Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 21. Senat | Entscheidungsdatum | 21.01.2022 | |
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Aktenzeichen | L 21 U 221/19 | ECLI | ECLI:DE:LSGBEBB:2022:0121.L21U221.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 136 Abs 1 S 4 SGB 7 |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 320.828,91 Euro fest-
gesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten an die Beigeladene zu überweisen ist.
Die Klägerin betreibt seit 1921 Wertstoffhandel, zunächst nur Altpapiergroßhandel und Entsorgung. Sie ist seitdem bei der Beklagten, bzw. zunächst bei der Großhandels- und Lagerei- Berufsgenossenschaft - GroLa BG - als einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, als Mitgliedsbetrieb erfasst. Später kamen auch andere Wertstoffe hinzu. So wird in der Betriebsbeschreibung vom 15.04.1970 als Art des Unternehmens „Altpapier- und Lumpen-Sortieranstalt“ angegeben mit 23 Mitarbeitern, 1 PkW, 3 LKW, 5 Hängern. Ab 01.01.1980 kam auch die Abfuhr von Müllabfällen hinzu, Lumpen wurden nicht mehr sortiert. In ihrer Betriebsbeschreibung vom 28.12.1979 gab die Klägerin an, dass gemessen am Arbeitsaufwand der Altpapier-Großhandel zu diesem Zeitpunkt 80 % und der Altpapier-Sortierbetrieb sowie die Müllabfuhr jeweils 10 % umfassten.
Zum Januar 1981 wurde als Nebenbetrieb der „Transportbetrieb“ der Klägerin bei der Beklagten mitversichert. In ihrer Betriebsbeschreibung vom 07.12.1984 gab die Klägerin an „Altpapier-Presszentrum + Großhandel 100 %, 14 Mitarbeiter, 2 Pkw, 5 Lkw“. Fünf Jahre später dann nur Altpapiergroßhandel 100% (Betriebsbeschreibung vom 28.09.1989).
Am 04.02.1993 wurde die ursprüngliche Firma B. - Abfallentsorgung Rohstoffwiederverwertung - gesellschaftsrechtlich in die B R GmbH umgewandelt. Im Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg (HRB ) wurde als Gegenstand der GmbH der Einzel- und Großhandel mit Altpapier, Güternahverkehr, Gewerbemüllentsorgung und Recycling angegeben. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten wurde auf den neuen Firmennamen umgeschrieben.
Fast zwei Jahre später wurde der Altpapiergroßhandel - nach den Angaben der Klägerin in ihrer Betriebsbeschreibung vom 12.12.1994 - nur noch mit 70 % der Betriebstätigkeit bestimmt, die Müll- und Schuttabfuhr mit 30 %. In den nachfolgenden Jahren kamen weitere Betriebsteile/Niederlassungen im Stadtgebiet von Berlin hinzu.
In der Betriebsbeschreibung vom 27.12.2000 gab die Klägerin an zu 100 % Recycling-Unternehmungen und Altpapierhandel zu betreiben. In den Lohnnachweisen für 2001 und 2002 ist von der Klägerin als Gewerbezweig „Rohstoffwiederverwertung-Abfallentsorgung“ angegeben. In der Kurzbeschreibung der Mitarbeiteraufgaben an den Außenstellen vom 25.04.2003 wird von der Klägerin das Einsammeln und teilweise Sortieren verschiedener Abfälle sowie das Umladen in Container mit teilweiser Verpressung beschrieben.
Aktuell stellt die Klägerin ihr Unternehmen auf ihrer Hompage wie folgt vor:
UNTERNEHMEN MIT TRADITION
Unser Entsorgungsunternehmen wurde von B und L in B gegründet und wird bis heute als klassischer Familienbetrieb geführt. Heute beschäftigen wir mehr als 200 Mitarbeiter sowohl an unserem Betriebsstandort in B als auch an verschiedenen Außenstellen.
Schwerpunkt unserer Entsorgungstätigkeit ist von Anfang an die Erfassung und Verwertung von Altpapier. Wir führen aber auch alle anderen Sekundärrohstoffe, wie Kunststoff, Folie, Holz und Schrott, der Wiederverwertung zu. Insgesamt werden so pro Jahr ca. 200.000 Tonnen an Wertstoffen zurück in den Rohstoffkreislauf gegeben.
Seit Juni 1997 sind wir als einer der ersten Entsorger der Region als Entsorgungsfachbetrieb zertifiziert. Dadurch können wir gegenüber unseren Kunden die notwendige Kompetenz gewährleisten, alle Aufgaben übernehmen und mögliche Probleme rechtssicher lösen.
Quelle: Entsorgungsunternehmen in B - B (b.de)
Nach einer Nacherhebung von Beiträgen (ab 2009) seitens der Beklagten im Jahr 2012 infolge einer Betriebsprüfung, bei der sich höhere Lohnsummen ergeben hatten, bat die Klägerin mit Schreiben vom 25.04.2012 die Beklagte um eine Prüfung, ob für den Betriebszweig Logistik der Klägerin (Sammlung und Transport mit ca. 50 Mitarbeitern) nicht eine andere Gefahrklasse festgesetzt werden könnte, indem dieser Bereich nicht als Hilfs-, sondern (fremdartiges) Nebenunternehmen (Containerdienst) mit eigenem Wirtschaftszweck eingeordnet würde.
Nach einer Prüfung der faktischen Verhältnisse und nach Gesprächen des Beratungsdienstes der Beklagten vor Ort mit der Klägerin im August 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 03.08.2012 mit, dass der Logistikbereich nur ein Hilfsunternehmen sei, der dem Zweck des Hauptunternehmens diene, nämlich dem „Handel mit Alt-, Rest-, Abfall- und Sekundärrohstoffen aller Art". Daher wäre eine Änderung der Gefahrklassen nicht möglich.
Die Klägerin zeigte der Beklagten daraufhin am 16.10.2012 die Änderung von Art und Gegenstand des Unternehmens und die Änderung in den Voraussetzungen für die Zuordnung zu den Gefahrenklassen nach der Satzung der Beklagten an und beantragte die Überweisung an die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (Beigeladene). Der Tätigkeitsschwerpunkt der Klägerin liege heute nicht mehr im Gewerbezweig „Abfall- und Sekundärrohstoffhandel einschließlich Sortierung und Verpressung und dergl." - dieser Bereich umfasse nur noch ca. 20 % der Gesamtaktivitäten der Klägerin - sondern als zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb im Gewerbezweig „Entsorgungswirtschaft, Abfall- und Reststoffbeförderung, Wiederaufbereitung und Verwertung von Alt-, Abfall- und Wertstoffen", der 80 % der Tätigkeiten der Klägerin ausmache. Mit Schreiben vom 13.11.2013 wies sie auch darauf hin, dass sich seit Mitte der 1990er Jahre die Tätigkeiten innerhalb der Entsorgungsbranche und somit auch im Unternehmen der Klägerin deutlich verändert hätten. Ab 1990 habe es eine totale Umkehr der früheren Verhältnisse gegeben. Entscheidend sei das im Jahr 2013 erreichte Verhältnis von 82 % zu 18 % zugunsten der Logistik im Bereich der Mitarbeiterzahlen und von 80 % zu 20 % im Bereich der Lohnsummen. Hierzu hätten vor allem gesetzliche Änderungen, technologischer Fortschritt und ein allgemein gestiegenes Umweltbewusstsein geführt. Mit dem am 07.10.1996 in Kraft getretenen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sei eine Neuordnung der Zuständigkeiten und ein höheres Maß an Verantwortung für die Kreislaufführung von der Wirtschaft und von privaten Haushalten verlangt worden. Infolgedessen sei die Klägerin seit November 1996 als Entsorgungsfachbetrieb mit den abfallwirtschaftlichen Tätigkeiten Sammeln, Befördern, Lagern und Behandeln zertifiziert und die von ihr betriebene Anlage seit Februar 2003 nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zur Lagerung und Behandlung von Abfällen zur Verwertung genehmigt. Bis Ende der 1980er Jahre habe die Klägerin ca. zehn Fahrzeuge eingesetzt um ausschließlich Altpapier von einem überschaubaren gewerblichen Kundenkreis zu entsorgen. Das Verhältnis zwischen der Logistik und dem von der Beklagten bezeichneten „Handel“ sei bis dahin deutlich in Richtung des „Handels“ verschoben. Heute sammle und befördere die Klägerin mit mehr als 50 hochmodernen Spezialfahrzeugen diverse Abfälle von fast 20.000 Kunden, um diese in ihrer und in anderen Anlagen zu behandeln und anschließend in verschiedene Verwertungsanlagen zu geben. Diese abfallwirtschaftlichen Tätigkeiten seien Teil eines technologisch anspruchsvollen Produktionsprozesses, der mit dem Handel von Abfällen nichts zu tun habe. Ein Handel mit Abfällen werde heute als der An- und Verkauf von Abfällen durch Dritte definiert, die ohne tatsächliche Sachherrschaft über die Abfälle die Rolle eines Vermittlers oder Maklers zwischen zwei Parteien übernehmen. Diese Tätigkeit mache im klägerischen Unternehmen ca. 5 % des Umsatzes aus. Insgesamt würden heute im Unternehmen der Klägerin mehr als 75 % der Beschäftigten im Bereich der Logistik arbeiten. Der Anteil der Mitarbeiter im Bereich der weitaus automatischen Sortierung und Verpressung liege im Verhältnis zur Gesamtmitarbeiterzahl bei ca. 15 %. Begriffe wie „Müllhalde“ und „Schuttablageplatz“ seien in der heutigen Kreislaufwirtschaft nicht mehr existent, führten eine prozentuale Verteilung der Tätigkeiten auf die Kategorien der Klägerin ad absurdum und zeige somit auch deutlich, dass die Zuordnung der Beklagten vollkommen falsch und nicht mehr zutreffend sei. Der von der Beigeladenen zugrunde gelegte Gewerbezweig Entsorgungswirtschaft hingegen beschreibe die Schwerpunkte der Tätigkeiten und Nebentätigkeiten der Klägerin absolut zutreffend: „Einsammlung und Transport von Abfällen mit Leerbehältern, Wechselbehältern und anderen Transportbehältnissen …, Abfallbehandlung/Vermarktung…“. Namhafte Wettbewerber mit gleicher Betriebsstruktur, wie A, R, V und andere seien ebenfalls alle der Beigeladenen zugeordnet. Die Zuordnung der Klägerin zur Beklagten sei für sie ein erheblicher Wettbewerbsnachteil, da ihre Beiträge für dieselbe Tätigkeit bei der Beklagten bedeutend höher seien, ca. 40.000-50.000 € pro Jahr. Eine konkrete Zuordnung der Klägerin nach heutigem Maßstab sei mit den Kategorien der Beklagten leider nicht möglich. Die Satzung der Beklagten beschreibe keine abfall- oder entsorgungswirtschaftlichen Tätigkeiten, die auf den Betrieb der Klägerin als zertifizierten „Entsorgungsfachbetrieb“ zutreffen würden. Der Begriff „Entsorgungsfachbetrieb“ sei gesetzlich geschützt und werde über das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Entsorgungsfachbetriebsverordnung definiert. Darüber hinaus sei der Begriff „Entsorgungswirtschaft“ in vielen Bereichen der Wirtschaft eindeutig bestimmt. Die entsprechenden Betriebe (Entsorgungsfachbetriebe) seien in vielen Verbänden organisiert. Für diesen Gewerbezweig der Entsorgungswirtschaft gebe es in der Satzung der Beklagten keine sachliche Zuständigkeit, wohl aber in der der Beigeladenen. Die beschriebenen Änderungen hätten die Verhältnisse zwischen Anlage (Behandlung) und Logistik weitestgehend umgekehrt, sodass der Bereich der Logistik heute den führenden Teil des Unternehmens darstelle und die sachliche Zuständigkeit in den Aufgabenbereich der Beigeladenen falle und die Tätigkeit des Betriebes nicht Großhandel sondern Abfallbehandlung sei. Im Übrigen werde die Klägerin vom Statistischen Bundesamt in der Klassifikation der Wirtschaftszweige in Gruppe 38 „Sammlung, Behandlung und Beseitigung von Abfällen; Rückgewinnung“ und nicht in der Gruppe 46.7 „sonstiger Großhandel“ geführt.
Die Beklagte teilte daraufhin unter dem 25.11.2013 mit, dass sich aus den Ausführungen der Klägerin Hinweise auf einen in die Versicherungszuständigkeit der Beigeladenen fallenden Transportbetrieb nicht ergäben. Vielmehr bilde die Behandlung/Sortierung von Alt-/Abfallstoffen einschließlich dazugehöriger Hilfstätigkeiten, wie Abholung beim Kunden, Lagerarbeiten, Verpressung der Ware usw. aktuell den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Unternehmens und damit das Hauptunternehmen. Dass die Beklagte nicht nur für die Versicherung von reinen Handelsunternehmen, sondern auch für die Versicherung von Unternehmen zuständig sei, welche die Handhabung/Sortierung und Verpressung von Alt- und Sekundärrohstoffen zum Gegenstand haben, sei der Satzung der Beklagten unter § 3 Nr. 3 zu entnehmen. Die Bereitstellung der Transportmittel sowie die dazugehörigen Transporte dienten dem Sortier-/Behandlungsbetrieb. Sie seien wesentlicher Bestandteil dieses Betriebes, denn ohne diese Tätigkeiten wäre der Betrieb des Unternehmens der Klägerin nicht durchführbar. Eine Überweisung an die Beigeladene sei daher nicht vorzunehmen. Dass es sich hierbei um eigenständige Dienstleistungen/Gewerbezweige handele, deren gesonderte Veranlagung zu prüfen wäre, habe die Klägerin nicht dargelegt. Diese Tätigkeiten hätten somit nur hilfsbetriebliche Bedeutung.
Mit Bescheid vom 29.01.2014 lehnte die Beklagte die Überweisung der Klägerin an die Beigeladene ab. Eine Überweisung wegen Änderung der Zuständigkeit könne nur nach § 136 Abs. 1 Satz 4 2. Alternative SGB VII erfolgen. Maßstab für die Beurteilung einer wesentlichen Änderung der Betriebsverhältnisse sei ein Vergleich der Situation zum Zeitpunkt der Eintragung in das Unternehmensverzeichnis mit der Lage zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Überweisung. Danach betreibe die Klägerin nach wie vor die Erfassung und Verwertung von Altstoffen/Altpapier einschließlich Sammlung, Beförderung, Lagerung, Sortierung, Verpressung sowie die Vermarktung der Stoffe. Daher seien die Betriebsverhältnisse im Wesentlichen auch gleichgeblieben.
Die Klägerin erhob am 06.02.2014 Widerspruch und trug vor, dass die Veränderungen in der Betriebstätigkeit sich allmählich vollzogen hätten. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liege nun auf der Logistik, die in den letzten Jahrzehnten eine eigenständige Prägung erhalten hätte. Dort wären 80 % der Mitarbeiter tätig. Dazu gehörten die Sammlung, Beförderung und Erfassung der Wertstoffe, während im Bereich der Lagerung, Sortierung und Verpressung, dem Bereich der früher einmal Schwerpunkt der Tätigkeit war, nur noch knapp 20 % der Mitarbeiter beschäftigt seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2014 - eingegangen bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10.06.2014 - wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin betreibe unverändert die Erfassung und Verwertung von Altstoffen/Altpapier mit den weiteren Begleittätigkeiten, für die die Beklagte sachlich zuständig sei. Die Beigeladene sei nur für Müllabfuhren und vergleichbare Transportunternehmen zuständig.
Mit ihrer am 09.07.2014 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiterverfolgt. Unter Wiederholung ihres Vortrags aus dem Verwaltungsverfahren hat sie die Auffassung vertreten, dass die Beklagte die tatsächlich eingetretenen Veränderungen nicht vollständig zur Kenntnis genommen und im Übrigen auch nicht zutreffend nach den rechtlichen Maßgaben des § 136 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) bewertet habe. Die wesentliche Änderung in der Unternehmensstruktur werde dadurch belegt, dass noch im Jahr 1981 lediglich zwölf Mitarbeiter und drei Fahrzeuge mit dem Altpapierhandel im weitesten Sinne beschäftigt gewesen seien. Hingegen sei die Klägerin erstmals im Jahr 1997 als Entsorgungsfachbetrieb im Sinne von § 56 Kreislaufwirtschaftsgesetz zertifiziert worden und seitdem jährlich nach der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung. Die Zertifikate erstreckten sich auf die Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen.
Als Entsorgungsfachbetrieb hole die Klägerin zum einen Reststoffe und Abfälle bei privaten und gewerblichen Abfallerzeugern gegen Entgelt ab und fahre diese zu ihrer eigenen Abfallbehandlungsanlage auf ihrem Betriebsgelände. Die Anlage ermögliche unterschiedliche Behandlungsverfahren für die jeweilige Abfallgattung. Dazu gehöre das Trennen von Abfallgemischen sowie das Vorbrechen, Schreddern, Spalten, Sägen, Brechen, Verdichten und andere Maßnahmen. Ferner stelle die Klägerin größeren Unternehmen auf deren eigenen Betriebsflächen Abfallbehandlungsanlagen zur Verfügung. Die Klägerin lasse die in ihrem Eigentum stehenden und von ihr an die Unternehmen vermieteten und gewarteten Anlagen von ihren eigenen Mitarbeitern vor Ort gegen Entgelt betreiben. Der Zweck sämtlicher Anlagen sowohl auf dem eigenen wie auch auf fremdem Betriebsgelände sei darauf gerichtet, eine fachgerechte Behandlung bzw. Verarbeitung von kostenpflichtigen und minderwertigen Abfällen vorzunehmen. Entsprechend unterhalte die Klägerin auf ihrem eigenen Betriebsgelände eine seit dem Jahr 2001 ständig erweiterte und nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz geprüfte genehmigte Abfallentsorgungsanlage. Die Anlage umfasse eine Halle, Lagerfläche, Sortierkabine, zwei Altpapierpressen, Gabelstapler, Schaufellader, Rollenschneidemaschine und eine Restrollensäge.
Damit stehe fest, dass die von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen in Form von Abholung, Transport, Lagerung und Behandlung von Abfällen den wesentlichen Unternehmensgegenstand darstellten. Der Logistikbereich des Unternehmens mit den unterschiedlichen Erfassungssystemen - unter anderem in Form von sogenannten Tonnen und größeren Behältern - sei auf die Bedürfnisse der Abfallerzeuger abgestellt. Die Beschäftigten der Klägerin, die im Bereich Logistik eingesetzt seien, hätten im Jahr 2018 insgesamt 29 Abfallanlagen angefahren. Dies alles habe jedoch mit einem hauptsächlichen und schwerpunktmäßigen Waren- oder Stoffhandel, wie die Beklagte unzutreffend meine, nichts zu tun. Die modernen Entsorgungs- und Abfallbehandlungs-Dienstleistungen der Klägerin hätten zu der Zeit, als die Zuständigkeitsbereiche der Berufsgenossenschaften festgelegt worden seien, noch gar nicht bestanden. Die Klägerin beschäftige zudem Auszubildende jeweils in den Bereichen Kreislaufwirtschaft und Mechatronik. Nach den vom Reichsversicherungsamt (RVA) vorgenommenen Zuordnungen gehörten Fuhrwerks- und Müllabfuhrbetriebe zum Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen. Die Transport- und Abholdienstleistungen der Klägerin stellten deren wesentlichen unternehmerischen Schwerpunkt dar. Es werde zudem nur ein Bruchteil der Reststoffe der Verwertung zugeführt, sodass hinsichtlich eines großen Teils des abgefahrenen und bearbeiteten Mülls von einer reinen Tätigkeit als Müllabfuhrunternehmen auszugehen sei. Dem Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen sei die Einsammlung und der Transport von Abfällen mit Leerbehältern, Wechselbehältern und anderen Transportbehältnissen sowie auch die Abfallbehandlung und Abfallvermarktung sachlich zuzuordnen. Dies ergebe sich bereits aus deren Satzung, sodass der Vortrag und die rechtliche Einordnung der Beklagten demnach unzutreffend sei. Sowohl nach der Zahl der Beschäftigten als auch vom gesamten Arbeitsvolumen liege der Anteil, welcher auf den Bereich Transport und Logistik entfalle, prozentual bei mindestens 90 %. Nach den aktuellen Zahlen für das Jahr 2018 seien dem Bereich Beförderung und Logistik insgesamt 147 Beschäftigte im Unternehmen zuzuordnen. Dazu gehörten auch gewerbliche Mitarbeiter und Verwaltungsbeschäftigte einschließlich der Mitarbeiter in der Werkstatt. Im Bereich der Abfallbehandlung seien 30 Mitarbeiter tätig. Lediglich drei Beschäftigte würden im Bereich der Vermarktung einschließlich des Handels arbeiten. Daraus folge, dass sich der unternehmerische Schwerpunkt sogar gegenwärtig noch weiter hin zu dem Bereich Beförderung verschoben habe. Dies werde sich zukünftig auch nicht ändern. Der im sehr geringen Umfang von der Klägerin betriebene Handel sei nur auf Wertstoffe beschränkt, die nach einer wesentlichen Be- und Verarbeitung erneut dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden. Unter Handel sei der Ankauf von Waren von verschiedenen Herstellern bzw. Lieferanten, die Beförderung, Bevorratung und Zusammenführung der Waren zu einem Sortiment sowie ihr Verkauf an gewerbliche Abnehmer (Großhandel) oder an nichtgewerbliche Abnehmer (Einzelhandel) zu verstehen, ohne dass die Waren wesentlich verändert oder verarbeitet würden. Handel sei der gewerbsmäßige Ankauf von materiellen Gütern (Handelsware) und deren Verkauf ohne wesentliche Be- und Verarbeitung. Einen derartigen Handel mit Abfall-, Rest- und Entsorgungsstoffen betreibe die Klägerin nicht. Sie zahle kein Entgelt für den Transport und die Entsorgung dieser Stoffe und verkaufe sie auch nicht gegen Entgelt an gewerbliche oder nichtgewerbliche Abnehmer. Vielmehr erhalte die Klägerin für die Abholung, den Transport und die Entsorgung dieser Abfälle nebst Unterhaltung von Abfallentsorgungsanlagen auf fremden Betriebsgrundstücken selbst eine Vergütung von deren Abfallerzeugern und zahle für die Entsorgung dieser Abfälle eine bestimmte Vergütung an Dritte. Von einem Ankauf und Weiterverkauf von Waren für Großhändler oder Einzelhändler könne damit keine Rede sein. Sofern sich die Beklagte auf Entscheidungen des früheren RVA berufe, wonach die von größeren Handelsgeschäften zum Abfahren der Waren Fahrzeuge als Hilfsbetriebe dem Handel zugeordnet würden, werde diese Einschätzung im Fall der Klägerin als modernem Dienstleistungsunternehmen und Entsorgungsfachbetrieb, welcher schwerpunktmäßig die Abholung und den Transport von Abfällen und Reststoffen anbiete, nicht gerecht. Die Zuordnung von vergleichbaren Wettbewerbern wie A und R zur Beigeladenen verdeutliche, dass ein Wandel in der Einschätzung und in den Strukturen der erbrachten Dienstleistungen stattgefunden habe. Die Klägerin werde diesen gegenüber jedoch benachteiligt. Ausgehend vom Gewerbezweigprinzip wäre die Überweisung der Klägerin an die Beigeladene sachgerecht, da diese als Unfallversicherungsträger deutlich stärker fachlich spezialisiert sei und besser qualifiziert auf die jeweilige Situation der Klägerin eingehen könne. Der Klägerin entstünden daher nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Nachteile durch die Zugehörigkeit zu einem sachlich unzuständigen Unfallversicherungsträger, da die Beklagte in den charakteristischen Tätigkeitsfeldern der Klägerin, namentlich der Erfassung, des Transports, der Lagerung wie auch der Entsorgung von Abfällen über keine Expertise verfüge. So habe sich die Beklagte in der Vergangenheit wiederholt auf Nachfrage der Klägerin nach Fortbildungsveranstaltungen für ihre Mitarbeiter für unzuständig erklärt und auf die Beigeladene verwiesen.
Die Klägerin hat auf das Schreiben des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgung-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. (BDE) vom 23.12.2014 verwiesen, der ebenfalls eine Zuständigkeit der Beigeladenen für gegeben angesehen habe. Die Klägerin hat unter dem 27.04.2015 die aktuelle Fassung des Gesellschaftsvertrages (nach Umstellung des Kapitals auf Euro) vom 22.12.2014 zur Gerichtsakte gereicht. Dort wird unter § 2 der Gegenstand des Unternehmens bestimmt als Einzel- und Großhandel mit Altpapier, Güternahverkehr, Gewerbemüllentsorgung, Recycling sowie alle damit zusammenhängenden Geschäfte. Sie hat zugleich die Beitragsbescheide für 2013 (Beitragshöhe: 106.942,97 Euro) und 2014 (Beitragshöhe: 102.825,66 €) vorgelegt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 29.10.2014 die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik, Telekommunikation beigeladen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin in die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft zu überweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, dass zur Klärung der berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit ausschließlich die Beschlüsse des Bundesrates, das vom Reichsversicherungsamt (RVA) aufgestellte „alphabetische Verzeichnis der Gewerbszweige nach ihrer berufsgenossenschaftlichen Zugehörigkeit“ sowie die vom RVA vorgenommenen Fortschreibungen maßgebend seien, solange der Verordnungsgeber von seiner sich aus § 122 Abs. 1 SGB VII ergebenden Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat. Sie hat die Satzung der Großhandels- und Lagereiberufsgenossenschaft vom 01.01.1997 in der Fassung des Fünften Nachtrags vom 13.05.2004 zur Gerichtsakte gereicht und hierzu ausgeführt, dass bezogen auf den Gewerbezweig der Klägerin bis Ende 2007 § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung der ehemaligen Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft vom 01.01.1997 in der Fassung des Fünften Nachtrags vom 13.05.2004 gegolten habe. Dort sei unter § 3 Nr. 3 hinsichtlich des in Rede stehenden Gewerbezweigs eine rein deklaratorische Ergänzung erfolgt „einschließlich Sortierung und Verpressung und dgl.“ Dies verdeutliche, welche Tätigkeiten unter anderem auch dem beschriebenen Gewerbezweig zuzurechnen seien. Dem komme keine konstitutive Wirkung zu.
Auch wenn im Altpapierhandel/-verwertung, bedingt durch das Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz sowie die Verpackungsverordnung, die Fahrtätigkeiten zugenommen hätten, werde nach wie vor der Handel/die Verwertung von Altstoffen einschließlich der dazugehörigen Hilfstätigkeiten, die Bereitstellung und Abholung von Containern, Sortieren, Verpressen und Lagern der Altstoffe von der Klägerin betrieben. Mithin fehle es vorliegend an einer für eine Überweisung an die Beigeladene notwendigen Änderung. Denn die Klägerin betreibe nach wie vor die Erfassung und Verwertung von Altstoffen/Altpapier einschließlich Sammlung, Beförderung, Lagerung, Sortierung, Verpressung sowie die Vermarktung der Stoffe. Diese Betriebsverhältnisse seien im Wesentlichen mit denen, wie sie zum Zeitpunkt des Ersteintrags bei der Beklagten bestanden hätten, vergleichbar. Eine wesentliche Änderung des unternehmerischen Schwerpunktes sei nicht eingetreten. Eine Entsorgung von Abfällen im klassischen Sinne, vergleichbar einer Müllabfuhr, betreibe die Klägerin - entgegen der nun vorgenommenen Angaben - gerade nicht. Diesbezüglich verweise die Beklagte auf die Ermittlungsergebnisse im Vorverfahren sowie die hierzu ergangenen Bescheide.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat ihre ab 01.01.2005, 01.01.2010 sowie 01.01.2012 gültige Satzung zur Gerichtsakte gereicht. Sie ist der Auffassung, dass sie für die Klägerin zuständig sei und wäre bereit, diese als Mitgliedsbetrieb aufzunehmen. Der wesentliche Bestandteil der ausgeübten Dienstleistungen der Klägerin sei der Transport von Abfällen. Die Verwertung in Form des Sekundärrohstoffhandels einschließlich der Sortierung und Verpressung stelle nur einen geringen Anteil der Tätigkeiten der Klägerin dar. Der überwiegende Teil der Beschäftigten der Klägerin befasse sich mit den Tätigkeiten im Bereich des Transportes von Abfällen (80 Beschäftigte), nur eine untergeordnete Anzahl von zehn Beschäftigten sei mit der Sortierung und der Abfallverwertung befasst. Dem Vortrag der Klägerin sei zu entnehmen, dass seit dem Jahr 2007 sowohl die Lohnsummen als auch die Mitarbeiterzahl im Bereich Transport (Logistik) von Papierabfällen den Bereich des Sekundärrohstoffhandels mit Papier übersteige. Auch die Anzahl der eingesetzten Betriebsmittel, hier Spezialfahrzeuge zur Einsammlung von Abfällen, habe sich im Laufe der Jahre deutlich geändert. Nach den Angaben der Klägerin seien anfänglich nur zehn Fahrzeuge für Transporttätigkeiten eingesetzt gewesen. Nunmehr bediene die Klägerin mit 50 Fahrzeugen ca. 20.000 Kunden. Anhand der vorgelegten Statistik sei auch davon auszugehen, dass die Änderungen in den Betriebsverhältnissen der Klägerin von Dauer seien. Die re-striktive Auffassung der Beklagten werde den tragenden Gedanken zur Bestimmung der Zuständigkeit und der Wahrung des fachlich gegliederten Präventionsauftrages nicht gerecht. Der Überweisungsantrag der Klägerin sei daher begründet. Die Beigeladene hat den 24. Gefahrtarif ab 01.01.2011 zur Gerichtsakte gereicht.
Mit Urteil vom 09.10.2019 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 29.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2014 aufgehoben. Es hat die Beklagte verpflichtet, die Klägerin an die Beigeladene zu überweisen und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Überweisung an die Beigeladene habe.
Gemäß § 136 Abs. 1 Satz 4 Fall 2, Satz 5 iVm. § 136 Abs. 2 SGB VII werde bei der Änderung der Zuständigkeit für ein Unternehmen dieses vom bisherigen Unfallversicherungsträger an den zuständigen Unfallversicherungsträger überwiesen. Dies habe im Einvernehmen mit dem neu zuständigen Unfallversicherungsträger zu erfolgen. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), die auch zu einer Änderung der Zuständigkeit führe, liege dann vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden sei. Das sei, mit Blick auf den Streit hier, insbesondere u. a. dann der Fall, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliege und seitdem keine der veränderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten seien (§ 136 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VII).
Vom Ansatz seien die Zuständigkeiten der einzelnen gewerblichen Berufsgenossenschaften gesetzlich nicht umfassend geregelt. Der § 114 Abs. 1 Nr. 1 iVm. der Anlage dazu und die §§ 121-122 SGB VII beschrieben nur, dass es mehrere gewerbliche Berufsgenossenschaften gebe und setzten eine Zuständigkeit für Unternehmen voraus, allerdings ohne weitere Erläuterung mit einer in die Einzelheiten gehenden Abgrenzung. In § 122 Abs. 2 SGB VII befinde sich eine Ermächtigung (wie schon zuvor in § 646 Reichsversicherungsordnung - RVO), diese Zuständigkeiten im Einzelnen zu regeln. Davon habe der Verordnungsgeber seit Jahrzehnten keinen Gebrauch gemacht. Die Zuständigkeiten, auch die bisher bestehende Zuständigkeit der Beklagten in Bezug auf den Betrieb der Klägerin, folge demnach immer noch aus § 122 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit den überkommenen außergesetzlichen Bestimmungen. Hier sei das der Beschluss des Bundesrates vom 22.05.1885 sowie den späteren Ergänzungen durch die Einbeziehung weiterer Gewerbezweige in die gesetzliche Unfallversicherung. Diesen Sachverhalt habe auch die Satzung der Beklagten nachvollzogen, wenn es unter § 3 Nr. 3 Fall 3 der Satzung heiße, dass Schrotthandel, Alt-, Rest-, Abfall- und Sekundärrohstoffhandel einschließlich Sortierung und Verpressung und dgl. in deren sachliche Zuständigkeit falle. In jedenfalls faktischer Konkurrenz bezüglich der Zuständigkeit für Betriebe nach Art der Klägerin stehe die Beigeladene. In deren Satzung finde sich die Regelung, dass sie sachlich zuständig sei für Unternehmen der Abfall- und Reststoffbeförderung, Müllabfuhr, Wiederaufbereitung und Verwertung von Alt-, Abfall- und Wertstoffen (§ 3 Nr. 1 zu 1.3 der Satzung).
Das Gericht gehe, wie auch die Beklagte vortrage, im Ansatz davon aus, dass die satzungsrechtlichen Vorschriften der Beigeladenen ihre Zuständigkeit unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht erweitern könne. Es dürfe sich diesbezüglich nur um die Nachzeichnung der faktischen Verhältnisse zu einer - wie auch vorliegend bei der Klägerin - im Wandel befindlichen Wirtschaftstätigkeit handeln, wonach nunmehr fast alle Entsorgungsunternehmen, die nach Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom 27.09.1994 sowie der Vorgängerregelungen am Markt aufgetreten seien, bei der Beigeladenen als Mitgliedsbetriebe geführt würden. Diese (neue) Zuordnung sei, wie auch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung ergeben habe, im Konsens, gleichsam in gewohnheitsrechtlicher Ausprägung, orientiert an den faktischen Umständen der Wirtschaftstätigkeit der neu entstandenen Betriebe, zwischen der Beklagten und der Beigeladenen erfolgt.
Die rechtliche Beurteilung mit Blick auf das Begehren der Klägerin habe demnach im Spannungsverhältnis einerseits zwischen der normativ vorgegebenen Beharrungstendenz an ursprünglichen Zuständigkeiten gemäß § 122 Abs. 2 SGB VII mit den dargestellten weiteren Regelungen und den sich ausgebildeten und von den Berufsgenossenschaften anerkannten neuen Zuständigkeiten infolge sich neu bzw. verändert entwickelnder Wirtschaftsweisen zu erfolgen. Da der Verordnungsgeber mit einem „leeren" § 122 Abs. 1 SGB VII untätig geblieben sei, hat der Ausgleich zwischen den widerstreitenden Prinzipien nach rechtlicher Auffassung der Kammer im Wege des § 136 SGB VII zu erfolgen. Dazu seien, wie auch diese Norm ausdrücklich anspreche, die tatsächlichen Verhältnisse und ihre Änderungen bei der Betriebstätigkeit der Klägerin in den Blick zu nehmen und auch unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu bewerten.
Nach diesen Maßstäben sei die Kammer zu der Auffassung gekommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf die Überweisung habe. Die Voraussetzungen des § 136 Abs. 1 Satz 4 Fall 2 iVm. § 136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII seien im vorgenannten Sinn erfüllt. Die Klägerin habe sich von einem Handels- zu einem Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt Transport und Recycling gewandelt. Davon sei die Kammer nach den Aufzeichnungen in den Akten und auf Grund der Ergebnisse in der mündlichen Verhandlung überzeugt. Während das Unternehmen seit der Gründung über Jahrzehnte den Schwerpunkt der Betriebstätigkeit in der Sammlung und im Handel mit Altpapier gehabt habe, habe sich dies seit Mitte der neunziger Jahre allmählich, aber dennoch umfassend und unumkehrbar geändert. Die allmähliche Umgestaltung der Betriebstätigkeit, die wie auch die Klägerin angebe, durch die veränderten rechtlichen Vorgaben bei der Abfallbeseitigung in den neunziger Jahren endgültig angestoßen und sodann auch normativ „erzwungen" worden sei, habe zu einer Verlagerung der hauptsächlichen Betriebstätigkeit auf Entsorgungswirtschaft mit dem für die Kammer eindeutig erkennbaren Schwerpunkt der Dienstleistung Entsorgung/Recycling und Transport geführt. Während zuvor die Sammlung von Altpapier und anderen Wertstoffen dem Handel mit diesen Stoffen gedient habe, stehe nach Abschluss der Umgestaltung für die Klägerin eine umfassende Dienstleistung für ihre Kunden bei der Entsorgung im Vordergrund. Aus den Akten ersichtlich und von der Klägerin glaubhaft auch bekundet, biete sie ihren Kunden ein komplexes Dienstleistungspaket bei der Entsorgung von Altpapier und anderen Wertstoffen an. Die Stoffe würden eingesammelt und ggf. so aufbereitet, dass sie einer Wiederverwertung zugeführt werden könnten. Die betriebliche Kalkulation und die konkrete Preisbildung sei orientiert an den Arbeitsvorgängen von der Aufstellung der Behälter bis zur Abgabe an Dritte bzw. zur Rückführung der Wertstoffe an den Kunden unter Berücksichtigung der jeweiligen Marktpreise bezüglich der zu verwertenden oder zu entsorgenden Stoffe. Bei dieser Betriebstätigkeit stehe nicht mehr der Handel mit den Wertstoffen im Vordergrund, sondern es werde primär eine Entsorgungsdienstleistung einschließlich Transport angeboten.
Dies sei der entscheidende Aspekt für die Kammer. Es sei unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung bei diesen obwaltenden tatsächlichen Umständen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X bzw. von § 136 SGB VII anzunehmen, weil sich eine völlig andere Wirtschaftsweise als in den Jahrzehnten zuvor ergeben habe. Der Umstand, dass nunmehr der Transport einen erheblichen Stellenwert bei der Betriebstätigkeit ausmache und in diesem Bereich auch die meisten Mitarbeiter beschäftigt seien, sei nur ein tatsächlicher Reflex des grundlegend veränderten Wirtschaftens vom Schwerpunkt Handel nun zur Fokussierung auf Erbringung einer Dienstleistung auch mit Fahr- und Transporttätigkeit. Die Kammer halte diese Wirtschaftstätigkeit einem neuen und nicht mehr vom Handel bestimmten Gewerbezweig zugehörig. Dieser Wandel werde jedenfalls seit dem Überweisungsbegehren der Klägerin vollständig vollzogen und dauere auch schon mehr als ein Jahr an. Die veränderten Umstände seien auch nicht nur vorübergehend und nicht zwei Jahre nach ihrem Eintritt zum Zeitpunkt der Antragstellung im Oktober 2012 wieder entfallen (§ 136 Abs. 2 Satz 5 SGB VII); ebenso sei auch nichts dafür ersichtlich, dass diese ab der mündlichen Verhandlung innerhalb eines (weiteren) Zeitraumes von 2 Jahren wieder entfallen würden. Der exakte Zeitpunkt der Überweisung ergebe sich aus § 137 Abs. 1 Satz 1 SGB VII und sei noch abhängig vom weiteren Ablauf des Streites.
Gegen das ihr am 15.11.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.12.2019 Berufung eingelegt. Eine Änderung in den Betriebsverhältnissen zugunsten eines in die Versicherungszuständigkeit der Beigeladenen fallenden Gewerbezweigs habe die Klägerin nicht belegen können. Diesbezüglich habe das Sozialgericht zwar zutreffend dargelegt, dass die von der Beigeladenen vorgenommene Satzungsänderung nicht statthaft gewesen sei, soweit die Beigeladene in ihre Satzung ergänzend aufgenommen habe, der fachlich zuständige Unfallversicherungsträger auch für Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt Transport und Recycling zu sein. Inkonsequent und deshalb zu korrigieren sei die erstinstanzliche Entscheidung jedoch, soweit sie auf der Grundlage dieser nicht statthaften Satzungsänderung der Beigeladenen deren Zuständigkeit für die Klägerin unter Zugrundelegung einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 136 Abs. 1 S. 4 2. Alt. SGB VII annehme. Die Beklagte sei nach den maßgeblichen Rechtsgrundlagen fachlich zuständig für
- Betrieb zur Behandlung und Handhabung der Ware, die mit einem En-gros-Han-
delsunternehmen verbunden sind
- Alteisenhandlungen
- Lumpenhandlungen
- Lumpensortieranstalten.
Sie sei damit zuständiger Unfallversicherungsträger für den Alt- /Abfallstoffhandel einschließlich Sortierung. Altpapierhandlungen habe es 1903, als das RVA das alphabetische Verzeichnis mit Angabe der Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften herausgegeben habe, noch nicht gegeben, da Altpapier seinerzeit noch nicht der Wiederverwendung habe zugeführt werden können.
Dagegen sei die Beigeladene nach der Regelung des RVA zuständig für „Fracht- (auch Roll-, Last-, Holz-, Möbel-) Fuhrwerksbetriebe, Kloaken- und Müllabfuhrbetriebe, Güterbestätter“. Die Beigeladene sei somit lediglich für reine Abfuhrbetriebe, d. h. für die Beförderung von Alt-/Abfallstoffen vom Verursacher direkt zur Deponie oder Müllverbrennung zuständig, nicht jedoch für Unternehmen, die Alt-/Abfall-/Reststoffe einsammeln oder abholen und sie anschließend zur Wiederverwendung beispielsweise an Papierfabriken verkaufen bzw. im Einzelfall - nach erfolgter Sortierung und Verpressung - auch zu dem Verursacher zurück transportieren. Soweit in der Satzung/Gefahrtarif der Beigeladenen von „Behandlung/Vermarktung“ die Rede sei, sei dadurch also deren Zuständigkeit unzulässiger Weise erweitert worden, was das Sozialgericht in seiner Entscheidung zutreffend erkannt habe. Das Unternehmen der Klägerin sei ursprünglich bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin mit einem Altpapierhandel erfasst gewesen. Im Laufe der Zeit sei der Unternehmensgegenstand erweitert worden auf die Erfassung und Behandlung von Wertstoffen im Allgemeinen. Inzwischen sei das Unternehmen als zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb im Bereich „Entsorgungswirtschaft, Abfall- und Reststoffbeförderung, Wiederaufbereitung und Verwertung von Alt-, Abfall- und Wertstoffen“ tätig. Im Vorverfahren habe die Klägerin geschildert, dass 75 % des Arbeitsaufwandes im Unternehmen für die entgeltliche und unentgeltliche Sammlung verwertbarer Materialien zur Sortierung und Verbreitung einschließlich der dazu erforderlichen Transporte entfalle, 5 % auf Handelstätigkeiten sowie 15 % auf den Rücktransport zuvor abgeholter und verpresster Stoffe zum Abholort/Kunden. Lediglich 5 % des Gesamtarbeitsaufwandes sollte danach auf die Sammlung/Abholung von Materialien einschließlich des sofortigen Abtransports zur Müllhalde bzw. Verbrennung erfolgen. Soweit die Klägerin Genehmigungsschreiben für ihre entsprechenden Abfallbehandlungsanlage vorlege, ergebe sich daraus eindeutig die fachliche Zuständigkeit der Beklagten. Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sei die Klägerin nach wie vor zu 50 % des Gesamtarbeitsaufwandes im Bereich Altpapier tätig. Hierbei gebe es nicht nur den „klassischen Bereich“ mit Abholung beim Kunden, anschließender Verpressung auf eigenem Gelände und Verbringung zur Papierfabrik. Kleinere Gebinde würden auch zwischengelagert, bis ein Transportgewicht von ca. 25 t erreicht sei. Daneben bestehe ein Bereich, in welchem die Papierabfälle lediglich beim Kunden abgeholt und nach erfolgter Verpressung wieder nach dort zurückgeliefert würden. Das Gros entfalle hier neben anderen Kunden mit ca. 25 % auf die Hauptkunden A und L. Den gleichen Service biete die Klägerin in den Bereichen Folien und PET-Flaschen. Daneben nehme die Klägerin auch Abfall-/Wertstoffe anderer Entsorger auf Zwischenlager, um diese später selbst der weiteren Entsorgung/Verwertung zuzuführen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe im Verhandlungstermin angegeben, dem Grunde nach mache man nichts anderes als zu Beginn, damals allerdings lediglich mit zwei Pferden und einem Anhänger. Nichts anderes ergebe sich auch aus dem Internetauftritt der Klägerin. Die Klägerin habe keinen Nachweis dafür erbracht, dass es sich bei der Transporttätigkeit tatsächlich um einen eigenständig zu betrachten Gewerbezweig handele, z.B. durch Darlegung der jeweils auf die Bereiche Vermarktung, Handhabung bzw. (hiervon isoliert) Transporttätigkeiten entfallenden Umsatzanteile. In einem ähnlichen Sachverhalt habe die Schiedsstelle für Katasterfragen der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung in ihrer Entscheidung vom 09.05.2016 eine Zuständigkeit der Beigeladenen verneint. Soweit die Klägerin als Unternehmen verschiedenartige Bestandteile umfasse, sei die Berufsgenossenschaft zuständig, der das Hauptunternehmen angehöre. Um die Zuständigkeit der Beigeladenen zu begründen, müsste demzufolge ein in die Versicherungszuständigkeit der Beigeladenen fallendes Hauptunternehmen betrieben werden. Unzutreffend habe das Sozialgericht in der von der Klägerin durchgeführten Transporttätigkeit ein solches Hauptunternehmen gesehen. Die Fahrtätigkeiten könnten nämlich nicht aus dem Kontext gerissen werden, da sie nicht isoliert erbracht werden, sondern ausschließlich im Zusammenhang mit einem der Zuständigkeit der Beklagten unterfallenden Gewerbezweig. Es gebe keine Rechtsgrundlage, wonach die Beigeladene für ein als „Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt Transport und Recycling“ bezeichnetes Unternehmen versicherungszuständig sein könnte. Für die Versicherung von Recyclingtätigkeiten sei sie überhaupt nicht zuständig. Bei der Begrifflichkeit „Transporttätigkeiten“ handele es sich um keinen Gewerbezweig im Sinne des berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeitsrechts. Die Klägerin verkenne, dass die Beklagte nicht nur für Handelstätigkeiten zuständiger Unfallversicherungsträger sei. Sie sei darüber hinaus nämlich zuständig für Betriebe zur Behandlung und Handhabung der Ware sowie für Alt-, Rest-, Abfall- und Sekundärrohstoffhandel einschließlich Sortierung und Verarbeitung. Der Beweis dafür, dass es sich bei dem Unternehmen der Klägerin nicht um ein solches Unternehmen handelt, stehe nach wie vor aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9.10.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zutreffend führe die Beklagte aus, dass sie die zuständige Berufsgenossenschaft für Betriebe zur Handhabung und Behandlung der Ware sei, die mit einem En-gros-Handelsunternehmen verbunden seien, für Alteisenhandlungen, Lumpenhandlungen und Lumpensortieranstalten. Soweit die Beklagte daraus jedoch schließe, dass sie auch zuständig sei für den Alt-/Abfallstoffhandel einschließlich Sortierung, erschließe sich dies nicht und sei unzutreffend. In der eigenen Aufzählung sei keine Rede von Alt- und Abfallstoffhandel. Daran ändere auch die Ausführung der Beklagten nichts, dass es seinerzeit Altpapierhandlungen noch nicht gegeben habe. Nicht nachvollziehbar sei die Auffassung der Beklagten, dass die Beigeladene nur für die Beförderung von Alt- und Abfallstoffen vom Verursacher zur Deponie oder Müllverbrennung zuständig sei, nicht aber für Unternehmen, die Alt-, Abfall- und Reststoffe einsammeln oder abholen und sie anschließend zur Wiederverwendung beispielsweise an Papierfabriken verkaufen bzw. im Einzelfall - nach erfolgter Sortierung und Verpressung - auch dem Verursacher zurück transportieren. Nach dem alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige des RVA von 1903 ergebe sich aus der Nennung der Kloaken- und Müllabfuhr, dass allein die Beigeladene der zuständige Unfallversicherungsträger der Klägerin sei. Im Übrigen resultiere dies auch aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Satzung der Beigeladenen, worauf das Erstgericht zutreffend hingewiesen habe, da diese für das gesamte Verkehrsgewerbe mit seinen Einrichtungen zuständig sei. Dort sei ergänzend bestimmt, dass nach Z. 1.1 (Güterverkehr) unter anderem Transport- und Transport-Logistikunternehmen und nach Z. 1.2 (Stadtreinigung und Entsorgungswirtschaft) Abfall- und Reststoffbeförderung, Müllabfuhr … Wiederaufbereitung und Verwertung von Alt-, Abfall- und Wertstoffen ihr zugehörig seien.
Das Unternehmen der Klägerin habe sich wesentlich verändert. Während die Klägerin in den fünfziger Jahren vor allem mit Altpapier gehandelt habe, habe sie bereits seit Anfang der siebziger Jahre Tätigkeiten im Bereich der Müllabfuhr übernommen. Mit Zunahme der Tätigkeiten im Bereich der Abfallwirtschaft sei auch die Zahl der Mitarbeiter und eingesetzten Lastkraftwagen gestiegen. Während vor 1990 nur ca. 20 % des Gesamtaufwandes auf die Sammlung verwertbarer Materialien einschließlich Transport, Sortierung und Verpressung entfallen sei und der Handel einen Umfang von ca. 80 % eingenommen habe, seien nach Einführung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Jahr 1996 75 % des Gesamtaufwandes auf den ersten Bereich entfallen und nur noch 5 % auf den Handel. Im Jahr 2019 habe die Klägerin 200 Mitarbeiter beschäftigt, von denen mehr als 80 % im Bereich von Transport und Logistik tätig seien. Für die Abfall- und Reststoffbeförderung stünden 56 LKWs der Logistikbranche im Bestand der Klägerin.
Zum Bereich der „reinen „Müllabfuhr“, deren Anteil an der gesamten Tätigkeit der Klägerin mindestens 60 % betrage, gehöre die entgeltliche Beförderung von Abfällen in ca. 20 je nach Abfall entsprechend ausgerichtete unterschiedliche Entsorgungsanlagen in Berlin und Brandenburg, z.B. Schrott, Holz, Kompost, gemischte Gewerbeabfälle. In den Bereich der Wiederaufbereitung und Verwertung von Alt-, Abfall- und Wertstoffen nach Z. 1.2 der Satzung der Klägerin gehörten Transportaufträge von Handelsketten zum Zwecke der Verbreitung und Bereitstellung zur Verwertung durch den Kunden sowie die mechanische Behandlung von Abfällen in einer nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigten Abfallbehandlungsanlage. Hinzu komme eine eigene Werkstatt der Klägerin mit insgesamt 16 Mechatronikern und Schlossern zur Gewährleistung des logistischen Betriebsablaufs (z.B. Reparaturen, Wartung, Instandhaltung von Fahrzeugen und Anlagen). Eine aktuelle Übersicht zeige eindrucksvoll das Verhältnis zwischen Logistik einerseits und Abfallbehandlung andererseits jeweils für die Bereiche Mitarbeiteranzahl und Lohnsummen seit dem Jahr 2005-2019. Ergänzt werde diese Übersicht durch eine weitere Übersicht zu den Kosten und Investitionen im Bereich Logistik einerseits und Abfallbehandlung andererseits für die Jahre 2017 und 2018. Damit sei belegt, dass sich der unternehmerische Schwerpunkt der Klägerin von einem ehemals überwiegend auf den Handel mit Altpapier beschränkten Unternehmensgegenstand hin zu einem Transport- und Entsorgungsfachbetrieb deutlich gewandelt habe, für die die Beigeladene der zuständige Unfallversicherungsträger sei. Mit Entschiedenheit werde bestritten, dass der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, dem Grunde nach mache man nichts anderes als zu Anbeginn. Entsprechende Feststellungen enthalte das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2019 nicht.
Die Beigeladene, die keinen eigenen Antrag gestellt hat, ist der Ansicht, dass das Gepräge des klägerischen Unternehmens gerade nicht mehr im Handel mit Altpapier bestehe, sondern ein Wechsel des Betriebsschwerpunktes stattgefunden habe, sodass mittlerweile das Abholen, Sammeln und Befördern den Schwerpunkt des Unternehmens darstelle. Die Unternehmensverhältnisse der Klägerin seien analog mit denen der bei der Beigeladenen versicherten Entsorgungsunternehmen. Die Beigeladene sei nach § 3 ihrer Satzung für das gesamte straßengebundene Verkehrsgewerbe mit ihren Einrichtungen zuständig, soweit auch der 25. Gefahrtarif unter der Gefahr-Tarifstelle 551 Unternehmen wie das der Klägerin als Entsorgungswirtschaftsbetriebe aufführe (Einsammeln und Transport von gefährlichen Abfällen mit Spezialfahrzeugen einschließlich der Abfall-Behandlung, -Recycling und -Vermarktung).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und fristgemäß erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, die Klägerin an die Beigeladene zu überweisen.
Die als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 56 SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Überweisung in die Zuständigkeit der Beigeladenen.
I. Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII. Die Regelung knüpft an Satz 1 der Vorschrift an, wonach Beginn und Ende der Zuständigkeit für ein Unternehmen vom Unfallversicherungsträger durch schriftlichen Verwaltungsakt gegenüber dem Unternehmer festzustellen sind. Von einem solchen (bindenden) Zuständigkeitsbescheid ist eine Abweichung mit Wirkung für die Zukunft nur nach Maßgabe der speziellen Regelung des § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII möglich.
Nach dieser Vorschrift überweist der bisher zuständige Träger ein Unternehmen dem tatsächlich sachlich zuständigen Träger, wenn die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig war (Alt. 1) oder sich die Zuständigkeit für das Unternehmen nachträglich ändert (Alt. 2).
Nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig gewesen (Alt. 1), wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widersprochen hat oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Nach § 136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII liegt eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, vor (Alt. 2), wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Diese Voraussetzungen eines Überweisungsanspruchs sollen Kontinuität und Rechtssicherheit in Bezug auf die Zuständigkeit der Träger für die bei ihnen versicherten Unternehmen gewährleisten (Grundsatz der Katasterstetigkeit, vgl. Bundessozialgericht, BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 20/07 R, juris Rn. 24).
II. Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin einen Überweisungsanspruch gegen die Beklagte.
Dies folgt nicht bereits aus dem von der Beklagten vorgelegten Votum der Schiedsstelle für Katasterfragen der DGUV vom 09.05.2016. Abgesehen davon, dass die hiesige Klägerin in das dortige Verfahren bereits nicht involviert war und jenes Schiedsverfahren den vorliegenden Sachverhalt somit nicht konkret betrifft, handelt es sich lediglich um ein internes (Verwaltungs-) Verfahren, welches die Sach- und Rechtslage im Interesse der Unfallversicherungsträger klären soll; eine rechtsverbindliche Klärung kann auf diesem Wege nicht erreicht werden, da die Bestimmungen des Gesetzes über die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger zwingendes Recht sind. Die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten des Unternehmers, wie hier den Rechtsweg zu beschreiten, werden dadurch nicht berührt (vgl. Waltermann, DGUV Forum 10/2009, 37 ff.).
Die Beklagte, bzw. die GroLa BG als Rechtsvorgängerin der Beklagten, war zunächst der für die Klägerin verfahrensrechtlich zuständige und daher auch für die Entscheidung über den Überweisungsanspruch sachlich zuständige Unfallversicherungsträger, da sie ihre Zuständigkeit gegenüber der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin rechtmäßig festgestellt [dazu 1)] und auch praktiziert hat. Diese Zuständigkeit ist zwar nicht von Anfang an unrichtig gewesen [dazu unter 2)], jedoch haben sich die tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen der Klägerin nachträglich wesentlich geändert [dazu unter 3)].
1) Die GroLa BG als Rechtsvorgängerin der Beklagten hat durch „Wieder-“ Aufnahme der Firma "B“ mit Verfügung vom 14.08.1952 mit Wirkung ab 01.01.1951 über deren Mitgliedschaft entsprechend der seinerzeit bestehenden Rechtslage nach § 664 Abs. 1 RVO bindend entschieden (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R – juris Rn. 16) und damit der Rechtsvorgängerin der Klägerin bestätigt, dass sie ihr Mitglied ist bzw. war. Ob der Aufnahmebescheid rechtmäßig war, kann dahinstehen, denn dieser Verwaltungsakt ist bestandskräftig geworden und entfaltet deshalb für Klägerin und Beklagte Bindungswirkung (§ 77 SGG). Der Senat geht hierbei davon aus, dass die aus den Verwaltungskaten ersichtliche interne Verfügung der GroLa BG vom 14.08.1952 auch an die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Sinne von § 31 SGB X bekanntgegeben wurde. Jedenfalls ist die Anfangszuständigkeit der GroLa BG für die Klägerin zwischen den Beteiligten unstreitig und wurde über viele Jahrzehnte auch praktiziert, wie auch die hier vorliegenden Beitragsbescheide der Jahre 2013 und 2014 belegen. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin ist damit auch für die Entscheidung über den Überweisungsantrag der Klägerin sachlich zuständig (§ 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII).
2) Die Zuständigkeit der GroLa BG für das Unternehmen der Klägerin war nicht i.S.v. § 136 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. SGB VII von Anfang an unrichtig, da diese Zuordnung zu Recht erfolgt ist. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung ist dabei der Tag der – hier - Wieder-Aufnahme der Rechtsvorgängerin der Klägerin in das Unternehmensverzeichnis der GroLa BG zum 01.01.1951.
Damals wie heute sind gemäß § 121 Abs. 1 SGB VII die gewerblichen Berufsgenossenschaften zuständig, die in der Anlage 1 zu § 114 SGB VII genannt werden, für alle Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten), soweit nicht die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften oder Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand aufgrund gesetzlicher Regelung zuständig sind. Dies entspricht der Vorgängerregelung des § 646 Abs. 1 i.V.m. §§ 643,653 ff. RVO. Eine vorrangige Zuständigkeit landwirtschaftlicher Berufsgenossenschaften oder von Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand ist weder zum Zeitpunkt der erstmaligen Zuständigkeitsfeststellung noch aktuell nach den §§ 123 bis 129a SGB VII ersichtlich.
Die sachliche Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaft richtet sich nach § 122 Abs. 1 SGB VII, der § 646 Abs. 2 RVO entspricht. Danach kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die sachliche Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften nach Art und Gegenstand der Unternehmen unter Berücksichtigung der Prävention und der Leistungsfähigkeit der Berufsgenossenschaften sowie die örtliche Zuständigkeit bestimmen. Da der Verordnungsgeber nach wie vor von dieser Ermächtigungsgrundlage zur Regelung der sachlichen Zuständigkeit durch Rechtsverordnung keinen Gebrauch gemacht hat, bleibt gemäß § 122 Abs. 2 SGB VII jede Berufsgenossenschaft für diejenigen Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher zuständig war.
Die Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften nach dem bisherigen Recht und damit heute wie zum Zeitpunkt der Erstfeststellung im Jahr 1952 richtet sich daher weiter nach dem Beschluss des Bundesrates vom 21.05.1885 (AN 1885, 143 ff.) sowie nach dem vom Reichsversicherungsamt aufgestellten „Alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige nach ihrer berufsgenossenschaftlichen Zugehörigkeit" (Handbuch der Unfallversicherung, 1910, Dritter Band Seiten 1 ff.; vgl. auch das vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften herausgegebene „Alphabetische Verzeichnis der Gewerbezweige mit Angabe der Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften“ aus dem Jahre 1985 - Bieresborn in:Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 2 SGB VII, Stand: 23.12.2021, § 2 Rn. 69) und nach dem Erlass des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 16.03.1942 (AN 1942 II, 201) und den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen des Reichsversicherungsamtes vom 22.04.1942 (AN 1942 II, 287) (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 34/04 R, juris Rn. 21 ff.; Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 27/05 R, juris Rn. 19). Diese Bestimmungen gelten als vorkonstitutionelles Recht weiter, denn nach Art. 123 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gilt Recht aus der Zeit vor dem (ersten) Zusammentritt des Deutschen Bundestages (07.09.1949) fort, soweit es dem GG nicht widerspricht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.09.2006 , B 2 U 27/05 R,Rn. 21 ff.; Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 34/04 R,Rn. 23).
Das vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften im Jahr 1959 herausgegebene "Alphabetische Verzeichnis der Gewerbezweige mit Angabe der Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften" (unveränderter Nachdruck 1991, Verlag L. Düringshofen, Berlin) ist trotz seiner praktischen Bedeutung in dem Teil, in dem er von dem Bundesrats-Beschluß (aaO) abweicht, nicht als für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit verbindliche Fortschreibung anzusehen; diese ist gemäß § 646 Abs. 2 RVO vielmehr dem Verordnungsgeber vorbehalten (BSG Urteil vom 31. Mai 1988 - 2 RU 62/87 - in HV-Info 1988, 1662 und BG 1989, 38; BSG, Urteil vom 04. August 1992, 2 RU 5/91, juris Rn. 14 f.).
Ist ein Gewerbezweig in dem Bundesrats-Beschluß (aaO) und im alphabetischen Verzeichnis (aaO) nicht aufgeführt, und liegen keine späteren Beschlüsse des Bundes- oder Reichsrates oder des Reichsarbeitsministers und auch keine späteren Zuweisungen des Reichsversicherungsamtes vor, so ist - wie es das BSG bereits entschieden hat (BSGE 39, 112, 113 f) - in entsprechender Anwendung der bezeichneten Bestimmungen ein Unternehmen derjenigen BG zuzuweisen, der es nach Art und Gegenstand am nächsten steht. Das BSG hat es als geeigneten Maßstab dafür angesehen, bei welcher BG die für das betreffende Unternehmen zweckmäßigste Unfall- und Krankheitsverhütung gewährleistet wird. Das dabei in Betracht kommende Arbeitsverfahren und die dabei benutzten Betriebseinrichtungen hängen häufig, aber nicht immer, von der Art des Werkstoffes ab, so dass dieser unter Umständen mitbestimmend sein kann. Unabhängig sind sie durchweg von dem Verwendungszweck des Erzeugnisses; dieser ist nur ausnahmsweise dann ausschlaggebend, wenn in Betrieben verschiedener Berufsgenossenschaften etwa gleiche oder ähnliche Arbeitsverfahren, Betriebseinrichtungen und Werkstoffe vorkommen (BSG, Urteil vom 30.01.1975, 2 RU 119/74 -, juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 04. August 1992, 2 RU 5/91, juris Rn. 15).
Die Rechtsprechung stellt die vorrangige (§ 1 Nr. 1 SGB VII) Aufgabe der Prävention (§§ 14 ff. SGB VII) bei der Zuständigkeitsbestimmung für gewerbliche Unternehmen immer stärker in den Vordergrund. Dem Maßstab der zweckmäßigsten Unfall- und Krankheitsverhütung wurde daher auch entsprechende Bedeutung für die Ausgestaltung einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 zugewiesen Quabach in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 122 SGB VII, Stand: 15.03.2014, Rn. 20).
Nach diesen Kriterien war die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die in ihrer Betriebsbeschreibung vom 02.12.2952 als Hauptunternehmen „Altpapier-Großhandlung“ und in der Betriebsbeschreibung vom 15.4.1970 „Altpapier- und Lumpen-Sortieranstalt“ angegeben hatte, zutreffend bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten versichert.
Das „Alphabetische Verzeichnis der Gewerbezweige“ des früheren RVA aus dem Jahr 1910 weist die Lumpenhandlungen ebenso wie Lumpensortieranstalten der damaligen Lagerei BG zur Versicherung zu (vgl. Votum im Schiedsstellenverfahren der DGUV vom 09.05.2016).
Der Senat hält es für plausibel, dass im Jahr 1885 Altpapier noch nicht zur Wiederaufbereitung gesammelt wurde und stattdessen Lumpen mit entsprechendem wirtschaftlichem Wert einen „wiederverwertbaren“ Rohstoff bildeten, so wie es die Beklagte dargelegt hat. Unternehmensgegenstand der Klägerin war seit ihrer Gründung (siehe Internetauftritt) und zumindest bis Anfang der 80er Jahre das Sammeln, Sortieren, Komprimieren von Altpapier bzw. auch Lumpen und der sich daran anschließende Handel damit, also der Verkauf des derart aufbereiteten Altpapiers bzw. der aufbereiteten Lumpen an den Verwerter bzw. die Industrie.
Die Zuständigkeit der GroLa BG als Rechtsnachfolgerin war demnach von Anfang an zutreffend.
3) Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Überweisung an die Beigeladene wegen einer seit der erstmaligen Feststellung der Zuständigkeit eingetretenen wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 136 Abs. 2 SGB VII i.V.m. § 48 SGB X. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X, die zu einer Änderung der Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist (§ 136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).
Ähnlich wie bei der Erstzuweisung eines Unternehmens kommt es also darauf an, inwiefern sich, ausgehend von dem Gesichtspunkt der Prävention, die Herstellungsweise unter Einbeziehung der Arbeitsverfahren und der hauptsächlich verwendeten Materialien grundlegend und nicht nur vorübergehend verändert hat (BSG, 11.08. 1998, 2 U 31/97, HVBG-Info 1998 S. 2757; BSG, 13.10.1993, 2 RU 23/92, HVBG-Info 1993 S. 2677; BSG, 19.03.1991, 2 RU 33/90,BSGE 68, S. 205, 207 m. w. N.; BSG, 31.05.1988, 2 RU 62/87, HVBG-Info 1988 S. 1662; Diel in: Hauck/Noftz, SGB, Stand 05/18, § 136 SGB VII , Rn. 35).
Der Gesetzgeber hat mit den Erfordernissen der grundlegenden und dauerhaften Umwandlung die Rechtsprechung zu § 667 Abs. 1 RVO übernommen. Danach sollen im Hinblick auf die Grundsätze der Katasterrichtigkeit und Katasterstetigkeit nur solche nachhaltigen wesentlichen Betriebsänderungen zu einer Überweisung führen, die das Gepräge des Unternehmens (seine Struktur) grundlegend umgestaltet haben. Grundlegend bedeutet, dass das Unternehmen bzw. seine Tätigkeit nicht mehr in die bisherige Gefahrengemeinschaft, der die beiden zentralen Aufgaben Unfallverhütung und Erbringung von Entschädigungsleistungen übertragen sind, passt. Die wesentliche Änderung muss sich nach der Rechtsprechung auf die Herstellungsweise der Erzeugnisse, die in Betracht kommenden Arbeitsvorgänge sowie die dabei benutzten Betriebseinrichtungen – also die branchentypischen Gefahrenquellen und auch Präventionsziele – beziehen (BSG, Urteil vom 11.08.1998, B 2 U 31/97 R,Rn. 30; Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 34/04 R,Rn. 31; Quabach in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage, Stand: 15.03.2014, § 136 Rn. 88). Eine wesentliche Änderung kann zum Beispiel durch Änderung der Arbeitsweisen, durch Erweiterung auf neue Geschäftsbereiche oder durch Verschiebung des Schwerpunkts innerhalb eines Gesamtunternehmens eintreten (vgl. die Gesetzesbegründung zum Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz - UVMG -, BT-Drs. 16/9154 S. 28). Eine Änderung ist darüber hinaus nur dann wesentlich, wenn der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse mehr als ein Jahr zurückliegt und seitdem keine der geänderten Zuständigkeit widersprechenden Veränderungen eingetreten sind oder wenn die Änderung der Zuständigkeit durch Zusammenführung, Aus- oder Eingliederung von abgrenzbaren Unternehmensbestandteilen bedingt ist (§ 136 Abs. 2 Satz 3 SGB VII); das gilt aber nicht, wenn feststeht, dass die tatsächlichen Umstände, welche die Veränderung der Zuständigkeit begründen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach deren Eintritt entfallen (§ 136 Abs. 2 Satz 5 SGB VII). Eine Änderung gilt nach § 136 Abs. 2 Satz 4 SGB VII nicht als wesentlich, wenn ein Hilfsunternehmen im Sinne von § 131 Abs. 2 Satz 2 SGB VII in eigener Rechtsform ausgegliedert wird, aber ausschließlich dem Unternehmen, dessen Bestandteil es ursprünglich war, dient.
a) Maßgeblicher Ausgangspunkt für die Prüfung der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist der 01.01.1951; denn ab diesem Zeitpunkt ist die (Wieder-) Eintragung der Klägerin gemäß §§ 658,659 RVO in das Unternehmerverzeichnis der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgt.
Worin der Gegenstand des Unternehmens 1951 bestand ergibt sich aus der Wiederaufnahme-Verfügung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 14.08.1952 und auch der Betriebsbeschreibung der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 02.12.1952. Frühere Unterlagen zu einer erstmaligen Aufnahme der Rechtsvorgängerin der Klägerin und auch zu ihrem Unternehmensgegenstand vor 1951 liegen ebenso wenig vor wie eine Gewerbeanmeldung bei der Stadt Berlin. Aus beiden genannten Quellen ist übereinstimmend ersichtlich, dass ausschließlich der mit einem LKW, einer Papierpresse, zehn Arbeitern und einem Kontorangestellten betriebene Altpapiergroßhandel Gegenstand des Unternehmens war. Wie bereits dargelegt war es Unternehmensgegenstand der Klägerin seit ihrer Gründung und zumindest bis Anfang der 80er Jahre das Sammeln, Sortieren, Komprimieren von Altpapier und Lumpen und der sich daran anschließende Handel damit, also der Verkauf des derart aufbereiteten Altpapiers bzw. der aufbereiteten Lumpen an den Verwerter bzw. die Industrie.
Nachdem bereits ab 1980 auch die Abfuhr von Müllabfällen im Arbeitsumfang von 10 % hinzukam, Lumpen hingegen nicht mehr sortiert wurden und nach wie vor der Altpapier-Großhandel zu 80 % den Unternehmensgegenstand bestimmten (Betriebsbeschreibung vom 28.12.1979), wurde dieser Unternehmensgegenstand zunächst unverändert auch von der Rechtsnachfolgerin, der heutigen Klägerin als GmbH übernommen. Am 04.02.1993 wurde im Handelsregister beim Amtsgericht Charlottenburg (HRB ) als Gegenstand der GmbH der Einzel- und Großhandel mit Altpapier, Güternahverkehr, Gewerbemüllentsorgung und Recycling angegeben.
b) Ausgehend hiervon ist im Unternehmen der Klägerin eine wesentliche Änderung eingetreten, die den Anspruch auf Überweisung in die Zuständigkeit der Beigeladenen begründet.
Maßgeblich hat sich seit ca. 1996 eine gezielte Umstrukturierung der Geschäftsbereiche der Klägerin, insbesondere vollzogen. In Folge der gesetzlichen Neuregelungen durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, hin zu einem zertifizierten Entsorgungsbetrieb. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts in der angegriffenen Entscheidung, dies insbesondere auch dahingehend, dass dem Spannungsverhältnis zwischen einer im Jahr 1885 verankerten Zustandsregelung, dem Grundsatz der Katasterstetigkeit und dem wirtschaftlichen Fortschritt und Wandel sachgerecht durch die Verweisungsregelung des § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII Rechnung getragen werden kann.
Im Ergebnis würden diese, bei der Klägerin in Folge des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nachvollziehbaren Veränderungen der Firmenstruktur unter Zugrundelegung der (vorkonstitutionellen) rechtlichen Grundlagen der Zuständigkeitsbestimmung im Rahmen der gewerblichen Berufsgenossenschaften – heute – nicht mehr die Zuständigkeit der Beklagten, sondern die der Beigeladenen begründen.
Maßgeblich für diese Bewertung im Rahmen der vorliegenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der Sachverhalt, wie er sich zum Schluss der mündlichen Verhandlung des Senats darstellt. Hierzu verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend verweist der Senat auf Folgendes:
Mit dem Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass die Klägerin nicht mehr „Handel“ mit Altpapier in einem Umfang betreibt, der geeignet ist, den Gegenstand des Unternehmens zu bestimmt. Altpapierhandel wird zwar generell auch nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz betrieben, jedoch von der Klägerin nur noch in einem sehr geringen Umfang von ca. 5%. Sie hat sich in der Betriebsstruktur dahingehend umgestellt, dass sie Altpapier und „alle anderen Sekundärrohstoffe, wie Kunststoff, Folie, Holz und Schrott, der Wiederverwertung“ zuführt. Insgesamt werden so pro Jahr ca. 200.000 Tonnen an Wertstoffen zurück in den Rohstoffkreislauf gegeben, wie dem Internetauftritt der Klägerin zu entnehmen ist.
Auch Handel mit Abfall-, Rest- und Entsorgungsstoffen betreibt die Klägerin nicht. Sie zahlt kein Entgelt für den Transport und die Entsorgung dieser Stoffe und verkauft sie auch nicht gegen Entgelt an gewerbliche oder nichtgewerbliche Abnehmer. Vielmehr erhält die Klägerin für die Abholung, den Transport und die Entsorgung dieser Abfälle nebst Unterhaltung von Abfallentsorgungsanlagen auf fremden Betriebsgrundstücken selbst eine Vergütung von den Abfallerzeugern und zahlt für die Entsorgung dieser Abfälle eine bestimmte Vergütung an Dritte.
Soweit die Klägerin also für die verschiedenen Sekundärrohstoff-Bearbeitungsverfahren entsprechende genehmigte Anlagen bereithält, agiert sie am Markt und gegenüber ihren Kunden nicht mehr als Händler, sondern als Entsorgungs-Dienstleister.
Hierfür hält die Klägerin einen Fuhrpark mit ca. 50 Spezialfahrzeugen und Containern vor sowie das entsprechende Bedienpersonal, welches sie mit 147 von ca. 200 Mitarbeitern angibt. Maßgeblich verbunden sind mit den Sekundärrohstoff-Bearbeitungsverfahren und dem Einsatz entsprechender Spezialtechnik auch die Eröffnung von besonderen Gefährdungsbereichen, die über jene, die mit dem ursprünglichen Einsammeln, Pressen und dem Verkauf von Altpapier und Lumpen verbunden waren, weit hinausgehen. Dies betrifft sowohl den Kontakt mit einzelnen, ggf. auch gefährlichen Sekundärrohstoffen als auch die verschiedenen Bearbeitungsverfahren derselben (Zerkleinern, Verpressen, Entsorgen) und die Einhaltung der damit verbundenen jeweiligen Arbeitsschutzregel sowie Unfallverhütungsmaßnahmen. Der Geschäftsführer der Klägerin hat dies vor dem Senat eingehend erläutert und damit das schriftliche Vorbringen der Klägerin bestätigt.
Die wesentliche Änderung i. S. der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.08.1998, B 2 U 31/97 R, Rn. 30; Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 34/04 R, juris Rn. 31; Quabach in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage, § 136, Stand: 15.03.2014, Rn. 88) bezieht sich hier somit konkret auf die Herstellungsweise der Erzeugnisse, die in Betracht kommenden Arbeitsvorgänge sowie die dabei benutzten Betriebseinrichtungen – also die branchentypischen Gefahrenquellen und folglich die damit einhergehenden Präventionsziele.
Dies spiegelt sich auch wider in den – insoweit nicht von der Beklagten bestrittenen - Angaben der Klägerin, in denen zwar noch in der Betriebsbeschreibung vom 11. Dezember 2000 100 % Recycling-Unternehmungen und Altpapierhandel angegeben wurde. Jedoch wird dann in den Lohnnachweisen für 2001 und 2002 von der Klägerin als Gewerbezweig „Rohstoffwiederverwertung-Abfallentsorgung“ mitgeteilt. In der Kurzbeschreibung der Mitarbeiteraufgaben an den Außenstellen vom 25.04.2003 wird von der Klägerin das Einsammeln und teilweise Sortieren verschiedener Abfälle sowie das Umladen in Container mit teilweiser Verpressung beschrieben. Im Oktober 2006 gab die Klägerin gegenüber den Beklagten als Betriebstätigkeit „Altpapierrecycling 100 %" mit 23 Transportfahrzeugen und 98 Mitarbeitern an. Eine den Unternehmensgegenstand prägende Handelstätigkeit wurde damit auch schon vor Beginn des hiesigen (Verwaltungs-) Verfahrens (Oktober 2010) von der Klägerin gegenüber der Beklagten nicht mehr benannt.
Diese Unternehmens-Umstrukturierung und auch die Tatsache, dass namhafte Mitbewerber der Klägerin im Entsorgungsbereich bei der Beigeladenen versichert sind und zudem diese die notwendigen speziellen Schulungen zur Unfallverhütung im Entsorgungsbereich anbietet, untermauert den Überweisungsanspruch der Klägerin.
Aufgrund der weitreichenden Umstrukturierung der Klägerin zu einem zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb wird nicht nur der sachliche Zuständigkeitsbereich der Beklagten verlassen – die Klägerin passt nicht mehr in den Gefahrenbereich der Handelsbetriebe, bei denen Logistik (Verkehr) regelmäßig nur eine den Hauptzweck – Handel - unterstützende Aufgabe hat -, sondern darüber hinaus die Zuständigkeit der Beigeladenen begründet.
Die Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften richtet sich – wie ausgeführt – weiter nach dem Beschluss des Bundesrates vom 21.05.1885 (AN 1885, 143 ff.), sowie nach dem vom Reichsversicherungsamt aufgestellten „Alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige nach ihrer berufsgenossenschaftlichen Zugehörigkeit".
Die Beklagte ist nach den maßgeblichen Rechtsgrundlagen fachlich zuständig für
- Betriebe zur Behandlung und Handhabung der Ware, die mit einem En-gros-Handels
unternehmen verbunden sind.
- Alteisenhandlungen
- Lumpenhandlungen
- Lumpensortieranstalten.
Zutreffend verweist die Beklagte insoweit darauf, dass sie damit zuständiger Unfallversicherungsträger für den Alt- /Abfallstoffhandel einschließlich Sortierung und in der nachfolgenden Zeit auch für den Altpapierhandel wurde, den es weder 1885 noch 1903 schon gab, der jedoch wegen der artverwandten Behandlung zumindest ab 1921/1922 zur Einbeziehung der Klägerin in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten führte.
Hingegen ist die Beigeladene nach der Regelung des Reichsversicherungsamtes zuständig für
„Fracht- (auch Roll-, Last-, Holz-, Möbel-)Fuhrwerksbetriebe, Kloaken- und Müllabfuhrbetriebe, Güterbestätter“
Der Senat ist davon überzeugt, dass der umstrukturierte Abfallentsorgungsbetrieb der Klägerin der hieraus resultierenden Gefährdungs- und Präventionsspezifik näher steht.
Soweit die Beigeladene in ihrer Satzung/Gefahrtarif ihre sachliche Zuständigkeit im Abfallbereich auch beschreibt mit der „Behandlung/Vermarktung“ von Abfällen, handelt es sich nach Ansicht des Senates nicht um eine unzulässige Erweiterung ihres Zuständigkeitsbereiches. Vielmehr geht der Senat mit dem Sozialgericht davon aus, dass es sich hierbei um die Nachzeichnung der faktischen Verhältnisse zu einer im Wandel befindlichen Wirtschaftstätigkeit handelt. Dafür steht das Unternehmen der Klägerin beispielhaft.
Insoweit vermag der Senat das bereits vom Sozialgericht gesehene Spannungsverhältnis zwischen vorkonstitutioneller Zuständigkeitsregelung und wirtschaftlichem Fortschritt unter Umweltschutzprämissen ausdrücklich zu bestätigen. Die ursprünglichen Zuständigkeitsregelungen passen auch mit dem gebotenen Abstraktionsvermögen nicht in die heutige Wirtschaftswelt. Denn der wirtschaftliche Wandel, der nicht zuletzt von der Notwendigkeit des Umweltschutzes entscheidend mitgesteuert wird, erfordert von Unternehmen wie der Klägerin weitreichende Umstrukturierungen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dem kann – im maßgeblichen Interesse der gefahrenspezifischen Prävention - nur durch Überweisung im Rahmen von § 136 SGB VII Rechnung getragen werden.
Liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Überweisung gem. § 136 Abs. 1 S. 4 SGB VII somit vor, konnte die Klägerin eine entsprechende Aufhebung der streitigen Bescheide und die Verpflichtung der Beklagten zur Überweisung an die Beigeladene als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung zu Recht verlangen. Der Zeitpunkt der Überweisung bestimmt sich nach § 137 SGB VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenen Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen, § 63 Abs. 1GKG.
Bei der Bestimmung des Streitwertes nach § 52 Abs. 1 GKG bei einem Streit um den zuständigen Unfallversicherungsträger für ein Unternehmen nach §§ 121 ff. SGB VII ist der dreifache Jahresbeitrag des Unfallversicherungsträgers gegen dessen Zuständigkeit das klagende Unternehmen sich wendet, mindestens aber der vierfache Auffangstreitwert zugrunde zu legen. Dementsprechend ist bei der endgültigen Bestimmung des Streitwerts der dreifache Jahresbeitrag der Beklagten, hier 320.828,91 Euro ausgehend vom Beitragsjahr 2013, zugrunde zu legen (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Februar 2006 – B 2 U 31/05 R –).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.