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Entscheidung 7 W 37/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 23.03.2022
Aktenzeichen 7 W 37/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0323.7W37.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 21. Februar 2022 aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, über den Eintragungsantrag erneut zu entscheiden und dabei die in diesem Beschluss dargelegte Rechtsauffassung zu beachten.

Gründe

Der Antragsteller hat sich in seiner Satzung (§ 2 I) „die Förderung, Entwicklung und Zusammenarbeit der deutschen Wirtschaft[,] insbesondere des Mittelstandes“ zum Ziel gesetzt. Zum „Zweck eines regen Erfahrungsaustausches“ diene das „Verbinden von mittelständischen Unternehmen untereinander“, der „Ausbau einer Vernetzung zum gegenseitigen Nutzen“ und die „Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit Unternehmen und Selbstständigen aus Ländern der europäischen Union“. Weil der Antragsteller diese Zwecke verwirklichen will durch „Veranstaltung von Workshops und Seminaren“, „Herstellung von Kontakten“, „Erschließung von Zugängen zu … Förderprogrammen“, „Recherche von Möglichkeiten der Präsentation und Weiterentwicklung“ und „Erschließung von Möglichkeiten zur Steigerung der Kosteneffizienz in Zusammenarbeit mit den beratenden Berufen“, hat das Amtsgericht gemeint, die Mitglieder des Antragstellers erhielten als Gegenleistung für ihren Mitgliedsbeitrag Unterstützung für ihre Unternehmen, die sie auf dem Markt nur gegen Entgelt erwerben könnten. Damit übe der Antragsteller eine wirtschaftliche, unternehmerische Tätigkeit auf einem inneren, nur seinen Mitgliedern zugänglichen Markt aus und dürfe nicht als Idealverein in das Vereinsregister eingetragen werden.

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist begründet.

§ 21 BGB steht der Eintragung des Antragstellers in das Vereinsregister nicht entgegen. Der Zweck des Antragstellers ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet.

Eine gerade für Zweifelsfälle ausreichend trennscharfe Kombination von Tatbestandsmerkmalen lässt sich nicht durch Auslegung des einzigen im Gesetz vorgesehenen Unterscheidungsmerkmals ermitteln, nach dem maßgeblich sein soll, ob der Vereinszweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (§§ 21, 22 BGB). Die Typologie zur Vereinsklassenabgrenzung anhand von Haupt- und Nebenzweck, planmäßig organisiertem Handelsgewerbe, Gewinnerzielungsabsicht, marktgängigem Angebot im inneren oder äußeren Markt stößt gerade dort an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, wo sie am dringendsten gebraucht wird, nämlich bei der Einordnung von Grenzfällen (vgl. MüKo-BGB-Leuschner, 9. Aufl. 2021, §§ 21 f. Rdnr. 19, 21, 35 ff.; BeckOGK-BGB-Segna, Stand: Jan. 2022, § 21 Rdnr. 102 ff.; Staudinger-Schwennicke, BGB, Neub. 2019, § 21 Rdnr. 43 ff.; Erman-Westermann, BGB, 16. Aufl. 2020, § 21 Rdnr. 4 ff.). Es wird dabei bleiben müssen, die wirtschaftliche von der ideelen Zwecksetzung durch eine wertende Betrachtung einzelner Eigenarten der jeweils zu beurteilenden Satzungsregelung und ihrer tatsächlichen Anwendung zu unterscheiden. Dabei können von Fall zu Fall verschiedene Anforderungen an diese Unterscheidung in den Vordergrund treten.

Die Differenzierungsmerkmale sowohl eines sogenannten inneren Marktes als auch des dem äußeren Markt vergleichbaren Angebots eignen sich entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nur unzureichend, um einen wirtschaftlichen von einem nicht wirtschaftlichen Verein zu unterscheiden. Ideele Zwecke werden nicht allein dadurch zu wirtschaftlichen, dass sie auch im Wettbewerb mit anderen zum Gegenstand gewinnorientierten Handelns gemacht werden könnten (vgl. exemplarisch für die weiteren sog. Kita-Beschlüsse: BGH, NJW 2017, 1943, Rdnr. 19). Ein Verein betreibt daher nicht allein deshalb einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, weil er seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, die sie auch bei am Wettbewerb teilnehmenden Wirtschaftsunternehmen gegen Entgelt beziehen könnten (Sauter/Schweyer/Waldner-Neudert/Waldner, eV, 21. Aufl. 2021, Rdnr. 43). Andererseits wird der auf eine Leistung gerichtete Zweck nicht allein dadurch zu einem ideellen, dass der Verein sich mit seinem Angebot allein an seine Mitglieder wendet, sich so auf den inneren Markt beschränkt und eventuell keinen marktüblichen Wettbewerb mit gewerblichen Anbietern gleichartiger Leistungen betreibt.

Der Senat hält in der Fallkonstellation eines Angebots marktgängiger Leistungen an die Vereinsmitglieder Abgrenzungskriterien für tauglich, die auf eine für das berechtigte Gewinnstreben eines Unternehmens im Wettbewerb untypische weitere Zwecksetzung hindeuten. Einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entspricht eher eine Anonymität der Leistungsbeziehung, in der das Mitglied dem Verein in einer Rolle als Kunde wie ein anonymer Marktteilnehmer gegenübertritt (BeckOGK-BGB-Segna, § 21 Rdnr. 109 f.; Sauter/Schweyer/Waldner-Neudert/Waldner, Rdnr. 43 a). Auf einen ideellen Zweck deutet das Ziel hin, die Vereinsleistungen nicht in Vereinzelung nach je eigenem, selbst und allein bestimmtem und verwirklichtem Bedürfnis des einzelnen Mitglieds in Anspruch zu nehmen, sondern Nutzung und Verwendung der vom Verein gebotenen Ressourcen als eine gemeinschaftliche, aufeinander bezogene Tätigkeit zu verstehen, um in dieser Gemeinschaft einen weiteren, über den bloßen Leistungsbezug hinausreichenden Zweck zu finden. Auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist danach der Zweck eines Beschaffungsvereins gerichtet, der Preisvorteile großer Kauf-, Nutzungs- oder anderer Erwerbsverträge in Anspruch nimmt und dem seine Mitglieder im sogenannten inneren Markt oder Binnenmarkt wie anonyme Kunden gegenüberstehen, die den Vorteil der Mitgliedschaft allein in der Weitergabe des Preisvorteils sehen. Das gemeinsame Benutzen der gemeinsam beschafften Ressourcen unterscheidet den Idealverein von einer solchen bloßen Beschaffungsgemeinschaft, Einkaufszentrale oder Konsumgenossenschaft mit unternehmerischem Charakter (Senat, NJW-RR 2020, 227, Rdnr. 5, 10). Schließlich weist es auf einen ideellen Zweck und auf einen Unterschied zur vereinsmäßig strukturierten Mitunternehmerschaft (Schmidt, Rpfleger 1972, 286, 288) hin, wenn die Mitglieder nicht am etwaigen wirtschaftlichen Erfolg der Vereinsleistungen beteiligt sind (vgl. zum Aspekt des Gläubigerschutzes und zur umfangreichen Diskussion um die sog. Kita-Beschlüsse des BGH: MüKo-BGB-Leuschner, §§ 21 f. Rdnr. 26 ff., 44; Staudinger-Schwennicke, § 21 Rdnr. 47 ff.).

Dieses letztgenannte Merkmal eines Idealvereins erfüllt der Antragsteller durch das im § 2 V der Satzung ausdrücklich angeordnete Ausschüttungsverbot. Überschüsse dürfen nur zur Förderung des Vereinszwecks verwendet oder Rücklagen zugeführt werden. Das weist auf ein dem Gläubigerschutz dienliches hohes Eigenkapital hin und auf das für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht typische Vermeiden unternehmerischen Risikos.

Auch die weitere – oben schon wiedergegebene – Regelung zur Zwecksetzung und Zweckerreichung erfüllt die Anforderungen an einen Idealverein. Das Leistungsangebot des Antragstellers gleicht dem Angebot auf dem Markt der Unternehmensberater: Er will Workshops und Seminare veranstalten, Recherche über Entwicklungsmöglichkeiten betreiben, zu besserer Betriebsorganisation anleiten und Kontakte zu Kapitalgebern herstellen. Der Antragsteller hat es sich aber nicht zum Ziel gesetzt, diese Leistungen nur anzubieten oder seinen Mitgliedern Vetragsgelegenheiten mit Wettbewerbern auf dem Markt der Unternehmensberater zu vermitteln. Er beschreibt diese den Mitgliedern angedienten Tätigkeiten und Leistungen als die Mittel des Erfahrungsaustausches, des Verbindens und Vernetzens der Mitglieder untereinander. Die Mitglieder des Antragstellers sollen die beschriebenen Leistungen nicht in Anspruch nehmen, um zu wirksamer Konkurrenz angeleitet zu werden, sondern um einen gegenseitigen Nutzen gemeinsamen Vorgehens zu erkennen. Der gemeinschaftstiftende Zweck der gemeinsam in Anspruch genommenen Unterweisung und Anleitung weist ausreichend über eine bloße Beschaffungs- oder Vermittlungstätigkeit hinaus, um den Antragsteller als Idealverein einordnen zu können.

Es ist aus den im Eintragungs- und Beschwerdeverfahren eingereichten Stellungnahmen des Antragstellers nicht ersichtlich geworden, dass der tatsächlich durchgeführte Geschäftsbetrieb von den Satzungsregelungen abwiche.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtsgebühren entstehen dem erfolgreichen Beschwerdeführer nicht. Eine Kostenerstattung zu seinen Gunsten ist nicht vorgesehen.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 II FamFG), besteht nicht.