Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 23.02.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 4 B 4/20 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0223.OVG4B4.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6d SGB 2, § 44b SGB 2, § 44d SGB 2, § 44j SGB 2, § 25 Abs 2 BGleiG, § 27 BGleiG, § 30 Abs 2 BGleiG, § 33 BGleiG, § 34 Abs 2 BGleiG |
Ob die Leitung der gemeinsamen Einrichtung (Jobcenter) oder einer anderen Dienststelle eine Maßnahme vornimmt, ist im Bundesgleichstellungsrecht wie im Personalvertretungsrecht zu entscheiden.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die klagende Gleichstellungsbeauftragte begehrt die Feststellung, sie sei an einer Ausschreibung und geplanten Vergabe betriebsärztlicher Leistungen im Jahr 2016 (mit Wirkung ab dem Jahr 2017) für das Jobcenter durch dessen beklagten Geschäftsführer zu beteiligen gewesen.
Der Beklagte traf unter dem 3./21. Februar 2014 mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit eine Verwaltungsvereinbarung über die Übernahme von Serviceangeboten nach § 44b Abs. 5 SGB II und operativen Angeboten der Bundesagentur für Arbeit nach § 44b Abs. 4 SGB II für das Jobcenter . Die Vereinbarung umfasste den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2016. Nach einer Anlage „Wahl der Serviceleistungen“ nahm das Jobcenter unter anderem „Fürsorgeleistungen Personal“ (A.2) für einen Zeitraum von drei Jahren in Anspruch.
Auf der Grundlage dieser und vergleichbarer Vereinbarungen mit den anderen Berliner Jobcentern stieß die Bundesagentur für Arbeit im April 2016 die Ausschreibung zur Sicherstellung der betriebsärztlichen Versorgung und vertrauensärztlichen Begutachtungen für die Agenturen für Arbeit Berlin Mitte, Berlin Nord, Berlin Süd, die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg sowie die in Berlin belegenen Jobcenter an. In Vorbereitung der Ausschreibung trat die Bundesagentur an die Jobcenter jeweils mit der Mitteilung heran, welche Kosten für die betriebsärztlichen Leistungen im Jahr 2017 sowie insgesamt in den Jahren 2017 bis 2020 entstehen würden. Der Beauftragte für den Haushalt und der Geschäftsführer des Jobcenters unterzeichneten am 25. bzw. 31. Mai 2016 eine Zusage zur weiteren Inanspruchnahme der betriebsärztlichen Versorgung mit entsprechender finanzieller Beteiligung.
Der Interne Service Berlin, ein Teil der Agentur für Arbeit Berlin Mitte, stellte der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit – Bereich Service-Haus-Infrastruktur – die Leistungsbeschreibung „Öffentliche Ausschreibung betriebsärztliche Versorgung des IS Berlin“ mit Email vom 29. Juli 2016 zur Verfügung. Diese Unterlagen sahen eine Ausschreibung in 16 Losen vor. Es könne jeweils ein Angebot auf ein Los, mehrere Lose oder alle Lose abgegeben werden. Dem Jobcenter war das Los 8 zugewiesen. Nach Aufzählung der einzelnen Lose hieß es, pro Los müssten für die betriebsärztliche und vertrauensärztliche Versorgung drei Ärztinnen / Ärzte zur Verfügung stehen, davon mindestens eine Frau.
Die Klägerin wies mit Email vom 2. September 2016 unter dem Betreff „Ausschreibung Dienstleistung betriebsärztlicher Dienst“ unter anderem den Beklagten darauf hin, sie habe vor einigen Wochen schon einmal nachgefragt, ob der Interne Service die oben genannte Dienstleistung bereits ausgeschrieben habe; bisher habe sie keine Informationen dazu erhalten. Der Interne Service teilte dem Beklagten daraufhin mit Email vom 12. September 2016 mit, die Ausschreibung der betriebsärztlichen Leistungen sei bereits veranlasst. Seitens der Zentrale sei entschieden worden, die Gleichstellungsbeauftragte nicht mit einzubinden. Der Beklagte unterrichtete die Klägerin – wie diese angibt – darüber in der Personalrunde am Folgetag.
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 19. September 2016, spätestens zugegangen am 20. September 2016, Einspruch. Es handele sich vorliegend um eine Maßnahme, an der sie frühzeitig zu beteiligen sei. Die Ausschreibung der betriebsärztlichen Leistungen solle durch die Bundesagentur lediglich administrativ im Auftrag des Jobcenters erfolgen. Es handele sich folgerichtig um eine Maßnahme des Jobcenters, die in der Zuständigkeit von dessen Geschäftsführer liege.
Die Bundesagentur für Arbeit – Einkauf-Service-Haus – veröffentlichte am 20. September 2016 die Ausschreibung. Eine Vergabe betriebsärztlicher Leistungen ist aufgrund dieser Ausschreibung nicht erfolgt. Die Bundesagentur für Arbeit (Service-Haus) hat aufgrund einer neuen Ausschreibung die betriebsärztlichen Leistungen bei dem Jobcenter durch Zuschlag vom 14. Dezember 2017 vergeben.
Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 mit, er halte den Einspruch auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Gründe für unzulässig, er habe ihn zur abschließenden Entscheidung der Trägerversammlung des Jobcenters vorgelegt. Die Trägerversammlung wies den Einspruch durch Umlaufbeschluss vom 9. November 2016 als unzulässig zurück. Die Vorsitzende der Trägerversammlung teilte der Klägerin dies durch Schreiben vom 10. November 2016 mit. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, die Gleichstellungsbeauftragte habe die Aufgabe, bei allen personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen der Dienststelle mitzuwirken, die die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Beseitigung von Unterrepräsentanzen in einzelnen Bereichen, die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit und den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz beträfen. Mitwirkungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten bestünden nur, wenn die Maßnahme oder Entscheidung einen Bezug zu den gesetzlichen Aufgaben aufweise, insbesondere, wenn es um Aspekte der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder des Schutzes vor sexueller Belästigung gehe. All dies berühre die Ausschreibung nicht. Die Klägerin bot mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 die Möglichkeit des Versuches einer außergerichtlichen Einigung unter Fristsetzung bis zum 31. Januar 2017 an. Die stellvertretende Vorsitzende der Trägerversammlung wies den Einigungsversuch mit Schreiben vom 17. Januar 2017 unter Hinweis auf die Unzulässigkeit des Einspruches zurück. Die Klägerin stellte daraufhin durch Schreiben vom 17. Februar 2017 das Scheitern des Einigungsversuches fest.
Die Klägerin hat am 20. Februar 2017 Klage erhoben mit dem in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 21. Oktober 2019 präzisierten Antrag festzustellen, dass der Beklagte ihre Rechte auf Beteiligung und Unterrichtung bei Ausschreibung und geplanter Vergabe der Dienstleistung Fürsorgeleistungen Personal (betriebsärztliche Leistungen) im Jahr 2016 verletzt habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Oktober 2019 – VG 5 K 97.17 – abgewiesen. In der Urteilsbegründung heißt es, die Klage sei in Anwendung des Bundesgleichstellungsgesetzes zulässig, jedoch unbegründet. Die Klägerin sei an der Ausschreibung eines betriebsärztlichen Dienstes, einer organisatorischen und sozialen Angelegenheit, an sich zu beteiligen. Es gelte ein Grundsatz der Allbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten. Die Beteiligung wäre indes auch nach der restriktiven Auslegung des Gesetzes durch den Beklagten zu bejahen. Der Gleichstellungsbezug sei bei der konkreten Möglichkeit einer Geschlechterdifferenz gegeben. Das treffe auf die Vergabe betriebsärztlicher Leistungen zu. Das Geschlecht des Betriebsarztes könne für das Vertrauen der Beschäftigten in dessen Tätigkeit eine Rolle spielen. Dem Recht auf Beteiligung gehe ein Recht auf frühzeitige Information voraus. Die Klage bleibe allerdings ohne Erfolg, weil die Maßnahme nicht vom Geschäftsführer, sondern von der Leitung einer anderen Dienststelle getroffen worden sei. Maßgeblich seien wie im Personalvertretungsrecht nicht die zutreffend ausgelegten Zuständigkeitsbestimmungen, sondern die tatsächlich wahrgenommenen Zuständigkeiten. Das werde durch § 44j Satz 3 SGB II nicht modifiziert. Der Beklagte habe die Bundesagentur für Arbeit mit der Ausschreibung und Vergabe umfassend betraut. Deren Handeln sei dem Beklagten nicht zurechenbar. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das in juris veröffentlichte Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das ihr am 4. März 2020 zugestellte Urteil am 17. März 2020 eingelegt. Sie hat beim Oberverwaltungsgericht am 4. Mai 2020 die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. Juni 2020 beantragt, was ihr eingeräumt worden ist.
Die Klägerin hat am 4. Juni 2020 einen Antrag gestellt und die Begründung der Berufung eingereicht. Sie meint, das Verwaltungsgericht missverstehe die Reichweite der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Agentur für Arbeit. Es seien nur die internen Verwaltungsaufgaben übertragen worden. Den Umfang und konkreten Inhalt der betriebsärztlichen Leistungen bestimme weiterhin der Beklagte. Insoweit bestehe ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung des Jobcenters. Mit ihm gehe ein Recht der Klägerin einher. Das Recht der Klägerin werde – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – verletzt durch die Entscheidung des Beklagten, keine spezifische Ausschreibung vornehmen zu lassen. Darin sei die Entscheidung, auf die spezifischen Bedürfnisse in der Dienststelle nicht einzugehen, zu sehen und kein beteiligungsfreies Nichthandeln des Beklagten. § 44b SGB II sei auf die Aufgaben des Jobcenters bezogen und für die Übertragung von Arbeitsschutzentscheidungen unergiebig. Die Weisungsbefugnis des Beklagten gegenüber der Agentur ergebe sich aus dem Vertrag. Er hätte die Agentur anweisen können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Oktober 2019 abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte ihre Rechte auf Beteiligung und Unterrichtung bei Ausschreibung und geplanter Vergabe der Dienstleistung Fürsorgeleistungen Personal (betriebsärztliche Leistungen) im Jahr 2016 verletzt hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Die Ausschreibung und Vergabe sei seiner Einflussnahme entzogen gewesen. Er sei dazu nach § 44d Abs. 4, 5 SGB II berechtigt. Gemäß § 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarungen 2014 und 2017 sei das Angebot der Bundesagentur in einem Service Portfolio zusammengefasst gewesen. Der Beklagte habe unter anderem die Fürsorgeleistungen Personal gewählt. Das im Gesamtkatalog 2017 enthaltene Service Portfolio habe festgelegt, dass die Leistungen nur in dem als Standard der Bundesagentur bestimmten Umfang erbracht würden. Es sei unzutreffend, dass der Beklagte zur Mitteilung aufgefordert worden sei, welche Kosten für die betriebsärztlichen Leistungen im Jahr 2017 und nachfolgend entstünden. Der Umfang der Grundbetreuung werde anhand der Vorgaben der DGUV-Vorschrift 2 vom Internen Service Berlin der Bundesagentur ermittelt. Das Vergabeverfahren falle unter § 44b Abs. 5 SGB II, wie sich der Gesetzesbegründung entnehmen lasse (BT-Drs. 17/1555 Seite 24). Der Beklagte habe keinen Einfluss auf die Ausschreibung und Vergabe genommen. Sollte im Jobcenter B ... anders verfahren sein, bedeute das in diesem Verfahren nichts.
Die Verwaltungsvorgänge („Bestellung Betriebsärzte“) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin, die diese rechtzeitig eingelegt und mit einer Antragstellung und Begründung versehen hat, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die als Organstreit geführte Klage ist zulässig. Für das Berufungsverfahren gelten gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO die für die erste Instanz beachtlichen Vorschriften des Teils II der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, soweit sich aus Teil III Abschnitt 12 nichts anderes ergibt. Der bereits in erster Instanz geführte Organstreit von Gleichstellungsbeauftragter einerseits und Geschäftsführer andererseits ist als solcher zulässig. Das Jobcenter ist eine gemeinsame Einrichtung gemäß Art. 91e Abs. 1 GG. Der Bundesgesetzgeber hat zur Regelung des Näheren (Art. 91e Abs. 3 GG) die §§ 44b ff. SGB II geschaffen. Nach § 44j SGB II wird in der gemeinsamen Einrichtung, welche gemäß § 6d SGB II die Bezeichnung Jobcenter führt, eine Gleichstellungsbeauftragte bestellt; das Bundesgleichstellungsgesetz gilt entsprechend. Eine Streitigkeit der Gleichstellungsbeauftragten ist nach Maßgabe des Bundesgleichstellungsgesetzes ein gesetzlich besonders ausgeformter Organstreit (BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 – 6 C 3.09 – juris Rn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. November 2012 – OVG 4 S 42.12 – juris Rn. 4). Richtiger Klagegegner ist der Dienststellenleiter als Organ (BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 – 6 C 3.09 – juris Rn. 14). Der Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung ist deren Dienststellenleitung (vgl. § 44d Abs. 1, 5 SGB II). Auf den Geschäftsführer und daneben auf die Trägerversammlung bezieht sich auch § 44j Satz 3 SGB II, der die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten entsprechend den Entscheidungsbefugnissen dieser beiden Organe der gemeinsamen Einrichtung zuteilt. Diese Vorschrift hat nicht zur Folge, dass stets auch die Trägerversammlung zu verklagen ist. Entscheidend ist, welchem dieser beiden Organe die behauptete Rechtsverletzung angelastet bzw. von welchem ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen verlangt wird (Beschluss des Senats vom 7. November 2012 – OVG 4 S 42.12 – juris Rn. 4). Im vorliegenden Fall lastet die Klägerin nicht der Trägerversammlung, sondern nur dem Geschäftsführer eine Rechtsverletzung an.
Die Klägerin hat die Anrufung des Gerichts im Einklang mit § 34 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG darauf gestützt, dass die Dienststelle Rechte der Gleichstellungsbeauftragten verletzt habe. Insoweit ist ein Feststellungsantrag gemäß § 43 VwGO statthaft (BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 – 6 C 3.09 – juris Rn. 12). Die Einbeziehung der geplanten, letztlich nicht zustande gekommenen Vergabe in den Antrag ist in Bezug auf die als fehlend gerügte Unterrichtung unproblematisch und hinsichtlich der Beteiligung – mit dem Argument des Verwaltungsgerichts – für möglich zu halten, weil die von der Klägerin geltend gemachten Rechtsverletzungen zeitlich im Vorfeld der Vergabe liegen. Die Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben, da eine Verletzung möglich erscheint. Das Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO) für den Streit, der nur das abgelaufene Jahr 2016 betrifft, folgt aus der Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 – 6 C 3.09 – juris Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Januar 2008 – OVG 4 B 27.07 – juris Rn. 30).
Die Klägerin hat die Klagefrist von einem Monat aus § 34 Abs. 1 Satz 3 BGleiG (in der vom 1. Mai 2015 bis 11. August 2021 geltenden Fassung) eingehalten. Sie selbst hat mit Schreiben vom 17. Februar 2017 das Scheitern des Einigungsversuchs schriftlich festgestellt und am 20. Februar 2017 Klage erheben lassen.
Das vor Klageerhebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BGleiG gebotene Einspruchsverfahren gemäß § 33 BGleiG a.F. ist ordnungsgemäß durchgeführt worden. Es handelt sich dabei um eine Sachentscheidungsvoraussetzung (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 – 6 C 3.09 – juris Rn. 13; von Roetteken in: derselbe, BGleiG, Stand 11/2021, § 34 Rn. 43). Das legt der Gesetzeswortlaut („Bleibt der Einspruch … erfolglos, kann … das Verwaltungsgericht anrufen“) nahe. Die Klägerin hat innerhalb der vorgeschriebenen Woche Einspruch eingelegt. Sie erhielt die Email vom 12. September 2016 am 13. September 2016 und legte den Einspruch schriftlich am 19. oder 20. September 2016 ein. Der Beklagte äußerte, der Einspruch sei unzulässig, und legte ihn der Trägerversammlung vor (die als „nächsthöhere Dienststelle“ gilt, siehe zum Personalvertretungsrecht BVerwG, Beschluss vom 24. September 2013 – 6 P 4.13 – juris Rn. 28). Diese sah den Einspruch ebenfalls als unzulässig an. Die Klägerin schlug schriftlich den Versuch einer außergerichtlichen Einigung vor. Die Trägerversammlung schlug das Angebot aus.
Die Feststellungsklage der Klägerin ist unbegründet. Der Beklagte hat die Rechte der Klägerin auf Beteiligung und Unterrichtung bei Ausschreibung und geplanter Vergabe der Dienstleistung Fürsorgeleistungen Personal (betriebsärztliche Leistungen) im Jahr 2016 nicht verletzt. Denn die Ausschreibung und die (geplante) Vergabe waren keine Maßnahmen des Beklagten, wie das Verwaltungsgericht Berlin zutreffend urteilte (anders bei allerdings abweichendem Sachverhalt VG Potsdam, Urteil vom 27. Januar 2021 – 2 K 1448/18 – juris Rn. 76 ff.).
Gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 2 BGleiG a.F. zählt es zu den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten, bei allen personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen der Dienststelle mitzuwirken, die die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Beseitigung von Unterrepräsentanzen, die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit sowie den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betreffen. Damit gehen die Pflichten der Dienststelle einher, die Gleichstellungsbeauftragte gemäß § 27 Abs. 1, 2 BGleiG a.F. frühzeitig zu beteiligen und sie gemäß § 30 Abs. 2 BGleiG frühzeitig zu informieren.
Es geht der Klägerin um die Mitwirkung an den Maßnahmen der Ausschreibung und Vergabe. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass mit der erst- und zweitinstanzlich gleichlautenden Antragsfassung, mit der die Beteiligung und Unterrichtung „bei Ausschreibung und geplanter Vergabe“ der Dienstleistung Fürsorgeleistungen Personal (betriebsärztliche Leistungen) in den Blick genommen wird, allein auf diese beiden Maßnahmen und nicht auf die der Ausschreibung und Vergabe vorausgegangene Beauftragung der Bundesagentur für Arbeit durch die für drei Jahre geltende Verwaltungsvereinbarung vom Februar 2014 gezielt wird. Der von der Klägerin erhobene Einspruch, der auch das Klagebegehren bestimmt und sachlich begrenzt, bezog sich allein auf die Ausschreibung und geplante Vergabe der betriebsärztlichen Leistungen als solche im Jahr 2016. Das hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2019 auch zu Protokoll erklärt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, legte die dem Einspruchsverfahren vorangehende erste Nachfrage der Klägerin vom 2. September 2016, mit der sie wissen wollte, ob der Interne Service der Agentur für Arbeit Berlin Mitte die Dienstleistung betriebsärztlicher Dienst bereits ausgeschrieben habe, die Beauftragung der Bundesagentur mit dieser Ausschreibung als erfolgt und bekannt zugrunde. Die Klägerin rügte nicht Beteiligungsfehler bei der Übertragung der Dienstleistung auf die Bundesagentur durch die bzw. aufgrund der Verwaltungsvereinbarung.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 8. April 2010 – 6 C 3.09 – zur Klärung der Gesetzesbegriffe des damals geltenden Bundesgleichstellungsgesetzes ausgeführt, das Begriffspaar „Mitwirkung“ und „Maßnahme“ lehne sich erkennbar an die personalvertretungsrechtliche Terminologie an, setze also einerseits eine Maßnahme voraus, die den Rechtsstand der Bediensteten berühre, und beziehe andererseits die Mitwirkung auf eine bei dem Dienststellenleiter schon abgeschlossene Willensbildung. Das Recht zur aktiven Teilnahme an allen Entscheidungsprozessen stelle demgegenüber eine Besonderheit des Bundesgleichstellungsgesetzes dar, die systematisch an das Recht der Gleichstellungsbeauftragten auf frühzeitige Beteiligung sowie auf unverzügliche und umfassende Unterrichtung anknüpfe und ihre Einflussnahme im Verhältnis zur Mitwirkung zeitlich und sachlich vorverlagere (BVerwG, Urteil vom 8. April 2010 – 6 C 3.09 – juris Rn. 20; siehe zum Begriff der Maßnahme auch BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2021 – 5 PB 11.20 – juris Rn. 11 m.w.N.; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2017 – OVG 4 B 20.14 – juris Rn. 20). Die höchstgerichtliche Klärung der gleichstellungsrechtlichen Gesetzesbegriffe gilt auch für das seit dem 1. Mai 2015 geltende Bundesgleichstellungsgesetz. Das lässt sich anhand der amtlichen Begründung der Gesetzesnovelle belegen. Danach geht § 25 Abs. 2 Nr. 2 BGleiG auf den früheren § 19 Absatz 1 Satz 2 BGleiG zurück, wurde jedoch um den Pflegebegriff ergänzt; weiter soll § 27 BGleiG inhaltlich im Wesentlichen der alten Regelung aus § 19 Abs. 1 Satz 3 und 4 sowie Absatz 2 BGleiG entsprechen (BT-Drs. 18/3784 S. 100 f., 103 f.). Das zeigt sich auch an § 32 Abs. 2 BGleiG in der ab dem 1. Mai 2015 geltenden Fassung. Danach erfolgt die Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten – dem Personalvertretungsrecht gleichend – regelmäßig durch Votum, das innerhalb von zehn Arbeitstagen ab Zugang der Mitteilung über die beabsichtigte Maßnahme oder Entscheidung abzugeben ist.
Mit dem aus dem Personalvertretungsrecht entlehnten Begriff der Maßnahme ist zugleich entschieden, dass die Untätigkeit der Dienststellenleitung keine Mitwirkung auslöst (BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2021 – 5 PB 11.20 – juris Rn. 11 m.w.N.). Die Gleichstellungsbeauftragte hätte nach § 32 Abs. 1 BGleiG ein Vortrags- und Initiativrecht. Unterlässt die Dienststellenleitung eine Maßnahme, weil sie annimmt, eine andere Dienststelle treffe selbst die Maßnahme, so ist – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – an die Mitwirkung der dortigen Gleichstellungsbeauftragten zu denken, hingegen nicht an die dienststellenübergreifende Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten einer untätig bleibenden Dienststelle, in der sich die fremde Maßnahme auswirkt. Denn für den Begriff der Maßnahme ist entscheidend, welche Dienststellenleitung die Handlung vorzunehmen beabsichtigt und durchführt, hingegen – auch in dem durch §§ 44b ff. SGB II geregelten Bereich der gemeinsamen Einrichtungen – nicht die gesetzliche Zuständigkeitsordnung (BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2021 – 5 PB 11.20 – juris Rn. 12 m.w.N.). Das betrifft die Gleichstellungsbeauftragten (siehe § 44j Satz 3 SGB II) nicht anders als die Personalvertretungen (§ 44h Abs. 3, 5 SGB II; dazu BVerwG, Beschluss vom 19. Februar 2019 – 5 P 7.17 – juris Rn. 14).
Anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für interne Weisungen, die im hierarchischen Verwaltungsaufbau von einer übergeordneten Dienststelle an eine nachgeordnete Dienststelle ergehen. Sie berühren nicht die Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters der nachgeordneten Dienststelle und damit auch nicht die Beteiligungsbefugnis der bei ihr zur Beteiligung berufenen Stelle. Das ist auf das Verhältnis zwischen Rechtsträger und gemeinsamer Einrichtung zu übertragen (BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2021 – 5 PB 11.20 – juris Rn. 13 f. m.w.N.).
Des Weiteren ist eine Verfahrensgestaltung denkbar, bei welcher der Rechtsträger Beschäftigte zur Erledigung einer Aufgabe der gemeinsamen Einrichtung bestimmt, etwa zur Vorbereitung einer dort zu treffenden und vom Geschäftsführer des Jobcenters zu verantwortenden Personalentscheidung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 24. September 2020 – OVG 62 PV 11.19 – juris Rn. 1, 37 f.; siehe ferner den Sachverhalt im Urteil des VG Potsdam vom 27. Januar 2021 – 2 K 1448/18 – juris Rn. 3, 5).
Nach diesen Maßstäben bleibt die Kontroverse zwischen der Klägerin und dem Beklagten unergiebig, ob die Bundesagentur mit der Ausschreibung und der geplanten Vergabe betriebsärztlicher Leistungen einzelne Aufgaben im Sinn von § 44b Abs. 4 Satz 1 SGB II (in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung dieses Absatzes) wahrnimmt (BT-Drs. 17/1555 S. 24 nennt beispielhaft den Ärztlichen Dienst; siehe Herbst in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 44b, Stand 3. Dezember 2021, § 44b Rn. 108) oder aber die gemeinsame Einrichtung eine von der Bundesagentur als Angebot zur Verfügung gestellte Dienstleistung gemäß § 44b Abs. 5 SGB II annimmt. Es hilft hier auch nicht weiter festzustellen, ob der Rechtsträger die Aufgabe „in eigenem Namen“ ausführt (vgl. dazu Luthe in: Hauck/Noftz SGB II, Stand 2021, § 44b Rn. 36; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. November 2020 – L 14 AL 4/20 – juris). Denn das betrifft allein das Außenrechtsverhältnis zwischen den Behörden und den betroffenen Bürgern. Im Organstreit nach dem Gleichstellungsrecht bzw. Personalvertretungsrecht kommt es hingegen im Anschluss an die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stets darauf an, welche Dienststellenleitung tatsächlich selbst Maßnahmen beabsichtigt bzw. durchführt (und sei es unter Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften).
Nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäben lag weder mit der Ausschreibung noch läge mit der geplanten Vergabe eine (dem Beklagten zurechenbare) Maßnahme vor, an der die Klägerin mitzuwirken hätte oder frühzeitig zu beteiligen und zu informieren wäre. Die Ausschreibung vom 20. September 2016 nahm die Bundesagentur selbst vor. Sie erlaubte es den Bewerbern, für alle, mehrere oder einzelne Lose Angebote zu machen. Der Beklagte war weder mit der Formulierung der Ausschreibung befasst noch sollte er in die Entscheidung darüber eingebunden werden, an welchen Bewerber ein Los oder mehrere Lose vergeben werden sollten. Die Bundesagentur erwartete auf der Grundlage der im Jahr 2014 abgeschlossenen – wie auch immer zu qualifizierenden – Verwaltungsvereinbarung vom jeweiligen Jobcenter bis zur Vergabeentscheidung nicht mehr als die vorab zu erteilende Zusage, für die mitgeteilten Kosten der betriebsärztlichen Tätigkeiten in
ihrer Dienststelle aufzukommen. Diese Erklärung gaben der Beklagte und der Verantwortliche für den Haushalt des Jobcenters am 31. bzw. 25. Mai 2016 ab.
Waren die Ausschreibung im Jahr 2016 und die geplante, aufgrund dieser Ausschreibung allerdings nicht mehr zustande gekommene Vergabeentscheidung keine Maßnahmen des Beklagten, hatte er die Klägerin auch nicht nach § 27 BGleiG in der Fassung vom 1. Mai 2015 bis 11. August 2021 frühzeitig zu beteiligen. Denn die frühzeitige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten zielt auf den Entscheidungsprozess auf Seiten ihrer eigenen Dienststelle (siehe § 27 Abs. 2 BGleiG), nicht auf Entscheidungsprozesse anderer Dienststellen.
Der Senat hat nicht den Fragen nachgehen müssen, ob der Beklagte nach einer gelungenen Vergabeentscheidung von der Bundesagentur für Arbeit noch in das Verfahren hätte einbezogen werden sollen in der Weise, dass er den vorbereiteten Vertrag mit dem Anbieter zu unterschreiben hätte, und ob und wie damit auch die Klägerin zu befassen wäre. Denn der Vertrag mit einem Anbieter vom Dezember 2017 beruhte nicht auf der hier im Streit befindlichen Ausschreibung mit daran anschließender Vergabeentscheidung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.