diese Einnahmen auch nicht gegenüber der Finanzverwaltung angegeben habe, und meint, „genaue Daten der Steuerhinterziehung muss eine komplette 10-jährige Nachprüfung der Einkünfte ergeben“.

Mit Bescheid vom 16. November 2021 teilte die Staatsanwaltschaft Potsdam dem Antragsteller mit, von der Aufnahme von Ermittlungen gegen die Angezeigte gemäß § 170 Abs. 2 in Verbindung mit § 152 Abs. 2 StPO abzusehen. Ungeachtet dessen, dass der Anzeigeerstatter sich in spekulativen Erwägungen verliere, sei eine Nachmeldung von Einkünften gegenüber der Bundestagsverwaltung nicht strafbewehrt, weil es sich insoweit nicht um eine Behörde im Sinne des § 370 AO handele. Im Übrigen gebe es keinen kriminalistischen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der Sonderzahlungen gegenüber der Bundestagsverwaltung nachmelde, auch eine unrichtige Steuererklärung abgegeben habe oder dies noch beabsichtige.

Gegen diesen Bescheid, dem, soweit aus der Akte ersichtlich, keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, wandte sich der Antragsteller mit seiner (Vorschalt-)Beschwerde vom 26. Dezember 2021, die am 29. Dezember 2021 bei der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg einging. Mit Bescheid vom 31. Januar 2022, hinsichtlich dessen sich ebenfalls aus der Akte nicht die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung ergibt, wies der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg die Beschwerde als unbegründet zurück. Nach Prüfung des Sachverhalts sehe er keinen Anlass, in Abänderung des angefochtenen Bescheides die Aufnahme von Ermittlungen anzuordnen. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Potsdam entspreche der Sach- und Rechtslage.

Hiergegen richtet sich der am 17. Februar 2022 bei dem Oberlandesgericht angebrachte Antrag des Anzeigeerstatters auf gerichtliche Entscheidung, den dieser ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts am 13. Februar 2022 formuliert hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 25. Februar 2022, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen. Der Betroffene hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO ist unzulässig. Er ist nicht statthaft, weil der Anzeigeerstatter nicht, wie von der genannten Vorschrift vorausgesetzt, Verletzter der von ihm behaupteten Straftat ist. Darauf, dass Formerfordernisse des § 172 Abs. 3 StPO nicht erfüllt sind, kommt es deshalb ebenso wenig entscheidungserheblich an wie darauf, dass die Strafverfolgungsbehörden dem Anzeigenden keine Rechtsmittelbelehrungen erteilt haben. Dies entsprach im Übrigen der Rechtslage, denn eine Rechtsmittelbelehrung unterbleibt, wenn das Klageerzwingungsverfahren nicht statthaft ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, zu § 172, Rz. 19; Zöller in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, zu § 172, Rz. 17).

Verletzter im Rahmen des § 172 StPO ist derjenige, der durch die behauptete Straftat – ihre tatsächliche Begehung unterstellt – unmittelbar in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen beeinträchtigt ist (OLG Koblenz NJW 1985, 1409; NStZ-RR 1998, 40; OLG Celle NStZ 1988, 568; 2008, 423; OLG Karlsruhe Justiz 1988, 400; NStZ-RR 2001, 112; OLG Dresden NStZ-RR 1998, 338; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 174; OLG Bamberg NJOZ 2016, 1760; Moldenhauer in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Auflage, zu § 172, Rz. 19; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., zu § 172, Rz. 9; Zöller a. a. O., zu § 172, Rz. 12). Eine nur irgendwie geartete Betroffenheit des Antragstellers genügt nicht, denn die vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollte Popularklage ist auszuschließen (OLG Celle NStZ 2007, 604). Erforderlich ist vielmehr eine Verletzung rechtlicher Interessen, die über das normale Staatsbürgerinteresse an der Einhaltung der Rechtsordnung hinausgehen (OLG Düsseldorf NJW 1988, 2906; Zöller a. a. O.). Als Anknüpfungspunkt dient der Schutzzweck der vermeintlich verletzten Strafnorm (OLG Düsseldorf JZ 1987, 836; OLG Bremen NStZ 1988, 39). Die – vermeintlich – durch die Angezeigte verletzte Strafnorm des § 370 AO schützt aber ausschließlich das gemeinschaftsbezogene Rechtsgut des Steueraufkommens, keine Individualrechtsgüter (vgl. statt vieler OLG Karlsruhe MDR 1994, 87, 88).

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil im Fall der Unzulässigkeit des Klageerzwingungsantrags eine Gebühr nach dem KVGKG nicht anfällt und der Antragsteller seine notwendigen Auslagen ohnehin selbst zu tragen hat (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., zu § 177, Rz. 1).