Gericht | LG Potsdam 2. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 02.02.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 2 O 291/19 | ECLI | ECLI:DE:LGPOTSD:2022:0202.2O291.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Das Versäumnisurteil vom 25.11.2020 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 30.240,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.04.2018 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 3.989,65 € nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2021 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme derjenigen der Säumnis des Klägers im Termin am 25.11.2020, die dieser allein trägt.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
7. Der Streitwert wird auf 34.229,65 € festgesetzt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Versicherungsleistungen für Mietausfall nach einem Brandschaden sowie für Einlagerungs-, Transport- und Montagekosten für eine Einbauküche.
Der Kläger ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft …straße … in … (im folgenden WEG). Er ist Eigentümer der in diesem Gebäude belegenen Dachgeschosswohnung, welche er mit Vertrag vom 25.02.2014 an den Zeugen P. (im Folgenden Mieter) zu einem Bruttomietzins i.H.v. 1080,00 € vermietete (für Einzelheiten des Mietvertrages wird auf Bl. 217 ff. GA Bezug genommen). Für das Gebäude besteht bei der Beklagten eine Gebäudeversicherung zur Nr. 405 84 460136237 mit Vertragsbeginn 01.01.2015 (Anl. K1, Bl. 6 ff. GA). In diesem Vertrag wurden die Versicherungsbedingungen für die Gebäudeversicherung VGB 2010 einbezogen (Bl. 42 ff. GA). Versicherungsnehmerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Versicherungsschutz umfasste unter anderem die Gefahr des Feuers und sah eine Mietausfallentschädigung für die Dauer von maximal 36 Monaten vor (Ziff. II. 1.6 der Allgemeinen Bestimmungen zum Versicherungsvertrag, Bl. 21 GA, sowie Abschnitt A § 9 Ziff. 1. und 2. VGB 2010, Bl. 47, 48 GA). In § 9 Ziff. 2. b) des Abschnitts A der VGB 2010 heißt es: „Mietausfall oder Mietwert werden nur insoweit ersetzt, wie der Versicherungsnehmer die mögliche Wiederbenutzung nicht schuldhaft verzögert.“ (auf Bl. 48 GA wird Bezug genommen). Am 31.03.2015 brach ein Feuer in dem Nachbarhaus …straße … aus. Dieses griff auf das Gebäude der Versicherungsnehmerin …straße …9 über und beschädigte die Dachgeschosswohnung des Klägers. Die Wohnung ist bis heute nicht nutzbar. Der Mieter zahlte aufgrund dessen seit April 2015 keinen Mietzins mehr. Der Mietvertrag ist beendet. Mit Faxnachricht vom 26.05.2015 teilte die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft, die G. Immobilien & Hausverwaltung, Y…G... (im Folgenden WEG-Verwalterin) der Beklagten mit, dass der Kläger ermächtigt werde, den Mietausfall für seine Dachgeschosswohnung sowie die Kosten für die Demontage, den Abtransport, die Lagerung, den Antransport, den Wiedereinbau und die Reinigung der Einbauküche in der Dachgeschosswohnung direkt bei der Beklagten geltend zu machen; dieses Schreiben ist der Beklagten zugegangen (auf Anl. K5, Anlagenband, sowie auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 18.03.2021, Bl. 232 GA, wird Bezug genommen). Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 12.04.2017 den anwaltlichen Vertretern des Klägers mit, dass sie für den Mietausfall des Klägers einen Sanierungszeitraum von acht Monaten zugrunde lege und hierfür einen Betrag von 8640,00 €, was dem Bruttomietzins für den Zeitraum von acht Monaten entspreche, als Entschädigung leiste, sowie, dass sie 1.050,00 € für die Kosten betreffend die Einbauküche leiste. Der Kläger wandte sich gegen die von der Beklagten angenommene Wiederherstellungsdauer und forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 30.10.2017 erfolglos zu weiteren Entschädigungszahlungen auf.
Der Kläger meint, die Beklagte schulde den weiteren Mietausfall einschließlich fortlaufender Mietnebenkosten, denn die Wohnung des Klägers sei während der gesamten Haftzeit von 36 Monaten nicht nutzbar gewesen und sei es – unstreitig – bis heute nicht. Weiter habe die Beklagte die Kosten für Einlagerung, Transport und Montage der in seiner Wohnung einbauten Küche in Höhe von 3.989,65 € zu übernehmen. Der Mietausfallschaden für 36 Monate abzüglich bereits geleisteter Entschädigung betrage 30.240,00 €, die hiesige Klageforderung. Er meint weiter, die Klausel in § 9 Ziff. 2 b) Abscnitt A VGB 2010, wonach der Mietausfall nur insoweit ersetzt werde, wie der Versicherungsnehmer die mögliche Wiederbenutzung nicht schuldhaft verzögere, sei unwirksam. Die Beklagte habe außergerichtlich seine Aktivlegitimation stets akzeptiert, wie sich aus der vorgerichtlichen Korrespondenz ergebe. Die Wohnungseigentümergemeinschaft habe im Übrigen mit Beschluss vom 19.07.2019 die hier streitgegenständlichen Ansprüche an ihn abgetreten (auf Anlage K 23, Bl. 170 GA, wird Bezug genommen). Der Anspruch auf Versicherungsleistung bestehe auch bei erfolgtem Auszug des Mieters. Der Kläger habe auch keinesfalls die Wiederherstellung seiner Wohnung schuldhaft verzögert. Die Wohnung sei grundsätzlich gut vermietbar, es sei daher abwegig, dass er die Wiedervermietung schuldhaft habe verhindern wollen; er trage letztlich den nach Ablauf des Haftzeitraumes entstandenen Schaden. Er habe vielmehr diverse Maßnahmen teilweise auf eigene Kosten ergriffen, um eine zügige, fachgerechte und ordnungsgemäße Wiederherstellung zu ermöglichen; hierzu habe unter anderem die Einholung der erforderlichen Baugenehmigung gehört (für Einzelheiten des Vortrages hierzu wird auf Seiten 5 ff. der Replik, Bl. 156 ff. GA, Bezug genommen). Das von dem von der Beklagten beauftragten Gutachter freigegebene Angebot der Firma B. vom 15.04.2015 sei wegen der massiven Schäden an dem Gebäude …straße … nicht realisierbar gewesen; eine fachgerechte Schadensanierung einschließlich der erforderlichen Dekontamination sei auf der Grundlage dieses Gutachtens nicht möglich gewesen. Die Wiederherstellungsdauer von sieben Monaten sei daher viel zu kurz bemessen gewesen (für Einzelheiten des Vortrages hierzu wird auf Seiten 6 ff. der Replik, Bl. 157 ff. GA Bezug genommen). Der erste Kostenanschlag des nunmehr beauftragten Architekturbüros habe sich auf rund 277.000,00 € und damit auf fast das Vierfache des Angebotes der Firma B. belaufen. Derzeit werde mit Kosten von rund 200.000,00 € geplant, wobei mit Nachträgen zu rechnen sei. Die Wohngeldzahlungen, die auf den Mieter umlegbar gewesen wären, fielen weiter ihm zur Last. Nach dem klaren Wortlaut der VGB 2010 habe die Beklagte auch die Mietnebenkosten, die hier 130,00 € betrügen, zu ersetzen.
Nachdem die ursprüngliche Klage, mit dem der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 30.240,00 € nebst Zinsen an ihn begehrt hat, mit Versäumnisurteil vom 25.11.2020 abgewiesen worden ist (auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2020, Bl. 177 ff., wird Bezug genommen) und der Kläger gegen dieses Versäumnisurteil frist- und formgerecht Einspruch eingelegt hat,
beantragt der Kläger klageerweiternd nunmehr,
das Versäumnisurteil vom 25.11.2020 aufzuheben;
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 30.240,00 € nebst jährlichen Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2017
sowie 1242,84 € nebst jährlichen Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der ursprünglichen Klage
und weitere 3989,65 € nebst jährlichen Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 25.11.2020 aufrechtzuerhalten und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte meint, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Versicherungsnehmerin sei die Wohnungseigentümergemeinschaft. Eine eventuelle Ermächtigung der Wohnungseigentümergemeinschafts-Verwalterin, die Versicherungsleistung geltend zu machen, gelte nicht für den hier streitgegenständlichen Mietausfall (für die weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf Seite 2 und 3 der Klageerwiderungsschrift, Bl. 106 ff., Bezug genommen). Der Mietausfall des Klägers sei im Übrigen ausreichend reguliert. Der Kläger lege schon nicht dar, dass überhaupt noch ein Mietverhältnis bestehe. Der Kläger habe die Schadenswiederherstellung vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig, verzögert, indem er überzogene Anforderungen an die Schadensbeseitigung stellte, um möglichst lange Mietausfallentschädigung zu erhalten, sodass die Beklagte nach den Versicherungsbedingungen Abschnitt A § 9 Ziff. 2. b) und § 8 Ziff. 3. a) VGB 2010 leistungsfrei sei. Sie, die Beklagte, habe dagegen sich sofort um die Schadensbeseitigung gekümmert. Sie habe ein auf Brandschäden spezialisiertes Unternehmen herangezogen, das ein Angebot zur umfassenden Schadensbeseitigung vorgelegt hat. Dieses Angebot habe sie durch einen Sachverständigen prüfen lassen. Der Sachverständige habe das Angebot in Höhe von seit 72.404,88 € brutto am 22.04.2015 freigegeben. Diese auch im Hinblick auf eventuell erforderliche Beseitigungen von Kontaminierungen mit Schadstoffen ausreichende Baumaßnahme hätte daher innerhalb eines Zeitraumes von weiteren sieben Monaten abgewickelt werden können. Der Kläger habe jedoch durch immer weitere Forderungen an die Eigentümergemeinschaft und auch an die Beklagte die Aufnahme der Arbeiten in seiner Wohnung und insbesondere am Gemeinschaftseigentum verhindert (für weitere Einzelheiten des Vortrages hierzu wird auf Seiten 5 ff. der Klageerwiderungsschrift, Bl. 109 ff. GA, sowie auf Seiten 4 ff. des Schriftsatzes vom 18.03.2021, Bl. 233 ff. GA, Bezug genommen). Insbesondere bedurften die erforderlichen Wiederherstellungsmaßnahmen keiner Baugenehmigung. Es leuchte ein, das Mietausfall nur für die Dauer einer so verstandenen erforderlichen Baumaßnahmen geschuldet sei, wie sie sich in vergleichbaren Fällen und ortsüblich darstelle. Vorsorglich bestreite sie, dass die fortlaufenden Nebenkosten 130,00 € betrügen. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit weitere 130,00 € an Betriebskostenvorauszahlungen tatsächlich nach Auszug der Mieter über weitere 28 Monate angefallen seien. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für Transport-, Einlagerung und Montage der Einbauküche sei verjährt und die Antragstellung verspätet. Es handele sich bei diesen Kosten nicht um zur Schadensbeseitigung notwendige Kosten. Der Kläger war im Übrigen bereits vor Verzugseintritt anwaltlich vertreten, so dass vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten nicht geschuldet seien. Auch die Bezugnahme auf den Vortrag mit Schriftsatz vom 18.11.2020 sei verspätet (auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 18.03.2021, Bl. 232 GA, wird Bezug genommen).
Die Klageschrift ist der Beklagten am 06.11.2019 zugestellt worden.
Für Einzelheiten des weiteren Vortrages der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Das klageabweisende Versäumnisurteil vom 25.11.2020 war aufzuheben (§ 343 S. 2 ZPO). Die Klage ist insgesamt zulässig und begründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Umstellung des ursprünglich angekündigten Feststellungsantrages (auf Bl. 203 ff. GA wird Bezug genommen) bezüglich der Kosten für Einlagerung, Transport und Montage der Einbauküche auf den nunmehr gestellten Leistungsantrag zulässig gem. § 264 Nr. 2 ZPO. Verspätung liegt insoweit nicht vor. Die Vorschriften zur Verspätung sind auf Anträge nicht anwendbar. Ein Antrag ist kein Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne des § 296 ZPO.
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 34.229,65 € gem. § 1 VVG i.V.m. dem Gebäudeversicherungsvertrag zur Nr. 405 84 460136237 mit Beginn 01.01.2015.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 30.240,00 € Mietausfallschaden nach § 9 Ziff. 1. Buchst. a) der in den vorgenannten Versicherungsvertrag einbezogenen VGB 2010.
Der Kläger ist insoweit aktivlegitmiert. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben der WEG-Verwalterin vom 26.05.2015, Anl. K5. Dort wird durch die WEG-Verwalterin ausdrücklich mitgeteilt, dass der Kläger ermächtigt sei, die hier geltend gemachten Forderungen direkt bei der Beklagten geltend zu machen. Dass diese Ermächtigung sich nur auf die außergerichtliche Regulierung des Mietausfallsschadens beziehen soll, ist diesem Schreiben nicht zu entnehmen. Die Ermächtigung wird dort auch nicht auf einen Schadensbetrag begrenzt. Vielmehr teilt die WEG-Verwalterin ausdrücklich mit dass der Mietausfall für die Dachgeschosswohnung des Kläger und die Kosten für die Kosten für Montage, Transport und Lagerung der Einbauküche direkt von dem Kläger bei der Beklagten geltend gemacht werden dürften. Das Schreiben der WEG Verwalterin vom 17.06.2015 (Anl. B1, Bl. 114 GA) steht dem nicht entgegen. Dieses bezieht sich erkennbar nicht auf die hier geltend gemachten Forderungen. Ebenso steht nicht entgegen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 08.05.2015 den Kläger aufgefordert hat, die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Geltendmachung von weiterem Mietausfall beizubringen (Anl. B2, Bl. 115 GA). In diesem Schreiben heißt es zwar, dass die Beklagte die Zahlungsfreigabe der Wohnungseigentümergemeinschaft benötige, wenn der dort betroffene Mietausfall Schadensbetrag direkt an den Kläger ausgezahlt werden solle. Das Ermächtigungsschreiben der WEG Verwalterin ist aber zeitlich dem nachgefolgt. Daraus ergibt sich, dass auf die entsprechende Anfrage der Beklagten über den Kläger die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch ihre Verwalterin, den Kläger uneingeschränkt ermächtigt hat, die hier streitgegenständlichen Forderungen gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Die Beklagte hat in der Folge außergerichtlich über den in dem Schreiben vom 08.05.2015 erwähnten Betrag von 3.800,00 € hinaus weitere Versicherungsleistungsbeträge wegen Mietausfalls, nämlich insgesamt 8.640,00 €, an den Kläger ausgezahlt und die weitere Korrespondenz über die Vertreter des Klägers geführt. Daran muss sie sich festhalten lassen. Darauf, dass der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, mit dem diese ihrer entsprechenden Ansprüche wirksam an den Kläger abgetreten hat (Anlage K 23, Bl. 175 GA) zeitlich nachfolgend vom 10.07.2019 stammt, kommt es danach nicht mehr an.
Dass der Versicherungsfall hier eingetreten ist, ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Beklagte ist nicht leistungsfrei. Auch eine verhältnismäßige Kürzung der Versicherungsleistung kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat die Wiederbenutzung seiner streitgegenständlichen Dachgeschosswohnung nicht schuldhaft verzögert. Fraglich ist bereits, ob hier ein Verhalten des Klägers maßgeblich sein kann. Unstreitig ist nicht der Kläger Versicherungsnehmer, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch hier nicht an.
Soweit die Beklagte hier auf eine schuldhaft verzögerte Schadenswiederherstellung abstellt, deckt sich dies nicht mit der Formulierung in § 9 Ziff. 2. b) Abschnitt A VGB 2010. Dort heißt es, dass der Mietausfall nur insoweit ersetzt werde, wie der Versicherungsnehmer die mögliche Wiederbenutzung nicht schuldhaft verzögere. Nicht zwingend ist, dass zur Herstellung der Wiederbenutzung einer Mietwohnung eine vollständige Schadensbeseitigung erforderlich ist. Dies kann hier jedoch dahinstehen, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Dachgeschosswohnung des Klägers nach dem Brand im März 2015 vollständig nicht nutzbar ist. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beklagte auf die Wiederbenutzung der Wohnung im Sinne von § 9 Ziff . 2. b) Abschnitt A VGB 2010 abstellen will.
Maßgebliche Regelung für die Frage, ob der Kläger einer Schadensminderungsobliegenheit in dem oben dargestellten Sinne schuldhaft nicht nachgekommen ist, ist hier allerdings nicht § 9 Ziff . 2. b) Abschnitt A VGB 2010, sondern § 82 Abs. 1, 3 VVG, nach der der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen hat und bei vorsätzlicher Verletzung dieser Obliegenheit der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, beziehungsweise im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Versicherer berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Die Klausel in § 9 Ziff . 2. b) in Abschnitt A der VGB 2010 ist unwirksam gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, so dass insoweit die gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind. Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen, da sie zum einen mit den wesentlichen Grundgedanken der §§ 28, 32 VVG sowie § 82 VVG nicht zu vereinbaren ist und zum anderen auch intransparent und widersprüchlich ist. Nach § 9 Ziff. 2. b) ist der Versicherer von der Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer eine mögliche Wiederbenutzung bereits einfach fahrlässig verzögert. Denn dort heißt es, dass der Mietausfall nur insoweit ersetzt werde, wie die mögliche Wiederbenutzung nicht schuldhaft verzögert werde. Dies widerspricht dem Rechtsgedanken des §§ 28 Abs. 1 VVG, nachdem eine fristlose Kündigung des Versicherungsvertrages im Falle der Obliegenheitsverletzung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit zulässig ist. Nach Abs. 2 des § 28 VVG ist Leistungsfreiheit des Versicherers nur dann möglich, wenn eine vertragliche Obliegenheit vorsätzlich verletzt worden ist. Im Falle der groben Fahrlässigkeit ist eine verhältnismäßige Leistungskürzung vorgesehen. Der Begriff „schuldhaft“ in der Regelung des § 9 Ziff. 2. b) umfasst aber gemäß § 276 BGB bereits die einfache Fahrlässigkeit. Sie sieht weiter die Leistungsfreiheit des Versicherers vor, ohne dass dort als mildere Sanktion eine verhältnismäßige Leistungskürzung möglich ist. Gemäß § 32 VVG kann zum Nachteil des Versicherungsnehmers nicht von den Regelungen des § 28 VV G abgewichen werden. Weiter verstößt § 9 Ziff. 2. b) des Teils A VGB 2010 gegen den Rechtsgedanken des § 82 VVG. Die Versicherungsbedingung sieht hier eine Beweislastumkehr zulasten des Versicherungsnehmers vor. Denn bei Zugrundelegung der versicherungsnehmerfeindlichsten Auslegung, hat der Versicherungsnehmer zu beweisen, dass er eine mögliche Wiederbenutzung nicht schuldhaft verzögert hat, denn nach dieser Klausel soll bei Fehlen des Verschuldens geleistet werden. Da der Versicherungsnehmer grundsätzlich die Voraussetzungen für die Leistungspflicht des Versicherers zu beweisen hat, hätte er hier auch sein „Nichtverschulden“ zu beweisen. Nach der gesetzlichen Regelung in § 82 Abs. 3 S. 2 letzter Halbsatz VVG hat der Versicherungsnehmer jedoch nur das Nichtvorliegen der groben Fahrlässigkeit zu beweisen, das Vorliegen der vorsätzlichen Verletzung einer Rettungsobliegenheit hat dagegen der Versicherer zu beweisen (vgl. Langheid/Wandt/Looschelders, 2. Aufl. 2016, VVG § 82 Rn. 82, beck-online). Letztlich ist die Klausel auch intransparent, denn sie steht im Widerspruch zu der Klausel § 8 Ziff. 3. in Abschnitt B der VGB 10 (Bl. 58 GA), die entsprechend § 82 VVG eine Leistungsfreiheit des Versicherungversicherers nur bei vorsätzlicher und ein Recht zur verhältnismäßigen Leistungskürzung nur bei grob fahrlässiger Verletzung einer Vertragsobliegenheit vorsieht.
Hier ergibt sich aus den Behauptungen der Beklagten bereits nicht eine vorsätzliche Verzögerung einer möglichen Wiederbenutzung der Dachgeschosswohnung des Klägers im Sinne des § 82 Abs. 1, 3 VVG. Vorsatz im Sinne des §§ 82 Abs. 3 VVG setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer zum einen Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalles hat, was hier unproblematisch zu bejahen ist. Weiter muss der Normadressat es zumindest für möglich halten, dass sein Verhalten eine Obliegenheit aus dem betreffenden Versicherungsvertrag verletzt. Dabei reicht es aus, dass der Versicherungsnehmer die Verletzung der Rettungsobliegenheit billigend in Kauf genommen hat (vgl. Langheid/Wandt/Looschelders, 2. Aufl. 2016, VVG § 82 Rn. 63, beck-online).
Die Beklagte trägt jedoch nur vor, der Kläger habe durch immer weitere Forderungen an die Eigentümergemeinschaft und auch an die Beklagte die Aufnahme der Arbeiten in seiner Wohnung und insbesondere am Gemeinschaftseigentum verhindert, um möglichst lange Mietausfallentschädigung geltend machen zu können. Er habe die Schäden im Bereich seiner Wohnung mit der Versicherung selbst regulieren wollen, womit die Eigentümergemeinschaft aber nicht einverstanden gewesen sei. Er habe eine Baubegleitung durch einen Bauingenieur verlangt. Im Oktober 2015 habe er Gutachten und Untersuchungen wegen möglichen Brandfolgeschäden und Kontaminierungen verlangt sowie eine Dokumentation des Zustandes seiner Wohnung vor Baubeginn. Darüber hinaus habe er die Auffassung vertreten, für die Schadensbeseitigung Arbeiten am Gebäudebereich seiner Wohnung sei eine Baugenehmigung erforderlich. Die Durchführung der Schadensbeseitigungsarbeiten durch das von ihr beauftragte Unternehmen B. sei dem Kläger aber zumutbar gewesen, sodass hier auch nur für den prognostizierten Zeitraum von acht Monaten Mietausfallschaden zu zahlen sei. Daraus ergibt sich jedoch nicht eine vorsätzliche Verzögerung einer möglichen Wiederbenutzung durch den Kläger. Dass der Kläger eine Herstellung der möglichen Wiederbenutzung seiner Wohnung innerhalb der von der Beklagten auf der Grundlage des von dem Gutachter der Beklagten am 22.04.2015 freigegebenen Angebotes des Unternehmens B. prognostizierten Zeitraumes von acht Monaten für möglich hielt und quasi wider besseres Wissen unter billigender Inkaufnahme einer Verzögerung der Wiederbenutzbarkeit die vorstehend beschriebenen Anforderungen an die Bauausführung stellte, um von der Beklagten weitere Versicherungsleistungen zu erhalten, ergibt sich daraus gerade nicht. Es ist vielmehr unstreitig zwischen den Parteien, dass der Kläger die von der Beklagten geplanten Schadensbeseitigungsmaßnahmen für vollständig unzureichend hielt und hält.
Wollte man hier als Normadressaten nicht auf den Kläger, sondern auf die Wohnungseigentümergemeinschaft als eigentliche Versicherungsnehmerin abstellen, ist jedenfalls festzuhalten, dass ein Verhalten der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst, das auf eine vorsätzliche Verzögerung der möglichen Wiederbenutzung schließen ließe, hier jedenfalls nicht vorgetragen ist, ohne dass es darauf hier ankommt. Ebenso kommt es nach den obigen Ausführungen nicht darauf an, inwieweit das Verhalten des Klägers der Versicherungsnehmerin zuzurechnen ist.
Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass dem Kläger hier grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Aus den insoweit vorstehend geschilderten und auch im Übrigen unstreitigen Umständen zu den Anforderungen des Klägers an die Maßnahmen zur Schadensbeseitigung ergibt sich kein besonders schwerer Verstoß des Klägers gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit in § 82 Abs. 3 S. 2 letzter Halbsatz VVG bemisst sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Der Versicherungsnehmer – hier der Kläger – muss die im Verkehr erforderliche Sorgfalt objektiv in besonders hohem Maße und subjektiv in unentschuldbarer Weise verletzt haben. Dies ist hier nicht der Fall, auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Soweit die Beklagte auf ein Verhalten des Klägers im Dezember 2018 abstellt (für Einzelheiten wird auf Bl. 110 GA Bezug genommen) fällt dieses bereits nicht mehr in den Haftzeitraum von 36 Monaten, so das dieses für eine Verzögerung nicht relevant ist. Soweit die Beklagte hier auf einen Verstoß gegen § 8 Ziff. 3. a) des Abschnitts VGB 2010 abstellt, dringt sie damit nicht durch. Dieser liegt aus den vorstehend ausgeführten Gründen ebenfalls nicht vor.
Die Beklagte hat an den Kläger gem. Abschnitt A § 9 Ziff. 1. a) der VGB 2010 weiteren Mietausfallschaden für 28 Monate zu leisten. Dabei hat sie auch die Mietnebenkosten i.H.v. 130,00 €/Monat zu ersetzen. Darauf, dass die Dachwohnung des Klägers nicht wieder vermietet worden ist, kommt es nicht an. Die Leistungspflicht der Beklagten knüpft an die nicht bestehende Wiederbenutzung und nicht an ein bestehendes Mietverhältnis an.
Nach dieser Klausel hat die Beklagte auch die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Höhe von 130,00 € im Monat zu ersetzen. Bereits nach dem Wortlaut dieser Klausel ersetzt der Versicherer den Mietausfall einschließlich fortlaufender Mietnebenkosten, wenn Mieter von Wohn- und Gewerberäumen infolge eines Versicherungsfalles zu Recht die Zahlung der Miete ganz oder teilweise verweigert haben. Soweit die Beklagte nunmehr bestreitet, dass es sich bei dem Betrag von 130,00 € um Nebenkosten handelt, ergibt sich aus dem Mietvertrag (Bl. 218) jedenfalls dass dieser Betrag auf die monatlichen Betriebskosten im Voraus zu leisten war. Soweit die Beklagte bezweifelt, dass für die Wohnung weiter laufende Kosten anfielen, da diese unstreitig nicht wieder vermietet worden sei, ändert dies nichts. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger, wie dieser auch vorträgt, weiter mit Wohngeldzahlungen belastet ist. Es ist zwar zutreffend, dass Wohngeld sich auch aus Kosten zusammensetzt, die möglicherweise nicht auf Mieter umzulegen sind. Dem Kläger ist aber insoweit ein Schaden entstanden, als er umlegbare Kosten aufgrund der nicht Nutzbarkeit seiner Wohnung nicht auf Mieter umlegen kann. Hieraus ergibt sich ein Zahlungsanspruch für den Kläger i.H.v. 28 multipliziert mit 1080,00 € Bruttomietzins, was 30.240,00 € entspricht.
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich in soweit aus §§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB (auf das Schreiben der Beklagten vom 12.04.2017, Anlage K2, Bl. 79 GA, wird Bezug genommen).
Der auch insoweit aktivlegitimierte (auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen) Kläger hat weiter Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Montage-, Transport-, und Lagerkosten für die Einbauküche aus seiner Dachgeschosswohnung i.H.v. 3989,65 € gemäß § 7 Ziff. 1. b) des Abschnitts A VGB 2010 (Bl. 47 GA). Hierbei handelt es sich um versicherte Kosten. Nach der vorgenannten Vorschrift sind versichert die infolge eines Versicherungsfalles notwendigen und tatsächlich angefallenen Bewegungs- und Schutzkosten, die dadurch entstehen, dass zum Zweck der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung versicherter Sachen andere Sachen bewegt, verändert oder geschützt werden müssen. Soweit die Beklagte behauptet, es handele sich bei diesen Kosten um nicht notwendige Kosten, führt sie dies in keiner Weise im einzelnen aus. Es leuchtet jedoch ein, dass im Falle des – unstreitig – erheblichen Brandschadens in einer Wohnung eine dort befindliche Einbauküche zur Wiederherstellung der Wohnung von dort entfernt und eingelagert sowie nach Wiederherstellung wieder eingebaut werden muss. Im Übrigen hat die Beklagte diese Kosten vorgerichtlich bereits anerkannt. Sie hat unter dem 12.04.2017 auf diese Kosten eine Versicherungsleistung von 1050,00 € avisiert (auf Anl. K2, Bl. 79 GA, wird Bezug genommen). Der Kläger rechnet diese Versicherungsleistung auch auf den Rechnungsbetrag i.H.v. 4739,65 (auf Anlage K 25, Bl. 277 GA wird Bezug genommen) an.
Dieser Anspruch ist auch nicht verjährt. Die Beklagte hat unter dem 12.04.2017 zwar ihre Versicherungsleistung insoweit anerkannt, da sie eine Teilleistung avisiert hat (auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.). Die Verjährung dieses Anspruches war jedoch bei Zustellung der Antragsschrift vom 19.08.2021 nach wie vor gehemmt. Eine abschließende Entscheidung der Beklagten im Sinne des § 15 VVG bezüglich dieses Anspruch gegenüber der Versicherungsnehmerin wird von der Beklagten weder behauptet, noch ist diese ersichtlich.
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich hier aus § 288 Abs. 1, 291 BGB. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 30.12.2020 der Beklagten zugestellt am 18.01.2021 insoweit zunächst Feststellungsklage dahingehend erhoben, dass die Beklagte verpflichtet sei den dem Kläger die diese Kosten zu ersetzen (auf Bl. 203 ff. GA wird Bezug genommen). Der Kläger hat weiter unwidersprochen vorgetragen, diese Kosten am 08.06.2021 gezahlt zu haben (auf Bl. 274 GA wird Bezug genommen).
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1242,84 €. Die Klage war insoweit abzuweisen. Der Kläger war bereits vor Inverzugsetzung mit Schreiben vom 30.10.2017 (Anlage K4, Bl. 82 GA) anwaltlich vertreten, so dass es sich insoweit nicht um einen Verzugsschaden.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 344, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Die Entscheidung zum Streitwert beruht auf §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1, 63 GKG.