Gericht | OLG Brandenburg 2. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 04.10.2021 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 2 Reha 11/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1004.2REHA11.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der Rehabilitierungskammer des Landgerichts Potsdam vom 09. Februar 2021 aufgehoben, soweit das Landgericht darin den Wiederaufnahmeantrag des Betroffenen vom 28. Februar 2020 betreffend seine Unterbringung in dem Spezialkinderheim „T... M...“ in K... verworfen hat.
2. Die Anordnung des Jugendhilfeausschusses des Rates der Stadt P... vom 25. Mai 1968 zur Heimerziehung des Betroffenen in dem Spezialkinderheim „T... M...“ in K... (Beschl.Reg.Nr. …/1968) wird für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.
3. Es wird festgestellt, dass der Betroffene in der Zeit vom 31. August 1968 bis zum 28. Februar 1970 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.
4. Im Übrigen wird die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 09. Februar 2021 als unbegründet verworfen.
5. Verfahrenskosten werden nicht erhoben. Die dem Betroffenen in beiden Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt.
I.
1. Der 1954 geborene Betroffene besuchte seit dem Schuljahr 1961/1962 die polytechnische Oberschule a... in P...-B.... Bereits kurz nach seiner Einschulung traten Verhaltensauffälligkeiten zutage. Der Betroffene musste die 2. Klasse wiederholen. Zum 01. September 1964 wurde er wegen der aufgetretenen Erziehungsschwierigkeiten in die Oberschule b... umgeschult. Nachdem auch die dortigen Lehrkräfte ihm mangelnde Bereitschaft bescheinigt hatten, sich in das Kollektiv einzufügen, beantragte der Schulleiter der Oberschule a…, an die der Betroffene zurückgekehrt war, mit Zustimmung dessen Eltern am 23. September 1964 gegenüber dem Rat der Stadt P…, Referat Jugendhilfe, die Heimeinweisung des Betroffenen. Der Rat der Stadt P..., Referat Jugendhilfe, beauftragte daraufhin unter dem 12. November 1964 die Kinderklinik des Bezirkskrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie in B...-G... mit der Beobachtung des Betroffenen sowie Erstattung eines Berichts und einer Stellungnahme zu einer eventuellen Heimeinweisung.
Bereits am 06. Oktober 1964 war der Betroffene mit Einverständnis seiner Eltern zur stationären Beobachtung in die genannte Kinderklinik eingewiesen worden. Dort befand er sich bis zum 05. Dezember 1964. Eine auf Anraten des Jugendhilfeausschusses im Auftrag der Eltern zuvor durchgeführte ambulante Untersuchung des Betroffenen hatte keine abschließenden Ergebnisse zu der Frage nach den Ursachen für die Verhaltensauffälligkeiten erbracht.
In einem „zusammenfassenden Bericht über die pädagogische Dauerbeobachtung“ des Betroffenen vom 04. Dezember 1964 heißt es unter anderem: „L... zeigt in seinem augenblicklichen Erscheinungsbild sehr stark abartige Verhaltensweisen, die auf äußere und innere Konflikte hinweisen. Diese Konflikte haben ihre Ursache mit in einer Milieuschädigung, in einem erheblich gestörten Kind-Eltern-Verhältnis. […] Die Steigerung bis zu Zornausbrüchen in seiner Unbeherrschtheit, die Aggressionen, die auftreten, sind eine Folge davon. Zweifellos liegt ein großer Teil der Schuld bei den Eltern, die es an der nötigen Zuwendung offensichtlich fehlen ließen. […] Man muss ihnen auch vorwerfen, dass sie die Schule in keiner Weise bei der Erziehung des Jungen zu einem gemeinschaftsbetonten Verhalten unterstützten. […] Es kommt im Folgenden darauf an, die ausgeprägt tyrannischen Züge abzubauen und ihn in eine Gemeinschaft zu stellen, wo er nicht den Mittelpunkt bildet, sondern Einsicht und Unterordnung lernt. Das scheint in seinem häuslichen Milieu nicht gegeben und es wird dringend Heimeinweisung angeraten.[ …]“
Im Folgenden erreichte das Jugendhilfereferat des Rates der Stadt P... ein „Auszug aus dem Schülerbogen für Grundschulen der Schule a… P…“ vom 02. Dezember 1964, in dem es unter anderem heißt: „L... muss sich bemühen, sein unbeherrschtes Wesen abzulegen. […] Im Schuljahr 1962/63 wurde er nicht versetzt. Die Ursachen liegen darin begründet, dass L... keine Bereitschaft zum Lernen zeigte, unbeherrscht und undiszipliniert auftrat. […] [Er] verweigerte die Mitarbeit und störte den Unterricht durch lautes Singen, lautes Sprechen, verlässt den Platz. […] In der Zeit vom 4.6.64 bis zum 9.6.1964 fehlte L... 5 Tage unentschuldigt im Unterricht. […] In den darauffolgenden Tagen verließ er wiederum 2-mal eine Stunde vor Schulschluss den Unterricht. Er versuchte des Öfteren, aus der Schule auszurücken […] steigerte sich L... in seiner Unbeherrschtheit bis zu Zornesausbrüchen, die sich in Wutanfällen äußern. Dabei brüllt er, schlägt um sich, wirft Bänke und Stühle um, geht auf andere Schüler zu und schlägt mit Fäusten oder tritt mit Füßen auf sie ein. Alle greifbaren Gegenstände wirft er um sich. Außerdem beschimpft er die Lehrerin. […] Im Laufe des Schuljahres wurden ihm drei Tadel ausgesprochen. […] Eine Umschulung des Schülers halten wir, Lehrerin, Schulleitung und Elternaktiv für dringend notwendig, um auf L... durch eine neue Umgebung in einem neuen Kollektiv einzuwirken.“
Mit Abschlussbericht vom 18. Dezember 1964 empfahlen die Ärzte eine internatsmäßige Unterbringung des Betroffenen. Dies begründeten sie unter anderem wie folgt: „Die Einschulung erfolgte altersgemäß. Er fiel aber schon bald wegen großer Disziplinschwierigkeiten auf. Die 2. Klasse musste er deshalb 2 Mal durchlaufen. Er wurde im September 1964 in die 3. Klasse versetzt und fiel trotz Umschulung in eine andere Schule erneut durch sehr undiszipliniertes Verhalten auf. […] Bisher wäre das günstigste, den Jungen internatsmäßig, wenigstens in der Woche, unterzubringen. Auf keinen Fall sind wir der Auffassung, dass der Junge in ein Heim für Schwererziehbare einzuweisen ist. […] Wir stellten L... medikamentös auf 3 x 1 Dr. Propuphanin und 3 ½ Tbl. Meprobamat ein.“
In Ansehung der Ergebnisse der stationären Beobachtung und Untersuchung ordnete der Rat der Stadt P..., Referat Jugendhilfe, mit Verfügung vom 06. Januar 1965 gemäß § 63 des Jugendhilfegesetzes der Deutschen Demokratischen Republik die Heimerziehung des Betroffenen an (Vfg.Reg.Nr. 2/65). In der Verfügung ist unter anderem ausgeführt: „L... befand sich vom 6.10. bis 5.12.1964 in der Kinderklinik in B… zur Beobachtung. Die Untersuchungen ergaben abschließend, dass L... zur besseren Entwicklung seiner Persönlichkeit und zur Überwindung der derzeit schlechten schulischen Leistungen in ein anderes Erziehungsmilieu kommen muss, weil die unruhige Hortatmosphäre und die Abwesenheit der Eltern an den Nachmittagen nicht günstig auf ihn einwirken. Es wurde dringend empfohlen, L... in ein Normalkinderheim [Hervorhebung durch den Senat] zu geben mit der Maßgabe, dass ein enger Kontakt zum Elternhaus gewährleitet sein muss. Wir haben mit den Eltern die Berichte der Kinderklinik B… ausgewertet und sind übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, dass L... ab sofort in ein Kinderheim eingewiesen wird. Die Eltern gaben in der Aussprache ihre Zustimmung zur Heimeinweisung. […]“
Bereits am 02. Januar 1965 war der Betroffene in das Normalkinderheim I P...-S... verbracht worden. Nach den im Archiv der Stadt P… aufgefundenen Unterlagen gelang es in dem Kinderheim trotz enger Zusammenarbeit mit den Eltern nicht, die Schwierigkeiten im Verhalten des Betroffenen zu beseitigen – es war lediglich eine Besserung zu verzeichnen. Da festgestellt wurde, dass der Betroffene sehr an seinem Elternhaus hing und seine Mutter sich vorgenommen hatte, nur noch halbtags zu arbeiten, um Zeit für ihren Sohn zu finden, wurde der Betroffene zum Ende des Schuljahres am 05. Juli 1966 aus dem Heim in sein Elternhaus entlassen.
Ab dem 01. September 1966 besuchte er die polytechnische Oberschule c… in P...-B.... Dort traten ausweislich der Unterlagen aus dem Archiv der Stadt P… nach relativ kurzer Zeit dieselben Disziplinschwierigkeiten auf wie in den früheren Schulen.
Der Jugendhilfeausschuss des Rates der Stadt P... ordnete deshalb auf der Grundlage von § 50 des Familiengesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik und §§ 18, 23 der Jugendhilfeverordnung vom 03. März 1966 am 25. Mai 1968 die Heimerziehung des Betroffenen an (Beschl.Reg.Nr. 45/1968). In den Gründen des Beschlusses heißt es unter anderem: „Bei Ermahnungen seitens der Lehrer reagierte L... frech und herausfordernd. Er fühlte sich immer ungerecht behandelt in dem Augenblick, wo er nicht im Mittelpunkt stand. Sein Verhalten den Mitschülern gegenüber ist oft unkameradschaftlich, und er schreckt nicht davor zurück, Klassenkameraden zu schlagen bzw. sie zu bedrohen. Sein gesamtes Verhalten ist aggressiv. […] Die Schule sieht sich unter den derzeitigen Bedingungen außerstande, die Erziehung des Jungen positiv zu lenken und beantragte die Heimunterbringung. […] Im Ergebnis der Aussprachen erklärten sich die Eltern mit einer Heimunterbringung einverstanden. […]“
Aufgrund dieses Einweisungsbeschlusses befand sich der Betroffene vom 31. August 1968 bis zum 28. Februar 1970 in dem Spezialkinderheim „T... M...“ in K.... Die Unterbringung endete aufgrund eines Aussetzungsbeschlusses vom 26. Februar 1970 (Beschl.Reg.Nr. 17/1970), in dem es heißt: „Die am 25.5.1968 beschlossene Heimerziehung für L... wird ausgesetzt. Die Aussetzung der Heimerziehung gilt für die Dauer von 6 Monaten und zwar vom 1. März 1970 bis 31.8.1970. […] Die Aussetzung der Heimerziehung ist mit folgenden Verpflichtungen für L... verbunden: 1. L... erteilt dem Heimleiter des Spezialkinderheims K... jeweils am Monatsende Bericht über sein Verhalten, sein Auftreten und seine schulischen Leistungen. Den Bericht an das Kinderheim zeichnen die Eltern ab. 2. Einmal im Monat erscheint L... in der Sprechstunde des Referates Jugendhilfe und zwar mit dem Bericht an das Kinderheim. Dieser Bericht wird ebenfalls durch das Referat Jugendhilfe abgezeichnet. 3. In der Schule und außerhalb dieser soll sich L... so verhalten, dass keine Klagen über ihn geführt zu werden brauchen. 4. L... verpflichtet sich, den Abschluss der 8. Klasse zu erreichen. 5. Sollten sich in der Bewährungszeit negative Verhaltensweisen bei L... zeigen, wird er erneut der Heimerziehung zugeführt.“
2. a) Am 15. Dezember 2010, bei dem Landgericht Potsdam eingegangen am 20. Dezember 2010, beantragte der Betroffene wegen seines Aufenthalts in dem Spezialkinderheim „T... M...“ in K... seine Rehabilitierung. Zur Begründung bezog er sich insbesondere auf das ihm im ersten Schulhalbjahr 1970/1971 erteilte Zeugnis, dessen Gesamteinschätzung den Satz enthält „Gesellschaftlich steht er dem Staat nicht positiv gegenüber“ – hieraus folge, dass seine Einweisung in das Spezialkinderheim politisch motiviert gewesen sei.
Die Rehabilitierungskammer des Landgerichts unter Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landgericht Dr. Tiemann wies den Antrag mit Beschluss vom 05. Oktober 2011 (Az.: BRH 209/10) als unbegründet zurück, weil die durchgeführten Recherchen keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die Heimeinweisung des Betroffenen politischer Verfolgung oder sonstigen sachfremden Zwecken gedient habe. Die Vermutung des Betroffenen, die Heimeinweisung sei auf seine politische Haltung zurückzuführen, lasse sich nicht objektivieren. Inwieweit die angeordnete Maßnahme in einem groben Missverhältnis zu dem der Einweisung zugrunde liegenden Tatbestand stehe (§ 1 Abs. 1 Ziff. 2 StrRehaG), könne mangels konkreter Angaben zu den Einweisungsgründen nicht abschließend beurteilt werden. Schließlich habe der Betroffene keine Umstände aufgezeigt und glaubhaft gemacht, die aus anderen Gründen auf eine Unvereinbarkeit der Heimunterbringung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schließen ließen (§ 1 Abs. 1 StrRehaG).
Der Beschluss wurde, nachdem der Betroffene seine (verspätet) hiergegen eingelegte Beschwerde zurückgenommen hatte, rechtskräftig.
b) Nachdem der Heimeinweisungsbeschluss vom 25. Mai 1968 und der die Unterbringung aussetzende Beschluss vom 26. Februar 1970 aufgefunden worden waren, ersuchte der Betroffene mit Schriftsatz seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 31. Oktober 2013 um Wiederaufnahme des Verfahrens und beantragte ergänzend hierzu unter dem 28. Februar 2014 seine Rehabilitierung für die Heimunterbringung in dem Kinderheim I P...-S....
Die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Potsdam wies beide Anträge unter neuerlicher Beteiligung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Dr. Tiemann mit Beschluss vom 02. Mai 2014 (Az.: BRH 92/13) zurück und führte zur Begründung aus, bezogen auf die Unterbringung des Betroffenen in dem Kinderheim I in P...-S... lägen keine Rehabilitierungsgründe vor. Auch Gründe, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens BRH 209/10 rechtfertigen würden, das seine Unterbringung in dem Spezialkinderheim „T... M...“ in K... beträfe, habe der Betroffene nicht dargetan. Der Beschluss zur Heimeinweisung vom 25. Mai 1968 benenne die bereits bekannten Verhaltensauffälligkeiten, zudem seien die Eltern mit der Einweisung einverstanden gewesen.
Die gegen den Beschluss vom 02. Mai 2014 gerichtete Beschwerde des Betroffenen verwarf der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts am 23. September 2014 (Az.: 2 Ws (Reha) 10/14) als unbegründet (Bl. 99 ff. GA). Zur Begründung führte der Senat aus, die Unterbringung des Betroffenen in dem Kinderheim I in P...-S... begründe keinen Anspruch auf Rehabilitierung, weil für eine politische oder sonst sachfremde Motivation der einweisenden Behörden nichts festzustellen sei. Das Wiederaufnahmegesuch des Betroffenen hinsichtlich des Verfahrens BRH 209/10 sei unzulässig, weil keine neuen Tatsachen oder Beweismittel im Sinne der §§ 15 StrRehaG, 359 Ziff. 5 StPO vorlägen, die geeignet seien, seine Rehabilitierung zu rechtfertigen.
Die gegen die Entscheidungen des Landgerichts vom 05. Oktober 2011 und 02. Mai 2014 sowie des Oberlandesgerichts vom 23. September 2014 und 29. November 2016 gerichtete Verfassungsbeschwerde verwarf das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg mit Beschluss vom 16. Februar 2018 (VfgBbg 12/17).
c) Mit Schreiben vom 05. März 2018, bei dem Landgericht Potsdam eingegangen am 09. März 2018, beantragte der Betroffene seine strafrechtliche Rehabilitierung bezogen auf den Zeitraum seiner Unterbringung in der neurologischen Kinderklinik B...-G... vom 06. Oktober 1964 bis zum 05. Dezember 1964 und (insoweit erneut) den Zeitraum seiner Unterbringung in dem Kinderheim I P...-S... vom 02. Januar 1965 bis zum 05. Juli 1966. Das Verfahren wurde bei dem Landgericht Potsdam unter dem Aktenzeichen BRH 16/18 geführt.
Mit Blick auf ihre rechtskräftige Entscheidung vom 02. Mai 2014 (Az.: BRH 92/13) verwarf die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Potsdam mit Beschluss vom 03. April 2019 den Antrag des Betroffenen vom 05. März 2018, soweit er die Unterbringung in dem Kinderheim I in P...-S... betraf, als unzulässig. Bezogen auf den Aufenthalt des Betroffenen in der neurologischen Kinderklinik G… in der Zeit vom 06. Oktober 1964 bis zum 05. Dezember 1964 wies die Kammer den Rehabilitierungsantrag als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der von dem Betroffenen vorgelegte Bericht des ärztlichen Direktors der Kinderklinik vom 18. Dezember 1964 belege einen sachlichen Grund für dessen stationäre Untersuchung. Der als Kind verhaltensauffällige Betroffene sei in der Klinik diagnostisch untersucht und eingeschätzt worden. Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung oder ein aus anderen Gründen rechtsstaatswidriges Vorgehen der Behörden ergäben sich nicht.
Gegen diese Entscheidung wandte sich der Betroffene mit seiner Beschwerde vom 11. April 2019, die am 12. April 2019 bei dem Landgericht einging. Mit Beschluss vom 25. Juli 2019 (Az.: 2 Ws (Reha) 9/19) verwarf der 2. Senat für Rehabilitierungssachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts dieses Rechtsmittel als unbegründet (Bl. 187 ff. GA). Ergänzend zu den Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen er sich anschloss, führte der Senat aus, für eine sach- und zweckfremde Motivation der staatlichen Behörden der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sei nichts festzustellen. Anhaltspunkte für eine Zwangsmedikation ergäben sich nicht.
d) Mit Schreiben vom 28. Februar 2020, bei dem Landgericht Potsdam eingegangen am 03. März 2020, ergänzt durch Schreiben vom 07. März 2020, eingegangen am 11. März 2020, beantragte der Betroffene die Wiederaufnahme des zum Aktenzeichen BRH 16/18 geführten Verfahrens. Zur Begründung bezog er sich auf die „Arzneimittelstudie an Kindern“ der Krefelder Pharmazeutin Sylvia Wagner vom 14. Oktober 2019, welche die Gefährlichkeit der ihm seinerzeit ohne medizinische Indikation verabreichten Medikamente Propaphenin und Meprobamat belege. Hieraus folgend, beantragte der Betroffene „die Feststellung, dass die in Rede stehende Medikamentenverordnung über 38 Monate hinweg aufrechterhalten wurde und somit eine erhebliche Gefährdung von Leben und Gesundheit meiner Person zum Zweck von unzulässigen Medikamentenstudien“ an ihm als Heimkind entgegen und mit Fehlen jeder medizinischen Indikation vorgenommen worden seien. Der Kammer hätten weder ein Einweisungsbeschluss zu seiner Einweisung noch eine Einwilligungserklärung seiner Eltern vorgelegen. Das Beschlussregister der Stadt P… zur Einweisung von Kindern in Heime könne nunmehr eingesehen werden. Er begehre weiterhin seine strafrechtliche Rehabilitierung für die zu Unrecht verbüßten Freiheitsentziehungen und Schadensersatz für die ihm zugefügten Beschädigungen seiner Gesundheit. Zudem beantrage er aufgrund der an ihm offensichtlich vorgenommenen unzulässigen Medikamentenstudien die volle Kostenübernahme hinsichtlich aller notwendigen Behandlungskosten jetzt und in der Zukunft. In seinem Schreiben vom 07. März 2020 rügte er die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG, weil – anders als im Verfahren einer anderen Betroffenen am 06. März 2020 – anlässlich seiner Anhörung am 18. April 2018 kein Diktiergerät verwendet und kein Protokoll erstellt worden seien. Weder sei ein solches verlesen noch durch ihn genehmigt worden. Stattdessen seien nur handschriftliche Aufzeichnungen gemacht worden, gleichwohl sei im Nachhinein ein Protokoll der Anhörung „nach Tonträger“ erstellt und zur Akte genommen worden. Schließlich legte der Betroffene die ihm mit Schreiben der Stadt P… vom 20. April 2020 übersandte Verfügung des Referates Jugendhilfe des Rates der Stadt P... vom 06. Januar 1965 (Vfg.Reg.Nr. 2/65) vor.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Januar 2021 präzisierte der Betroffene seine Anträge unter ergänzender Vorlage einer „Stellungnahme des Dipl.-Psych. Dr. B... W... vom 28. Dezember 2020 zu dem pädagogischen Gutachten der Kinderklinik P… vom 18. Dezember 1964“ (Bl. 81 f. GA) wie folgt:
1. Das Rehabilitierungsverfahren zum Aktenzeichen BRH 16/18 wird wieder aufgenommen und fortgeführt, soweit dort über die Rehabilitierungsanträge entschieden worden ist
a. betreffend den Aufenthalt des Betroffenen in der Neurologischen Kinderklinik G… vom 06. Oktober 1964 bis zum 05. Dezember 1964
b. betreffend die Einweisung des Betroffenen in das Kinderheim I in P...-S... vom 02. Januar 1965 bis zum 05. Juli 1966 aufgrund der nunmehr aufgefundenen (vor läufigen) Verfügung des Rates der Stadt P..., Abteilung Volksbildung, Referat Jugendhilfe, vom 06. Januar 1965, Az.: Vfg.Reg. …/65
c. betreffend die Unterbringung des Betroffenen in dem Spezialkinderheim T…M…in K... in der Zeit von September 1968 bis zum 26. Februar 1970 aufgrund des Beschlusses des Rates der Stadt P... vom 25. Mai 1968.
2. Der Betroffene wird bezüglich der in Ziffer 1) bezeichneten Verfahren rehabilitiert.
3. Das bei dem Jugendamt der Stadt P… vorliegende und gesicherte Beschlussregister für den Zeitraum von Juni 1964 bis zum 03. Januar 1965 wird gesichtet und geprüft und zum Verfahren beigezogen.
4. Es wird festgestellt, dass die Medikation des gesunden Betroffenen während der Heimunterbringung in P… I – S… mit 3 x 1 Dragée Propaphenin und 3 x ½ Tablette Meprobamat weder indiziert noch ethisch vertretbar und mit den Grundsätzen einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar war.
Mit Beschluss vom 09. Februar 2021 verwarf die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Potsdam den Wiederaufnahmeantrag vom 28. Februar 2020 in der Fassung des Schriftsatzes vom 15. Januar 2021 (Anträge zu 1. und 2.) als unzulässig und lehnte die Anträge zu 3. und 4. sowie diejenigen auf erneute Anhörung des Antragstellers und Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ab. Zur Begründung führte die Kammer im Wesentlichen aus, die Studie der Pharmazeutin Sylvia Wagner sei nicht geeignet, allein oder in Verbindung mit den zuvor erhobenen Beweisen eine Rehabilitierungsentscheidung zugunsten des Betroffenen herbeizuführen, weil der Kammer zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Tatsache dessen medikamentöser Behandlung bekannt gewesen sei. Dafür, dass ihm zwangsweise Medikamente verabreicht worden wären, lägen entgegen der Auffassung des Betroffenen keine Anhaltspunkte vor. Soweit ihm ärztlicherseits Medikamente verschrieben worden seien, stelle dies keinen rehabilitierungsfähigen Sachverhalt dar, sodass auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zurückzuweisen sei. Die behauptete Protokolllücke greife nicht, denn es sei nicht gesetzlich vorgeschrieben, im Anhörungstermin den Inhalt der Anhörung sofort zu diktieren. Dies könne später anhand schriftlicher Notizen oder aus dem Gedächtnis erfolgen, auch könne das Protokoll ohne Diktat verschriftet werden. Bei der neurologisch-psychiatrischen Kinderklinik B...-G... und dem Kinderheim I in P...-S... habe es sich nicht um Spezialkinderheime oder diesen vergleichbare Einrichtungen gehandelt, in denen eine zwangsweise Umerziehung erfolgt sei. Der Rehabilitierungsantrag des Betroffenen bleibe aus den Gründen des Beschlusses der Kammer vom 03. April 2019 ohne Erfolg. Der Betroffene sei kurz nach seiner Einschulung wegen der in diesem Beschluss aufgeführten Disziplinschwierigkeiten eingewiesen worden. Hinsichtlich der Unterbringung in das Spezialkinderheim „T... M...“ in K... lägen konkrete Tatsachen vor, welche die Vermutungsregelung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. entkräfteten. Der Betroffene sei aufgrund seines provokativen und tätlichen Verhaltens und seiner frechen und herausfordernden Reaktion auf Ermahnungen in der Schule eingewiesen worden, er habe Mitschüler bedroht und geschlagen, sich in Wutanfälle hineingesteigert, in denen er gebrüllt und um sich geschlagen sowie Bänke und Stühle umgeworfen und andere Schüler geschlagen und getreten und mit Sachen um sich geworfen habe. Hierfür sei er allein aufgrund seiner Strafunmündigkeit nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Zudem hätten sich seine Eltern mit der Heimunterbringung einverstanden erklärt. Der Antrag, das bei dem Jugendamt geführte Beschlussregister zu sichten und beizuziehen, unterliege mangels Rechtsgrundlage hierfür der Zurückweisung. Insbesondere handele es sich nicht um einen zulässigen Beweisantrag, da die behauptete Negativtatsache nicht hinreichend konkret sei. Der Feststellungsantrag unterliege mangels Feststellungsinteresses und mangels Rechtsgrundlage der Ablehnung, einer neuerlichen Anhörung des Betroffenen bedürfe es nicht.
Gegen diesen seinem Verfahrensbevollmächtigten am 04. März 2021 zugestellten Beschluss wendet sich der Betroffene mit seiner am selben Tag bei dem Landgericht angebrachten Beschwerde. Er macht insbesondere geltend, rechtsfehlerhaft habe die Kammer die von ihm vorgelegte Stellungnahme des Dipl. Psych. Dr. B... W... vom 28. Dezember 2020 nicht in ihre Entscheidung einbezogen – hierbei handele es sich um eine neue Tatsache im Sinne des § 359 Ziff. 5 StPO. Zu den Vorgängen um seine Einweisung in P...-S... und K... sei er bislang nicht angehört worden – die Vorsitzende Richterin der Rehabilitierungskammer des Landgerichts Potsdam habe Ausführungen hierzu am 18. April 2018 in Ermangelung einer Zuständigkeit der Kammer nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts unterbunden. Er beantrage insoweit seine neuerliche Anhörung. Bereits die örtliche Lage des Heimes in P...-S... innerhalb der rechtsstaatswidrigen Grenzanlagen der Deutschen Demokratischen Republik zu West-Berlin rechtfertige die Annahme einer „vergleichbaren Einrichtung“ im Sinne des § 10 Abs. 3 StrRehaG, in der ihm die Staatsmacht des Regimes eindrucksvoll und unmissverständlich habe vor Augen geführt werden sollen. Anders als aus anderen Heimen der damaligen Deutschen Demokratischen Republik sei den dortigen Kindern eine Flucht wegen der Anlagen zur Grenzsicherung unmöglich gewesen. Die Zwangsmedikation habe mindestens dem Zweck gedient, ihn, der ein gesundes Kind gewesen sei, gesundheitlich schwer zu schädigen; auch sie unterfalle der Vermutungsregelung des § 10 Abs. 3 StrRehaG. Die im Jahr 2020 aufgefundene vorläufige Einweisungsverfügung vom 06. Januar 1965 mit einer Gültigkeit von acht Wochen beinhalte ebenfalls ein neues Beweismittel im Sinne des § 359 Ziff. 5 StPO – sie sei rechtsstaatswidrig ergangen, zudem sei ihr kein regulärer Einweisungsbeschluss gefolgt; dies sei selbst im Fall (nicht gegebenen) Einverständnisses seiner Eltern erforderlich gewesen. Deshalb sowie aufgrund des Gutachtens der Kinderklinik B...-G... („In gar keinem Fall sind wir der Meinung, dass L... in ein Heim für schwererziehbare Kinder gehört“) sei seine Aufnahme in das Spezialkinderheim schon nach dem Recht der DDR rechtsstaatswidrig gewesen. Die Darstellung seines Verhaltens in der Schule durch den angefochtenen Beschluss werde durch den „Schülerbogen“ vom 02. Dezember 1964 nicht getragen. Insgesamt seien die Voraussetzungen der Vermutungsregelung des § 10 Abs. 3 StrRehaG erfüllt.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt in ihrer Stellungnahme vom 22. April 2021, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene hat hierzu mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 11. Mai 2021 Stellung genommen. Er weist ergänzend darauf hin, dass Richter Dr. Tiemann sowohl in dem Verfahren BRH 209/10 als auch, entgegen §§ 15 StrRehaG, 23 Abs. 2 StPO, an der Entscheidung über den diesbezüglichen Rehabilitierungsantrag (BRH 92/13 Landgericht Potsdam) beteiligt gewesen sei.
II.
1. Die Beschwerde ist gemäß § 13 Abs. 1 StrRehaG statthaft und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist damit zulässig.
2. Entgegen seiner im Schreiben vom 28. Februar 2020 ausdrücklich gewählten Formulierung („Betreff: BRH 16/18, Wiederaufnahmeantrag“) wendet sich der Betroffene nicht nur gegen die gerichtlichen Entscheidungen in der Sache zum Aktenzeichen BRH 16/18 des Landgerichts Potsdam, denn verfahrensgegenständlich waren dort lediglich seine Unterbringungen in dem Bezirksklinikum B...-G... und in dem Normalkinderheim in P...-S.... Wie die mit Schriftsatz vom 15. Januar 2021 gestellten Anträge zeigen, begehrt der Antragsteller indessen auch eine Neubescheidung wegen seiner Unterbringung im Spezialkinderheim „T... M...“ in K.... Diese war nicht Gegenstand des Verfahrens zum Aktenzeichen BRH 16/18 des Landgerichts, sondern desjenigen zum Aktenzeichen BRH 209/10, zu dem sich ein erster Wiederaufnahmeantrag vom 31. Oktober 2013 verhielt, den das Landgericht mit Beschluss vom 02. Mai 2014 (BRH 92/13) zurückwies. Bezogen auf die Unterbringung in K... liegt damit ein zweiter Wiederaufnahmeantrag des Betroffenen vor. Verfahrensgegenständlich sind sonach sowohl das Verfahren BRH 209/10 als auch dasjenige BRH 16/18 des Landgerichts Potsdam.
3. Da sich der Betroffene zur Begründung seiner Anträge sowohl auf neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne des über § 15 StrRehaG entsprechend geltenden § 359 Ziff. 5 StPO beruft als auch auf die am 29. November 2019 durch das Gesetz zur Verbesserung rehabilitationsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 22. November 2019 (BGBl. I S. 1814) in Kraft getretene Änderung von § 10 des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, hier namentlich auf die neu geschaffene gesetzliche Vermutung des § 10 Abs. 3 StrRehaG n. F., war zu prüfen, ob es sich um Wiederaufnahmeanträge im Sinne der genannten Vorschriften oder um Wiederholungsanträge gemäß § 1 Abs. 6 S. 2 StrRehaG handelt.
a) Bezogen auf die von September 1968 bis Februar 1970 währende Unterbringung des Betroffenen in dem Spezialkinderheim „T... M...“ in K... aufgrund der Einweisungsverfügung des Jugendhilfeausschusses der Stadt P… vom 25. Mai 1968 (Verfahren des Landgerichts Potsdam zum Aktenzeichen BRH 16/18) ist in Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. hierzu Heßler in: Zöller, ZPO, 34. Auflage, vor § 511, Rz. 30) entgegen der landgerichtlichen Entscheidung von einem Wiederholungsantrag im Sinne des § 1 Abs. 6 S. 2 StrRehaG auszugehen. Denn aus dem Vorbringen des Betroffenen ergibt sich, dass sein früherer Antrag nach § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. Erfolg gehabt hätte. Des weiteren Erfordernisses vom Betroffenen neu beizubringender Tatsachen oder Beweismittel, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet wären, seine Rehabilitierung zu begründen (§ 359 Ziff. 5 StPO in Verbindung mit § 15 StrRehaG), bedarf es deshalb nicht.
Gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 StrRehaG ist die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat, für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben. Die Bestimmung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. stellt die Vermutung auf, dass die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken diente, wenn eine Einweisung in ein Spezialheim oder eine vergleichbare Einrichtung, in der eine zwangsweise Umerziehung erfolgte, stattfand.
Diese für den Betroffenen streitende Vermutung führt zu dessen Rehabilitierung betreffend die Einweisung in das Spezialkinderheim „T... M...“ in K....
aa) Eine die Vermutung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. begründende Heimeinweisung lag mit dem Beschluss des Rates der Stadt P..., Jugendhilfeausschuss, vom 25. Mai 1968 (Beschl.Reg.Nr. 45/1968) zur Einweisung des Betroffenen in das Spezialkinderheim „T... M...“ in K... vor. Die Einweisung des Betroffenen in das Spezialkinderheim „T... M...“ diente auf der Grundlage der gesetzlichen Vermutung sachfremden Zwecken.
bb) Die Vermutung des § 10 Abs. 3 Abs. 1 StrRehaG ist nicht widerlegt.
Vermutet das Gesetz widerlegbar eine Tatsache – hier die politische Verfolgung oder sonst sachfremde Zwecke als behördliches Motiv für die Einweisung in ein Spezialkinderheim -, führt dies zu einer Beweislastumkehr, aufgrund derer ein Antragsteller nur die Vermutungsbasis – hier die Einweisung in ein Spezialkinderheim –, nicht aber die vom Gesetz bei deren Vorliegen vermutete Tatsache beweisen muss (KG, Beschluss vom 09. August 2021, 7 Ws 31-32/21 REHA, Rz. 10; Thüringer OLG, Beschluss vom 16. November 2020, 1 Ws Reha 6/17, Rz. 17; Juris). Damit wird erreicht, dass sich die aufgrund des Zeitablaufs und des Fehlens archivierter Akten bestehende Beweisnot nicht zulasten der Betroffenen auswirkt.
Entkräftet ist die gesetzliche Vermutung nicht schon dann, wenn sie durch den Beweis ihrer möglichen Unrichtigkeit nur erschüttert wird, sondern erst, wenn sie durch den vollen Beweis ihres Gegenteils widerlegt ist, das Gericht also die Überzeugung vom Gegenteil der Vermutung gewinnt (KG a. a. O., Rz. 11; Thüringer OLG a. a. O., Rz. 17). Die Vermutung einer durch sachfremde Zwecke motivierten Heimeinweisung ist daher nur dann widerlegt, wenn positiv festgestellt werden kann, dass die Unterbringung nicht auch der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat, sondern durch rein rechtsstaatskonforme Zwecke gedeckt war (KG a. a. O.; Thüringer OLG a. a. O., Rz. 21).
Gemessen hieran ist die Vermutung des § 10 Abs. 1 S. 3 StrRehaG vorliegend nicht widerlegt.
Bei der Einrichtung „T... M...“ in K... handelte es sich um ein Spezialkinderheim der Jugendhilfe der damaligen Deutschen Demokratischen Republik. Solche Spezialheime der Jugendhilfe dienten, anders als „Normalkinderheime“ (vgl. zu diesen § 1 der Verordnung über Heimerziehung von Kindern und Jugendlichen vom 26. Juli 1951, GBl. DDR 1951, 708), die für elternlose und entwicklungsgefährdete Kinder und Jugendliche gedacht waren, der Umerziehung schwererziehbarer und straffälliger Jugendlicher sowie schwererziehbarer Kinder, deren Umerziehung in ihrer bisherigen Umgebung „trotz optimal organisierter erzieherischer Einwirkung der Gesellschaft nicht erfolgreich verlief“ (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 der Anordnung über die Spezialheime der Jugendhilfe vom 22. April 1965, GBl. DDR 1965, 368, SpezHAO). Eine die Heimeinweisung begründende Schwererziehbarkeit im Sinne von § 1 SpezHAO wurde bei Kindern angenommen, die dem Schulunterricht unentschuldigt fernblieben, sich unerlaubt aus dem Elternhaus entfernten, gegenüber Lehrern und Mitschülern rüpelhaft auftraten und Straftaten begingen (Wapler in: Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR, Expertisen im Auftrag der Bundesregierung, Berlin 2012, Expertise 1: Rechtsfragen der Heimerziehung in der DDR, Ziff. 5.1.1.2.4, Seiten 50 f., abrufbar unter: www.c...-s....de/Expertisen/Für das Bundesinnenministerium, Expertise 1).
Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen waren die in den Spezialkinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR herrschenden Zustände und Verfahrensweisen generell nicht geeignet, dem Kindeswohl zu dienen, sondern maßgeblich darauf ausgerichtet, die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen zu brechen, um aus ihnen Persönlichkeiten nach den ideologischen Vorstellungen des SED-Regimes zu formen. Zu diesem Zweck wurden schwere Menschenrechtsverletzungen planmäßig eingesetzt.
Der Alltag in den Spezialheimen war von Freiheitsbeschränkung, Menschenrechtsverletzungen, Fremdbestimmung, entwürdigenden Strafen, Verweigerung von Bildungs- und Entwicklungschancen und erzwungener Arbeit geprägt. Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen wurden zum Teil massiv beeinträchtigt und die Entwicklung der Potentiale verhindert (vgl. Laudien/Sachse in: Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR, Expertisen im Auftrag der Bundesregierung, Berlin 2012, Expertise 2: Erziehungsvorstellungen in der Heimerziehung der DDR, Ziffer 1.3, Seiten 153 ff., abrufbar unter: Christian-Sachse.de/Expertisen/Für das Bundesinnenministerium, Expertise 2). Übergriffe wie Tritte und Schläge, Kürzung der Essensrationen, Isolation und ähnliche Maßnahmen waren an der Tagesordnung (Laudien/Sachse a. a. O., Ziffer 4.7.2.5, S. 254). Die Qualität der Bildung und Ausbildung war abhängig von der Loyalität gegenüber dem System. Die Kinder und Jugendlichen sollten notfalls mit Zwang dazu gebracht werden, die Überordnung derjenigen kollektiven und gesellschaftlichen Interessen anzuerkennen, die jeweils von der SED-Führung definiert wurden. Ziel war nicht die Entwicklung der Kinder, sondern der vollständige Umbau deren Persönlichkeit im Sinne der politischen Ideologie der DDR mit einschneidenden negativen Folgen, die bewusst und gezielt in Kauf genommen wurden. Dazu zählten die psychische und physische Überforderung, die zu langfristigen Persönlichkeitsschäden führte, die Ausbildung tiefsitzender Aversionen gegenüber normalen Arbeitsanforderungen und die deutliche Reduktion von Zukunftschancen (Laudien/Sachse a. a. O.).
Der Charakter der Unterbringung in einem Spezialkinderheim als freiheitsentziehende Sanktion für gesellschaftswidriges Fehlverhalten im Sinne der politischen Führung der DDR wird vorliegend eindrücklich durch die Aussetzungsentscheidung des Rates der Stadt P..., Jugendhilfeausschuss, vom 26. Februar 1970 (Beschl.Reg.Nr. 17/1970) belegt. Danach durfte der Betroffene das Spezialkinderheim nur unter Auflagen und Weisungen verlassen, die sich wie solche eines Bewährungsbeschlusses zur Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe (§§ 56 b, c StGB) lesen. Die „Bewährungszeit“ (§ 56 a StGB) währte sechs Monate und der Betroffene hatte Weisungen zu erfüllen, die es den Behörden ermöglichten, ihn auch langfristig weiterhin zu kontrollieren („L... verpflichtet sich, den Abschluss der 8. Klasse zu erreichen“). Negative Verhaltensweisen waren mit einem „Widerruf der Bewährung“ bedroht.
Die Zustände in den Heimen waren den Behörden der DDR und den Einweisungsgremien bekannt, schließlich wurden die Spezialheime und Jugendwerkhöfe regelmäßig kontrolliert. Bis 1963 wurden die Spezialheime und Jugendwerkhöfe durch die zentrale Kommission für staatliche Kontrollen, später durch Arbeiter- und Bauerninspektoren überprüft. In den Archiven finden sich zahlreiche Prüfberichte, in denen über gravierende Missstände berichtet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass nicht nur den Verantwortlichen von Regierung und Partei bekannt war, dass es in der Heimerziehung zu massiven Rechtsverstößen kam, sondern auch den einweisenden Jugendämtern. Sie trafen ihre Einweisungsentscheidungen bewusst mit dem Ziel der Umerziehung, des Brechens der Persönlichkeit des Kindes, damit dieses sich in das sozialistische Gesellschaftsbild einfügte. Primäres Ziel war nicht der Schutz der Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen, sondern, sie nach den ideologischen Vorstellungen des Staates umzuprägen. Die DDR hat mit den Spezialheimen und Jugendwerkhöfen ein System etabliert, das der Zerstörung der Persönlichkeit der Betroffenen und nicht dem Kindeswohl gedient hat (Wasmuth, Anm. zu LG Halle ZOV 2017, 37, ZOV 2017, 38, 39).
Die auf der Grundlage dieser Erkenntnisse vom Gesetzgeber geschaffene Vermutung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. ist auf der Grundlage dieser Erkenntnisse nur dann widerlegt, wenn die Eingewiesenen zuvor durch massive Straffälligkeit aufgefallen waren oder sich gemeingefährlich verhalten hatten (KG, Beschluss vom 09. August 2021, 7 Ws 31-32/21 REHA, Rz. 23; vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss vom 22. März 2018, 2 Ws (Reh) 32/17; Rz. 6 ff. m. w. N.; Juris). In der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG (BT-Drucks. 19/14427, S. 19) ist hierzu ausgeführt: „Von der Regelwirkung der neu zu schaffenden Vorschrift kann in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg (etwa Beschluss vom 22. März 2018, Az. 2 Ws (Reh) 32/17) wegen der systematischen menschenrechtsverletzenden Mängel des Spezialheimsystems nur ausnahmsweise und nur unter engen Voraussetzungen abgewichen werden, etwa wenn der Betroffene gemeingefährlich war oder sich massiv strafbar gemacht hatte und dies Anlass der Einweisung war oder wenn bezüglich einer Einrichtung aufgrund der festgestellten Umstände der Unterbringung nachgewiesen ist, dass in dieser Einrichtung die Zerstörung der Persönlichkeit und Missachtung der Individualität der Zöglinge nicht bezweckt waren und keine menschenrechtsverletzenden Zustände herrschten. Erziehungsschwierigkeiten und Probleme im Elternhaus genügen hingegen nicht zur Abweichung von der Regelwirkung.“
Gemessen hieran, ist die zugunsten des Betroffenen streitende Vermutung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. entgegen der Auffassung des Landgerichts Potsdam nicht widerlegt. Feststellungen dahin, dass die Einweisung des Betroffenen in das Spezialkinderheim „T... M...“ anderen als sachfremden Zwecken diente, können nicht getroffen werden.
Der am 02. Dezember 1954 geborene Betroffene war zum Zeitpunkt der Anordnung seiner Unterbringung in einem Spezialkinderheim 13 Jahre alt und damit auch nach dem Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik strafunmündig (§ 65 Abs. 1 und 2 StGB/DDR). Deshalb konnte eine massive Straffälligkeit seinerseits schon rechtstheoretisch die Einweisung in ein Spezialkinderheim nicht rechtfertigen. Auch gemeingefährlich hatte sich der Betroffene nicht verhalten.
Aus der Einweisungsverfügung vom 25. Mai 1968 ergibt sich – soweit ersichtlich, zutreffend –, dass Gründe für die Anordnung Schwierigkeiten des Betroffenen, den schulischen Anforderungen zu genügen, und seine Verhaltensauffälligkeiten waren, die sich in aggressivem und tätlichem Auftreten äußerten. Der Aufenthalt im Normalkinderheim P...-S... hatte keine nachhaltige Besserung erbracht. Ein in irgendeiner Form gemeingefährliches Verhalten des Betroffenen wird an keiner Stelle der aufgefundenen Unterlagen beschrieben, allenfalls solches, das, wäre er strafmündig gewesen, dem Bereich der leichten Kriminalität zuzuordnen und entsprechend mit jugendrichterlichen erzieherischen Mitteln zu ahnden gewesen wäre.
Die festzustellenden Auffälligkeiten erlaubten es indessen nicht, den Betroffenen in einem Spezialheim einem Umfeld auszusetzen, in dem es, wie ausgeführt, zu schwerwiegenden, teils systematisch betriebenen Zersetzungsmaßnahmen mit dem Ziel der Zerstörung der Persönlichkeit des Betroffenen kommen konnte (vgl. KG a. a. O.; OLG Naumburg a. a. O.).
Die zugunsten des Betroffenen durch § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. begründete Vermutung einer sachfremden Zwecken dienenden Unterbringung in dem Spezialkinderheim „T... M...“ in K... für den Zeitraum vom 31. August 1968 bis zum 28. Februar 1970 hat daher Bestand. Ergänzender Aufklärung oder Anhörung durch den Senat bedarf es zur insoweit abschließenden Entscheidung nicht. Das gilt zumal deshalb, weil angesichts bereits weitreichend betriebener Recherchen nicht angenommen werden kann, dass weitere Unterlagen betreffend die Einweisung oder den Aufenthalt des Betroffenen aufzufinden wären.
cc) Die Einweisungsentscheidung des Rates der Stadt P..., Jugendhilfeausschuss, vom 25. Mai 1968 (Beschl.Reg.Nr. ../1968) war daher gemäß § 12 Abs. 2 Ziff. 2 StrRehaG aufzuheben. Zugleich war gemäß § 12 Abs. 2 Ziff. 3 StrRehaG festzustellen, dass der Betroffene in der Zeit vom 31. August 1968 bis zum 28. Februar 1970 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.
b) Betreffend seine Einweisungen in die neurologisch-psychiatrische Kinderklinik B...-G... und in das Normalkinderheim P...-S... (Verfahren des Landgerichts Potsdam zum Aktenzeichen BRH 209/10), beinhaltet das Begehren des Betroffenen einen Wiederaufnahmeantrag im Sinne der §§ 15 StrRehaG, 359 Ziff. 5 StPO. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 S. 2 StrRehaG für einen Wiederholungsantrag liegen insoweit nicht vor. Der Betroffene hat nicht dargelegt, dass seine diesbezüglichen Anträge auf Rehabilitierung nach der am 29. November 2019 in Kraft getretenen Fassung des StrRehaG Erfolg gehabt hätten.
Weder das psychiatrische Klinikum noch das Normalkinderheim I P...-S... unterfallen der Vermutungsregelung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. Es handelte sich jeweils nicht um Spezialkinderheime nach § 2 Abs. 1 SpezHAO. Es handelte sich auch nicht um den Spezialkinderheimen vergleichbare Einrichtungen, in denen eine zwangsweise Umerziehung erfolgte.
aa) Bereits in der Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. (BT-Drucks. 19/14427, S. 19) heißt es hierzu: „Zu Einrichtungen, die mit Spezialheimen vergleichbar sind, gehören die in jedem Bezirk der DDR bestehenden Durchgangsheime, für die auch zum Teil die Vorschriften über Spezialheime galten, und das Arbeits- und Erziehungslager R.... Normalheime gehören hingegen nicht zu den vergleichbaren Einrichtungen; insoweit ist aber wie bisher eine Rehabilitierung unter den Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 Satz 2 StrRehaG möglich.“
Auch hierzu lagen dem Gesetzgeber die von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studien zur Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR zur Verfügung. Laudien und Sachse (Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR, Expertisen im Auftrag der Bundesregierung, Berlin 2012, Expertise 2: Erziehungsvorstellungen in der Heimerziehung der DDR, Berlin 2012, abrufbar unter: Christian-Sachse.de/Expertisen/Für das Bundesinnenministerium, Expertise 2) führen unter Ziff. 5.2 „Heimtypen und DDR-Unrecht“ (Seiten 258 f.) ihres Berichts aus:
„Normalheime waren als Elternersatz konzipiert. Sie sollten dafür sorgen, dass Kinder eine Bleibe finden, wenn die Eltern die Fürsorge der Kinder nicht wahrnehmen konnten oder wenn die familiäre Situation eine Kindeswohlgefährdung darstellte. Spezialheime sollten eine damit in keinem sachlichen Zusammenhang stehende Aufgabe erfüllen. Dort sollten Menschen umerzogen werden. Das pädagogische Referenzmodell für die Erziehung in den Normalheimen war – die Schulbildung. In den Normalheimen wurde eine Erziehungsvorstellung umgesetzt, die für alle in der DDR lebenden Menschen gleich war – die Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit. Der Lebensalltag in den Normalheimen war von vielen Faktoren geprägt, deren Gesamtheit ein Unrecht darstellt. Dazu zählt die auf Disziplinierung orientierte sozialistische Pädagogik, die Wirkung von 'Anstaltsunterbringung', die mangelhafte schulische und berufliche Ausbildung der Heimkinder, die mangelhafte Unterbringung und Lebensqualität in den Einrichtungen, die politisch gewollte Abschirmung der Beteiligten von pädagogischen Einsichten und von Kenntnissen der Sozialwissenschaften und schließlich die Anfälligkeit dieser Einrichtungen für eine sogenannte Schwarze Pädagogik, d. h. Schläge, Strafe, Unterordnung, Geschwistertrennung, Urlaubsverbote usw. Die Summe dieser Faktoren zeigt, dass in den Normalheimen der ehemaligen DDR Erziehungszustände und Lebensumstände eintraten, die als Heimerziehungsunrecht bezeichnet werden müssen. […] Ohne das Leid der Kinder in den Normalheimen relativieren oder gar verharmlosen zu wollen, muss berücksichtigt werden, dass das in den Normalheimen entstandene Unrecht sich von dem Unrecht unterscheidet, das die Spezialheime hervorbrachten. Die Lage in den Spezialheimen war von diesem Unrecht grundsätzlich, d. h. für die Bewertung des erlittenen Leides signifikant verschieden. Das betrifft nicht ausschließlich das erlebte Leid, denn man kann Schmerz- und Leiderfahrungen nicht objektivieren, quantifizieren oder messen. Es betrifft aber den politischen Willen, der hinter einem Teil dieses Unrechts stand. […]“
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass diese Expertise dem Gesetzgeber bei Schaffung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. vorlag, kann die Vorschrift nicht dahin ausgelegt werden, dass auch die auf § 2 Abs. 1 der 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über Heimerziehung von Kindern und Jugendlichen vom 27. November 1951 (GBl. DDR 1951, 104) fußende Unterbringung in Normalkinderheimen unter die durch sie normierte Vermutung subsumiert werden sollte, anderenfalls der Gesetzgeber auch das Normal- und nicht nur das Spezialkinderheim explizit genannt haben würde. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 2 Abs. 1 der genannten 1. Durchführungsbestimmung. Danach waren Normalkinderheime Heime für „anhanglose, milieugefährdete Kinder ohne wesentliche Erziehungsschwierigkeiten“ und für „Kinder, deren Beaufsichtigung und Erziehung durch berufliche Tätigkeit, Weiterbildung oder durch Krankheit und andere persönliche Gründe der Erziehungspflichtigen nicht gewährleistet sind“ (vgl. Wapler, Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR, Expertisen im Auftrag der Bundesregierung, Berlin 2012, Expertise 1: Rechtsfragen der Heimerziehung in der DDR, zu Ziff. 4.2.2, S. 33, abrufbar wie oben).
bb) Die Betrachtung des vorliegenden konkreten Einzelfalls führt zu keiner abweichenden Bewertung. Maßgeblich für die Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Rehabilitierung ist nicht das äußere Umfeld des Kinderheims I in P...-S..., das unbestritten von rechtsstaatswidrigen Grenzsicherungsanlagen sowie Polizei- und Militärpräsenz gekennzeichnet war. Entscheidend für die Frage sachfremder Heimunterbringung ist die Motivation der einweisenden Behörde. Dabei gewinnen die heiminternen Lebensumstände der Betroffenen insoweit an Bedeutung, als sie der Behörde bei der Einweisungsentscheidung als erwartbar bekannt waren. Dass seine heiminternen Lebensumstände in P...-S... im Vergleich zu denen anderer Normalkinderheime schlechter und eher denjenigen eines Spezialkinderheims vergleichbar gewesen wären und dem Jugendhilfereferat dies bei seiner Einweisungsentscheidung bekannt gewesen wäre, trägt der Betroffene nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich.
cc) Nichts anderes gilt für die stationäre Unterbringung des Betroffenen in der psychiatrischen Kinderklinik des Bezirkskrankenhauses B...-G.... Dass psychiatrische Kinderkliniken grundsätzlich der Vermutungsregelung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. unterfielen, vertritt der Betroffene selbst nicht – für eine solche Sichtweise gibt das Gesetz auch keinen Anlass, insbesondere nicht im Licht der oben ausgeführten Gesetzesbegründung. In tatsächlicher Hinsicht belegen die vorliegenden Urkunden, dass die Einweisung des Betroffenen zur Abklärung der Ursachen für seine Verhaltensauffälligkeiten und damit zum Kindeswohl erfolgte. Motive politischer Verfolgung oder sonst sachfremder Zwecke sind nicht ersichtlich. Auch die Verhältnisse, unter denen der Betroffene in der Klinik lebte, enthalten hierfür keine Anhaltspunkte. Dass er durch ihm zwangsweise verabreichte überdosierte sedierende Medikamente habe „zersetzt“ werden sollen, behauptet der Betroffene lediglich pauschal, ohne dies mit konkreten Begebenheiten zu unterlegen, die entsprechende Schlüsse zuließen.
dd) In Ermangelung einer Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n. F. auf die freiheitsentziehenden Unterbringungen des Betroffenen in der Kinderklinik in B...-G... und in dem Normalkinderheim P...-S... ist der diesbezügliche Antrag des Betroffenen als Wiederholungsantrag im Sinne des § 1 Abs. 6 S. 2 StrRehaG nicht zulässig.
Der Antrag ist deshalb als ein solcher auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 15 StrRehaG, 359 Ziff. 5 StPO zu verstehen.
4. Dieser Wiederaufnahmeantrag ist, wie die Rehabilitierungskammer des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung vom 09. Februar 2021 zutreffend angenommen hat, unzulässig.
Gemäß § 15 StrRehaG in Verbindung mit § 359 Ziff. 5 StPO ist die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Beschluss abgeschlossenen Rehabilitierungsverfahrens zugunsten des Betroffenen zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen seine Rehabilitierung zu begründen geeignet sind. Solche Tatsachen oder Beweismittel liegen nicht vor.
a) Das gilt zunächst für die vom Betroffenen in Bezug genommene „Arzneimittelstudie an Kindern“ der Krefelder Pharmazeutin Sylvia Wagner vom 14. Oktober 2019 und die „Stellungnahme zu dem pädagogischen Gutachten der Kinderklinik P… vom 18.12.1964“ des Dipl-Psych. B... W... vom 28. Dezember 2020. Die darin ausgeführte Nichtvertretbarkeit der Medikation des Betroffenen mit den Präparaten Propaphenin und Meprobamat und die Darstellung möglicher Spätfolgen ist nicht geeignet, einen Wiederaufnahmeantrag nach dem Rehabilitierungsgesetz zu stützen. Stattdessen handelt es sich um die Darlegung neuer, zur Zeit der Vergabe der Präparate an den Betroffenen nicht vorliegender Erkenntnisse zu den genannten Medikamenten und deren Wirkung insbesondere bei Kindern. Diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vermögen die der rechtskräftigen Entscheidung vom 05. Oktober 2011 (BRH 209/10) zugrunde liegenden Feststellungen nicht zu beeinflussen. Sie sind hierzu nicht geeignet. Dasselbe gilt für den auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichteten Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 15. Januar 2021 zum Beweis der Tatsache, dass die seinerzeitige Behandlung mit Propaphenin und Meprobamat medizinisch nicht indiziert und überdosiert war und den Betroffenen hat erkranken lassen (Bl. 80 GA).
Neue Tatsachen und Beweismittel sind dann im Sinne von § 359 Ziff. 5 StPO geeignet, wenn die Erreichung des Wiederaufnahmeziels auf ihrer Grundlage wahrscheinlich ist (OLG Düsseldorf NStZ 2004, 454; Schmidt in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Auflage, zu § 368, Rz. 13; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, zu § 368, Rz. 10). Eine solche Wahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn ernste Gründe für die Beseitigung des Urteils bzw. der Entscheidung sprechen (Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, zu § 359, Rz. 153). Das ist dann zu bejahen, wenn eine vernünftige Aussicht dafür besteht, dass die das frühere Erkenntnis tragenden Feststellungen ernstlich erschüttert sind (OLG Düsseldorf a. a. O.; Schmidt a. a. O., Rz. 12; Gössel a. a. O.). Dazu bedarf es einer hypothetischen Schlüssigkeitsprüfung, bei der die Richtigkeit des Beweisvorbringens unterstellt wird (OLG Düsseldorf a. a. O.; OLG Rostock NStZ 2007, 357; Gössel a. a. O.).
Die sonach vorzunehmende Schlüssigkeitsprüfung führt zu dem Ergebnis, dass die genannten Beweismittel nicht im Sinne von § 359 Ziff. 5 StPO geeignet sind, das im Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 05. Oktober 2011 (BRH 209/10) gefundene Ergebnis zu ändern. Dass sich die an dem Betroffenen durchgeführte Medikation im Nachhinein, auf der Grundlage neuer, seinerzeit nicht vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse als nicht geboten, für seine Gesundheit gefährlich oder gar unvertretbar erweist, vermag eine Rehabilitierung nicht zu stützen, denn eine rechtsstaatswidrige Vorgehensweise der Beteiligten ergibt sich daraus nicht. Dass den Behörden und Behandlern die Gefährlichkeit oder gar Unvertretbarkeit der Medikation seinerzeit bekannt gewesen wäre, wird durch die vom Betroffenen vorgelegten Gutachten ebenso wenig belegt wie die von ihm behauptete Zwangsmedikation. Anhaltspunkte für einen mangelnden oder gar entgegenstehenden Willen der erziehungsberechtigten Eltern hinsichtlich der ärztlich verordneten Medikation ihres Sohnes ergeben sich nicht.
b) Aus denselben Gründen gewinnt auch der von dem Betroffenen mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Januar 2021 vorgelegte Bericht des IM „…“ zur Verordnung von sedierenden Medikamenten an Strafgefangene der DDR keinen Beweiswert für das Wiederaufnahmeverfahren. Ob und in welchem Umfang Strafgefangenen sedierende Medikamente verabreicht wurden, vermag das Rehabilitierungsverfahren des Betroffenen nicht zu beeinflussen. Auch diesem Beweismittel fehlt sonach die Geeignetheit.
c) Die der Einweisung in das Normalkinderheim I P...-S... zugrunde liegende Verfügung des Jugendhilfeausschusses der Stadt P… vom 06. Januar 1965 (Vfg.Reg.Nr. …/65) erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen der §§ 15 StrRehaG, 359 Ziff. 5 StPO für eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie lag bei der ursprünglichen Entscheidung zwar noch nicht vor, ist aber weder isoliert noch in der Gesamtschau mit den anderen Beweismitteln geeignet, zugunsten des Betroffenen eine andere Entscheidung als die am 05. Oktober 2011 (BRH 209/10) durch das Landgericht Potsdam getroffene herbeizuführen. Sie enthält keinerlei Anhaltspunkt für eine politisch motivierte Freiheitsentziehung des Betroffenen oder sonst rechtsstaatswidriges Handeln – im Gegenteil.
Die Anordnung der Heimerziehung erfolgte ausweislich ihrer Begründung nach persönlicher Anhörung der Eltern und enthält eine Rechtsmittelbelehrung. Sie erfüllt damit zunächst formal die Anforderungen an ein rechtsstaatliches behördliches Handeln. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Verfügung erst vier Tage nach der bereits am 02. Januar 1965 erfolgten Heimunterbringung des Betroffenen gefertigt wurde. Dies gilt schon deshalb, weil die erziehungsberechtigten Eltern des Betroffenen mit dessen Einweisung in das Normalkinderheim einverstanden waren. Auch materiell-rechtlich genügte die Einweisungsverfügung rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Einweisung in das Kinderheim I P...-S... erfolgte insbesondere auf der Grundlage der Ergebnisse der Beobachtung und Untersuchung im Klinikum B...-G..., die mit der dringenden Empfehlung der Einweisung in ein „Normalkinderheim“ geschlossen hatten. Dieses Ergebnis setzte die Verfügung des Jugendhilfeausschusses der Stadt P… vom 06. Januar 1965 (Vfg.Reg.Nr. …/65) folgerichtig um und stützte die Einweisung nachvollziehbar auf schlechte Leistungen und Verhaltensauffälligkeiten in der Schule, mangelndes Vermögen der Eltern und Lehrkräfte, diese Auffälligkeiten zu unterbinden und auf bessere Leistungen des Betroffenen hinzuwirken, und auf das Erfordernis eines anderen Erziehungsmilieus. Darauf, ob die Verfügung vom 06. Januar 1965 auf einen Zeitraum von acht Wochen befristet war, kommt es schon wegen des Einverständnisses der Eltern zu der Heimunterbringung nicht an.
d) Daraus ergibt sich zugleich, dass es mangels Erheblichkeit der Beweistatsache, ein Einweisungsbeschluss betreffend seine Unterbringung in dem Kinderheim I in P...-S... sei nicht gefasst worden, der vom Betroffenen beantragten Vernehmung des Zeugen Dr. C... S... sowie einer Beiziehung des Beschlussregisters nicht bedurfte. Zu Recht hat die Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts Potsdam den auf Beiziehung des Beschlussregisters gerichteten ausdrücklichen Antrag zu Ziffer 4) aus dem Anwaltsschriftsatz vom 15. Januar 2021 abgelehnt.
e) Die Lage des Kinderheims I P...-S... im besonders gesicherten Grenzgebiet der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland samt den damit einhergehenden besonderen Beschränkungen für die Einwohner war – ebenso wie die Rechtsstaatswidrigkeit der Grenzsicherungsanlagen – bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts Potsdam vom 05. Oktober 2011 bekannt und bietet deshalb keine zur Wiederaufnahme berechtigende neue Tatsache im Sinne des § 359 Ziff. 5 StPO. Der von dem Betroffenen begehrten Vernehmung der Zeugen J... A... – ein Journalist, der nach der politischen Wende in der DDR Recherchen zu den Lebensbedingungen in P...-S... betrieben und die Ergebnisse in einer Fernsehreportage „Geheimnisvolle Orte: S…. bei P…. - Paradies …-“ vorgestellt hatte – und T… F… – Einwohner S… – bedurfte es daher ebenso wenig wie einer Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten durch das Gericht.
Insoweit tritt hinzu, dass – wie bereits ausgeführt – allein die Unterbringung in einem im vermittels rechtsstaatswidriger Anlagen besonders geschützten Grenzgebiet belegenen Kinderheim keine Rehabilitierung rechtfertigt. Zwar sind bei der Bestimmung des Maßstabs, ob ein sachfremder Zweck vorliegt, auch die tatsächlichen Zustände zu berücksichtigen. Das zeigt bereits § 2 Abs. 2 StrRehaG, wonach ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen der Freiheitsentziehung gleichgestellt wird – die Vorschrift knüpft an einen rein tatsächlichen Zustand an und nicht an die Beweggründe für die behördliche Entscheidung (OLG Naumburg a. a. O., Rz. 12; Mützel, Anm. zu OLG Dresden ZOV 2017, 64, ZOV 2017, 64, 66). Entscheidend ist aber nicht, ob das äußere Umfeld des Kinderheims haftähnliche Bedingungen zeitigte, sondern, ob die Heimunterbringung selbst solche Bedingungen aufwies. Hierzu trägt der Betroffene keine neuen Tatsachen vor und benennt auch keine neuen Beweismittel.
f) Auch einer neuerlichen persönlichen Anhörung des Betroffenen im Rahmen der Amtsermittlung zur weiteren Aufklärung der Umstände um die Einweisungen bedurfte es nicht. Gemäß § 11 Abs. 3 StrRehaG entscheidet das Gericht in der Regel ohne mündliche Anhörung des Betroffenen. Die aktenkundigen Unterlagen enthalten keine Lücken oder Widersprüche, die eine persönliche Anhörung zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ausnahmsweise erforderlich machten. Eine konkrete Beweistatsache, die durch seine persönliche Einvernahme belegt werden soll, benennt der Betroffene nicht. Die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Potsdam hat den Betroffenen am 18. April 2018 über die gesetzlichen Erfordernisse hinausgehend angehört. Ob der Inhalt der Anhörung, wie der Betroffene behauptet, begrenzt worden ist, gewinnt deshalb nicht an Bedeutung.
Einer neuerlichen Anhörung bedarf es auch nicht etwa deshalb, weil das Protokoll zum Anhörungstermin vor dem Landgericht rechtsfehlerhaft erstellt worden wäre. Vielmehr entspricht das Protokoll den gesetzlichen Anforderungen. Insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Potsdam in der angefochtenen Entscheidung vom 09. Februar 2021 an (S. 3 BA). Eine gesetzliche Verpflichtung, das Protokoll während des Laufs der Anhörung zu diktieren, besteht nicht, dieses kann später anhand schriftlicher Aufzeichnungen oder aus dem Gedächtnis heraus diktiert oder ohne Diktat verschriftet werden.
g) Schließlich führt die vorzunehmende Gesamtbewertung sämtlicher neuer Beweismittel und der bisherigen nicht zu dem Ergebnis, das Verfahren sei nach §§ 15 StrRehaG, 359 Ziff. 5 StPO wieder aufzunehmen. Eine von derjenigen des Landgerichts vom 05. Oktober 2011 zugunsten des Betroffenen abweichende Entscheidung ist nicht zu erwarten. Die relevanten Beweismittel belegen stattdessen die stationäre psychiatrisch-psychologische Beobachtung, Untersuchung und auf die gewonnenen Ergebnissen gestützte Heimunterbringung des Betroffenen aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten in der Schule, deren Ursache im elterlichen Unvermögen gesehen wurde, ihren charakterlich schwierigen Sohn fördernd zu erziehen. Dass die im Einvernehmen mit den Eltern getroffenen Entscheidungen zur Einweisung des Betroffenen in die psychiatrische Kinderklinik B...-G... und das Kinderheim I S… mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar gewesen wären, insbesondere politischer Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hätten, ist nicht ersichtlich. Auch standen die genannten angeordneten Unterbringungen nicht in einem groben Missverhältnis zu den zugrunde liegenden Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsschwierigkeiten.
5. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Potsdam die Anträge des Betroffenen auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Schädlichkeit der ihm in der Kinderklinik in B...-G... verabreichten Medikamente und auf Feststellung, dass diese Medikation weder indiziert noch ethisch vertretbar und mit den Grundsätzen einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar war, auch aus einem anderen Grund zu Recht zurückgewiesen hat. Diese Anträge sind dem vorliegenden Verfahren nicht zugänglich.
Durch das StrRehaG wird nicht isoliert eine Medikation des Betroffenen zur Überprüfung gestellt, sondern die Anordnung von Freiheitsentziehung einschließlich der sich aus einer Aufhebung dieser Anordnung wegen Rechtsstaatswidrigkeit ergebenden Folgeansprüche. Die Medikation des Betroffenen kann nur dann zu Folgeansprüchen im Sinne des § 21 StrRehaG führen, wenn seine Unterbringung in dem psychiatrischen Bezirkskrankenhaus B...-G... rechtsstaatswidrig war. Dass es daran fehlt, ist rechtskräftig festgestellt worden und, wie ausgeführt, vermittels der von dem Betroffenen herangezogenen neuen Beweismittel einem Wiederaufnahmeverfahren nicht zugänglich.
III.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 14 Abs. 1 StrRehaG. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen folgt aus § 14 Abs. 2 StrRehaG. Die dem Betroffenen in beiden Instanzen des Verfahrens entstandenen notwendigen Auslagen waren zur Hälfte der Staatskasse aufzuerlegen, weil der Betroffene hinsichtlich seiner Unterbringung im Spezialkinderheim „T... M...“ in K... rehabilitiert worden ist, seine Anträge im Übrigen aber ohne Erfolg geblieben sind. Insoweit hat der Senat davon abgesehen, die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 StrRehaG der Staatskasse aufzuerlegen, weil es nicht unbillig erscheint, den unterlegenen Betroffenen damit zu belasten.