Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 06.04.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 L 179/22 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2022:0406.3L179.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 14. März 2022 wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 10. März 2022 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. März 2022 wiederherzustellen
und die am 3. Februar 2022 erfolgte Fortnahme der in ihrem Eigentum stehenden Hunde „...“ und „...“ aufzuheben und ihr den Besitz an den Tieren zu verschaffen,
hat keinen Erfolg.
Der auf § 80 Abs. 5 Satz 1 und 3 VwGO gestützte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die in Ziffer 1 und 2 des Bescheids vom 4. März 2022 angeordnete Veräußerung bzw. Duldung der Veräußerung der am 3. Februar 2022 fortgenommenen Hunde sowie auf Aufhebung (Rückgängigmachung) der Vollziehung ist unzulässig. Dem Antrag fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Verwaltungsakt vollzogen ist, eine Rückgängigmachung der Vollziehung offensichtlich ausgeschlossen ist und der Eintritt der aufschiebenden Wirkung dem Antragsteller auch sonst keinen Vorteil bringt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 136). Das ist hier der Fall, da eine mögliche Folgenbeseitigung leerläuft. Die Beseitigung der Folgen des hoheitlichen Handelns durch Rückgabe der Tiere an die Antragstellerin wäre dem Antragsgegner wegen des Eigentumübergangs der Tiere an den Tierschutzverein ... e.V. nicht mehr möglich. Dieser hat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausreichenden, aber auch gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage Eigentum an den beiden Hunden erworben. Dabei kann dahinstehen, ob der Eigentumserwerb gemäß § 929 Satz 1 BGB durch Übergabe und Übereignung erfolgte, weil der Antragsgegner als Berechtigter anzusehen ist (vgl. Berger in Jauernig, 18. Aufl. 2021, BGB § 932 Rn. 1, 10; Kindl in BeckOK BGB, Stand: 1.2.2022, § 929 Rn. 39), oder hier unter den Voraussetzungen des §§ 929, 932 BGB gutgläubig geschah (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2018 – OVG 5 S 13.18 -, juris, Rn. 3; Beschluss vom 12. November 2014 - OVG 5 S 26.14 -, juris, Rn. 4; VG Potsdam, Beschluss vom 18. Januar 2022 - VG 3 L 415/21 -, S. 2 f. d. EA, n.v.; VG Würzburg, Beschluss vom 26. Juli 2018 - W 8 E 18.927 -, juris, Rn. 24).
Die „Übernahmeerklärung“ vom 10. März 2022 ist eingedenk der diese betreffenden Ausführungen des Antragsgegners und der Verwaltungsvorgänge dahin auszulegen, dass vereinbart war, die Hunde an den Tierschutzverein ... e.V. zu übereignen. Zwar heißt es in der Übernahmeerklärung, die Hunde gehen mit der Übernahme durch den Tierschutzverein in dessen „Besitz“ (statt „Eigentum“) über. Da der Besitz mit der Übergabe einer Sache ohnehin wechselt, ergibt eine entsprechende Vereinbarung hierüber aber wenig Sinn. Vielmehr dürfte die juristisch unzutreffende Formulierung dem Umstand geschuldet sein, dass die Übernahmeerklärung von der juristisch nicht gebildeten Amtlichen Tierärztin Frau ...verfasst wurde. Dies belegt auch eine von ihr verfasste Gesprächsnotiz vom 9. Juli 2021 (Bl. 34 d. VV) im Zusammenhang mit der im Juli 2021 erfolgten Wegnahme der Hunde „...“ und „...“, die sich auch zu diesem Zeitpunkt bei der Mutter der Antragstellerin befanden. In der Gesprächsnotiz wird vermerkt, die von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen würden plausibel darlegen, dass sie „Besitzer“ (gemeint ist: „Eigentümerin“) der Hunde sei, vor einer Rückgabe an sie aber noch eine Vorortkontrolle durchgeführt werde. Bestärkt wird die Annahme eines hier vereinbarten Eigentumübergangs durch die ebenso in der Übernahmeerklärung aufgenommenen Hinweise, die Hunde dürften mit ihrer Übergabe an den Tierschutzverein vermittelt werden und für den Antragsgegner sollten neben der Übernahmepauschale keine weiteren Kosten anfallen. Denn wäre von einer bloßen Besitzübertragung auszugehen, dürfte der Tierhalter gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG zu den Kosten der pfleglichen Unterbringung herangezogen werden. Auch die Stellungnahme des Antragsgegners vom 24. März 2022 verdeutlicht, dass ein Eigentumsübergang beabsichtigt und vereinbart war. Dies teilt der Antragsgegner darin ausdrücklich mit.
Dieser war zur Eigentumsübertragung auf der Grundlage des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG auch berechtigt. Die für sofort vollziehbar erklärte Veräußerungsanordnung des Antragsgegners vom 4. März 2022 lässt als rechtsgestaltender Verwaltungsakt die rechtliche Befugnis zur Eigentumsübertragung auf die Behörde übergehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2018 - OVG 5 S 13.18 -, juris, Rn. 3; Beschluss vom 12. November 2014 - OVG 5 S 26.14 -, juris, Rn. 4). Sofern dieser mangels Eigentums an den Hunden als Nichtberechtigter anzusehen sein sollte (vgl. § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB: „wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört“), bestand vor dem Hintergrund der auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG gestützten sofort vollziehbaren Veräußerungsanordnung kein Anlass, den guten Glauben des Erwerbers in die Verfügungsbefugnis des Antragsgegners in Frage zu stellen. Auch begründet die Wegnahme der Hunde aufgrund der gegenüber der Mutter der Antragstellerin am 3. Februar 2022 verfügten Fortnahmeanordnung kein dem gutgläubigen Eigentumserwerb entgegenstehendes Abhandenkommen, vgl. § 935 Satz 2 BGB (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2018 - OVG 5 S 13.18 -, juris, Rn. 3, m.w.N.; VG Bayreuth, Urteil vom 2. Februar 2021 - B 1 K 19.449 -, juris, Rn. 105).
Die Folgen der Veräußerung können durch den Antragsgegner faktisch und (öffentlich-) rechtlich nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es liegt auch nicht in dessen öffentlich-rechtlicher Rechtsmacht, den jetzigen Besitzer der Hunde zu deren Wiederüberlassung an die Antragsteller zu bewegen (vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 2. Februar 2021 - B 1 K 19.449 -, juris, Rn. 106 m.w.N.). Die allenfalls vage Aussicht, dass der Antragsgegner die Veräußerung mit dem Tierschutzverein ... e.V. einvernehmlich rückabwickelt, reicht für die Annahme des Rechtsschutzbedürfnisses nicht aus (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2018 - OVG 5 S 13.18 -, juris, Rn. 4).
Es sei angemerkt, dass die Antragstellerin, wie sie selbst ausführt, die Hunde „...“ und „...“ vom Tierschutzverein wieder abkaufen könnte. Unabhängig davon, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, könnte ein Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs bzw. ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung in Erwägung gezogen werden. Solche Ansprüche sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern wären auf dem Zivilrechtsweg vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Der gesetzliche Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 Euro wurde aufgrund des nur vorläufigen Charakters der begehrten Eilentscheidung in Anwendung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Hälfte in Ansatz gebracht.