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Entscheidung 22 Qs 4/22


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 2. Strafkammer Entscheidungsdatum 09.03.2022
Aktenzeichen 22 Qs 4/22 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 17.12.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 09.12.2021 (Az.: 22 Cs 191/21) wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin zu tragen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Strausberg vom 20.07.2021 (Az.: 22 Cs 191/2), rechtskräftig seit dem 01.09.2021, zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 40 Euro (=2.000 Euro) für eine am 22.12.2020 begangene Tat verurteilt. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Strausberg vom 06.09.2021 (Az.: 22 Ds 204/21), rechtskräftig seit dem 24.09.2021, wurde sie zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 35 Euro (=1.400 Euro) für eine am 25.04.2021 begangene Tat verurteilt; die Fahrerlaubnis wurde entzogen, eine Sperrfrist von sieben Monaten angeordnet und der Führerschein eingezogen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat das Amtsgericht Strausberg aus den vorstehenden zwei Strafen mit Beschluss vom 09.12.2021, zugestellt am 15.12.2021, eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 35 Euro (=2.800 Euro) gebildet. Der Entzug der Fahrerlaubnis wurde zudem aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss hat sich die Beschwerdeführerin mit sofortiger Beschwerde vom 17.12.2021, eingegangen beim Amtsgericht am 22.12.2021, gewandt. Darin hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass sie die Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 06.09.2021 bereits beglichen habe. Eine Gesamtstrafe komme ihres Erachtens nicht in Betracht. Ferner führe die Gesamtstrafe zu einer Verschlechterung. Sie sei beruflich und privat benachteiligt, da es sich um verschiedene Strafen handele. Ferner sei die Gesamtstrafenbildung im Hinblick auf Verwaltungs-, Verfahrens- und eventuelle Gerichtskosten nachteilhaft.

Die Staatsanwaltschaft beantragte mit Verfügung vom 09.02.2022 die Verwerfung der sofortigen Beschwerde, da die Gesamtstrafenbildung fehlerfrei erfolgt sei.

Im Schreiben vom 14.02.2022 bestätigte die Kammervorsitzende der Beschwerdeführerin, dass die Geldstrafe aufgrund des Strafbefehls vom 06.09.2021 bereits vollständig und die aufgrund des Strafbefehls vom 22.12.2021 teilweise beglichen sei, sowie, dass diese Zahlungen vollständig auf die gebildete Gesamtgeldstrafe angerecht werden. Die Beschwerdeführerin spare mithin 600 Euro aufgrund der Gesamtstrafenbildung. Daher sei die Gesamtstrafe für sie nicht nachteilhaft. Die Kammervorsitzende regte daher an, die sofortige Beschwerde zurückzunehmen.

Mit Schreiben vom 20.02.2022 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie die Beschwerde nicht zurücknehme, da sie sich beruflich und privat benachteiligt sehe und es sich in Bezug auf die Tagessätze um eine Benachteiligung handele.

II.

Die gemäß §§ 462 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist unzulässig, im Übrigen auch unbegründet.

1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nach der Strafprozessordnung erfordert die Beschwer eines Beschwerdeführers. Dabei handelt es sich um eine Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses, die zwar nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, im Grundsatz jedoch allgemein anerkannt ist (MüKoStPO/Allgayer, 1. Aufl., StPO § 296 Rn. 41). Sie liegt vor, wenn die ergangene Entscheidung einen unmittelbaren Nachteil für den Beschwerdeführer enthält, seine Rechte und geschützten Interessen also eine unmittelbare Beeinträchtigung erlitten haben (BGH NJW 1955, 639; BGH wistra 1999, 347; OLG München NJW 1981, 2208; KG v. 11.7.2014, 2 Ws 252/14 – 141 AR 316/14; BeckOK-StPO/Cirener, 31. Ed., § 296 Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vor § 296 Rn. 9; KK-StPO, Vor § 296 StPO Rn. 5). Maßgeblich sind dabei allein objektive Kriterien, nicht etwa subjektive Einschätzungen. Zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung führt grundsätzlich nur der Entscheidungsausspruch, nicht dagegen die Begründung einer Entscheidung (MüKoStPO/Allgayer, 1. Aufl., § 296 Rn. 43).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Beschwerdeführerin nicht beschwert. Die Gesamtstrafenbildung des Amtsgerichts Strausberg vom 09.12.2021 führt nach objektiven Kriterien unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung von Rechten oder geschützten Interessen der Beschwerdeführerin.

a) Die Beschwerdeführerin erleidet durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung insbesondere keinen finanziellen Nachteil. Im Gegenteil führt die Gesamtstrafenbildung zu einer Ersparnis von 600 Euro. Denn die Strafen aus den Strafbefehlen beliefen sich auf 3.400 Euro (2.000 + 1.400 Euro), die Gesamtgeldstrafe hingegen auf 2.800 Euro. Zu beachten ist dabei – wie der Beschwerdeführerin mitgeteilt –, dass der bisher bezahlte Anteil der Geldstrafen vollständig auf die Gesamtgeldstrafe angerechnet wird. Entgegen den Bedenken der Beschwerdeführerin entstehen durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zudem keinerlei (Verwaltungs-, Verfahrens- oder Gerichts-)Kosten; vielmehr ist sie kostenneutral (vgl. Anlage 1, Teil 3.1.1, Vorb. 3.1, Abs. 5, Satz 2 GKG).

b) Auch im Übrigen führt die Gesamtstrafenbildung zu keinem Nachteil. Die Annahme der Beschwerdeführerin, dass sie „beruflich und privat“ benachteiligt werde, trifft objektiv nicht zu.

aa) Die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe führt vorliegend insbesondere zu einem registerrechtlichen Vorteil (im Hinblick auf das Bundeszentralregister bzw. das Führungszeugnis). Es kann insofern dahinstehen, ob registerrechtliche Auswirkungen überhaupt einen – für die Begründung der Beschwer nach der Rechtsprechung erforderlichen – unmittelbaren Nachteil zu begründen vermögen.

Vorliegend hat die Gesamtstrafenbildung zur Folge, dass die Beschwerdeführerin sich als unbestraft bezeichnen kann und die den Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte nicht zu offenbaren hat. Dies ist dann der Fall, wenn Verurteilungen nicht im Führungszeugnis aufzunehmen oder zu tilgen sind (vgl. § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG). Dies setzt seinerseits voraus, dass eine Geldstrafe die Schwelle von 90 Tagessätzen nicht überschreitet (§ 32 Abs. 2 Nr. 5 lit. a BZRG) oder zu einer Verurteilung wegen einer Geldstrafe keine weitere (im Sinne einer zweiten) Verurteilung hinzutritt (§ 32 Abs. 2 Nr. 5 Hs. 2 BZRG; klarstellend OLG Hamm NStZ-RR 2013, 84).

Vorliegend überschritten weder die vorherigen Einzelstrafen (von 50 bzw. 40 Tagessätzen) die Schwelle von 90 Tagessätzen noch die Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen.

Die Gesamtstrafenbildung führt indes dazu, dass die (vorherigen) zwei Verurteilungen zu einer einzigen zusammengeführt werden, sodass die Voraussetzungen der Eintragung im Führungszeugnis gem. § 32 BZRG hierdurch entfallen (Vollkommer, JuS 2007, 536, 537).

bb) Auch führt die Gesamtstrafenbildung zu keinem Nachteil in Bezug auf den Entzug der Fahrerlaubnis. Indem der (originäre) Entzug durch den Gesamtstrafenbeschluss aufrechterhalten wird, tritt keine Veränderung ein. Der Entzugszeitraum wird insbesondere nicht verschoben oder verlängert (Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 460 StPO Rn 37).

cc) Auch im Übrigen tritt keine objektive „private oder berufliche“ (unmittelbare) Benachteiligung ein. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus den Gründen der Entscheidung. Nach der Rechtsprechung können die Entscheidungsgründe – ohne Auswirkungen auf den Entscheidungstenor – nur aus verfassungsrechtlichen Gründen und nur in engen Grenzen eine Nachteilhaftigkeit begründen, insbesondere dann, wenn sie diskreditierenden oder stigmatisierenden Inhalts sind (BVerfGE 6, 7, 9; 28, 151, 160 f.; 140, 42; BGH, Beschl. v. 21.04.2004 – 2 BvR 581/04; Beschl. v. 28.01.2020 – 4 StR 608/19, Rn. 3). Dies ist vorliegend mangels Begründung in der Sache offenkundig nicht der Fall.

2. Im Übrigen wäre die sofortige Beschwerde auch unbegründet.

Denn die Voraussetzungen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung lagen vor. Nach dem Wortlaut des § 55 StGB ist dies u.a. dann der Fall, wenn ein rechtskräftig Verurteilter wegen einer anderen (hier: der zweiten) Straftat verurteilt wird (aufgrund des Strafbefehls vom 06.09.2021), bevor die gegen ihn erkannte Strafe (aufgrund des Strafbefehls vom 20.07.2021) vollstreckt ist. Nach der Rechtsprechung muss eine Vollstreckung im Sinne der Norm zur vollständigen (und nicht nur teilweisen) Erledigung einer Strafe führen; im Falle der Geldstrafe muss diese mithin vollständig beglichen – und damit die letzte Rate gezahlt – sein. Dies war vorliegend am 03.12.2021 der Fall (Bl. 161 d.A.). Zudem kommt es für den maßgeblichen Zeitpunkt der Verurteilung (im Sinne der Norm) bei Strafbefehlen auf die Zustellung – vorliegend den 09.09.2021 (Bl. 74 d.A.) – an. Der Zeitpunkt der Beschlussfassung über die nachträgliche Gesamtstrafe ist insofern nicht relevant für die Frage der Vollstreckung als Voraussetzung der Gesamtstrafenbildung.

Da die Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 20.07.2021 zum Zeitpunkt der (Zweit-)Verurteilung am 09.09.2021 noch nicht vollständig beglichen war, sondern erst am 03.12.2021, lagen die Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung damit vor. Diese sind nach der gesetzlichen Konzeption zwingend anzuwenden, ein Ermessen ist dem Gericht insofern nicht eingeräumt. Die Gesamtstrafenbildung war daher fehlerfrei.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.