Gericht | OLG Brandenburg 2. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 22.12.2021 | |
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Aktenzeichen | 2 U 55/18 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1222.2U55.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 06.07.2018 in der Fassung des Beschlusses vom 24.01.2019, Az. 31 O 338/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
1.
Die Berufung der Kläger hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
a)
Den Klägern steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden aus keinem Rechtsgrund zu. Insbesondere rechtfertigt sich die Forderung nicht aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG und auch nicht aus § 1 Abs. 1 StHG. Denn weder nach dem Klagevorbringen noch nach dem weiteren Streitstoff ist ersichtlich, dass der Beklagte die Kläger in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt bzw. ihnen insofern rechtswidrig einen Schaden zugefügt hat.
aa)
Gegen die Annahme des Landgerichtes, wonach die Meldung der Kindeswohlgefährdung verbunden mit dem Antrag auf Eingriff in die elterliche Sorge vom 05.07.2013 amtspflichtgemäß gewesen sei, ist nichts zu erinnern.
Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Der dem Jugendamt insofern zukommende Schutzauftrag wird allen voran durch die Vorschriften des § 8a Abs. 1, 2 SGB VIII – hier in der bis 09.06.2021 geltenden Fassung – konkretisiert. Danach obliegt es der Behörde, bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte und nach Möglichkeit unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten und des Kindes bzw. Jugendlichen einzuschätzen sowie erforderlichenfalls das Gericht anzurufen. Die Anrufung des Familiengerichts durch das Jugendamt erfordert mithin nicht das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung, sondern lediglich das Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte hierfür, also eine auf Tatsachen gegründete Wahrscheinlichkeit, dass es bei ungehindertem Fortgang zu einer schweren Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes kommen kann (s. etwa Jox, in: BeckOGK, SGB VIII, Stand: 01.10.2021, § 8a, Rn. 35 ff. m.w.N.).
Diesen rechtlichen Anforderungen ist seitens des Beklagten bei der Stellung des Antrages vom 05.07.2013 Rechnung getragen worden. Der Antragstellung ging voraus, dass die Klägerin zu 3) wenige Tage nach der Entlassung aus einer Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie von ihren Eltern weggelaufen war, in Selbstverletzungsabsicht ein Neuroleptikum eingenommen hatte, von der Polizei aufgegriffen wurde und am 26.06.2013 in eine Einrichtung der … verbracht wurde. Dort wurde sie nach internistischer Überwachung am 27.06.2013 in die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie verlegt. Auf Anregung der Klinik stellten die Kläger zu 1) und 2) am 28.06.2013 an das Amtsgericht Neuruppin einen „Antrag auf geschlossene Unterbringung für unsere Tochter …“. In dem Verfahren wurde seitens der Klinik unter dem 28.06.2013 eine ärztlich-psychologische Stellungnahme abgegeben (Blatt 2 der Beiakte 55 F 117/13), in welcher unter anderem ausgeführt wird:
„Diagnostisch handelt es sich um eine schwere Persönlichkeitsentwicklungsstörung mit wiederholten, teils schweren Eigengefährdungen. Lebensmittelpunkt des Mädchens ist eine Jugendhilfeeinrichtung in … … in der zuständigen KJP … wurde die Patientin bis zum 20.06. stationär behandelt, dann wurde sie in unsere Klinik verbracht. Am 21.06. entließen wir die Patientin in den elterlichen Haushalt, da es nicht möglich war, eine Absprache (Terminvereinbarung) mit den Adoptiveltern zu erreichen. Zum 26.06. entwich das Mädchen von zu Hause, … fuhr nach … zu einem Freund, wo sie … in parasuizidaler Absicht Tabletten einnahm.… Im Rahmen der schweren Persönlichkeitsentwicklungsstörung sehen wir eine ernsthafte Gefährdung der Patientin, wenn diese erneut wegläuft…“
Das Familiengericht entsprach dem Antrag und erteilte den Klägern zu 1) und 2) mit Beschluss vom selben Tag (Az. 55 F 117/13) die vorläufige familiengerichtliche Genehmigung, die Klägerin zu 3) längstens bis zum 05.07.2013 im geschlossenen Bereich einer kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik zur Therapie unterzubringen. Die Klägerin zu 3) verblieb daraufhin zunächst in der Klinik. In der Epikrise vom 04.07.2013 (Anlage B1, Blatt 150 ff. d.A.) diagnostizierte die Klinik eine sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen (ICD-10: F92.8) sowie einen Zustand nach Tablettenintoxikation mit 250 mg Melperon in suizidaler Absicht. Weiter heißt es unter anderem:
„Im Rahmen der bekannten Persönlichkeitsentwicklungsstörung erlebten wir die Patientin schon in den ersten Stunden nach Übernahme sehr schwankend in ihren Impulsen, Affekten und Handlungen. Phasenweise war sie gut erreichbar, kooperativ und integrierte sich problemlos in die Patientengruppe, zwischenzeitlich ritzte sie sich oberflächlich, wehrte sich dann vehement gegen eine Verlegung in den Wachbereich. Am Nachmittag entwich sie, wurde nach einer Stunde von der Polizei zurückgebracht. … Auch im weiteren Verlauf erwies sich … als eher instabil in ihrer Absprachefähigkeit, so dass wir auch in Anbetracht einer völlig unklaren Perspektive den AE [Adoptiveltern] zu einem weiteren stationären Verbleib rieten. Diese entschieden jedoch, einen wohl geplanten Urlaub mit der Patientin zu realisieren….
Die Entlassung erfolgt in Anbetracht der hochproblematischen Situation gegen ärztlichen Rat. Zum Entlassungszeitpunkt war die Patientin nicht akut suizidal und nicht akut eigen- oder fremdgefährdet. Sie äußerte, dass sie sich auf den Urlaub mit ihren AE freue und sie willigte formal ein, nach dem Urlaub Termine zur weiteren ärztlichen und medikamentösen Betreuung in unserer Institutsambulanz wahrzunehmen. Auch die AE sicherten zu, … zur weiteren Behandlung in unserer Institutsambulanz vorzustellen. Sie äußerten, dass sie die Gefahr einer erneuten krisenhaften Entwicklung durchaus nachvollzögen, dennoch wollten sie den gemeinsamen Urlaub ‚probieren‘. Im Falle einer krisenhaften Eskalation würden sie … in einer Klinik vorstellen.
Empfehlung: Wie schon im Rahmen des Voraufenthalts erleben wir das Verhalten der AE als zumindest fraglich, was das Kindeswohl angeht. Aus jugendpsychiatrischer Sicht sollte … verbindlich in einer für ihre Störung geeigneten Jugendhilfeeinrichtung langfristig leben. Diese muss im Krisenfalle eng mit einer jugendpsychiatrischen Klinik kooperieren.“
Vor diesem Hintergrund war es für die Mitarbeiter des Jugendamtes des Beklagten, die Kenntnis vom vorangegangenen Hilfe- und Behandlungsverlaufs der Klägerin zu 3) sowie – wie auch die Berufung betont – von deren Krankheitsbild hatten und die nach den Schilderungen im Antrag vom 05.07.2013 während dieser Zeit in regelmäßigem telefonischen Kontakt mit den Ärzten der Klinik standen, zumindest vertretbar, ein Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich zu halten. Die Ausführungen in der ärztlich-psychologischen Stellungnahme vom 28.06.2013 und in der Epikrise vom 04.07.2013, die angesichts des geschilderten Unterbringungsverlaufs und der dem Beklagten bekannten Historie der Klägerin zu 3) plausibel waren, rechtfertigten die Annahme, dass ohne Intervention die Gefahr einer schweren Schädigung des physischen und psychischen Wohls der Klägerin zu 3) besteht, nämlich sie sich aufgrund ihrer Psychopathologie erneut ihrem geregelten Umfeld entziehen und in (para-) suizidaler Absicht selbstverletzende Handlungen vornehmen wird. Ferner durfte der Beklagte schon aufgrund der vorgenannten Äußerungen der Klinik davon ausgehen, dass die Kläger zu 1) und 2) dem Gefährdungsrisiko von sich aus nicht hinreichend Rechnung tragen. Denn nach der Stellungnahme vom 28.06.2013 sei bereits eine frühere stationäre Behandlung an der Nichterreichbarkeit einer Therapievereinbarung mit den Eltern gescheitert und würden die Kläger zu 1) und 2) nunmehr nicht der ärztlichen Empfehlung eines langfristigen Lebens der Klägerin zu 3) in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung folgen; stattdessen sei das Kind entgegen ärztlichem Rat entlassen worden, um am 05.07.2013 – mithin nur wenige Tage nach dem letzten Entweichen aus der elterlichen Obhut und der daraufhin vorgenommenen parasuizidalen Handlung vom 26.06.2013 – mit den Eltern einen Urlaub an der Ostsee anzutreten.
Die Unterrichtungen durch die Klinik bildeten, zumal aufgrund des dem Beklagten bekannten Hilfe- und Behandlungsverlaufs der Klägerin zu 3), auch eine hinreichende Grundlage für die seitens des Beklagten nach § 8a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zu treffende Entscheidung über die Anrufung des Familiengerichts. Insbesondere ergab sich aus den Ausführungen, wie sie in der Epikrise vom 04.07.2013 niedergelegt sind, dass die Entlassung der Klägerin zu 3) aus der Klinik mit Wissen und Wollen der Kläger zu 1) und 2) erfolgt und dass dies zu einer Erhöhung der aufgrund der Psychopathologie der Klägerin zu 3) gegebenen Gefahr von Selbstverletzungen führte. Weitere Sachverhaltsermittlungen waren für die Entscheidung zur Anrufung des Familiengerichts nicht erforderlich. Demgegenüber können sich die Kläger insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, das Amtsgericht Neuruppin habe in dem Beschluss vom 18.09.2013 (Az. 55 F 133/13, Blatt 31 ff. der betreffenden Beiakte), die zuvor einstweilen angeordnete teilweise Entziehung der elterlichen Sorge aufgehoben, weil alle Beteiligten aufgrund des Krankheitsbildes überfordert wären, … dauerhaft vor Selbstverletzungen zu schützen. Denn abgesehen davon, dass diese amtsgerichtliche Einschätzung schon in zeitlicher Hinsicht bei der Stellung des hier in Rede stehenden Antrags nicht zu berücksichtigen war, war es für die Frage der Antragstellung nicht entscheidend, ob ein familiengerichtliches Tätigwerden im Ergebnis dazu führen werde, die Klägerin zu 3) dauerhaft vor Selbstverletzungen zu schützen. Der Antrag rechtfertigte sich vielmehr bereits zur Klärung der Frage, ob durch gerichtliche Maßnahmen das Risiko von Selbstverletzungen vermindert werden kann. Zudem gab der Sachstand, wie er sich dem Beklagten nach dem Vorstehenden darstellte, auch im Hinblick auf die soziale Entwicklung des Kindes Anlass für eine familiengerichtliche Prüfung der Frage, ob dem Schutz des Wohlergehens und der Entwicklung des Kindes hinreichend Rechnung getragen wird. Die hohe Bedeutung derartiger Aspekte für das Kindeswohl erschließt sich etwa aus den Äußerungen des Chefarztes der Klinik in seiner Anhörung durch das Amtsgericht Neuruppin in der Sitzung vom 22.07.2013 (Blatt 35 ff., 37 der Beiakte 55 F 118/13), wo er unter anderem ausführte:
„Die Kindeseltern generell eines derartig erkrankten Kindes oder Jugendlichen sind stets emotional überfordert. Die Wünsche und Impulse des jugendlichen Patienten sind sehr wechselhaft und es ist sehr schwierig damit umzugehen. Wenn dem Patienten in dieser Situation kein stabiles Umfeld gegeben wird und auch keine Therapie durchgeführt wird, bedeutet das, dass ein normaler Lebensweg extrem bedroht ist, wie zum Beispiel ein kontinuierlicher Schulbesuch, Berufsausbildung ist akut gefährdet. Er ist auch nicht in der Lage, stabile Bindungen einzugehen ….“
Nach dem Vorstehenden war auch nicht bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar, dass familiengerichtliche Maßnahmen nicht ergehen würden. Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger insbesondere nicht daraus, dass der Antrag in der Sitzung vom 02.04.2014 zurückgenommen worden ist. Denn ausweislich des Sitzungsprotokolls (Blatt 386 ff. der Beiakte 55 F 118/13) erfolgte die Antragsrücknahme vor dem Hintergrund des seinerzeit aktuellen Sachstandes, wonach die Klägerin zu 3) seit September 2013 in einer Einrichtung in … lebte, sie perspektivisch in dieser Einrichtung bleiben sollte, die Eltern hiermit einverstanden waren und seit dem Wechsel der Klägerin zu 3) in die Einrichtung eine positive Zusammenarbeit zwischen den Eltern und dem Jugendamt zu verzeichnen war. Anhaltspunkte dafür, dass diese Entwicklung für die Mitarbeiter des Jugendamtes des Beklagten bereits Anfang Juli 2013 absehbar war, sind nicht ersichtlich.
Eine andere Würdigung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Familiengericht – dem Antrag der hiesigen Kläger zu 1) und 2) folgend – mit Beschluss vom 02.04.2014 dem Jugendamt des hiesigen Beklagten nach § 81 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 FamFG die außergerichtlichen Kosten (der Eltern) auferlegt hat. Es entspricht zwar gefestigter Rechtsprechung, dass die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO gebunden sind (s. etwa BGH, Urteil vom 23.07.2020 – III ZR 66/19 – NVwZ-RR 2021, 66 m.w.N.); entsprechendes giltfür rechtskräftige Entscheidungen eines Zivil- oder Strafsenats in Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG, für Beschwerdeentscheidungen nach §§ 23, 31 BadWürttPolG und für rechtskräftige Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern in Verfahren nach Art. 109 StVollzG (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2019 – III ZR 67/18 – NJW 2019, 2400 m.w.N.). Diese Rechtsprechung lässt sich aber schon deshalb nicht auf die hier in Rede stehende familiengerichtliche Kostenentscheidung übertragen, weil die Frage des Vorliegens einer Pflichtverletzung des Beklagten, namentlich der Voraussetzungen nach § 8a Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, nicht Gegenstand jenes Verfahrens war, sodass hierüber – entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung – nicht in einer der materiellen Rechtskraft fähigen Weise entschieden werden konnte.
Ausgehend von dem mithin maßgebenden Sachstand am 05.07.2013 lässt die Entscheidung des Beklagten, gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1 SGB VIII das Familiengericht anzurufen, daher keine Pflichtverletzung erkennen. Der dagegen von den Klägern erhobene Einwand eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das Grundrecht der Kläger zu 1) und 2) aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG greift nicht durch. Denn da die Auslegung der Vorschrift des § 8a Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht nur dem Elternrecht, sondern auch dem Recht des Kindes auf staatlichen Schutz nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG Rechnung zu tragen hat (s. etwa BVerfG, Beschluss vom 12.02.2021 – 1 BvR 1780/20 – BeckRS 2021, 3376), war es bei dem hier gegebenen Sachstand nicht zu beanstanden, dass das Jugendamt eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Klägerin zu 3) durch Selbstverletzungen annahm und im Hinblick hierauf ein Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich hielt. Ausgehend von dieser Annahme war die Anrufung des Gerichts nach der Vorschrift des § 8a Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingend.
Ebenfalls zumindest vertretbar ist im Übrigen, dass seitens des Beklagten mit der Antragsschrift vom 05.07.2013 der Entzug der elterlichen Sorge beantragt worden ist. Insofern tritt der Senat den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil bei.
bb)
Zu Recht hat das Landgericht des Weiteren darauf erkannt, dass hinsichtlich der Stellung des Antrages vom 25.07.2013 auf Entzug der elterlichen Sorge im Rahmen einer einstweiligen Anordnung eine Verletzung von Amtspflichten des Beklagten ebenfalls nicht ersichtlich ist.
Ausweislich der Antragsschrift wurde die seinerzeit zuständige Mitarbeiterin des Beklagten durch den Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der …am 25.07.2013 darüber informiert, dass sich die Klägerin zu 3) am 20.07.2013 im elterlichen Haushalt sowie erneut am 24.07.2013 in den Räumen der Kanzlei des Klägers zu 1) das gerinnungshemmende Medikament Clexane injiziert und daraufhin in einem lebensbedrohlichen Zustand befunden habe. Diese Mitteilung stellte – zumal vor dem Hintergrund des bisherigen Hilfe- und Behandlungsverlaufs der Klägerin zu 3) – einen gewichtigen Anhaltspunkt für eine Gefährdung des Wohls des Kindes dar. Denn diese Vorkommnisse rechtfertigten die Annahme, dass die Kläger zu 1) und 2), die Kenntnis von der Psychopathologie der Klägerin zu 3) und deren krankheitsbedingter Neigung zu selbstverletzenden Handlungen hatten, den hieraus folgenden Risiken für das Leben und die Gesundheit ihrer Tochter nicht in dem nach § 1626 Abs. 1 BGB gebotenen Umfang Rechnung trugen. Angesichts des Maßes des Gefährdungsrisikos war es zudem gerechtfertigt, das Familiengericht anzurufen, ohne zuvor weitere Ermittlungen darüber anzustellen, wie es der Klägerin zu 3) konkret gelungen war, sich in Besitz des Medikaments zu bringen, und ob bzw. inwieweit den Klägern zu 1) und 2) ein Verschulden hieran zur Last zu legen ist.
Die dem von der Berufung entgegengesetzten Erwägungen zum Behandlungsverlauf der Klägerin zu 3) in der Einrichtung in …, in der sie sich ab 01.09.2013 befand, greifen zum einen in zeitlicher Hinsicht nicht durch. Zum anderen lassen die Kläger wiederum unberücksichtigt, dass nicht nur die vollständige Beseitigung einer Kindeswohlgefährdung, sondern auch die Reduzierung eines Gefährdungsrisikos ein Tätigwerden des Familiengerichts erfordern kann.
Auch kann die Berufung nichts daraus für sich herleiten, dass das Familiengericht die mit Beschluss vom 27.07.2013 erlassene einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 18.09.2013 wieder aufgehoben und den Antrag der Beklagtenseite abgewiesen hat. Denn das Familiengericht stützte diese Entscheidung nicht auf eine anfängliche Unbegründetheit des Antrags, sondern darauf, im Ergebnis der Anhörung vom 18.09.2013 (s. hierzu das Sitzungsprotokoll, Blatt 265 ff. der Beiakte 55 F 118/13) zu der Auffassung gelangt zu sein, dass alle Beteiligten mit dem Schutz der Klägerin zu 3) vor Selbstverletzungen überfordert seien und „dass die Eltern hinsichtlich der Aufbewahrung des Medikaments fahrlässig gehandelt …[und] tatsächlich das Gefährdungspotenzial nicht minimiert [haben], aber nach den Feststellungen des Gerichts nicht, weil sie nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, sondern weil das Vorhandensein dieses Medikaments in der Kanzlei vergessen worden war“ (Blatt 31 ff. der Beiakte 55 F 133/13).
cc)
Beizutreten ist der angefochtenen Entscheidung ferner in der Einschätzung, dass auch die Inobhutnahme der Klägerin zu 3) am 06.03.2015 amtspflichtgemäß war.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Jugendamt nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII berechtigt und verpflichtet ist, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet. Die Vorschrift begründet damit ein subjektives Recht des Kindes bzw. Jugendlichen auf Inobhutnahme und erfordert daher nicht die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (statt vieler C. Schmidt, in: BeckOGK, SGB VIII, Stand: 01.10.2021, § 42, Rn. 8 f. m.w.N.).
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen hier vor. Die Klägerin zu 3) hatte sich mit einem aus der Einrichtung in … versandten Telefax-Schreiben vom 06.03.2015 an den Sachgebietsleiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Beklagten, Herrn …, gewandt (Blatt 5 der Beiakte 30 F 74/15), in welchem es unter anderem heißt:
„Hiermit bitte ich …… das ich nach § 42 des SGB 8 im … in Obhut genommen werden kann. Meine Gründe dafür sind, dass mein Vater … mich massiv unter Druck setzt und mir nachstellt und er Drohungen zu meinem Gesundheitlichen Wohl äußert und mich in jeder Gelegenheit versucht mitzunehmen oder er mir droht oder er mich anbrüllt. Ich habe große Angst, dass er mich aufsucht und mir etwas antut oder mich mitnimmt gegen meinen Willen. Ich bitte Sie darum, dass sie mich wirklich Ernstnehmen …“.
Entgegen der Auffassung der Kläger war diese Bitte beachtlich. Denn eine Bitte im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII setzt keine Geschäftsfähigkeit und auch keine Fähigkeit zu einer rationalen Entscheidung voraus. Eine Verpflichtung des Jugendamtes zur Inobhutnahme besteht vielmehr bereits dann, wenn die Bitte des Kindes oder Jugendlichen um Obhut ernst gemeint ist, freiwillig geäußert wird und nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt (s. etwa VG Köln, Beschluss vom 26.05.2017 – 26 L 2299/17 – BeckRS 2017, 119105). Zur Bildung des demnach ausreichenden natürlichen Willens, in Obhut genommen zu werden, war die Klägerin zu 3), die zu diesem Zeitpunkt wenige Tage vor ihrem 17. Geburtstag stand, trotz ihrer Erkrankung offensichtlich in der Lage.
Dafür, dass die Bitte der Klägerin zu 3) um Obhut – wie von den Klägern geltend gemacht wird – durch intensives Einwirken des Personals der Einrichtung und anderer dort lebender Jugendlicher sowie durch die Gabe erheblicher und unzulässiger Mengen von Psychopharmaka veranlasst worden sei, fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten. Vielmehr spricht der seitens der Verfahrensbeiständin von dem Mädchen gewonnene Eindruck dafür, dass der geäußerten Bitte eine rationale und zudem nachvollziehbar begründete Entscheidung zu Grunde lag. Die Verfahrensbeiständin führte in ihrer Stellungnahme vom 14.04.2015 (Blatt 97 ff. der Beiakte 30 F 74/15) unter anderem aus:
„…möchte in der Einrichtung ‚…‘ leben, bis sie ihre Volljährigkeit erreicht hat bzw. darüber hinaus. Ihr Wille ist es, dass ihre Adoptiveltern kein Sorgerecht mehr ausüben dürfen und sich ihr nicht mehr nähern dürfen. … möchte einen Amtsvormund haben. Seit meinem ersten Kontakt … am 13.03.2015 … hat … diesen ihren Willen bei jedem Treffen wiederholt.… Als Verfahrensbeistand von … empfehle ich, dem Willen von … so weit, wie es rechtlich möglich ist, zu entsprechen. … ist überzeugt davon, dass sie sich nur durch eine komplette Abwendung von ihren Adoptiveltern stabilisieren kann und langfristig ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Sie wünscht sich, dass ihr Wille von ihren Adoptiveltern respektiert und akzeptiert wird.“
Dem entspricht das Ergebnis der familiengerichtlichen Anhörung von … am 09.04.2015, in welchem sie äußerte, in der Einrichtung in …bis zur Volljährigkeit bleiben und keinerlei Kontakt zu ihren Eltern haben zu wollen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Aussagen nicht intrinsisch motiviert waren, sondern unter äußerem Druck bzw. dem Einfluss von Psychopharmaka zustande gekommen sind, lassen sich dem Anhörungsvermerk (Blatt 93 ff. der Beiakte 30 F 74/15) nicht entnehmen.
Insgesamt sind daher jedenfalls keine Umstände erkennbar, die bei den Mitarbeitern der Beklagten Zweifel an der Beachtlichkeit der in dem Schreiben vom 06.03.2015 geäußerten Bitte wecken mussten.
Vor diesem Hintergrund vermag die Berufung auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, die zur Inobhutnahme herangezogenen Behauptungen seien frei erfunden gewesen; die zuständige Mitarbeiterin des Beklagten habe es schuldhaft unterlassen, die völlig unglaubhaften Behauptungen über die Kläger zu 1) und 2) zu überprüfen. Denn da der Beklagte nach dem Vorstehenden allein schon aufgrund der Bitte der Klägerin zu 3) verpflichtet war, diese in Obhut zu nehmen, kam es auf eine Würdigung ihrer weiteren Mitteilungen bzw. der Äußerungen, die Gegenstand des vom Kläger zu 2) gegen die Leiterin der Einrichtung in …beim Amtsgericht Königs Wusterhausen unter dem Aktenzeichen 4 C 621/15 geführten Verfahrens waren, nicht an. Im Ergebnis gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens, „nicht die Eltern, also die Kläger zu 1. und 2 waren der Grund für die – offensichtlich fingierte – Inobhutnahme der Klägerin zu 3)“ (Seite 16 des Schriftsatzes vom 19.11.2018, Blatt 864 d.A.), sondern eine eskalierte Auseinandersetzung zwischen der Klägerin zu 3) und Betreuern der Einrichtung, die eine Fixierung der Klägerin zu 3) zur Folge gehabt habe.
Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass seitens des Jugendamtes des Beklagten am Tag der Inobhutnahme gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII auf eine familiengerichtliche Entscheidung angetragen worden ist. Insofern tritt der Senat den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung bei.
Die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Beklagten wird auch hier nicht durch den Ausgang des Verfahrens infrage gestellt. Das Familiengericht des Amtsgerichts Königs Wusterhausen hat am 23.04.2015 beschlossen (Blatt 185 ff. der Beiakte 30 F 74/15), dass gerichtliche Maßnahmen nicht veranlasst seien. Zwar sei das Wohl des Mädchens angesichts der bei ihm bestehenden Erkrankung und der hieraus folgenden Neigung zu Selbstverletzungen ganz offensichtlich gefährdet. Es sei jedoch nicht zu erwarten, dass sich die gesundheitliche Situation der Minderjährigen durch Maßnahmen gegen die Eltern verbessern ließe. Dass … ihre Eltern derzeit ablehne, den Entzug der elterlichen Sorge fordere und sich jeglichen Kontakts zu ihnen verwehre, führe zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere rechtfertige ihre Angst vor einem Wechsel ihres gewöhnlichen Aufenthaltes sorgerechtliche Maßnahmen nicht. Dies gelte zumal deshalb, weil die Eltern mehrfach betont hätten, derzeit nicht zu beabsichtigen, den Aufenthalt des Mädchens in der Einrichtung in … zu beenden. Der Ausgang auch dieses Verfahrens war mithin dadurch mitbestimmt, dass die Kläger zu 1) und 2), die noch in dem vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen unter dem Aktenzeichen 30 F 71/15 geführten Verfahren erfolglos die Herausgabe der Klägerin zu 3) forderten (s. den Beschluss vom 13.03.2015, Anlage B10, Blatt 180 ff. d.A.), später erklärten, mit einem Verbleib der Klägerin zu 3) in der Einrichtung einverstanden zu sein.
dd)
Eine Amtspflichtverletzung des Beklagten ist auch im Hinblick auf die Unterbringung der Klägerin zu 3) in der Einrichtung … nicht hinreichend dargelegt.
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte, der durch familiengerichtlichen Beschluss vom 27.07.2013 (Blatt 16 f. der Beiakte 55 F 133/13) für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmungs- und Antragsrecht sowie Gesundheitssorge zum Pfleger für die Klägerin zu 3) bestellt worden war, berechtigt war, die Klägerin zu 3) in der Einrichtung unterzubringen.
Dafür, dass der Beklagte bei der Auswahl dieser Einrichtung eine ihm den Klägern gegenüber obliegende Pflicht verletzt hat, ist nichts ersichtlich. Die Einrichtung verfügte unstreitig über die nach § 45 Abs. 1 SGB VIII erforderliche Erlaubnis, weshalb der Beklagte diese ungeachtet der vom Kläger vorgelegten Presseberichte (Anlage K15, Anlagenband) für grundsätzlich geeignet halten durfte. Im Übrigen ist unstreitig geblieben, dass seitens des Beklagten wegen der bekannt gewordenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Einrichtung eine diesbezügliche Anfrage an das Landesjugendamt gestellt und positiv beantwortet worden war, ehe die Klägerin zu 3) dort untergebracht wurde.
Nach dem ebenfalls nicht konkret bestrittenen Vorbringen des Beklagten, im Hinblick auf die beabsichtigte Unterbringung der Klägerin zu 3) einen Besuch der Einrichtung durchgeführt und Rücksprache mit einer Ärztin der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der … gehalten zu haben, was zu einer positiven Einschätzung geführt habe, durfte der Beklagte auch von der Eignung dieser Einrichtung speziell für die Klägerin zu 3) ausgehen. Die Stellungnahme des leitenden Oberarztes der KJPP der Helios-Klinik in … vom 12.06.2013 stand dem aus den vom Landgericht zutreffend dargelegten Gründen nicht entgegen. Ferner fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass dem Beklagten die von Klägerseite geltend gemachten Mängel und Unzulänglichkeiten der Einrichtung, allen voran die hohe Personalfluktuation, im Juli 2013 bereits bekannt waren bzw. seien mussten. Davon abgesehen ist von Klägerseite weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass zu dieser Zeit eine andere, zumindest gleichermaßen geeignete Einrichtung für die Klägerin zu 3) zur Verfügung gestanden hätte. Dies gilt insbesondere auch für den …, der nach Auffassung der Kläger zu präferieren gewesen sei; dem diesbezüglichen Vortrag des Beklagten, wonach jene Einrichtung der Bitte des Beklagten um Übersendung eines Konzepts nicht nachgekommen sei, sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
Das Vorbringen der Kläger zu vermeintlichen Missständen in der Einrichtung in …und zu dortigen Fehlbehandlungen sowie Schädigungen der Klägerin zu 3) begründet ebenfalls keine Amtspflichtverletzung des Beklagten. Die Einrichtung befand sich unstreitig nicht in der Trägerschaft des Beklagten, sodass der Beklagte nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG sowie nach § 1 Abs. 1 StHG nicht für Pflichtverletzungen und Schädigungen der Kläger durch Mitarbeiter der Einrichtung einzustehen hat, sondern diesbezüglich eine Haftung nur bestehen kann, soweit Schädigungen – zumindest auch – durch Pflichtverletzungen der Amtswalter des Beklagten verursacht worden sind. Eine Verletzung derartiger Pflichten, die sich insbesondere für die Zeit des Bestehens der mit dem Beschluss vom 27.07.2013 angeordneten und mit Beschluss vom 18.09.2013 beendeten Pflegschaft des Beklagten aus § 1915 Abs. 1 Satz 1, § 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB, für die Zeit der Inobhutnahme vom 06.03.2015 bis zum 23.04.2015 aus § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII und im Übrigen aus § 36 SGB VIII, analog § 38 SGB VIII a.F. sowie aus § 8a Abs. 1 SGB VIII ergaben, ist dem klägerischen Vorbringen sowie dem übrigen Prozessstoff nicht zu entnehmen.
Allen voran mangelt es an einem – über die pauschale Behauptung, Frau …bzw. Frau … hätten von allen „Machenschaften“ und „Aktionen“ der Einrichtung Kenntnis gehabt und diese gebilligt – hinausgehenden, hinreichend konkreten Vorbringen dazu, dass die Amtswalter des Beklagten Kenntnis von den behaupteten Fehlhandlungen der Einrichtung hatten bzw. bei ordnungsgemäßer Amtsführung hätten haben müssen. So fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass der Beklagte Kenntnis von den Einzelheiten der medikamentösen Behandlung der Klägerin zu 3) durch die Einrichtung hatte und dass die betreffenden Amtswalter über ausreichend medizinisches Wissen verfügten, um zu erkennen, dass die Medikamente – wie von den Klägern behauptet wird – für die Klägerin zu 3) aufgrund ihres damaligen Alters nicht zugelassen gewesen und zudem in unzulässig hohen Dosen verabreicht worden seien. Ebenso wenig ist erkennbar, dass seitens des Beklagten Anlass bestand, in der Einrichtung getroffene medizinische Entscheidungen sachverständig überprüfen zu lassen.
Entsprechendes gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin zu 3) in der Einrichtung zeitweise von einer Psychologin in Ausbildung betreut wurde. Denn auch wenn bei der Klägerin zu 3) von einem schwer ausgeprägten Krankheitsbild auszugehen war, war die Einbindung einer Psychologin in Ausbildung nicht von vornherein als ungeeignet anzusehen, zumal seitens des Beklagten ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte, für die hier nichts ersichtlich ist, davon ausgegangen werden konnte, dass dem eine ärztliche bzw. psychologische Entscheidung zu Grunde lag und die Psychologin in Ausbildung im erforderlichen Umfang durch einen ausgebildeten Arzt bzw. Psychologen angeleitet wird.
Ebenso durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass die Klägerin zu 3) nur in dem medizinisch vertretbaren und rechtlich zulässigen Maße zur Verrichtung von Hausarbeiten in der Einrichtung herangezogen wird. Dafür, dass die Amtswalter des Beklagten wussten oder hätten wissen müssen, dass die Klägerin zu 3) – wie von Seiten der Kläger vorgetragen wird – als Ersatz für Reinigungs- und Küchenkräfte bis spät in die Nacht Kinderarbeit habe verrichten müssen, ist nichts ersichtlich.
Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass der Beklagte Anlass zu der Annahme hatte, die Einrichtung vernachlässige ihre Pflichten gegenüber den dort lebenden Kindern und Jugendlichen oder deren Eltern bzw. speziell gegenüber den hiesigen Klägern. Dass sich die Klägerin zu 3) dort wiederholt und zuletzt in zunehmendem Maße selbst Verletzungen beibrachte, entsprach ihrem Krankheitsbild und musste aus der Sicht des Beklagten nicht auf Pflichtverletzungen der Einrichtung schließen lassen. Ebenso durfte der Beklagte davon ausgehen, dass die Einrichtung nach Selbstverletzungen der Klägerin zu 3) und auch im Übrigen die medizinisch gebotene Behandlung sicherstellte. Denn die fortbestehende Erlaubnis nach § 45 Abs. 1 SGB VIII ließ darauf schließen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung weiterhin als gewährleistet erachtete. Dass der Beklagte Anlass hatte oder haben musste, an einer hinreichenden Überprüfung der Einrichtung nach § 46 SGB VIII durch das zuständige Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg zu zweifeln, ist nicht ersichtlich. Die gegenteilige Auffassung der Kläger, wonach die Heimaufsicht völlig überfordert sei und eine Überwachung praktisch nur noch auf Anzeige stattfinde, führt schon mangels Substanz zu keiner anderen Würdigung.
Da mithin zulasten der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht festzustellen ist, dass die behaupteten Fehlhandlungen der Einrichtung dem Beklagten bekannt waren oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten bekannt sein müssen, kann offen bleiben, ob es zu diesen Fehlhandlungen gekommen ist, insbesondere also ob die medikamentöse Behandlung der Klägerin zu 3) sowie die Einbindung einer Psychologin in Ausbildung in die Therapie medizinischen Standards widersprach, ob die Klägerin zu 3) infolge einer nachlässigen Behandlung einer Selbstverletzung vom Ellenbogen des rechten Arms abwärts gelähmt ist, ob sie infolge der Fixierungen operativ zu behandelnde Schäden an beiden Knien erlitten hat, ob eine nicht adäquate, sondern kontraindizierte Betreuung und Behandlung ihrer psychischen Erkrankung erfolgte, die zu einer Verstärkung der Symptomatik und in der weiteren Folge zu einem Verlust der Bildungsperspektive durch Verhinderung des Besuchs der Schule in … führte, ob sie in unzulässigem bzw. medizinisch und psychologisch nicht vertretbarem Umfang zu Hausarbeiten herangezogen worden ist, ob sie von der Leiterin der Einrichtung zu einer rechtsanwaltlichen Beratung in einer Erbschaftsangelegenheit gefahren wurde, obwohl sie zu der betreffenden Zeit absolute Ruhe benötigte, und ob die der Klägerin zu 3) seitens einer Therapeutin der Einrichtung gegebene Empfehlung, den Kontakt zu ihrem leiblichen Vater und dessen Familie auszubauen, sachgerecht war.
Offen bleiben kann damit auch, inwieweit dem klagegegenständlichen Ersatzanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 3 Abs. 3 StHG die Möglichkeit anderweitigen Ersatzes, namentlich eine Inanspruchnahme des Trägers der Einrichtung, entgegensteht.
Soweit die Kläger ferner geltend machen, Amtswalter des Jugendamtes des Beklagten hätten zumindest in Kauf genommen, dass die Klägerin zu 3) in der Einrichtung gezielt überlastet worden sei, um sie mindestens bis zu ihrem 18. Lebensjahr in der Einrichtung zu behalten, die betreffenden Mitarbeiter des Beklagten hätten durch bewusstes und gewolltes schädigendes Verhalten in Zusammenwirken mit Mitarbeitern der Einrichtung die Psychiatrieaufenthalte der Klägerin zu 3) verursacht und sich auch sonst „durchgehend vorsätzlich und familienschädigend“ verhalten, fehlt es an hinreichendem tatsächlichen Vorbringen. Insbesondere rechtfertigen sich diese Einschätzungen nicht aus den Behauptungen, wonach Frau … die Thematisierung der Kläger zu 1) und 2) in einer therapeutischen Gruppenrunde in der Einrichtung unterstützt und als angemessene Arbeitsweise bezeichnet habe, sie sich nicht gegen ein von der Einrichtung gegen die Kläger zu 1) und 2) ausgesprochenes Hausverbot gewandt habe, sie sich nicht gegenüber der Leiterin der Einrichtung mit den Eltern für die Namhaftmachung eines für die Klägerin zu 3) zuständigen Therapeuten eingesetzt habe, sie die Reaktion der Leiterin der Einrichtung auf die Teilnahme der Kläger zu 1) und 2) an einem Elternsprechtag nicht beanstandet habe, sie sich auch im Übrigen nicht für den Kontakt der Eltern zur Schule sowie für die Erteilung von Auskünften durch die Schule an die Eltern eingesetzt habe, sie den Kontakt der Klägerin zu 3) zu ihrem leiblichen Vater hergestellt und gefördert habe, sie im Hilfeplangespräch am 01.06.2015 Fragen der Eltern bzw. deren Rechtsanwalts zur Qualifikation der die Klägerin zu 3) in der Einrichtung zeitweise betreuenden Therapeutin in Ausbildung unterbunden habe, sie in einem Hilfeplangespräch am 23.02.2016 geäußert habe, die Klägerin zu 3) sei auf einem guten Weg und sie im Hilfeplangespräch am 23.02.2016 in Abwesenheit der Klägerin zu 3) geäußert habe, es sei deren Sache, wie sie mit ihren privaten Dingen verfahren wolle, selbst wenn sie diese verbrennen wolle. Dieses Vorbringen zeigt weder eine – zumal schuldhafte – Amtspflichtverletzung der betreffenden Mitarbeiterin des Beklagten auf, noch rechtfertigt sich hieraus der von den Klägern gezogene Schluss darauf, dass insbesondere bei der nach § 37 Abs. 1 SGB VIII geboten gewesenen Beratung und Unterstützung der Eltern sachfremde Erwägungen zum Tragen gekommen sind.
ee)
Der Senat tritt ferner den Auffassungen des Landgerichtes bei, wonach auch die weiteren von den Klägern erhobenen Vorwürfe keine Amtspflichtverletzung begründen und im Übrigen nicht ersichtlich ist, welche konkreten Beeinträchtigungen durch die einzelnen angegriffenen Handlungen des Beklagten entstanden sein sollen. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Diese Ausführungen werden durch das Berufungsvorbringen, mit dem die Kläger ihren erstinstanzlichen Vortrag zum Hilfe- und Behandlungsverlauf der Klägerin zu 3), insbesondere zu deren Leben in …, auf dem Hof des Herrn …, in … und in der Einrichtung in …, zu den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Schulbesuch und bei der Suche nach einer für die Klägerin zu 3) geeigneten Einrichtung sowie zu den mit den Mitarbeitern des Beklagten geführten Kontroversen, wiederholen und vertiefen, nicht in Frage gestellt. Denn auch diesem Vorbringen lassen sich keine hinreichend konkreten Pflichtverletzungen des Beklagten entnehmen. Insbesondere rechtfertigt das Vorgetragene – auch in Zusammenschau mit dem weiteren Prozessstoff – nicht die erhobenen Vorwürfe, die Amtswalter des Beklagten hätten systematisch das Sorgerecht der Kläger zu 1) und 2) unterlaufen, hätten die Kläger zu 1) und 2) permanent mit dem Entzug der elterlichen Sorge bedroht und hätten versucht, die gewachsene Eltern-Kind-Beziehung zu zerstören sowie die Kläger zu einem willfährigen und den Vorstellungen der jeweiligen Amtswalter entsprechenden Verhalten zu nötigen.
Gleiches gilt für das Vorbringen zu der behaupteten – faktischen – Kontakt- und Informationssperre, die der Beklagte gegen die Kläger zu 1) und 2) angeordnet bzw. über mehr als ein Jahr durchgesetzt habe. Dem Prozessstoff lässt sich nicht entnehmen, welche konkreten Handlungen die Kläger dem Beklagten insofern zum Vorwurf machen, weshalb sich der Senat bereits an einer Überprüfung des diesbezüglichen Verhaltens auf etwaige Amtspflichtverletzungen des Beklagten, insbesondere am Maßstab des § 42 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII, gehindert sieht. Ebenso verhält es sich mit den geltend gemachten Pflichtverletzungen durch Unterlassen, etwa dem unterbliebenen Nachweis eines Therapieplatzes in einer ländlichen Einrichtung mit Tieren für die Klägerin zu 3) sowie mit der Behauptung, der Beklagte habe den Hilfebedarf der Klägerin zu 3) „von Anfang an krass fehleingeschätzt“, sie infolgedessen wie eine normale pubertierende Jugendliche behandelt und infolgedessen überfordert, was zu wiederholtem Ausreißen, übermäßigem Nikotin- und Alkoholkonsum, promiskem Verhalten und einem Abrutschen „ins Milieu“ geführt hätte.
Soweit die Berufung eine Amtspflichtverletzung darin begründet sieht, dass seitens des Beklagten der Antrag vom 05.07.2013 nicht bereits im September 2013, sondern erst in der mündlichen Verhandlung am 02.04.2014 zurück genommen worden ist, wird unberücksichtigt gelassen, dass das Verfahren nach § 1666 BGB von Amts wegen einzuleiten ist, sodass darauf gerichtete Anträge lediglich die Funktion einer Anregung nach § 24 Abs. 1 FamFG haben (s. etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 15.01.2018 – 9 WF 12/18 – FamRZ 2018, 1012). Die Fortführung des Verfahrens stand daher nicht zur Disposition der Mitarbeiter des Beklagten.
b)
Die Klageforderung rechtfertigt sich auch nicht im Hinblick auf die durch die Teilnahme des Rechtsanwalts der Kläger an den Hilfeplangesprächen vom 01.06.2015 und vom 24.08.2015 entstandenen Kosten.
Der Senat verbleibt bei der in den Beschlüssen vom 12.03.2020 und 20.07.2020 dargelegten Rechtsauffassung, wonach ein dahingehender Ersatzanspruch in erster Instanz nicht streitgegenständlich war. Das diesbezügliche Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 06.04.2020 führt zu keiner anderen Würdigung. Insbesondere vermag der Senat nicht der Auffassung beizutreten, wonach die hier in Rede stehende Formulierung, „die Kläger persönlich sind der Auffassung, dass…“ in einem anwaltlichen Schriftsatz nicht anders zu verstehen sei, als die Formulierung „die Kläger sind der Auffassung, dass…“. Denn durch den ausdrücklichen Verweis auf die Personen der Kläger als Vertreter der genannten Auffassung bringt der Rechtsanwalt eine Distanzierung zu dieser Auffassung zum Ausdruck, aufgrund derer ihm diese nicht mehr ohne weiteres als eigenes Vorbringen zugerechnet werden kann. Bei der diesbezüglich gebotenen Auslegung spricht vorliegend zudem die Kostenfolge des § 45 Abs. 3 GKG gegen die Annahme eines entsprechenden Hilfsantrages. Der hinsichtlich der Anwaltskosten geltend gemachte Anspruch auf Ersatz materieller Schäden ist daher erstmals mit der in der Berufungsinstanz erfolgten Klageerweiterung – die im Falle der Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verliert – streitgegenständlich geworden.
Der Anspruch ist abgesehen davon nicht schlüssig dargelegt. Die Kläger behaupten, eine Mitarbeiterin des Jugendamtes des Beklagten habe in der mündlichen Verhandlung, welche am 23.04.2015 in dem Verfahren 30 F 74/15 vor dem Familiengericht des Amtsgerichts Königs Wusterhausen stattgefunden hat, gedroht, die Kläger zu 1) und 2) „können sich im nächsten Hilfeplangespräch auf etwas gefasst machen und sich ‚ganz schön was anhören‘“; diese Drohung habe dazu geführt, dass die Kläger ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten als ihren Beistand und auch als Zeugen zu dem Hilfeplangespräch beauftragt hätten. Nicht dargelegt ist hingegen, dass die insoweit geltend gemachten Kosten, nämlich die unter dem 02.06.2015 und dem 11.09.2015 abgerechneten Beträge von 564,66 € und 785,40 € (Anlagen K25 und K26, Blatt 1061 ff. d.A.) infolge der behaupteten Drohung entstanden sind. Vielmehr deutet die in der Rechnung vom 11.09.2015 angegebene Leistungszeit „09.03.2015 bis 11.09.2015“ darauf hin, dass die Kläger zu 1) und 2) ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten bereits vor dem Verhandlungstermin vom 23.04.2015 beauftragt haben.
2.
Der Senat ist des Weiteren einstimmig davon überzeugt, dass auch die übrigen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind.
Die vom Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt, sodass die vorliegende Sache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und eine Entscheidung des Senats weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Ebenso wenig liegen besondere Gründe vor, aufgrund derer in der Berufungsinstanz eine mündliche Verhandlung angezeigt ist. Insbesondere ist die in erster Instanz abgehaltene mündliche Verhandlung verfahrensfehlerfrei durchgeführt worden und hat den Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur mündlichen Erörterung der wesentlichen Aspekte des Sach- und Streitstandes gegeben.