Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung S 49 AS 533/17


Metadaten

Gericht SG Potsdam 49. Kammer Entscheidungsdatum 13.01.2022
Aktenzeichen S 49 AS 533/17 ECLI ECLI:DE:SGPOTSD:2022:0113.S49AS533.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 22 SGB 2, § 45 SGB 10, § 48 SGB 10

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Notwendige außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem Leistungen für den Zeitraum vom Juni 2016 bis September 2016 teilweise in Höhe von insgesamt 600,00 Euro aufgehoben werden.

Der Kläger stand im streitgegenständlichen Zeitraum im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. Er stellte am 07. März 2016 den Weiterbewilligungsantrag ab April 2016, mit dem er als Kosten der Unterkunft 722 Euro Grundmiete sowie 300 Euro Nebenkosten ohne weitere Heizkosten angab (Bl. 382). Er reichte am 12. April 2016 Kontoumsätze vom Oktober bis 1. April 2016 ein, aus denen drei Lastschriften am 15. März 2016 des Vermieters über je 1.022 Euro hervorgehen sowie drei Wiedergutschriften über diese Höhe sowie eine Überweisung vom 07. März 2022 an den Vermieter in Höhe von 722 Euro mit dem Betreff „Miete März 2016“. Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 14. April 2016 gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft des Klägers, dem temporär dessen Kinder angehören, Leistungen nach dem SGB II, unter anderem für Juni 2016 in Höhe von 1.796,40 Euro, für Juli 2016 von 2.016,90 Euro, für August 2016 von 1.842,70 Euro und für September 2016 von 1.426,00 Euro und erkannte Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich insgesamt 1.022,00 Euro an (Bl. 648). Mit abschließender Entscheidung durch Änderungsbescheid vom 15. September 2016 bewilligte der Beklagte endgültige Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft des Klägers und bestätigte die vorläufig bewilligten Leistungen für Juni 2016 bis August 2016 und gewährte höhere abschließende Leistungen für September 2016 in Höhe von 1.950,40 Euro (Bl. 712). Mit Änderungsbescheid vom 21. September 2019 änderte der Beklagte die Leistung für den Monat September 2016 nochmals zugunsten des Klägers ab und bewilligte nunmehr 1.959,40 Euro. Der endgültigen Bewilligung lagen die anerkannten Kosten der Unterkunft aus der vorläufigen Bewilligung zugrunde.

Auch mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 13. September 2016 ab Oktober 2016 (Bl. 719) gab der Kläger an, als Kosten der Unterkunft entstünde eine Grundmiete von 764 Euro, Nebenkosten von 134 Euro und Heizkosten von 124 Euro, insgesamt 1.022,00 Euro. Die Verwaltungsakte enthält ab Blatt 721, eingereicht am 15. September 2016, Kontoauszüge des Klägers ab Mitte Juni 2016 mit sämtlichen Kontobewegungen, unter anderem für Mietzahlungen: Abbuchung von 872 Euro am 29. August 2016 für Verwendungszweck: „Miete September (1022 minus 150 Minderung)“, von 872 Euro am 05. August 2016 für Verwendungszweck: „Miete August (1022 minus 150 Minderung)“ und von 887 Euro am 30. Juni 2016 für Verwendungszweck: „Miete Juli 2016 (Miete 1022 minus 300 Minderung) plus Restzahlung Stellplatz 165“. Am 30. September 2016 übersandte der Kläger dem Beklagten ein Schreiben des Vermieters vom 20. Juli 2016 zu offenen Forderungen/Mietrückständen (Bl. 775) sowie Email-Verkehr. Darin führte der Vermieter aus, dass eine Mietminderung von 30 % nicht vertretbar sei und er auf rechtliche Schritte bei Nichtreaktion auf das Schreiben bis zum 6. August 2016 hinweise. In einer Email an den Kläger vom 26. Juli 2016 führte der Vermieter (R M der Firma G-GmbH) aus, dass eine 15 %ige Minderung bis zur Mängelbeseitigung akzeptiert werden könne. Ferner fügte der Kläger weitere Kontoumsätze über eine Zahlung von 722 Euro am 2. Juni 2016 mit dem Verwendungszweck: „Miete Juni 2016 minus Minderung wegen Instandhaltung- und Reparaturstaus“ sowie über die Zahlung von 722 Euro bei Einbehalt von je monatlich 300 Euro der Miete für Dezember 2015 bis Mai 2016 bei.

Nach Vorlage der Kontoauszüge vom 30. September 2016 an den Beklagten hörte dieser den Kläger zu einer beabsichtigten teilweisen Aufhebung der Leistungen nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 SGB X für April 2016 bis Mai 2016 in Höhe von monatlich 300 Euro, und von Juni 2016 bis September 2016 in Höhe von monatlich 150 Euro, insgesamt von 1.200 Euro, an (Bl. 810). Dabei gab der Beklagte an, der Antragsteller habe Einkommen erzielt, dass teilweise zum Wegfall seines Anspruchs geführt habe und er sie nach § 60 SGB I verpflichtet, der Behörde alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Pflicht sei er zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen. Auf die Anhörung trug der Kläger vor, er müsse den Betrag zurückhalten für unter Umständen geschuldete Miete bei einem eventuellen Rechtsstreit (Bl. 825).

Mit Aufhebungs- und Bewilligungsbescheid vom 6. Dezember 2016 hob der Beklagte die Leistungen des Klägers für den Zeitraum Juni 2016 bis September 2016 teilweise in Höhe von monatlich 150 Euro, insgesamt 600 Euro, auf (Bl. 830). Zur Begründung führte er aus, Änderungen der Mietzahlung seien nicht mitgeteilt worden, die für die Leistungsbewilligung erheblich gewesen seien. Die Entscheidung stützte er auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 SGB X.

Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2017 als unbegründet zurück. Er führte ergänzend aus, es läge ein Fall des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB X vor, da der Kläger seiner Mitteilungspflicht zu wesentlichen Änderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Der Bedarf an Kosten der Unterkunft und Heizung sei durch die Mietminderung verringert worden.

Der Kläger hat hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben. Er trägt vor, die Mietminderung sei aufgrund von Mängeln in der Wohnung erfolgt. Dabei habe der Beklagte Kenntnis von der Mietminderung gehabt unter Verweis auf übersandte Kontoauszüge am 12. April 2016 im Zeitraum Oktober 2015 bis April 2016 (Bl. 612 der Verwaltungsakte). Kontoauszüge hätten bereits vor der Bewilligung der Leistungen vorgelegen, so dass es sich seiner Ansicht nach um einen anfänglichen rechtswidrigen Bescheid handelte. Dabei sei § 45 SGB X einschlägig. Hierzu fehle es an der Anhörung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid des Beklagten vom 06. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dem Kläger treffe eine Mitteilungspflicht für die geänderten Umstände. Er habe sich erstmals in der Anhörung zur Mietminderung geäußert, Bl. 810, 825 der Verwaltungsakte. Im Übrigen ist er der Ansicht, dass § 45 SGB X und § 48 SGB auf dieselbe Rechtsfolge abstellen und es damit einer Anhörung nach § 45 SGB X nicht bedürfe.

Die Klageforderung des Beklagten ist Gegenstand der zwischenzeitlich angemeldeten Forderungen im Insolvenzverfahren geworden über insgesamt 6.770,86 Euro des Klägers (laufende Nr. 2 laut Bl. 1690 der Verwaltungsakte).

Der Kläger hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass der Vermieter keine Forderungen aus dem Mietverhältnis aufgrund der Mietminderungen geltend gemacht hat und diese inzwischen auch verjährt seien.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 04. November 2020 und vom 27. November 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten (13 Bände zu AZ:) sowie das Protokoll über die nichtöffentliche Sitzung vom 22. Juli 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu vorab ihr Einverständnis erteilt hatten, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist unbegründet. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1) Rechtsgrundlage für die gesamte streitgegenständliche Rücknahmeentscheidung ist § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 SGB X.

a) Die Abgrenzung des Anwendungsbereiches von § 45 SGB X einerseits und § 48 SGB X andererseits erfolgt danach, ob der Bescheid schon anfänglich, nämlich im Zeitpunkt des Eintritts seiner Wirksamkeit gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X durch Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten rechtswidrig war (BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - juris RdNr 15 mwN). Es kommt insofern auf die objektive Sachlage bei Bekanntgabe des Bescheides an. Dies gilt auch, wenn später Erkenntnisse zu Tage treten, die erstmals die Rechtswidrigkeit des erlassenen Bescheides erkennen lassen (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 25/07 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 8 RdNr 20 f). Fließt Einkommen vor Bekanntgabe des die Leistung bewilligenden Bescheides zu, kann es nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zu einer Rücknahme des Bewilligungsbescheides kommen (BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - juris RdNr 16; Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 45 RdNr 57).

Für die Anfänglichkeit der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, die den Anwendungsbereich des § 45 SGB X eröffnet, kommt es, wenn ein früherer Verwaltungsakt geändert worden ist, auf die Sachlage im Zeitpunkt des letzten Änderungsverwaltungsaktes an (vgl. BSG, B 4 AS 46/20 vom 8.12.2020, Rdn. 16 -juris). Dies ist hier die Sachlage zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des endgültigen Bewilligungsbescheides vom 15. September 2016 und für den Monat September der Bekanntgabe des Änderungsbescheides vom 21. September 2016.

§ 45 SGB X ist maßgeblich, da bei Bekanntgabe der aufzuhebenden Bescheides die verringerten Bedarfe für Kosten der Unterkunft bereits objektiv bestanden. Dabei ist die Kammer überzeugt, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Miete aufgrund der Mietminderung des Klägers in den Monaten Juni 2016 bis September 2016 um jeweils 150 Euro verringert waren.

Tatsächliche Aufwendungen für eine Wohnung liegen nicht nur dann vor, wenn die Miete bereits gezahlt wurde und nunmehr deren Erstattung verlangt wird, sondern es genügt, dass der Leistungsberechtigte im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 1; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn 46; Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, § 22 Rn 43). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer Nichtzahlung der Miete regelmäßig die Kündigung und Räumung der Unterkunft droht. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (so insgesamt BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 1), vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2014 – L 11 AS 621/13 –, Rn. 30, juris). Eine Ausnahme bildet indes die Mietminderung des Klägers. Es handelt sich hier nicht um eine vom Kläger gegenüber seinem Vermieter erklärte, aber offensichtlich unwirksame Mietminderung, die den Bedarf für Unterkunft nicht entfallen lässt (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 22, Stand: 12.01.2022, Rn. 59 mit Verweis auf Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2014 – L 11 AS 621/13 –, Rn. 26, juris). Der Vermieter hat gegenüber dem Kläger eine Mietminderung um 15 % akzeptiert, was sich bereits aus der Email an den Kläger vom Juli 2016 ergibt. Dass der Kläger trotzdem bei einem Rechtsstreit einer nachträglichen Zahlungspflicht ausgesetzt wäre, hätte nach Überzeugung der Kammer Auswirkung auf den aktuellen Bedarf im Monat der Nachzahlungsverpflichtung nach der gerichtlichen Feststellung. Daran ändert auch nicht, dass die Miete grundsätzlich in dem jeweiligen Monat fällig wird. Im Recht der Grundsicherung findet in vielen Fällen eine Abweichung zur Anrechnung und Fälligkeit anderer Rechtsgebiete statt, da hier in der Regel auf den Monat des Zuflusses bzw. des entstandenen Bedarfs als Zahlungsverpflichtung abgestellt wird. Zweck der Grundsicherungsleistungen ist es, laufende aktuelle Bedarfe zu decken. Im Falle einer berechtigten, zumindest nicht offenkundig missbräuchlichen Minderung der Miete sind daher nur die tatsächlichen Aufwendungen von § 22 SGB II erfasst.

Unabhängig davon, dass der Kläger den einbehaltenen Betrag auch nicht tatsächlich vorgehalten hat, so dürfte ein solches Vorhalten auch nicht im Rahmen des SGB II von § 22 Abs. 1 SGB II gedeckt sein. Weder das Ob, noch der Zeitpunkt einer Zahlungspflicht an den Vermieter für den vorgehaltenen Betrag wäre klar und auch nicht, ob ein vorgehaltener Betrag überhaupt noch vorhanden wäre, wie es bei dem Kläger nicht nachgewiesen werden konnte. Damit ist es nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte erneut für die Kosten aufkommen müsste. Im Falle der berechtigten Minderung wäre indes eine Rückabwicklung an den Beklagten angezeigt, dessen Ausgang von einem weiterhin bestehenden Leistungsbezug und der Kenntnis von diesen Tatsachen sowie einer zeitlichen Komponente des § 45 SGB X abhinge. Dem Kläger droht indes kein Nachteil, wenn bei späterer Zahlungsverpflichtung an den Vermieter (eines zuvor aus der übernommenen Miete herausgenommenen Betrages aufgrund der Minderung) eine Nachzahlung an den Vermieter zu erfolgen hat und entsprechend nachgewiesen wird. Denn diese Kosten wären bei fortgesetztem Leistungsbezug gem. § 22 SGB II zu berücksichtigen. Darauf hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid auch zutreffend hingewiesen.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er gemäß § 45 Abs. 1 SGB X auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Im Anwendungsbereich des SGB II sind gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II die Vorschriften des Dritten Buches über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und 4 SGB III) entsprechend anwendbar. Einschlägig ist hier § 330 Abs. 2 SGB III. Danach ist, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der Verwaltungsakte vom 15. September 2016 und vom 21. September 2016 liegen vor.

b) Die formellen Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 15. September 2016, teils in der Fassung vom 21. September 2016, sind gegeben. Der Kläger ist ordnungsgemäß angehört worden. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, das heißt, auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSG, Urteil vom 28. März 2013 – B 4 AS 59/12 R –, juris, Rn. 15). Hier hat der Beklagte den Kläger zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X angehört, weil der Beklagte von einer Änderung der Verhältnisse nach Erlass des endgültigen Bewilligungsbescheides ausging. Unschädlich ist, dass der Beklagte den Kläger nicht zu den Voraussetzungen des einschlägigen § 45 SGB X angehört hat, sondern nur zu den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Anhörung nur darauf an, dass die Behörde zu den nach ihrer materiell-rechtlichen Rechtsauffassung erheblichen Umständen anhört, auch wenn diese falsch sein sollte (vgl. BSG, AZ: B 4 AS 46/20 vom 08. Dezember 2020, Rn. 20 – zitiert nach juris - mit weiteren Verweisen).

c) Der Umstand, dass der Beklagte seine Rücknahmeverfügungen fehlerhaft auf § 48 SGB X gestützt hat, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide. Stützt die Behörde ihre Entscheidung auf eine falsche Rechtsgrundlage, sind aber für den Erlass des Verwaltungsaktes die Voraussetzungen der zutreffenden Rechtsgrundlage erfüllt, handelt es sich bei gebundenen Verwaltungsakten lediglich um eine unzutreffende Begründung des Verwaltungsaktes (BSG vom 29.6.2000 - B 11 AL 85/99 R - BSGE 87, 8, 12 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9 S 30 f - juris RdNr 23 mwN; BSG vom 24.6.2020 - B 4 AS 10/20 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 23 RdNr 25). Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das "Auswechseln" dieser Rechtsgrundlagen durch das Gericht grundsätzlich zulässig (BSG, B 4 AS 46/20 vom 08. Dezember 2020, Rn. 21 – zitiert nach juris mit weiteren Nachweisen).

Die Voraussetzungen für die zwingende Rücknahme der Leistungsbewilligungen mit Wirkung für die Vergangenheit sind auch insoweit gegeben, als die Bewilligungen auf zumindest grob fahrlässigen Angaben des Klägers im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X beruhten. Der Kläger hatte zumindest grob fahrlässig die laufende Mietminderung im streitigen Zeitraum Juni 2016 bis September 2016 vor Bekanntgabe der hier maßgeblichen Bewilligungsbescheide im September 2016 nicht mitgeteilt. Auch in dem im September 2016 im zeitlichen Zusammenhang stehenden Weiterbewilligungsantrag ab Oktober 2016 hatte er eine Änderung der Miete aufgrund Minderung nicht angegeben. Der Kläger konnte sich dabei auch nicht auf im Rahmen der Weiterbewilligungsanträge überlassene Kopien von Kontoumsätzen als ausreichende Mitwirkungshandlung berufen oder auf seinen Vortrag auf Unkenntnis einer Anrechnung stützen. Letzteres spielt keine Rolle für das Bestehen einer Mitwirkungsverpflichtung, geänderte Tatsachen mitzuteilen, sondern bezieht sich auf die rechtliche Einordnung derer. Der Beklagte hat hier in den angegriffenen Bescheiden ausgeführt, denen die Kammer vollumfänglich zustimmt, dass der Kläger wusste oder hätte wissen müssen, dass die Minderung um monatlich 150 Euro den bewilligten Anspruch teilweise verringert. Der Einbehalt von 150 Euro im Monat erfolgte aufgrund der bewussten Verminderung der Mietzahlung durch den Kläger, so dass eine Unkenntnis ausgeschlossen werden kann. Aufgrund der Höhe ist der Betrag auch so wesentlich, dass es einen spürbaren Zuwachs monatlich bedeutete und das Verschweigen jedenfalls grob fahrlässig war.

Der Kläger hat keine weiteren Zahlungen auf die Monate Juni 2016 bis September 2016 vorgetragen und belegt. Damit waren die tatsächlichen Aufwendungen in diesen Monaten auf insgesamt 872 Euro beschränkt.

Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt. Danach muss die Behörde den Verwaltungsakt in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, zurücknehmen. Der Aufhebungsbescheid vom 06. Dezember 2016 liegt offenkundig innerhalb dieser Jahresfrist.

2) Die Erstattungsforderung findet ihre Grundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind, soweit - wie hier - ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Einwendungen gegen den Erstattungsbescheid liegen nicht vor. Der Vermieter hat gegen die erfolgte Mietminderung in der vollzogenen Höhe keine Einwendungen erhoben, so dass der Kläger auch nicht doppelt zur Zahlung herangezogen wird. Hier droht nach der Verjährung der Mietforderungen auch keine Forderung des Vermieters mehr.

Die Erstattungsforderung ist nach Erlass des Bescheides Gegenstand der Insolvenztabelle geworden. Dies tangiert die Rechtmäßigkeit des vor dem eröffneten Insolvenzverfahrens erlassenen Erstattungsbescheides nicht. Jedoch gelten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO), wonach gem. § 89 Abs. 1 InsO während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners die Zwangsvollstreckung zulässig ist. Damit droht für den Kläger nach Rechtskraft keine Vollstreckung.

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.