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Entscheidung 4 U 213/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 30.03.2022
Aktenzeichen 4 U 213/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0330.4U213.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 09.09.2020 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte das Kraftfahrzeug … mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer … nebst 2 Fahrzeugschlüsseln sowie Fahrzeugpapieren herauszugeben.

Im Übrigen, soweit sie sich auf die negative Feststellungsklage bezieht, ist die Berufung der Beklagten erledigt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des am 31. August 2019 erklärten Widerrufs eines Darlehensvertrages, der zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossen wurde.

Der Kläger schloss auf Grundlage eines von ihm am 13. Dezember 2017 in den Geschäftsräumen des Autohauses (X) GmbH, NDL …, unterzeichneten Darlehensantrages mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 28.990,00 € zu einem für die gesamte Laufzeit von 48 Monaten gebundenen Sollzinssatz von 3,44 % p.a. Das Darlehen diente – neben der geleisteten Anzahlung i.H.v. 8.000,00 € - der Finanzierung des Kaufpreises für einen gebrauchten …, wobei die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß an die Verkäuferin ausgezahlt werden sollte und auch wurde.

Über das Widerrufsrecht belehrte die Beklagte den Kläger mit einer schwarz umrahmten, auf Seite 2 in den Vertrags-(antrags-)text integrierten „Widerrufsinformation“. Auf der ersten Seite des neunseitigen Vertrages ist der folgende Hinweis abgedruckt:

"Ausbleibende Zahlungen

Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben (z.B. Zwangsverkauf) und die Erlangung eines Kredits erschweren. Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei wirksam. Die Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil verschiedene Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 - 13 EGBGB in der Vertragsurkunde nicht enthalten bzw. - wie insbesondere die Widerrufsinformation - fehlerhaft seien. Dies sei u.a. wegen der sog. Kaskadenverweisung der Fall. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Beklagte in das Muster eingegriffen und die Widerrufsinformation nicht deutlich hervorgehoben habe.

Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam gerügt und in der Sache im Wesentlichen vorgetragen, der Widerruf sei verfristet, denn sie habe die Widerrufsinformation sowie die anderen erforderlichen Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt. Jedenfalls sei das Widerrufsrecht verwirkt. Für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens des Klägers hat die Beklagte hilfswiderklagend die Feststellung der Wertersatzpflicht des Klägers in Bezug auf das Fahrzeug sowie die Feststellung der klägerischen Verpflichtung zur Zahlung des vertraglichen Sollzinssatzes für den Zeitraum zwischen Auszahlung der Darlehensvaluta und Rückgabe des Fahrzeuges begehrt.

Das Landgericht hat sich mit Urteil vom 9. September 2020, auf das wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, in Bezug auf den Hauptantrag sowie die Hilfsanträge zu 2 und zu 3. für örtlich zuständig erachtet; die örtliche Zuständigkeit für die mit Hilfsantrag zu 1. begehrte (Rück)Zahlung der geleisteten Darlehensraten und den als Annex hierzu zu qualifizierenden Hilfsantrag zu 4., gerichtet auf Feststellung des Annahmeverzuges sei nicht gegeben. Die Klage sei mit dem Hauptantrag, gerichtet auf Feststellung, dass der Kläger aus dem Darlehensvertrag weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulde, auch begründet. Die Widerrufsfrist sei bei Erklärung des Widerrufs am 31. August 2019 noch nicht abgelaufen gewesen, weil der Verbraucherdarlehensvertrag nicht alle nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB erforderlichen Pflichtangaben enthalten habe; entgegen Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB und der EU-Richtlinie fehlten Angaben zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung und zu deren Höhe. Der Kläger habe das Widerrufsrecht auch nicht verwirkt, noch sei er anderweitig wegen Treu und Glauben an der Ausübung des Widerrufsrechts gehindert. Hinsichtlich der Hilfsklageanträge zu 2. und zu 3. sei die Klage unbegründet. Eine anwaltliche Leistung, deren Kosten der Kläger hätte erstattet verlangen könne, sei nicht dargetan, überdies lägen die Verzugsvoraussetzungen schon deshalb nicht vor, weil der Kläger in seinem Widerrufsschreiben die Vorleistungspflicht nicht beachtet habe. Die Hilfswiderklage sei insoweit begründet, als mit dem – bei verständiger Würdigung - Antrag zu 1. die Feststellung begehrt werde, dass der Kläger zum Wertersatz verpflichtet sei, soweit der Wertverlust auf einen Umgang zurückzuführen sei, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig gewesen sei. Im Übrigen sei die Hilfswiderklage unbegründet, denn die Parteien hätten für den Fall des Widerrufs in Ziffer IX Nr. 5 der Darlehensbedingungen vereinbart, dass zwischen Aus- und Rückzahlung keine Sollzinsen zu entrichten seien.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien.

Der Kläger hält seinen Zahlungsantrag weiterhin für zulässig und wiederholt teilweise sein Vorbringen zu den unzureichenden Pflichtangaben, dem fehlenden Musterschutz und dem Nichteingreifen von Verwirkungs- und Rechtsmissbrauchseinwand. Er beantragt, dem EuGH unter anderem die Frage der Unionsrechtswidrigkeit der Wertersatzpflicht vorzulegen und die Sache auszusetzen.

Nachdem der Kläger das Darlehen im Juni 2021 vollständig zurückgezahlt und das Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 5. Juli 2021 zu einem Kaufpreis von 25.000 € veräußert hatte, beantragt der Kläger unter Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits im Übrigen nunmehr,

das Urteil des Landgerichts vom 9. September 2020 teilweise, nämlich in Bezug auf die Ziffern 3 und 4 des Tenors, abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.211,06 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte erklärt die eigene Berufung, soweit diese den negativen Feststellungsantrag betrifft, für erledigt und beantragt zuletzt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

und hilfsweise,

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte das Kraftfahrzeug … mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer … nebst 2 Fahrzeugschlüsseln sowie Fahrzeugpapieren herauszugeben.

Die Beklagte tritt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens der Auffassung des Landgerichts, die Widerrufsfrist habe wegen fehlerhafter Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu laufen begonnen, entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung gegen die Berufungsangriffe des Klägers. In Bezug auf den abgewiesenen Hilfswiderklageantrag zu 1 nimmt sie ihre Berufung zurück. Den vom Kläger behaupteten Zeitwert des Fahrzeugs von 25.000 € (Weiterveräußerungspreis) macht die Beklagte sich hilfsweise zu eigen und erklärt hilfsweise für den Fall des teilweisen oder vollständigen Obsiegens des Klägers die Aufrechnung mit dem Anspruch auf Zahlung von Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs i.H.v. 11.990 €.

Der Kläger schließt sich der Teilerledigungserklärung der Beklagten in Bezug auf ihre Berufung nicht an und beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufungen sind zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache ist die Erledigung der Berufung der Beklagten, soweit sich diese gegen die Zuerkennung der negativen Feststellungsklage richtete, festzustellen; die Berufung des Klägers hat keinen, die Berufung der Beklagten im Übrigen hingegen vollumfänglich Erfolg.

1.

Die Berufung der Beklagten ist erledigt, soweit sie sich gegen die Zuerkennung der negativen Feststellungsklage richtete.

Das Gericht stellt die Erledigung des Rechtsmittels fest, wenn dieses zunächst zulässig und begründet war und nachträglich unzulässig oder unbegründet geworden ist (BGH, Beschluss vom 02.05.2019 - IX ZR 347/18 - Rn 3; vgl. auch BGH, Urteil vom 30.09.2009 - VIII ZR 29/09 - Rn 10).

So war es hier.

a) Die gegen die vom Landgericht ausgeurteilte Feststellung, dass der Kläger infolge und ab seiner Widerrufserklärung vom 31. August 2019 aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag Nr. … weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet, gerichtete Berufung der Beklagten war ab dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger das bei der Beklagten aufgenommene Kfz-Darlehen vollständig abgelöst hatte, begründet gewesen. Denn mit der vollständigen Ablösung des Darlehens im Juni 2021 ist das für die Zulässigkeit der (negativen) Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers entfallen, weil er damit sein Klageziel vollständig im Wege der Leistungsklage verfolgen konnte.

b) Wie im Senatstermin vom 16. Februar 2022 erörtert, ist das - zulässige und begründete - Rechtsmittel der Beklagten dadurch gegenstandslos geworden, dass der Kläger zulässigerweise von seiner negativen Feststellungsklage auf eine - alleinige und unbedingte - Zahlungsklage übergegangen ist.

Es stand dem Kläger nach §§ 525, 533, 264 Nr. 2 ZPO frei, im Berufungsrechtszug seinen Feststellungsantrag zu Ziffer 1 als Zahlungsantrag weiterzuverfolgen. Geht der Kläger von einer Feststellungsklage zu einer deckungsgleichen Leistungsklage über, ohne die Feststellungsklage weiterzuverfolgen, handelt es sich um eine ohne weiteres zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO. Es ist dann nur noch über die Leistungsklage zu entscheiden. Für eine Erledigungserklärung ist - wie bereits im Senatstermin vom 16.02.2022 ausgeführt - kein Raum (vgl. BGH, Urt. v.16. Mai 2021 - XII ZR 199/98 - Rn. 6 zur positiven Feststellungsklage).

So liegt der Fall hier. Mit der negativen Feststellungs(haupt)klage verfolgte der Kläger sein Interesse an der Rückabwicklung des streitgegenständlichen Darlehensvertrags, indem er die Feststellung begehrte, zur Erfüllung primärer Leistungspflichten (Zinsen, Tilgung) aus dem Darlehensbetrag infolge deren widerrufsbedingten Erlöschens nicht mehr verpflichtet zu sein. Dieses Interesse geht nunmehr vollständig in dem Leistungsantrag zu 1. auf, mit dem der Kläger die sich aus dem Rückabwicklungsverhältnis ergebende Zahlungspflicht der Beklagten weiterverfolgt; lediglich die Rechtsfolge, die der Kläger aus dem zugrunde liegenden, gleichbleibenden Lebenssachverhalt herleitet, hat sich geändert. Statt der bloßen Feststellung, infolge seiner Widerrufserklärung keine vertraglichen Zins- und Tilgungsleistungen mehr zu schulden, begehrt er jetzt die Verurteilung der Beklagten zur (Rück)Zahlung dieser an die Beklagte erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Die darin liegende Erweiterung des Streitstoffes gegenüber dem ursprünglichen Feststellungsantrag ist die zwangsläufige Folge nahezu jeder Klageerweiterung i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO und somit kein Argument gegen die Zulässigkeit der entsprechenden Klageänderung (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1984 - VII ZR 162/83 - Rn 4). Dass in dem verlangten Zahlbetrag überdies die von dem Kläger an die Verkäuferin geleistete Anzahlung i.H.v. 8.000,00 € enthalten ist, begegnet jedenfalls im Hinblick auf die hier vorliegenden Voraussetzungen des § 533 Nr. 1 2. Alt. und Nr. 2 ZPO keinen Zulässigkeitsbedenken.

Soweit das Landgericht seine Zuständigkeit - für die negative Feststellungsklage - angenommen hat, bedarf diese mit Blick auf § 513 Abs. 2 ZPO keiner Erörterung mehr, weil der Senat durch diese Regelung gehindert wird, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts (erneut) zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 2004 - V ZR 47/04 - Rn. 28). Hieran ändert es auch nichts, dass der Kläger in der Berufung seine Klage von einem Feststellungsantrag und einem hilfsweisen Zahlungsantrag auf einen alleinigen und unbedingten Leistungsantrag umgestellt hat, für den das Landgericht Potsdam - wie es zu Recht angenommen hat - nicht zuständig wäre (vgl. Senat, Urteil vom 21. April 2021 - 4 U 95/20 - Rn. 27ff.), weil insoweit § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eingreift, wonach die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Zwar findet die Vorschrift ihre Grenze im Falle einer Klageänderung. Als solche ist es aber gerade nicht anzusehen, wenn - wie hier - lediglich ein Fall des § 264 ZPO vorliegt (so bereits Senatsurteile vom 26. Januar 2022 - 4 U 199/20 - und vom 9. März 2022 - 4 U 36/21 und 234/20 -; vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 53/00 - Rn. 12; Bacher in: BeckOK ZPO mit Stand 1. September 2021, § 261 Rn. 21).

2.

Die mit der klägerischen Berufung weiter verfolgte, auf Zahlung von 15.211,06 € gerichtete Klage ist jedenfalls derzeit unbegründet.

a) Dem Kläger stand allerdings zum Zeitpunkt des Widerrufs am 31. August 2019 noch ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 BGB (i.d. ab dem 21. März 2016 geltenden Fassung) zu, weil der Darlehensvertrag nicht „klar und verständlich“ sämtliche nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB (i.d. ab 21. März 2016 geltenden Fassung) erforderlichen Pflichtangaben enthält.

Dabei kann offen bleiben, ob die Widerrufsinformation ordnungsgemäß erteilt wurde, ob sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen kann oder die sonstigen Pflichtangaben, deren Fehlen oder Fehlerhaftigkeit die Klägerin gerügt hat, ordnungsgemäß angegeben sind. Denn der vorliegende Verbraucherdarlehensvertrag enthielt entgegen § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Nr. 11 EGBGB (i.d. vom 21. März 2016 bis zum 12. Januar 2018 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) keine ausreichenden Angaben zur Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes, was gemäß § 356b Abs. 1, Abs. 2 BGB (i.d. seit dem 21. März 2016 geltenden Fassung) zur Folge hat, dass die Frist für den Widerruf nicht begonnen hat.

aa) Art. 246 § 3 Nr. 11 EGBGB a.F., wonach der (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrag den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung enthalten muss, ist, da der Darlehensvertrag in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (Verbraucherkreditrichtlinie) fällt, richtlinienkonform auszulegen.

Der Europäische Gerichtshofs hat im Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20, C-155/20 und C-187/20 – zu den hier aufgeworfenen Auslegungsfragen entschieden, „dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe des von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegten und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegebenen Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten. Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden."

Dem genügen die Angaben im vorliegenden Vertrag, die sich auf den Hinweis beschränken, dass der Verzugszinssatz fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt, nicht (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 2. November 2021 - 6 U 32/19 - Rn 23ff, juris = Anlage BK 3, Bl. 304ff d.A.), denn damit wird der Verzugszinssatz im Vertrag lediglich abstrakt als variabler Zinssatz beschrieben, ohne den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret geltenden Verzugszins als bezifferten Prozentsatz anzugeben, und ohne mitzuteilen, wann sich der Basiszinssatz jedes Jahr ändert.

bb) Der Senat vermag sich auch nicht der Sichtweise der Beklagten anzuschließen, dass aus § 494 Abs. 4 BGB folge, dass dieser Fehler (lediglich) zum Verlust des Anspruchs auf Verzugszinsen führt. Wie bereits das OLG Stuttgart in zwei Entscheidungen (Urteile vom 2. November 2021 - 6 U 32/19 - Rn 33 ff, und vom 21. Dezember 2021 – 6 U 129/21 – Rn 32, jeweils juris) überzeugend ausgeführt hat, beschränkt sich die Rechtsfolge des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB auf Kosten, die entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB a.F. nicht in der Vertragsurkunde angegeben wurden (MüKoBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, BGB § 494 Rn. 35; siehe auch Senatsurteile vom 9. März 2022 - 4 U 36/21 und 4 U 234/20 -). Bereits die begriffliche Unterscheidung in § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB zeigt, dass der Gesetzgeber Zinsen nicht zu den Kosten zählt und an versäumte Angaben zu Zinsen folglich nicht den Wegfall des darauf gerichteten Anspruchs knüpft. Aber selbst wenn anzunehmen wäre, nicht nur § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB, sondern auch § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB gelte für Zinsen und Kosten, fiele der Verzugszins nicht darunter, denn mit Zinsen und Kosten im Sinne des § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB sind nur preisbestimmende Faktoren gemeint (Müller-Christmann in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl., § 494 Rn. 25; MüKoBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, BGB § 494 Rn. 37). Eine entsprechende Anwendung des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB auf fehlende Angaben zum Verzugszins kommt mangels Fehlens einer Regelungslücke, aber auch nach dem Zweck der Norm nicht in Betracht. Für den Fall der Heilung des Formmangels wegen fehlender Pflichtangaben (§ 494 Abs. 1 BGB) ordnen die in § 494 Abs. 2 bis 6 BGB getroffenen Regelungen als Sanktion für die Verletzung bestimmter Informationspflichten einzelne Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen an, um zum Schutz des Verbrauchers einen interessengerechten Inhalt des Vertrages zu gewährleisten. Das Gesetz sieht aber gerade nicht für sämtliche nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. notwendigen Angaben Sanktionen vor und lässt sich deshalb auch nicht dahin verallgemeinern, dass der Unternehmer, der über seine Rechte gegenüber dem Darlehensnehmer unzureichend informiert, diese Rechte verliert. Zudem beruht der Anspruch auf Verzugszinsen nicht auf den Absprachen der Parteien, sondern auf einer gesetzlichen Regelung (§ 497 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB), die als solche interessengerecht ist und nicht der Korrektur bedarf (OLG Stuttgart, Urteil vom 2. November 2021 - 6 U 32/19 - Rn 33 ff, juris). Es muss deshalb nicht geklärt werden, ob die Sanktion des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB neben die Widerruflichkeit des Vertrages treten oder diese ausschließen würde.

Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, das europarechtliche Angemessenheitserfordernis verbiete es, einen Verstoß gegen die Informationspflicht nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 11 EGBGB a.F. mit so weitreichenden Rechtsfolgen wie der vollständigen Rückabwicklung des Vertrages zu sanktionieren (so bereits Senatsurteile vom 9. März 2022 - 4 U 36/21 und 4 U 234/20 -). Soweit die Beklagte hierzu die Schlussanträge des Generalanwalts Hogan vom 15. Juli 2021 zu den Rs. C-33/20, C-155/20, C-187/20 (dort Rn 125: "Ebenso dürfte es in den Fällen, in denen der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Verzugszinssatz als konkrete Zahl, wie in der ersten Frage erwähnt, nicht ausdrücklich genannt worden ist, da diese Angabe sich nicht auf die Kosten des Kredits selbst, sondern auf einen etwaigen Verzug bezieht, meines Erachtens eher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn dieses Versäumnis dadurch geheilt würde, dass der Kreditgeber seinen Anspruch auf die im Vertrag vorgesehenen Verzugszinsen (nicht die Darlehenszinsen) verlöre, erforderlichenfalls erweitert um die Zuerkennung von Schadensersatz") anführt, geben diese für ihre Sichtweise bei nicht bloß isolierter Betrachtung der zitierten Textpassage nichts her. Im Kontext gesehen geht es nämlich nicht darum, ob es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, dass ein Verstoß gegen die Pflichtangabe in Bezug auf den Verzugszinssatz die Widerruflichkeit des Vertrages begründet mit der grundsätzlichen Folge seiner Rückabwicklung (vgl. Rn 118f, Rn 122). Ausgehend von der Verpflichtung der Mitgliedsstaaten nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 vorzusehen, dass der Verbraucher dem Kreditgeber im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts nicht nur die Darlehenssumme, sondern auch die hierauf aufgelaufenen Zinsen zurückzuzahlen hat, die auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes ab dem Zeitpunkt der „Inanspruchnahme“ des Kredits durch den Verbraucher bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens zu berechnen sind, prüft der Generalanwalt, inwieweit eine nach Art. 23 der Richtlinie 2008/48 ermöglichte weitere Sanktion des Verlustes von Kreditzinsen bei Fehlen bestimmter Pflichtangaben im Kreditvertrag verhältnismäßig wäre. Es geht allein darum, ob im Hinblick darauf, dass "das Unterbleiben irgendeiner Angabe nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 schon zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist" (Rn 124, Satz 2) führt, der Verlust des Anspruchs des Darlehensgebers auf Darlehenszinsen – als zusätzliche Sanktion für den Darlehensgeber im Rahmen der Rückabwicklung infolge des Widerrufs – dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspräche. Insoweit spricht sich der Generalanwalt dafür aus, bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des Verzugszinssatzes als absolute Zahl nur den Anspruch des Darlehensgebers auf den Verzugszins, nicht aber auf den Sollzins, entfallen zu lassen.

b) Dem Kläger ist es auch nicht wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, den Widerruf auszuüben und sich auf die Ausübung des Widerrufsrechts zu berufen.

Der Einwand der Verwirkung greift nicht durch, weil der streitgegenständliche Darlehensvertrag im Zeitpunkt des Widerrufs am 31. August 2019 noch nicht beendet war und schon deshalb Anhaltspunkte für das Vorliegen des erforderlichen Umstandsmoments fehlen.

Soweit die Geltendmachung von Rechten aus dem Widerruf unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn der Vertrag nach Widerruf vorbehaltlos weiter bedient wird, hat der Kläger vorliegend bereits in seiner Widerrufsmail vom 31. August 2019 (Anlage A 2, Bl. 57ff d.A.) und erneut in seinem anwaltlichen Schreiben vom 25. September 2019 (Anlage B 1, Bl. 419 ff d.A.) einen entsprechenden Vorbehalt erklärt.

Es verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, dass der Kläger das finanzierte Fahrzeug nach Erklärung des Widerrufs weiter genutzt hat. Dies wäre zwar anzunehmen, wenn der Kläger das Widerrufsrecht missbräuchlich ausgeübt hat, um etwa nach jahrelanger bestimmungsgemäßer Nutzung das mit dem Darlehen finanzierte Fahrzeug zurückgeben zu können, ohne für die in Anspruch genommenen Leistungen seines Vertragspartners auch nur Wertersatz leisten zu müssen (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 2021 – 4 U 192/20, juris Rn. 78 ff.). Hier hat der Kläger - insofern anders als in anderen vom Senat bereits entschiedenen Fällen (vgl. zuletzt etwa Senat, Urteil vom 16. Juni 2021 – 4 U 192/20, juris Rn. 79) und den dem Vorlagebeschluss des BGH vom 31. Januar 2022 (XI ZR 113/21) zugrundeliegenden Sachverhalten - seine Verpflichtung zum Wertersatz für das Fahrzeug außergerichtlich noch nicht einmal in Abrede gestellt - seine Widerrufsmail und das vorgerichtliche anwaltliche Schreiben vom 25. September 2019 verhalten sich zu einer Wertersatzpflicht nicht - und sich im Rechtsstreit selbst darauf beschränkt, gegenüber der von der Beklagten vertretenen Ansicht, wonach ein Wertersatz geschuldet sei, eine andere Rechtsposition einzunehmen, ohne dass sich hieraus der Schluss auf eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufs ziehen ließe. Eine andere Bewertung ist auch nicht mit Blick darauf geboten, dass der Kläger das Fahrzeug tatsächlich über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren weiter genutzt hat (vgl. zu einem solchen Sachverhalt das Urteil des Senats vom 28. April 2021 – 4 U 124/20) und zwar schon deshalb nicht, weil der Kläger bereits in seiner Widerrufs-E-Mail - mag es auch zur Begründung des Annahmeverzuges nicht hinreichen - zumindest wörtlich die Übergabe angeboten und damit eine Bereitschaft zur sofortigen Rückgabe gezeigt hat.

Angesichts dessen führt auch der Umstand, dass der Kläger die ihm von der Beklagten nach vollständiger Darlehensablösung unter dem 22. Juni 2021 übersandte Zulassungsbescheinigung II in Empfang genommen und kurz darauf - am 13. Juli 2021 - das Fahrzeug an einen Dritten veräußert hat, nicht dazu, seine Berufung auf das Widerrufsrecht als missbräuchlich zu bewerten. Denn die Weiterveräußerung des Fahrzeugs lässt im vorliegenden Fall - was noch auszuführen sein wird - nicht das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten entfallen. Ob die Weiterveräußerung des kreditfinanzierten Fahrzeugs in Kenntnis der Rückgabe- und Vorleistungspflicht - wie sie stets anzunehmen ist, wenn ein Rechtsstreit wie der vorliegende geführt wird -, wenn sie den Wegfall der Verpflichtung zur Rückgabe des Fahrzeugs zur Folge hat, neben dem Negieren der Wertersatzpflicht für den Wertverlust des Fahrzeugs das Berufen auf das Widerrufsrecht als treuwidrig erscheinen lässt, weil der Kläger damit das der Beklagten in § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB eingeräumte Leistungsverweigerungsrecht sowie das Recht, den Gegenstand bewerten zu lassen, bewusst vereitelt, bedarf hier keiner Entscheidung.

c) Der mit der Berufung noch geltend gemachte Zahlungsantrag des Klägers ist jedenfalls derzeit unbegründet, weil der Kläger gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB in Bezug auf den der Beklagten zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs vorleistungspflichtig ist (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 – Rn. 23, siehe auch Urteil vom 15. Juni 2021 - XI ZR 365/20 - Rn 21) und der Beklagten daher insoweit ein - mit Schriftsatz vom 14. April 2020 (dort S. 39, Bl. 185 d.A.) und Erklärung im Senatstermin vom 16. Februar 2022 auch (weiterhin) geltend gemachtes - Leistungsverweigerungsrecht zusteht, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (BGH, Urteil vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19 - Rn 21). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Beklagte in Annahmeverzug befände. Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug allerdings nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten.

aa) In seiner Widerrufs-E-Mail vom 31. August 2019 (Anlage A 2; Bl. 57 d.A.) bittet er lediglich um Bestätigung seines Widerrufs und bietet die Rückgabe des Fahrzeugs unter Hinweis darauf an, dass die Rückabwicklung "gegen Zahlung aller bislang geleisteten Raten und Anzahlung" binnen 30 Tagen zu erfolgen habe. In dem Anwaltsschreiben vom 25. September 2019 (Anlage B 1, Bl. 419ff d.A.) forderte er die Beklagte lediglich auf, den Widerruf anzuerkennen und bot vorsorglich die Rückgabe des Fahrzeugs an. Dies genügt weder formal (kein vorheriges tatsächliches Angebot) noch in Bezug auf die die Vorleistungspflicht nicht berücksichtigende Art der Leistung den Anforderungen an ein wörtliches Angebot im Sinne des § 295 BGB.

bb) Für die bis zur Weiterveräußerung des Fahrzeugs gestellten Klage- und Berufungsanträge gilt nichts anderes. Der Umstand, dass der Kläger nur Zahlung "nach" Übergabe des Fahrzeugs begehrt hat, ändert daran nichts, da dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraussetzt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs bereits in Annahmeverzug befindet (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 – Rn. 29).

Ein Anlass den Rechtsstreit – wie vom Kläger beantragt - auszusetzen und dem EuGH die Frage zur Vereinbarkeit der Berechnung des Wertersatzes vorzulegen, besteht bereits deshalb nicht, weil sich diese Frage für die Entscheidung über die Vorleistungspflicht des Klägers nicht stellt.

cc) Die Vorleistungspflicht ist auch nicht nachträglich dadurch entfallen, dass er das Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 5. Juli 2021 (Anlage B 1, Bl. 613 d.A.) an einen Dritten weiterveräußert hat. Insbesondere lässt sich allein aus dem Umstand der Veräußerung des Fahrzeugs an einen Dritten nicht der Schluss ziehen, dem Kläger sei die Herausgabe des Fahrzeugs unmöglich und der Kläger hierdurch gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Herausgabepflicht frei geworden. Das klägerische Vorbringen entbehrt jedweden für eine etwaige - subjektive oder objektive - Unmöglichkeit der Herausgabe des Fahrzeugs sprechenden Vortrags, insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass sich der Kläger das - in Kenntnis der Vorleistungs-, jedenfalls der Herausgabepflicht veräußerte - Fahrzeug nicht wieder von dem Erwerber beschaffen kann. Mit dem Schriftsatz vom 9. Februar 2022 wurde unter Beifügung des Kaufvertrages in Kopie lediglich und erstmals mitgeteilt, dass das Fahrzeug verkauft worden sei; auch im Zuge der Erörterungen im Senatstermin hat der Kläger zu diesem Gesichtspunkt nichts vorgetragen. Eine Schriftsatzfrist für den Kläger war weder gemäß § 283 ZPO noch gemäß § 139 ZPO geboten. Der Kläger selbst oder sein Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden ihm zuzurechnen ist, hat es in besonderem Maße an der erforderlichen Sorgfalt bei der Prozessführung fehlen lassen, indem er die Beklagte und das Gericht erst sieben Monate später über die Veräußerung des Fahrzeugs in Kenntnis gesetzt hat und dies zudem mit einem eine Woche vor dem Verhandlungstermin eingehenden Schriftsatz, zu dem sich die beklagte Partei erwartungsgemäß im Verhandlungstermin nicht verhalten kann. Es war auch offensichtlich, dass die bloße Mitteilung der Veräußerung des Fahrzeugs und das Fallenlassen des die Fahrzeugherausgabepflicht berücksichtigenden Zusatzes in dem neuen Zahlungsantrag keinen eine Unmöglichkeit der Herausgabe oder einen anderweitigen Wegfall der Herausgabepflicht stützenden Sachvortrag darstellt - der Schriftsatz vom 9. Februar 2022 (Bl. 612 d.A.) besteht aus einer einzigen Seite und enthält ansonsten keinerlei Vortrag -, so dass, ungeachtet der ohnehin dem Gegner einzuräumenden Möglichkeit zur Stellungnahme auf diesen Schriftsatz, mangels eines erkennbar übersehenen oder für unerheblich erachteten Gesichtspunktes auch eine Hinweispflicht des Senats gemäß § 139 ZPO nicht bestand.

3.

Ohne Erfolg bleibt die Berufung des Klägers auch in Bezug auf die - vom Landgericht zuerkannte - Hilfswiderklage der Beklagten, gerichtet darauf festzustellen, dass der Kläger zum Wertersatz verpflichtet sei, soweit der Wertverlust auf einen Umgang zurückzuführen sei, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig gewesen sei.

a) Insoweit war (insgesamt) durch streitiges Urteil zu entscheiden ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Februar 2021 (dort S. 9, Bl. 368 d.A.) erklärt hat, es werde "die grundsätzliche Pflicht der Klagepartei, Wertersatz nach der Regelung des § 357 Abs. 7 BGB zu leisten, ausdrücklich anerkannt", die Hilfswiderklage sei "jedoch in zeitlicher Hinsicht teilweise unbegründet, weil die Beklagte Anspruch auf Wertersatz nur bis zum Eintritt des Annahmeverzuges" habe. Denn hierbei handelt es sich nicht um ein (Teil)Anerkentnnis i.S.d. § 307 ZPO. Dagegen spricht nicht nur, dass der Kläger im Berufungsrechtszug stets die uneingeschränkte Abweisung der Hilfswiderklage beantragt hat - zuletzt noch mit Schriftsatz vom 9. Februar 2022 -, und er im Schriftsatz vom 8. Februar 2021 die Zulässigkeit dieser Hilfswiderklage in Frage gestellt hat, sondern auch, dass er in jenem sowie dem Schriftsatz vom 07. Februar 2022 (dort S. 31-35, 36-42) mit wortreichen Ausführungen das Bestehen eines Wertersatzanspruchs bereits dem Grunde nach in Abrede gestellt und wegen vermeintlicher Unionsrechtswidrigkeit des Wertersatzanspruchs bei nicht ordnungsgemäßer Widerrufsinformation die Vorlage an den EuGH beantragt hat. Damit hat er unmissverständlich zu erkennen gegeben, ein ernsthaft gemeintes Anerkenntnis bezogen auf seine Wertersatzpflicht nicht abgeben zu wollen. Auch bei der jeweils ausführlichen Erörterung der Sach- und Rechtslage in den Senatsterminen vom 7. Juli 2021 und 16. Februar 2022 ist der Klägervertreter nicht auf sein vermeintliches (Teil)Anerkenntnis zurückgekommen.

b) Der gemäß § 256 ZPO zulässige Hilfswiderklageantrag ist auch begründet. Der Beklagten steht gemäß § 358 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB der begehrte Wertersatzanspruch zu.

Wie der BGH mit Urteil vom 27. Oktober 2020 (XI ZR 489/19 – juris Rn. 30 ff.) überzeugend ausgeführt hat, hat der Darlehensnehmer nach den vorgenannten Vorschriften im Rahmen der Rückabwicklung des mit dem Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Vertrages unter den dort genannten Voraussetzungen Wertersatz für einen Wertverlust der Ware – hier des Fahrzeugs – zu leisten. Die lediglich entsprechende Anwendung des § 357 Abs. 7 BGB führt indes – entgegen der auch im vorliegenden Rechtsstreit vertretenen Auffassung des Klägers – im Fall des Verbunds eines Darlehensvertrages mit einem – wie hier – im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrages nicht dazu, dass die Wertersatzpflicht nur dann besteht, wenn der Darlehensgeber – wie dies § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB voraussetzt – den Darlehensnehmer „nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuches über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat“. Vielmehr genügt es, wenn der Darlehensgeber den Verbraucher über eine mögliche Wertersatzpflicht unterrichtet, was hier im Rahmen der Widerrufsinformation erfolgt ist.

4.

Der im Berufungsrechtszug gestellte Hilfsantrag der Beklagten auf Herausgabe des Fahrzeugs ist zur Entscheidung angefallen. Der Senat legt die prozessuale Bedingung des "vollständigen oder teilweisen Unterliegens mit der eigenen Berufung", da dieser Hilfsantrag nach der Erörterung der Rechtslage und der Anregung im Senatstermin vom 16. Februar 2022, die Erledigung des Rechtsmittels zu erklären, ausdrücklich gestellt worden ist, dahin aus, dass auch das Unbegründetwerden der eigenen Berufung, deren Zurückweisung mit der Erledigungserklärung abgewendet worden ist, einen Bedingungseintritt auslöst.

Die Hilfswiderklage ist gemäß §§ 533, 529 Abs. 1 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet, denn die Beklagte hat aus §§ 358 Abs. 4 Satz 5, 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeuges an ihrem Firmensitz. Gründe, ein nachträgliches Entfallen der Herausgabepflicht anzunehmen, sind - wie oben ausgeführt - nicht ersichtlich.

5.

Die hilfsweise für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegen des Klägers erklärten Aufrechnungen mit einem der Beklagten aus ihrer Sicht zustehenden Anspruch auf Zinsen i.H.v. 2.899,67 € für die Nutzung des Darlehens und mit einem Wertersatzanspruch für den Wertverlust des Fahrzeuges i.H.v. 11.990,00 € sind nicht zur Entscheidung angefallen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO. Soweit der Senat in Bezug auf die Veräußerung des Fahrzeugs von dem Urteil des OLG Celle vom 2. Februar 2022 - 3 U 51/21 - abweicht, beruht dies darauf, dass aufgrund der Bewertung des Einzelfalls eine Unmöglichkeit der Fahrzeugherausgabe nicht angenommen werden konnte.

Der Senat ändert den Streitwert für die erste Instanz gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG ab und setzt ihn auf 46.990,00 € fest. Für den Feststellungs(haupt)antrag ist der Nettodarlehensbetrag zuzüglich der geleisteten Anzahlung i.H.v. 8.000,00 € maßgeblich; der Wert des Hilfsantrags zu 1 des Klägers bleibt dahinter zurück. Die mit Hilfsanträgen zu 2. und 3. geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten wirken sich als Nebenforderungen nach § 43 Abs. 1 GKG wertmäßig nicht aus, dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs (Hilfsantrag zu 4.) kommt ebenfalls keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – XI ZR 484/15). Der hilfsweise gestellte Widerklageantrag zu 1 wird - unter Berücksichtigung eines gebotenen wertmäßigen Abschlages auf die Feststellung der Wertersatzpflicht - mit 8.000 € und der Hilfswiderklageantrag zu 2 mit 2.000 € bemessen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG auf 69.990,00 € angesetzt. Dieser setzt sich aus dem Nettodarlehensbetrag von 28.990,00 € zuzüglich der geleisteten Anzahlung i.H.v. 8.000,00 € und dem Wert der vom Landgericht zuerkannten Hilfswiderklage i.H.v. 8.000 € zusammen. Hinzuzusetzen ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG der Wert der auf Herausgabe des Fahrzeugs gerichteten Hilfswiderklage, den der Senat mit 25.000 € bemisst. Die nicht zur Entscheidung angefallenen Hilfsaufrechnungen bleiben bei der Wertbemessung außer Ansatz (§ 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GKG).