Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 12. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.02.2022 | |
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Aktenzeichen | 12 Sa 805/21 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0211.12SA805.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 307 Abs 1 S 2 BGB |
Im Arbeitsverhältnis bezeichnet für die Zwecke von Rückzahlungsklauseln wegen Fortbildungskosten der Begriff der Aufwendungen aus sich heraus nicht hinreichend genau und abschließend die einzelnen Positionen und deren Berechnung, aus denen sich die rückzahlbare Gesamtforderung zusammensetzen soll. Eine dem Transparenzgebot genügende Bestimmtheit kann sich aber aus dem Zusammenhang der Klausel ergeben. (Fortführung und Abgrenzung zu LArbG Niedersachsen, 30.10.2018 - 10 Sa 268/18, juris)
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 06. Mai 2021 - 4 Ca 1201/20 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Die Klägerin beschäftigte den Beklagten seit November 2011.
Am 09.11.2017 schlossen die Parteien einen „Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel“ (im Folgenden: Fortbildungsvertrag). Danach sollte der Beklagte beginnend am 10.11.2017 und endend am 28.02.2020 an zwei Fortbildungslehrgängen zur kaufmännischen Betriebsführung und zur Ausbildereignungsprüfung sowie zu „Metallbautechnik und Projektarbeit“ teilnehmen.
Der Vertrag, der die Klägerin als „Firma“ und den Beklagten als „Mitarbeiter“ bezeichnet, führt aus:
„§ 2 Lehrgangskosten
Die Kosten des Lehrgangs (Unterrichtskosten, Kosten der Unterbringung, Fahrtkosten) übernimmt die Firma in voller Höhe.
Die Kosten sind vom Mitarbeiter vorzulegen und werden gegen Vorlage der Originalbelege erstattet.
§ 3 Rückerstattung
Kündigt der Arbeitnehmer innerhalb von 5 Jahren nach Abschluss des Lehrgangs das Arbeitsverhältnis, ohne dass dies auf vertragswidrigen Verhalten der Firma beruht oder kündigt die Firma im gleichen Zeitraum das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat oder ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen, so hat der Mitarbeiter die von der Firma getragenen Kosten des Fortbildungslehrgangs zurückzuerstatten.
Die Rückzahlungspflicht mindert sich dabei für jeden vollen Monat des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung um 1/60 der Gesamtkosten.
Die durch die Bildungsmaßnahme entstehenden Kosten werden voraussichtlich 10.000,00 EURO betragen.
Bei Abbruch der Bildungsmaßnahme aus Gründen, die der Arbeitnehmer zu vertreten hat, ist der Mitarbeiter zur Rückzahlung der bis zum Abbruch tatsächlich entstandenen Aufwendungen in voller Höhe verpflichtet.
Bei Nichtbestehen der Fortbildungsmaßnahme ist der Mitarbeiter zur Rückzahlung der tatsächlich entstandenen Aufwendungen verpflichtet.“
Die Klägerin beglich in der Folgezeit Kosten gegenüber der Handwerkskammer in Höhe von 9.433,20 Euro (im Folgenden: Lehrgangskosten HWK). Zur Absolvierung der Fortbildung stellte die Klägerin den Beklagten bezahlt frei.
Ohne die Lehrgänge erfolgreich abgeschlossen zu haben, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.08.2020 zum 30.09.2020.
Mit Schreiben vom 18.09.2020 und erneut mit Schreiben vom 28.09.2020 kündigte die Klägerin den Fortbildungsvertrag fristlos und forderte den Beklagten unter Fristsetzung auf den 15.10.2020 auf, die tatsächlich entstandenen Kosten und Aufwendungen iHv. 11.534,55 Euro an sie zu zahlen.
Mit Klage zum Arbeitsgericht hat die Klägerin diese Forderung weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, aus der Rückzahlungsvereinbarung stünde ihr ein Anspruch zu auf Rückzahlung der Lehrgangskosten iHv. 9.433,20 und auf Ausgleich eines aus der Freistellung entstandenen Schadens für 121 näher bezeichnete Stunden zu je 17,35 Euro, insgesamt 2.099,35 Euro. Die Rückzahlungsklausel sei wirksam. Es liege für den Beklagten keine unzulässige Benachteiligung vor. Sie hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 9.433,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2020 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.099,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2020 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, der Fortbildungsvertrag scheide aus formellen und aus materiell-rechtlichen Gründen als Anspruchsgrundlage für die Klageforderung aus. Unter Vortrag zu Einzelheiten hat er geltend gemacht, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen unzulässiger Videoüberwachung und nach Abmahnung der Klägerin ausgesprochen zu haben. Die Kündigung entstamme daher nicht seiner Verantwortungssphäre. Außerdem habe er der Klägerin mitgeteilt, dass er bei der Meisterschule aufhören wolle, da er dort durchgefallen sei.
Mit Urteil vom 06.05.2021 hat das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich der Lehrgangskosten nebst den darauf entfallenden Zinsen stattgegeben. Zur Begründung der Teilklagestattgabe hat es ausgeführt: Der Anspruch folge aus dem Fortbildungsvertrag. Hinsichtlich der Rückzahlung der Lehrgangskosten sei dieser wirksam. Es handele sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung, da der Vertrag formularmäßig aufgesetzt sei und damit für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen eingesetzt werden könnte. Zu Recht stütze die Klägerin den Rückzahlungsanspruch auf die in der Klausel enthaltene Variante zum Abbruch der Bildungsmaßnahme. Durch die Eigenkündigung habe der Beklagte einen „Quasi-Abbruch“ der Fortbildungsmaßnahme bewirkt, da deren etwaige Früchte dem Betrieb der Klägerin nicht mehr zu Gute kommen könnten und sie die Aufwendungen daher nutzlos getätigt habe. Den Maßstäben der Rechtsprechung entsprechend, habe die Klägerin die Klausel auf den vom Arbeitnehmer zu vertretenden Abbruch beschränkt. Vorliegend habe der Beklagte den Abbruch zu vertreten. Dessen Vorbringen zu einem Fehlverhalten der Klägerin sei nicht hinreichend substantiiert. Er habe die Fortbildung auf eigenem Willen basierend fortgesetzt.
Wegen des Schadens aus der Freistellung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt: Ersatz für die in den Abwesenheitszeiten des Beklagten gleichwohl aufgewandten Lohnkosten könne die Klägerin nicht erfolgreich einklagen. Für einen Rückzahlungsanspruch sei notwendig, dass die etwaigen Rückzahlungsposten konkret in die Klausel aufgenommen würden. In § 2 Fortbildungsvertrag seien aber nur die Lehrgangskosten benannt, nicht die etwaigen für die Fortbildungszeiten aufgewandten Lohnkosten. Die Teilklageabweisung ist rechtskräftig.
Gegen das ihm am 14.05.2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 08.06.2021 Berufung eingelegt, die er - nach Fristverlängerung auf den 11.08.2021 - am 07.08.2021 begründet hat. Er verfolgt das Klageabweisungsbegehren weiter und führt zur Begründung aus: Gerügt werde die fehlerhafte Anwendung sowohl des formellen als auch des materiellen Rechts. Das Arbeitsgericht hätte die einzelnen Varianten nicht getrennt voneinander prüfen dürfen, sondern hätte bei einem Fehler in einer der Varianten auf eine Gesamtunwirksamkeit schließen müssen. Die Formulierung zu einem „Quasiabbruch“ könne bereits deshalb nicht zutreffend sein, weil er bereits zuvor die Fortbildungsmaßnahme nicht bestanden hätte. Daher sei es unzutreffend, aus der von ihm ausgesprochenen Kündigung auf ein Vertretenmüssen zu schließen. Seinem Vorbringen zu den Gründen für die Eigenkündigung habe die Klägerin nicht widersprochen, so dass es als zugestanden gelten müsse. Einen vom Klägervertreter in der Kammerverhandlung angesprochenen Erwiderungsschriftsatz, der am Verhandlungstag als elektronisches Dokument an das Arbeitsgericht übermittelt worden sei, habe das Gericht ihm nicht ausgehändigt. Er beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 06.05.2021 - 4 Ca 1201/20 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat die Berufung beantwortet. Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und führt aus: Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder eine Überraschungsentscheidung lägen nicht vor. Der vom Beklagten behauptete Schriftsatz sei nicht zu den Gerichtsakten gereicht worden. Ihr letzter Schriftsatz datiere vom 11.01.2021. Eine Stellungnahme auf den Schriftsatz des Beklagten vom 02.02.2021 sei nicht erfolgt. Die Annahme des Arbeitsgerichts, es handele sich bei der Fortbildungsvereinbarung um allgemeine Geschäftsbedingungen, sei zutreffend. Die Absätze der Klausel regelten unterschiedliche Rückzahlungstatbestände. Die Klausel sei nach ihren einzelnen Absätzen teilbar. Die Behauptungen zu Kündigungsgründen seien vom Kläger ins Blaue hinein aufgestellt. Auf einen gerichtlichen Hinweis hin, wonach Bedenken wegen der hinreichenden Transparenz des in der einschlägigen Klausel verwandten Begriffs Aufwendungen bestünde, hat er auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen zu einer ähnlich formulierten Klausel hingewiesen und ausgeführt: In dem Fortbildungsvertrag seien die voraussichtlichen Kosten angegeben. Für den Beklagten sei es - auch durch die ihm obliegende Vorlage der Belege - von vornherein erkennbar gewesen, welche Kosten im Falle des Abbruchs auf ihn zukommen würden. Nicht ersichtlich sei, wie sie noch genauere Angaben, als im Fortbildungsvertrag erfolgt, hätte machen können.
Die zulässige Berufung ist begründet.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 64 Abs. 2 Buchst. b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR. Der Beklagte hat die Berufung innerhalb der (verlängerten) Fristen aus § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG formgerecht eingelegt und begründet. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen aus § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519f Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere ist sie hinreichend begründet.
II.
Die Berufung ist begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist abzuändern und die Klage abzuweisen. Der geltend gemachte Anspruch besteht nicht. Die Teilklagestattgabe beruht auf einer unrichtigen Rechtsanwendung. Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht die Zahlung der Fortbildungskosten HWK beanspruchen. Die hierfür herangezogene und der Teilklagestattgabe zu Grunde gelegte Klausel aus § 3 Abs. 4 Fortbildungsvertrag ist als unzulässige Benachteiligung des Beklagten nach § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam. Die unzulässige Benachteiligung ergibt sich daraus, dass die Bestimmung zur Rückzahlungspflicht bei Abbruch der Fortbildung nicht klar und verständlich ist. Mit der dort verwandten Wendung „der bis zum Abbruch tatsächlich entstandenen Aufwendungen in voller Höhe“ sind die auf den Kläger zukommenden Kosten nicht hinreichend transparent abgegrenzt. Dies führt zur Gesamtunwirksamkeit der Bestimmung. Eine Teilaufrechterhaltung hinsichtlich der Lehrgangskosten ist nicht zulässig.
1. Bei der als Anspruchsgrundlage herangezogenen Vereinbarung aus dem Fortbildungsvertrag handelt es sich um eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie sie in § 305 Abs. 1 BGB beschrieben sind. Dies hat das Arbeitsgericht festgestellt und hat die Beklagte in der Berufungsbeantwortung bestätigt.
2. Die Bestimmung in § 3 Abs. 4 Fortbildungsvertrag zur Rückzahlungspflicht im Falle des Abbruchs der Bildungsmaßnahme stellt eine unzulässige Benachteiligung des Klägers dar, weil dort die ggf. zur Erstattung anfallenden Kosten nicht hinreichend nach den in Betracht kommenden Positionen und deren Berechnungsweisen bestimmt sind. Dies führt zur Gesamtunwirksamkeit der Klausel.
a. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dabei kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das damit aufgestellte Transparenzgebot umfasst als maßgebliche Ausprägung das Bestimmtheitsgebot. Dieses verlangt, die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau zu beschreiben, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, den Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten (BAG, 16.06.2021 - 10 AZR 31/20, juris Rn 24; BAG, 12.06.2019 - 7 AZR 428/17, juris Rn 26). Im Falle von Rückzahlungsklauseln liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot insbesondere in den Fällen vor, in denen die Klausel dem Arbeitgeber als Verwender vermeidbare Spielräume hinsichtlich der erstattungspflichtigen Kosten gewährt. Ohne dass zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten angegeben sind, kann der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen. Erforderlich ist die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden (BAG, 06.08.2013 - 9 AZR 442/12, juris Rn 13). Der Verwender der Klausel muss nicht die Kosten der Ausbildung bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung exakt der Höhe nach beziffern. Im Sinne eines Ausgleichs der widerstreitenden Interessen müssen die Angaben des Klauselverwenders jedoch so beschaffen sein, dass der Vertragspartner sein Rückzahlungsrisiko abschätzen kann. Dazu sind zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten anzugeben. Ohne die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen (zB. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und der Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden (zB. Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten), bleibt für den Vertragspartner unklar, in welcher Größenordnung eine Rückzahlungsverpflichtung auf ihn zukommen kann, wenn er seine Ausbildung abbricht. Ohne diese Angaben kann der Vertragspartner sein Zahlungsrisiko nicht abschätzen und bei Vertragsschluss in seine Überlegungen einbeziehen. Zudem eröffnet das Fehlen solcher Angaben dem Verwender der Klausel vermeidbare Spielräume (BAG, 21.08.2012 - 3 AZR 698/10, juris Rn 19).
b. Der als Anspruchsgrundlage herangezogene § 3 Abs. 4 Fortbildungsvertrag ist danach nicht hinreichend bestimmt und transparent. Die Klausel eröffnet vermeidbare Beurteilungsspielräume, indem sie die erstattungspflichtigen Kosten mit Aufwendungen bezeichnet, ohne durch diesen Begriff oder im Zusammenhang der Klausel die Gesamtforderung nach deren einzelnen Positionen und deren Berechnungsgrundlagen genau und abschließend zu bezeichnen. Im Arbeitsverhältnis bezeichnet für die Zwecke von Rückzahlungsklauseln wegen Fortbildungskosten der Begriff der Aufwendungen aus sich heraus nicht hinreichend genau und abschließend die einzelnen Positionen und deren Berechnung, aus denen sich die rückzahlbare Gesamtforderung zusammensetzen soll. Eine dem Transparenzgebot genügende Bestimmtheit kann sich aus dem Zusammenhang der Klausel ergeben. Letzteres ist vorliegend aber nicht der Fall.
aa. Im juristischen Sprachgebrauch sind Aufwendungen freiwillig erbrachte Aufopferungen von Vermögenswerten, die im Interesse eines anderen liegen (MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl. 2019, BGB § 256 Rn. 2 mwN.). Im steuerrechtlichen Sprachgebrauch sind Aufwendungen Ausgaben, die in Geld oder Geldeswert bestehen und aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen (Schmidt/Krüger, 40. Aufl. 2021, EStG § 9 Rn. 12). Erfolgt dies zu den in § 9 Einkommensteuergesetz genannten Zwecken, können die Aufwendungen als Werbungskosten Berücksichtigung finden. In der Betriebswirtschaftslehre versteht man im Zusammenhang mit der Gewinn- und Verlustrechnung unter Aufwendungen den Verbrauch an Sachgütern, Dienstleistungen ua. in einem Betrieb (dtv-Lexikon in 20 Bänden, Bd. 1, 1990, S. 337). All diesen Verwendungen gemeinsam ist, dass der Begriff weit verstanden wird. Erfasst sein können alle Arten von Ausgaben oder Kosten. Im Zusammenhang mit der Fortbildungsvereinbarung und dem Fortbildungszweck kommen hier eine ganze Reihe von Positionen in Betracht. Dazu gehören neben den im Fortbildungsvertrag an anderer Stelle näher bezeichneten Lehrgangskosten beispielsweise Kosten der Beklagten, die ihr aus einer bezahlten Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht zu Fortbildungszwecken entstehen. Als Aufwendungen könnten noch weitere freiwillige Vermögensopfer der Beklagten im Zusammenhang mit der Fortbildung in Betracht kommen, etwa von ihr übernommene Prüfungsgebühren oder zur Verfügung gestellte Hilfsmittel wie etwa Werkzeuge oder andere Arbeitshilfen.
bb. Hiervon ist in der Klausel zu den erstinstanzlich von der Beklagten mitverfolgten Kosten aus der bezahlten Freistellung nicht angegeben, nach welchen Grundlagen entsprechende Kosten Berücksichtigung finden sollen. Zunächst bleibt unklar, wie sich der Umfang der bezahlten Freistellung bestimmt. Unklar bleibt außerdem, mit welchem Satz Freistellungsstunden Berücksichtigung finden sollen. In Betracht kommen die Netto- aber auch die Bruttovergütung. Von dem Begriff Aufwendungen kann sogar das sogenannte Arbeitgeberbrutto umfasst sein, also die Bruttovergütung zuzüglich der vom Arbeitgeber zu tragenden Anteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Zwar würde eine solche Vereinbarung nach § 32 SGB I wegen Verstoßes gegen die zwingenden Bestimmungen der §§ 20, 22 Sozialgesetzbuch IV unwirksam sein (BAG, 17.11.2005 - 6 AZR 160/05, juris Rn 35). Nach dem gewählten Wortlaut aber ist die Einbeziehung der Arbeitgeberanteile nicht ausgeschlossen.
cc. Eine hinreichende Bestimmtheit und die Verhinderung von Beurteilungsspielräumen können nicht aus den übrigen Bestimmungen des Fortbildungsvertrags hergeleitet werden.
(1) Zu den Lehrgangskosten findet sich in § 2 Abs. 1 Fortbildungsvertrag eine nähere Bestimmung. Nach dem dort aufgenommenen Klammerzusatz handelt es sich um Unterrichtskosten, Kosten der Unterbringung, Fahrtkosten. § 3 Abs. 1 Fortbildungsvertrag regelt einen Erstattungsanspruch des Arbeitgebers für bestimmte Fälle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf von fünf Jahre nach Abschluss des Lehrgangs. Dort sind die erstattungspflichtigen Kosten beschrieben als die von ihm, also dem Arbeitgeber, getragenen Kosten des Fortbildungslehrgangs. Wegen der Kosten des Fortbildungslehrgangs wird auf die Bestimmung in § 2 Abs. 1 Fortbildungsvertrag zurückgegriffen werden können. Mit dem Zusatz „von ihm getragen“ wird klargestellt, dass nur die Lehrgangskosten zu erstatten sind, die die Klägerin im Ergebnis gezahlt hat und nicht etwa auch solche Lehrgangskosten, die der Beklagte gezahlt hat, ohne dass die Klägerin sie erstattet hätte.
(2) Die Erstattungspflichten nach § 3 Abs. 4 und 5 Fortbildungsvertrag für die Fälle des Abbruchs der Fortbildungsmaßnahme oder des Nichtbestehens sind abweichend formuliert. Hier spricht der Vertrag von den tatsächlich entstandenen Aufwendungen. Ob mit Aufwendungen dasselbe gemeint ist wie mit den Lehrgangskosten, stellt der Vertrag nicht klar. Dies kann nicht aus dem Zusammenhang hergeleitet werden. Vielmehr spricht der Zusammenhang eher für ein über die Lehrgangskosten hinausgehendes Verständnis von Aufwendungen. Werden in einem juristischen Text unterschiedliche Begriffe verwandt, spricht das für einen sich unterscheidenden Inhalt. Schließlich ist die abweichende Verwendung von Aufwendungen nicht darin begründet, dass die Beklagte von ihr nicht gezahlten Lehrgangskosten aus der Erstattungspflicht ausnehmen wollte. Hierzu hätte bereits die Verwendung der in diesem Sinne eingeschränkten Formulierung zu den von ihr getragenen Kosten des Fortbildungslehrgangs ausgereicht, wie sie sie in § 3 Abs. 1 Fortbildungsvertrag verwandt hat.
(3) Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass § 3 Abs. 3 Fortbildungsvertrag die voraussichtliche Größenordnung der durch die Bildungsmaßnahme entstehenden Kosten angibt. Eine voraussichtliche Größenordnung ist aber keine Begrenzung der erstattungspflichtigen Kostenpositionen bzw. Bezeichnung von deren Berechnungsweise. Die Formulierung kann deshalb das Bestimmtheitsgebot nicht erfüllen. Die Bestimmung in § 2 Abs. 2 Fortbildungsvertrag zu dem Erstattungsverfahren und den dabei vom Kläger vorzulegenden Belegen begründet ebenfalls nicht die hinreichende Bestimmtheit der im Falle des Abbruchs der Bildungsmaßnahme zu erstattenden Kosten. Das Verfahren zur Kostenerstattung ist auf die Lehrgangskosten HWK beschränkt. Für die von dem Begriff der Aufwendungen darüber hinaus erfassten Kosten ist es nicht einschlägig und kann so nicht zu deren Bestimmtheit beitragen.
(4) Demnach wird insgesamt aus dem Vertrag nicht hinreichend klar, was mit den im Fall des Abbruchs zu erstattenden Aufwendungen gemeint sein soll. Eine genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden sollen, enthält der Vertrag nicht. Dies wird verdeutlicht durch das Vorgehen der Klägerin, die über die Lehrgangskosten hinaus (vor-) gerichtlich zusätzlich Freistellungskosten geltend gemacht hat. Die diesbezügliche Klagebegründung, wonach ein je Arbeitsstunde entstandener Schaden zu erstatten sei, lässt dabei unklar, nach welcher Berechnungsweise die Beklagte insoweit vorgegangen ist.
dd. Eine hinreichende Bestimmtheit lässt sich schließlich nicht aus der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen herleiten. Dort hat das Gericht zwar für eine ähnlich formulierte Klausel angenommen, dass sie für den Arbeitnehmer im vornherein erkennbar mache, welche Kosten im Falle des Abbruchs auf ihn zukommen würden (LArbG Niedersachsen, 30.10.2018 - 10 Sa 268/18, juris Rn 47). Trotz der Ähnlichkeit der jeweils zu beurteilenden Klauseln besteht aber ein erheblicher Unterschied. Bei der vom LArbG Niedersachsen zu beurteilenden Klausel waren im Vertragstext die durch die Bildungsmaßnahme entstehenden und aufgeschlüsselten Beträge zusätzlich als „ggf. erstattungspflichtig“ bezeichnet. Hierin kann eine Eingrenzung der erstattungspflichtigen Kosten überhaupt gesehen werden, die auf den vertraglich begründeten Erstattungsanspruch wegen vor Abbruch der Fortbildung entstandener Aufwendungen ausstrahlt und ihm zu hinreichender Bestimmtheit verhilft. Vorliegend dagegen ist die Bestimmung der Lehrgangskosten in § 2 Abs. 1 Fortbildungsvertrag ohne den Zusatz ggf. erstattungspflichtig oder einen ähnlichen Zusatz erfolgt. Eine Beschränkung des Begriffs der entstandenen Aufwendungen, wie ihn § 3 Abs. 4 Fortbildungsvertrag verwendet, bewirkt die Bestimmung zu den Lehrgangskosten in § 2 Abs. 1 Fortbildungsvertrag daher nicht. Vor diesem Hintergrund kann dahin gestellt bleiben, ob bei einer entsprechenden Gestaltung des Sachverhalts der Beurteilung durch das LArbG Niedersachsen zu folgen sein würde.
ee. Die somit aus der Klausel für die Klägerin als Verwenderin folgenden Beurteilungsspielräume waren vermeidbar. Entgegen der Einschätzung in der Berufungsbeantwortung hätten sehr wohl genauere Angaben erfolgen können. Die Klägerin hätte die Formulierung aus § 3 Abs. 1 Fortbildungsvertrag auch in § 3 Abs. 4 verwenden können. Wenn sie über § 3 Abs. 1 Fortbildungsvertrag hinausgehend auch Kosten wegen Freistellungszeiten als erstattungspflichtig wirksam hätte vereinbaren wollen, so hätten ihr auch insoweit Formulierungsvorbilder zur Seite gestanden. So hätte sie in Anlehnung an Vorschläge in der Literatur (Stoffels, in Preis, Der Arbeitsvertrag, Klauseltypen A 120 Ausbildungskosten), den Freistellungsumfang beschreiben und die darauf entfallende Vergütung in ihrer konkreten Berechnung bei den erstattungspflichtigen Kosten aufnehmen können.
c. Rechtsfolge der Unbestimmtheit der Kostenabgrenzung ist die Gesamtunwirksamkeit von § 3 Abs. 4 Fortbildungsvertrag.
aa. § 306 BGB ordnet als Rechtsfolge der Unwirksamkeit von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen an, dass, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam sind, der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an die Stelle der unwirksamen Bestimmung nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. blue-pencil-tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln. Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG, 13.04.2010 - 9 AZR 36/09, juris Rn. 22).
bb. In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend auf die Unwirksamkeit von § 3 Abs. 4 Fortbildungsvertrag insgesamt zu schließen. Die Streichung der bedenklich weiten Wendung zu den entstandenen Aufwendungen lässt keinen verständlichen Teil zurück. Es fehlt dann an einer Bestimmung in der Klausel dazu, was im Falle des Abbruchs der Bildungsmaßnahme aus Gründen, die der Beklagte zu vertreten hat, als Erstattung von der Klägerin beansprucht werden kann. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus. Sie würde die die gesetzlichen Wertungen des § 307 BGB unterlaufen (vgl. BAG, 21.08.2012 - 3 AZR 698/10, juris Rn 30ff). Wie dargestellt, hätte es die Klägerin in der Hand gehabt, eine hinreichend klare Abgrenzung der zu erstattenden Kosten zu vereinbaren. Eine Teilbarkeit von § 3 Fortbildungsvertrag in mehrere Rückzahlungstatbestände, wie sie die Berufungsbeantwortung geltend macht, führt nicht zur Begründetheit ihrer Klage. Die weiteren Rückzahlungstatbestände in § 3 Abs. 1 und Abs. 5 Fortbildungsvertrag sind ihrem Tatbestand nach nicht einschlägig. § 3 Abs. 5 Fortbildungsvertrag würde darüber hinaus an dem gleichen Transparenzmangel leiden wie die Klausel zu den Folgen eines Abbruchs der Bildungsmaßnahme in § 3 Abs. 4 Fortbildungsvertrag.
III.
Von den Nebenentscheidungen beruht die Entscheidung, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im Ergebnis des Rechtsstreits über beide Instanzen ist die Klägerin mit ihrem Klagebegehren vollumfänglich unterlegen.
Umstände, die in Anwendung von § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision begründen würden, sind für keine der Parteien gegeben. Insbesondere ist keine Divergenz iSv. § 72 Abs. 2 Ziffer 2 ArbGG ersichtlich. In dessen von der Klägerin herangezogenen Entscheidung geht das LArbG Niedersachsen hinsichtlich der erforderlichen Bestimmtheit von Rückzahlungsklauseln wegen Fortbildungskosten - wie die erkennende Kammer - von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus. Das Ergebnis des LArbG beruht, wie aufgezeigt, auf der Subsumtion des von ihm zu beurteilenden Sachverhalts unter diese Grundsätze. Ein von der hiesigen Entscheidung divergierender Rechtssatz ist dort nicht aufgestellt.
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.