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Entscheidung 51 O 7/21


Metadaten

Gericht LG Potsdam 1. Kammer für Handelssachen Entscheidungsdatum 03.01.2022
Aktenzeichen 51 O 7/21 ECLI ECLI:DE:LGPOTSD:2022:0103.51O7.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antrag des Gläubigers, ihn zu ermächtigen, die Gesellschafterliste aus der Anlage zu dem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.09.2021, Az. 51 O 7/21, an Stelle des Geschäftsführers der Schuldnerin zum Registerordner der Schuldnerin bei dem Handelsregister einzureichen, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Gläubiger zu tragen.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 24.09.2021, Az. 51 O 7/21, verurteilte das Landgericht Potsdam unter Nr. 4 des Urteilstenors die Schuldnerin, „(vertreten durch den Geschäftsführer Fabian R. ) …, die aktuelle Gesellschafterliste entsprechend der Anlage zu diesem Urteil unverzüglich bei dem Amtsgericht Potsdam, Registergericht, zum Geschäftszeichen HRB … zur Hereinnahme in den geführten Registerordner einzureichen. Die Anlage zu dem Urteil hat folgenden Inhalt:

„LISTE DER GESELLSCHAFTER

gem. § 40 GmbHG

der

G. F…. GmbH

mit Sitz in Potsdam

Amtsgericht Potsdam HRB …

Nr. des Geschäftsanteils

Vor- und Nachname/ Firma des Gesellschafters

Geburtsdatum

Wohnort/ Sitz des Gesellschafters

Nennbetrag des Geschäftsanteils

Veränderungen

1       

F. R. 

…       

…       

€ 25.000,00

geteilt in Geschäftsanteile
Nr. 2 und 3 gem. Beschluss vom 28.09.2012

2       

F. R. 

…       

…       

€ 12.500,00

hervorgegangen aus dem ursprünglichen Geschäftsanteil Nr. 1

3       

T. K. 

…       

…       

€ 12.500,00

hervorgegangen aus dem ursprünglichen Geschäftsanteil Nr. 1

Stammkapital (= €)

€ 25.000,00

Ort, Datum     Unterschrift“

Der Tenor zu Nr. 4 des noch nicht rechtskräftigen Urteils ist gegen Sicherheitsleistung von 20.000 € für vorläufig vollstreckbar erklärt. Der Gläubiger hinterlegte 20.000 € bei dem Amtsgericht und reichte am 18.11.2021 mit einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils die Gesellschafterliste zur Aufnahme in den Registerordner bei dem Handelsregister ein. Mit Beschluss vom 30.11.2021 lehnte das Registergericht die Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner ab, weil die Gesellschafterliste nicht den Anforderungen des § 40 Abs. 1 GmbHG entspreche. Sie sei nicht durch den Geschäftsführer der Schuldnerin unterschrieben. Bei der Einreichung der Gesellschafterliste handele es sich um eine höchstpersönliche nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO, welche auch keinerlei Bevollmächtigung zulasse. Eine Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung führe das Registergericht nicht durch.

Der Gläubiger stellt den

„Antrag gem. § 887 Abs. 1 ZPO“.

Die Schuldnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Vollstreckung der Verpflichtung richte sich nicht nach den Vorschriften der ZPO, sondern sei allein durch das Registergericht durchzuführen.

II.

1.

Der Antrag des Gläubigers ist nach dem Inhalt der Antragsschrift dahingehend zu verstehen, dass er die Ermächtigung begehrt, die von der Schuldnerin nach Nr. 4 des Tenors des Urteils vom 24.09.2021 geschuldete Handlung selbst vorzunehmen.

2.

Der Antrag ist jedoch unzulässig, denn die Vollstreckung der Verpflichtung nach § 887 ZPO ist nicht statthaft. Die Einreichung der Gesellschafterliste zur Aufnahme in den Registerordner ist keine vertretbare Handlung im Sinne des § 887 Abs. 1 ZPO.

Eine vertretbare Handlung im Sinne des § 887 Abs. 1 ZPO liegt vor, wenn sie irgendein anderer als der Schuldner in der Weise vornehmen kann, dass rechtlich und wirtschaftlich der gleiche Erfolg erzielt wird, als hätte sie der Schuldner vorgenommen. Bei der Abgrenzung ist in erster Linie auf die Interessen des Gläubigers abzustellen, also darauf, ob er ein rechtlich geschütztes Interesse daran hat, dass gerade der Schuldner die Handlung vornimmt, oder ob es ihm wirtschaftlich gleichgültig und vom Standpunkt des Schuldners rechtlich zulässigist, dass ein anderer die Handlung vornimmt (vgl. BGH NJW-RR 2009, 443; Musielak/Voit/Lackmann, 18. Auflage 2021, ZPO § 887 Rn. 8; Gruber in MüKoZPO, 6. Auflage 2020, § 887 Rn. 9).

Nach den Interessen des Gläubigers kommt es hier zwar nicht darauf an, dass die Gesellschafterliste gerade durch die Schuldnerin vertreten durch ihren Geschäftsführer zum Handelsregister eingereicht wird. Entscheidend ist für ihn, dass die Liste in den Registerordner aufgenommen wird und die Wirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG eintritt.

Die Vornahme der Handlung durch einen Dritten muss jedoch auch rechtlich zulässig sein (vgl. BGH NJW 1995, 463, 464; MüKoZPO/Gruber, 6. Auflage 2020, ZPO § 887 Rn. 12). Das ist hier nicht der Fall. Die Anmeldung von Veränderungen der Gesellschafter ist nach § 40 Abs. 1 GmbHG durch den Geschäftsführer der GmbH oder nach § 40 Abs. 2 GmbHG durch einen mitwirkenden Notar vorzunehmen. Dabei handelt es sich um eine höchstpersönliche Verpflichtung, die eine Vertretung nicht zulässt (vgl. BbgOLG Beschluss vom 12.02.2013, Az. 7 W 72/12, NZG 2013, 507, 508; ThürOLG Beschluss vom 05.07.2011, Az. 6 W 82/11, NZG 2011, 909, 910; Heidinger in MüKoGmbHG, 3. Auflage 2019, § 40 Rn. 176; Servatius in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Auflage 2019, § 40 Rn. 35; Heilmeier in BeckOK, 49. Edition Stand 01.08.2021, § 40 GmbHG Rn. 141).

Die Kammer hat erwogen, ob die Frage im Rahmen des Vollstreckungsrechts anders zu beurteilen ist als im Rahmen des Registerrechts. Eine rechtsgeschäftliche Vertretung wird bei solchen gegenüber dem Handelsregister abzugebenden Erklärungen für unzulässig gehalten, für deren Richtigkeit der Anmeldende in zivilrechtlicher (§§ 46, 48 AktG; §§ 9a, 57a IV GmbHG) und strafrechtlicher Hinsicht (§ 399 AktG, § 82 GmbHG) verantwortlich ist (BayObLG NJW 1987, 136f.; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth, 9. Aufl. 2019, HGB § 12 Rn. 5), weil im Fall der Stellvertretung die zivil- und strafrechtliche Haftung des Erklärenden zweifelhaft wäre. Wird der Geschäftsführer einer GmbH jedoch aufgrund eines Gerichtsurteils im Wege der Zwangsvollstreckung gezwungen, eine in dem Urteil festgelegte Erklärung abzugeben, so dürfte seine zivil- oder strafrechtliche Haftung für die Richtigkeit dieser Erklärung ausscheiden, weil er für den Inhalt der ihm vorgegebenen Erklärung nicht verantwortlich ist. Die Gründe, die dazu führen, dass eine Erklärung im Registerrecht als höchstpersönliche und eine Stellvertretung ausschließende Handlung betrachtet wird, bestehen daher im Fall der Zwangsvollstreckung aus einem Gerichtsurteil nicht in gleicher Weise.

Im Ergebnis der Beratung folgt die Kammer dennoch der wohl herrschenden Meinung, wonach es sich bei der Einreichung der Gesellschafterliste auch im vollstreckungsrechtlichen Sinn um eine höchstpersönliche und damit unvertretbare Handlung des Geschäftsführers im Sinne des § 888 ZPO handelt (vgl. BeckOK GmbHG/C. Jaeger, 49. Edition 01.08.2021, GmbHG § 78 Rn. 10; Lieder GmbHR 2016, 189, 192; MüKoGmbHG/Herrler, 3. Auflage 2018, GmbHG § 78 Rn. 41; Noack/Servatius/Haas/Beurskens, 23. Auflage 2022, GmbHG § 78 Rn. 17). Dafür spricht entscheidend, dass sämtliche weiteren Erklärungen, die zum wirksamen Vollzug der Einreichung der Gesellschafterliste im Rahmen des registergerichtlichen Verfahrens erforderlich sind, nur durch den Geschäftsführer oder durch einen mitwirkenden Notar abgegeben werden können. Beanstandungen, die das Registergericht im Rahmen einer Zwischenverfügung gegen den Eintragungsantrag erhebt, können daher nur sie beheben, nicht aber der Gläubiger, da dessen Ermächtigung durch den Wortlaut des Titels begrenzt wäre.

3.

Der Antrag des Gläubigers war darüber hinaus auch deshalb zurückzuweisen, weil der Inhalt des Tenors zu Nr. 4 des Urteils vom 24.09.2021 nicht vollstreckbar ist. Die als Anlage in das Urteil aufgenommene Gesellschafterliste kann nicht in den für die Schuldnerin geführten Registerordner aufgenommen werden, denn sie entspricht nicht der Form des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Die Liste benennt entgegen § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG in der seit dem 23.06.2017 geltenden Fassung nicht die durch den jeweiligen Nennbetrag jedes Geschäftsanteils vermittelte jeweilige prozentuale Beteiligung am Stammkapital. Zwar ist aus den Nennbeträgen der beiden Anteile und der Angabe des Stammkapitals rechnerisch ohne Weiteres errechenbar, dass jeder der Anteile einen prozentualen Anteil von 50 % am Stammkapital vermittelt. Nach dem klaren Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG reicht die bloße Bestimmbarkeit der Angaben jedoch nicht aus. Ansatzpunkte für eine systematisch-teleologische Reduktion des Wortlauts, wonach es entscheidend auf die Bestimmbarkeit dieser Angaben anhand der übrigen Angaben in der Liste ankommen solle, bestehen nicht (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.10.2017, Az. 31 Wx 299/17, juris Rn. 3; BeckOK GmbHG/Heilmeier, 49. Edition 01.08.2021, GmbHG § 40 Rn. 34a).

Damit ist die Aufnahme der dem Urteil vom 24.09.2021 beigefügten Gesellschafterliste in den Registerordner in der derzeitigen Form unzulässig. Der Inhalt der Anlage zu dem Urteil vom 24.09.2021 kann im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nicht geändert werden. Das ist gegebenenfalls im Rahmen des Erkenntnisverfahrens durch eine entsprechende Klageänderung im laufenden Berufungsverfahren möglich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 891 Abs. 1 ZPO.