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Entscheidung 10 Ta 1629/21


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer Entscheidungsdatum 03.01.2022
Aktenzeichen 10 Ta 1629/21 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0103.10TA1629.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 127 ZPO, § 246 ZPO

Leitsatz

1. Der Prozessbevollmächtigte eines verstorbenen Klägers ist nicht berechtigt, gegen einen die PKH ablehnenden Beschluss eine sofortige Beschwerde zu erheben.
2. Einer verstorbenen Partei kann keine PKH mehr bewilligt werden. Das gilt auch für den Fall eines " steckengebliebenen" PKH-Antrags.

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des (verstorbenen) Antragstellers vom 1. Dezember 2021 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Oktober 2021 - 44 Ca 3238/21 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Antragstellers.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der am ….. 1981 geborene Antragsteller erhob mit Datum vom 15. März 2021 am 17. März 2021 Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin auf Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang und eine entsprechende Beschäftigung als Küchenhelfer.

Zugleich mit der Klageschrift beantragte er für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 15. März 2021 überreichte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dessen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

In der Güteverhandlung vom 19. April 2021 vor dem Arbeitsgericht Berlin wurde ein Kammertermin auf den 2. Dezember 2021 bestimmt. Zur Prozesskostenhilfe erfolgten keine Hinweise oder Auflagen.

Am 4. August 2021 verstarb der Antragsteller. Darauf nahm der Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Antragstellers die Klage am 19. August 2021 zurück. Zugleich beantragte er, über den noch unerledigten Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden. Auf Nachfrage des Arbeitsgerichts teilte der Antragstellervertreter am 28. Oktober 2021 mit, dass nach Mitteilung der Erben des Antragstellers diese dessen Erbe rechtswirksam ausgeschlagen hätten.

Sofern dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre, wären nach der Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse voraussichtlich monatliche Raten in Höhe von 190 EUR zu erheben gewesen. Die vom Antragsteller dort angegebenen „Prozesskosten (27 Ca 14256/20)“ mit 230 EUR monatlich wären voraussichtlich nicht zu berücksichtigen gewesen, da der Antragsteller die noch offene Restschuld nicht angegeben hatte.

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2021 lehnte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab, da das Prozesskostenhilfeverfahren mit dem Tod der antragstellenden Partei ende. Das Recht auf Prozesskostenhilfe sei personengebunden und nicht vererblich. Eine nachträgliche Bewilligung zu Gunsten der früheren Partei komme nach deren Tod auch dann nicht mehr in Betracht, wenn das Gericht das Verfahren pflichtwidrig verzögert haben sollte. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung sei nicht gegeben, da der Antragsteller verstorben sei und die Erben die Rechtsnachfolge nicht angetreten hätten.

Gegen diesen am 3. November 2021 abgesandten Beschluss legte der Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Antragstellers am 1. Dezember 2021 eine sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht Berlin ein. Hätte das Gericht bei ordnungsgemäßer und unverzüglicher Bearbeitung des PKH-Gesuchs zu einem früheren Zeitpunkt und noch zu Lebzeiten des Antragstellers entscheiden können, käme auch eine rückwirkende Bewilligung in Betracht. Bei einem solchen „steckengebliebenen“ PKH-Gesuch könne nachträglich und auch rückwirkend Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn bis zur Beendigung der Instanz oder des Verfahrens die Rechtsverfolgung tatsächlich aussichtsreich und ein formgerechter Antrag mit den erforderlichen Belegen eingereicht gewesen sei.

Das Arbeitsgericht half mit Beschluss vom 7. Dezember 2021 der sofortigen Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht ab und legte die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

II.

Die sofortige Beschwerde war zurückzuweisen, da sie letztlich nicht begründet und der Beschluss vom 29. Oktober 2021 zu recht ergangen ist.

Die vom Prozessbevollmächtigten des (verstorbenen) Antragstellers erhobene sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO bereits nicht zulässig, in der Sache aber auch nicht begründet.

1.

Grundsätzlich könnte das Begehren zwar dahingehend ausgelegt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Antragstellers „namens und in Vollmacht des noch unbekannten Rechtsnachfolgers“ sich mit der Beschwerde ausschließlich gegen die in dem angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 29. Oktober 2021 verfügte Ablehnung von Prozesskostenhilfe wendet und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das abgeschlossene Gerichtsverfahren 44 Ca 3238/21 begehrt (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg vom 29. August 2018 - L 7 SO 2855/18 B). Dabei hätte die nach dem Tod des Antragstellers eingelegte Beschwerde für und gegen den (unbekannten) Rechtsnachfolger gewirkt, da die Vollmacht zur Durchführung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nicht mit dem Tod der früheren Antragstellerin endete (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 86 ZPO) und eine Unterbrechung des Verfahrens im Hinblick auf die Fortgeltung der Prozessvollmacht nicht eingetreten ist (§ 246 Abs. 1 ZPO). Nachdem aber zum Zeitpunkt der Erhebung der sofortigen Beschwerde bereits bekannt war, dass die Erben des verstorbenen Antragstellers das Erbe rechtswirksam ausgeschlagen hatten, konnte die sofortige Beschwerde nicht mehr „namens und in Vollmacht des noch unbekannten Rechtsnachfolgers“ erhoben werden. Der verstorbene Antragsteller konnte die sofortige Beschwerde nicht mehr erheben und sein Prozessbevollmächtigter hat kein eigenes Antragsrecht.

2.

Selbst wenn die sofortige Beschwerde zulässig gewesen wäre, wäre sie nicht begründet gewesen.

Zwar ist es misslich, dass das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag nicht früher bearbeitet hat, so dass das Beschwerdebegehren aus Sicht des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nachvollziehbar erscheint.

2.1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil Prozesskostenhilfe als Form der höchstpersönlichen Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege nach dem Tod des Antragstellers nicht mehr bewilligt werden kann (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg vom 29. August 2018 - L 7 SO 2855/18 B mit zahlreichen Nachweisen). Mit dem Tod des Antragstellers wird dessen PKH-Antrag gegenstandslos. Eine Bewilligung von PKH darf nach dem Tod des Antragstellers nicht mehr erfolgen. Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Rechtsanwalt, der die PKH begehrende Partei vertritt, einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Mit dem Tod des Antragstellers erledigt sich das bisherige Bewilligungsverfahren. Denn maßgebend für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist stets, ob ein Antragsteller der Hilfe - noch - aktuell bedarf. Dem verstorbenen Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht mehr bewilligt werden, auch wenn das Gericht bei zügiger Bearbeitung des Antrags über diesen zu dessen Lebzeiten entschieden hätte.

Ist im Zeitpunkt des Todes des Antragstellers über sein PKH-Gesuch noch nicht entschieden, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den oder die Rechtsnachfolger - auf einen entsprechenden neuen bzw. gesonderten Antrag - zwar möglich, wenn bei ihnen die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen und für die Hauptsache weiterhin Erfolgsaussicht besteht.

2.2

Unter Beachtung dieser Grundsätze scheidet vorliegend eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vor dem Arbeitsgericht Berlin anhängig gewesene Verfahren 44 Ca 3238/21 aus. Das PKH-Bewilligungsverfahren des Antragstellers hat sich mit dessen Tod erledigt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugunsten der verstorbenen Antragstellerin kommt nicht mehr in Betracht.

Dass auch die teilweise und auch vom Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Antragstellers vertretene Auffassung, dass bei einem „steckengebliebenen“ PKH-Gesuch auch nach dem Tod noch eine Bewilligung in Betracht käme (vgl. etwa LAG Hamm vom 25. November 2002 – 4 Ta 180/02 Rn. 16 und Thüringer LSG vom 15. April 2014 - L 8 SO 1450/12 B) nicht richtig sein kann, zeigt sich auch daran, dass dem verstorbenen Antragsteller die Prozesskostenhilfe nur mit erheblicher Ratenzahlung zu bewilligen gewesen wäre. Auch im Hinblick auf das ausgeschlagene Erbe hätte das faktisch eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bedeutet. Das aber widerspricht erneut dem Zweck einer höchstpersönlichen Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege.

III.

1.

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Ausnahmsweise waren dem Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Antragstellers die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, da er trotz ausdrücklicher Nachfrage des LAG vom 16. Dezember 2021 keinen Beschwerdeführer, in dessen Namen er aufgetreten wäre, benannt hat.

2.

Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aus den unterschiedlich vertretenen Rechtsansichten, die soweit ersichtlich von Reyels (jurisPR-SozR 21/2019 Anm. 5) zuletzt übersichtlich zusammengefasst worden sind.