Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 29.04.2022 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 16/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0429.13UF16.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.
I.
Das Jugendamt beanstandet die Anordnung der Ergänzungspflegschaft sowie seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger.
Die seit dem Jahr 2016 getrennt lebenden, die elterliche Sorge für ihren Sohn L... gemeinsam wahrnehmenden Antragsbeteiligten stritten sich erstinstanzlich über die Zuordnung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Nachdem das Amtsgericht ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeholt hatte, einigten sich die Eltern im Rahmen des Anhörungstermins am 15.12.2021 (Bl. 91) dahingehend, dass L...´ Lebensmittelpunkt im Haushalt der Mutter ist, und erklärten das Sorgerechtsverfahren für erledigt. Im Rahmen desselben Anhörungstermins trafen die Eltern zusätzlich eine Vereinbarung über den Umgang des Vaters mit L... (Bl. 92), die das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.12.2021 nach Anhörung der Verfahrensbeiständin und des Jungen (Bl. 90) familiengerichtlich billigte (Bl. 91).
Durch die angefochtene Entscheidung vom 04.01.2022 (Bl. 99) hat das Amtsgericht, der Empfehlung der Sachverständigen im Rahmen ihres Erziehungsfähigkeitsgutachtens folgend, den Eltern nach §§ 1666, 1666a BGB einen Teil der elterlichen Sorge, nämlich das Recht zur Entscheidung über den Umgang des Vaters mit L..., für die Dauer von zwei Jahren entzogen, insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet und das beschwerdeführende Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt.
Mit seiner Beschwerde vom 02.02.2022 (Bl. 115) beanstandet der Beschwerdeführer die Anordnung der Ergänzungspflegschaft und seine Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger. Er meint, das Amtsgericht habe eine Umgangspflegschaft angeordnet, für die indes die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Seine Auswahl zum Umgangspfleger sei außerdem unzulässig. Vorrangig sei eine natürliche Person zum Umgangspfleger zu bestellen. Zum Ergänzungspfleger dürfe das Jugendamt nur bestellt werden, wenn keine ehrenamtlich tätige Bezugsperson des Kindes zur Verfügung stehe. Vorliegend komme die Ehefrau von L...´ Vater als ehrenamtliche Ergänzungspflegerin in Betracht. Das Jugendamt sei aufgrund seiner vorrangigen Rolle als Hilfegewährer für die Eltern auch ungeeignet zur Wahrnehmung des übertragenen Aufgabenkreises, mit dem eine Bestimmerrolle gegenüber den Eltern einhergehe.
Der Senat entscheidet, wie angekündigt (Bl. 138R), ohne Durchführung einer persönlichen Anhörung der Beteiligten, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG, von der angesichts der ausführlichen Korrespondenz im Beschwerderechtszug ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten ist.
II.
1. Die nach §§ 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde ist unzulässig, soweit sie gegen die der Bestellung zum Ergänzungspfleger zugrundeliegende Anordnung gerichtet ist. Im Hinblick auf die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft fehlt es einem Jugendamt, das - wie vorliegend - die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt hat, an der Beschwerdeberechtigung (BGH NJW 2012, 685).
Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Umgangspflegschaft lägen nicht vor, kann er sich nicht auf eine Verletzung eigener Rechte berufen. Bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft und der Bestellung des Ergänzungspflegers handelt es sich um selbständige Verfahrensgegenstände. Eine Verletzung eigener Rechte kann das Jugendamt nur in Bezug auf seine Auswahl zum Ergänzungspfleger geltend machen (KG BeckRS 2015, 14468). Da die Anordnung der Ergänzungspflegschaft die Voraussetzungen, unter denen die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge entzogen wird, betrifft, steht einem Jugendamt insoweit eine Beschwerdeberechtigung nur nach §§ 162 Abs. 3 Satz 2, 162 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 3 FamFG zu (BGH NJW 2012, 685). Dies setzt voraus, dass mit der Beschwerde nicht die Verletzung eigener Rechte (§ 59 Abs. 1 FamFG), sondern die des Kindes oder der Eltern geltend gemacht werden.
Darüber hinaus geht die Beanstandung des Beschwerdeführers auch in der Sache ins Leere, da durch die erstinstanzliche Entscheidung keine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnet, sondern den Eltern ein Teil der elterlichen Sorge, nämlich das Recht zur Regelung des Umgangs, nach §§ 1666, 1666a BGB entzogen worden ist.
2. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist, soweit sie gegen die Auswahl und Bestellung zum Ergänzungspfleger gerichtet ist, zwar zulässig (vgl. BGH NJW 2012, 685; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, Jamt 2020, 322; OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, BeckRS 2014, 19241; BeckOGK/Schöpflin, 1.3.2022, BGB § 1909 Rn. 84), in der Sache aber nicht begründet.
Die Auswahl des Ergänzungspflegers richtet sich nach den für die Auswahl des Vormunds geltenden Vorschriften, §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1779 Abs. 2 BGB. Die Regelung in § 1916 BGB, wonach die Regelungen über die Berufung zur Vormundschaft für die Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB nicht gelten, bezieht sich nicht auf § 1779 Abs. 2 BGB, der die Auswahl durch das Familiengericht regelt (OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, BeckRS 2015, 7133; OLG Köln JAmt 2011, 350; Düsseldorf BeckRS 2011, 11302; OLG Schleswig FamRZ 2003, 117; BeckOGK/Schöpflin BGB § 1916 Rn. 6). Die Ermessensausübung des Familiengerichts bei der Auswahlentscheidung ist in der Beschwerdeinstanz einer Überprüfung zugänglich (OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, BeckRS 2015, 7133).
Nach § 1779 Abs. 2 BGB soll das Familiengericht eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist; bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen sollen der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels, die Verwandschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel sowie das religiöse Bekenntnis des Mündels berücksichtigt werden. Das Gesetz geht in §§ 1791b und 1887 Abs. 1 BGB klar und eindeutig vom Vorrang der Einzelvormundschaft gegenüber der Vormundschaft des Jugendamts oder eines speziellen Vereins aus. Das Jugendamt ist zum Vormund - und gleichermaßen zum Ergänzungspfleger, § 1915 BGB - nur zu bestellen, wenn keine geeignete Einzelperson zur Verfügung steht (OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, BeckRS 2020, 2008; BeckRS 2014, 12086; OLG Nürnberg BeckRS 2013, 1184). Maßstab ist das Kindeswohl (BVerfG FamRZ 2014, 1435 Rn. 24; FamRZ 1987, 786; FamRZ 1985, 39), dem im Einzelfall durch die Auswahl einer außerhalb der Familie stehenden Person zum Vormund oder Ergänzungspfleger besser gedient sein kann als durch einen nahen Angehörigen (BVerfG FamRZ 2014, 1435 Rn. 24; OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, BeckRS 2015, 7133).
So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat die Ergänzungspflegschaft vorliegend angeordnet, damit die antragsbeteiligten Eltern in Situationen, in denen sie sich über L...´ Umgang mit dem Vater trotz der detaillierten Umgangsregelung im gerichtlich gebilligten Vergleich vom 15.12.2021 in konkreten Einzelfällen nicht einigen können, nicht sogleich gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, sondern mithilfe des Ergänzungspflegers eine Lösung herbeigeführt werden kann. Die Ergänzungspflegschaft muss deshalb ganz offenkundig einer außerhalb der Familie stehenden, neutralen Person zugewiesen werden, so dass die Ehefrau von L...´ Vater hierfür nicht in Betracht kommt. Das Jugendamt hingegen ist hierfür gerade aufgrund seiner genuinen Aufgaben als Hilfegewährer und Berater ganz offenkundig am besten geeignet, zumal vorliegend - anders als der Beschwerdeführer meint - gerade nicht die Durchsetzung der Umgänge, also ein einseitiges Auftreten des Jugendamts gegenüber einem Elternteil als „Bestimmer“, sondern eine professionelle Vermittlerrolle zwischen den beiden Elternteilen in Ansehung ihrer den Sorgerechtsteil Umgang mit L... betreffenden Angelegenheiten in Rede steht. Da für derartige Aufgaben im allgemeinen nirgendwo ehrenamtlich tätige Einzelpersonen verfügbar sind, bestand für das Familiengericht auch keine Veranlassung für diesbezügliche amtswegige Ermittlungen (§ 26 FamFG).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung folgt §§ 55 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.