Gericht | VG Frankfurt (Oder) 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.03.2022 | |
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Aktenzeichen | 6 K 684/14 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2022:0317.6K684.14.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid des Beklagten vom 11. März 2013 über die Einstellung des Blindengeldes nach dem Landespflegegeldgesetz sowie über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse und die Rückforderung von Leistungen (Aktenzeichen 0...) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 (Aktenzeichen 1...) wird insoweit aufgehoben, als damit der Bescheid vom 19. Mai 2003 über die Gewährung von Blindengeld (Aktenzeichen: 5...) für den Monat November 2005 aufgehoben und ein Betrag von mehr als 22.610 € zurückgefordert worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die unbekannten Erben der am 15. März 2021 verstorbenen vormaligen Klägerin, wenden sich weiterhin gegen die Einstellung und Rückforderung von Leistungen nach dem Landespflegegeldgesetz.
Die im Jahre 1940 geborene vormalige Klägerin war seit ihrer Geburt blind und gehörlos. Sie hatte eine Tochter und war seit dem Jahre 2005 verwitwet.
Seit dem 1. Juni 1992 hatte ihr zunächst das Landesamt für Soziales und Versorgung und ab dem 1. Juli 1993 die Kreisverwaltung Eberswalde Pflegegeld (Blindengeld) nach dem Landespflegegeldgesetz gewährt. In den an die vormalige Klägerin adressierten Bescheiden vom 24. August 1995 und 3. Januar 1997, mit denen die Höhe des Blindengeldes jeweils geändert worden war, wies der Beklagte darauf hin, dass Blindengeld bei Leistungen nach den §§ 36 bis 38 des Elften Buches Sozialgesetzbuches gekürzt werde und Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz unverzüglich mitzuteilen seien.
Am 7. März 1997 teilte die Tochter der vormaligen Klägerin dem Beklagten auf einem Formblatt mit, dass ihre Mutter Leistungen nach der Pflegeversicherung beantragt habe. Auf der Rückantwort vom 21. April 1998 trug die Tochter handschriftlich ihre Telefonnummer für den Fall ein, dass Fragen bestünden. Am 13. Mai 2002 gab sie auf die entsprechende Anfrage des Beklagten vom 19. März 2002 an, dass ihre Mutter keine Leistungen der Pflegeversicherung beziehe.
Mit dem an die vormalige Klägerin adressierten Bescheid vom 19. Mai 2003 über die Gewährung von Blindengeld (Aktenzeichen: 5...) bewilligte ihr der Beklagte unter anderem ab dem 1. Mai 2003 erneut Blindengeld nach dem Landespflegegeldgesetz in einer monatlichen Höhe von 266 €. Zugleich wies der Beklagte in diesem Bescheid unter anderem darauf hin, dass gemäß § 5 Abs. 2 des Landespflegegeldgesetzes Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36-38 des Pflegeversicherungsgesetzes auf das Blindengeld angerechnet würden und bei voller Auslastung der Sachleistungen der Pflegestufe I sowie bei Leistungen der Pflegestufe II kein Betrag mehr für das Blindengeld nach dem Landespflegegeldgesetz verbleibe. Änderungen der Umstände, die für die Gewährung des Blindengeldes maßgebend seien, seien unverzüglich mitzuteilen. Dies gelte insbesondere für den Bezug von Leistungen nach den §§ 36-38 des Pflegeversicherungsgesetzes. Diese Verpflichtung treffe den gesetzlichen Vertreter des Hilfeempfängers, wenn der berechtigte Hilfeempfänger geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit eingeschränkt sei.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2005 teilte die Tochter der vormaligen Klägerin dem Beklagten für die ab März 2005 zu leistenden Zahlungen eine neue Bankverbindung der vormaligen Klägerin mit.
Seit dem 24. Juni 2005 war die vormalige Klägerin auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Eberswalde vom selben Tage unter Betreuung gestellt und ihre Tochter als Betreuerin bestellt worden mit den Wirkungskreisen der Sorge für die Gesundheit, der Vermögenssorge und Behördenangelegenheiten. Mit Beschluss des Amtsgerichts E...vom 27. Juli 2010 wurde die Betreuung bis zum 27. Juli 2017 verlängert.
Am 9. Juni 2009 teilte die Betreuerin der vormaligen Klägerin der zuständigen Sachbearbeiterin der Pflegestelle des Beklagten mit, dass die Kontonummer für das Konto, auf welches die Pflegegeldleistungen überwiesen werden würden, zutreffend sei und das Geld für die Monate April und Mai 2009 auf dem Konto eingegangen sei.
Mit Schreiben vom 12. November 2012 übersandte der Beklagte der vormaligen Klägerin einen Fragebogen, in dem unter anderem nach dem Bezug von Leistungen nach der Pflegeversicherung gefragt worden war und den deren Betreuerin am 14. November 2012 dahingehend beantwortete, dass die vormalige Klägerin ab dem Jahre 2004 Sachleistungen nach der Pflegestufe II erhalte. Auf die entsprechende Aufforderung des Beklagten vom 19. November 2012 reichte die Betreuerin ein Schreiben der AOK Brandenburg vom 13. Juni 2006 ein, in dem der vormaligen Klägerin mitgeteilt worden war, dass ab dem 1. November 2005 bis zu 921 € monatlich für die häusliche Pflegehilfe (Pflegestufe II) und bis zu 410 € für Sachleistungen der Pflegestufe II gezahlt würden.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2012 gewährte der Beklagte der vormaligen Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Frage der beabsichtigten rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung des Blindengeldes zum 31. Oktober 2015 und Rückforderung des überzahlten Blindengeldes in Höhe von 22.876 €; hiergegen erhob die Betreuerin der vormaligen Klägerin mit Schreiben vom 3. Januar 2013 Widerspruch.
Auf die entsprechende Anfrage des Beklagten vom 1. Februar 2013 legte die AOK Nordost dem Beklagten am 6. März 2013 tabellarische Übersichten über die der vormaligen Klägerin gewährten Sach- und Geldleistungen nach der Pflegestufe 2 vor. Nach dieser Aufstellung erhielt die vormalige Klägerin
- im November 2005 Sachleistungen in Höhe von 378,74 € und Geldleistungen in Höhe von insgesamt 241,41 €, mithin insgesamt mehr als 380 €,
- im Dezember 2005 Sachleistungen in Höhe von 323,97 € und Geldleistungen in Höhe von insgesamt 265,76 €, mithin insgesamt mehr als 380 €,
- im Januar 2006 Sachleistungen in Höhe von 343,14 € und Geldleistungen in Höhe von insgesamt 257,23 €, mithin insgesamt mehr als 380 €,
- im Februar 2006 Sachleistungen in Höhe von 328,85 € und Geldleistungen in Höhe von insgesamt 263,59 €, mithin insgesamt mehr als 380 €,
- im April 2006 Sachleistungen in Höhe von 301,72 € und Geldleistungen in Höhe von 275,68 €, mithin insgesamt mehr als 380 €,
- im Mai 2006 Sachleistungen in Höhe von 371,58 € und Geldleistungen in Höhe von 244,57 €, mithin insgesamt mehr als 380 € sowie
im Monat März 2006 sowie in den Monaten Juni 2006 bis Juli 2009 monatliche Sachleistungen von mehr als 380 € zuzüglich Geldleistungen sowie ab August 2009 monatliche Sach- und Geldleistungen von mehr als 420 €.
Mit Bescheid vom 11. März 2013 über die Einstellung des Blindengeldes nach dem Landespflegegeldgesetz sowie über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse und die Rückforderung von Leistungen (Aktenzeichen 0...) hob der Beklagte seinen Bescheid vom 19. Mai 2003 über die Gewährung von Blindengeld rückwirkend zum 31. Oktober 2005 auf und forderte das für den Zeitraum von November 2005 bis Dezember 2012 überzahltes Blindengeld in einer Höhe von insgesamt 22.876 € zurück. Zur Begründung führte er aus, die Bewilligung von Blindengeld sei rückwirkend aufzuheben, weil nach Anrechnung der seit dem 1. November 2005 bezogenen Leistungen der Pflegekasse kein Blindengeld verbleibe. Die Anrechnung der Pflegeversicherungsgeldleistungen auf das Blindengeld nahm der Beklagte ausweislich der Anlage zu seinem Bescheid, auf die er hinsichtlich der einzelnen Anrechnungsbeträge Bezug nahm, in der Weise vor, dass die für einen bestimmten Monat gewährten Beträge der Pflegeversicherung jeweils den für den jeweils selben Monat bewilligten Blindengeldleistungen zugeordnet und in Höhe von 70 Prozent des jeweiligen Pflegeversicherungsbetrages auf den jeweils für den selben Monat bewilligten Blindengeldbetrag anrechnet wurde. Insoweit rechnete die im November 2005 ausgezahlten Sach- und Geldleistungen der Pflegegeldversicherung in Höhe von 70 Prozent, mithin in Höhe von insgesamt 434,11 € auf das für den für den Monat November 2005 in Höhe von 266 € bewilligte Blindengeld an. In einer entsprechenden Weise nahm er auch die Anrechnung für die Monate Dezember 2005 bis Dezember 2012 vor; insoweit wird hinsichtlich der einzelnen Rechenschritte und Anrechnungsbeträge für die jeweiligen Monate gemäß § 117 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung auf die Anlage zu diesem Bescheid Bezug genommen. Der Beklagte führte weiter aus, die vormalige Klägerin habe den Bezug von Pflegeversicherungsgeldleistungen nicht unverzüglich, sondern erst im Dezember 2012 mitgeteilt. Aus diesem Grund werde das bis einschließlich Dezember 2012 in Unkenntnis ausgezahlte Blindengeld zurückgefordert.
Den hiergegen am 21. März 2013 erhobenen und nicht weiter begründeten Widerspruch des von der Betreuerin der vormaligen Klägerin beauftragten Prozessbevollmächtigten wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 zurück, der dem Prozessbevollmächtigten am 8. Mai 2014 zugestellt wurde.
Am 10. Juni 2014, dem Pfingstdienstag, hat die vormalige Klägerin Klage erhoben.
Zu deren Begründung trägt ihr Prozessbevollmächtigter unter Vorlage von Kopien des Bewilligungsbescheides vom 19. Mai 2003 und der streitbefangenen Bescheide vor, die vormalige Klägerin habe ihre Mitwirkungspflichten nicht in einer grob fahrlässigen Weise verletzt, weil sie geschäftsunfähig gewesen sei. Seit ihrer Geburt sei sie blind und gehörlos gewesen und habe ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können; zudem sei sie mittlerweile hochgradig dement. Grobe Fahrlässigkeit könne ihr aber auch deshalb nicht vorgeworfen werden, weil ihr weder die Bescheide noch die entscheidungserheblichen Belehrungen in einer ihr wahrnehmbaren Blindenschrift bekannt gemacht worden seien. Außerdem werde bestritten, dass ihr bereits verstorbener Ehemann, der ebenfalls gehörlos gewesen sei und seinerzeit ihre Behördenangelegenheiten geregelt habe, angesichts seiner Behinderung in Bezug auf die komplexe rechtliche Materie seinerseits grob fahrlässig gehandelt habe.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 11. März 2013 über die Einstellung des Blindengeldes nach dem Landespflegegeldgesetz sowie über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse und die Rückforderung von Leistungen (Aktenzeichen 0...) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 (Aktenzeichen 1...) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der vormaligen Klägerin sei die Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides in Schriftform wirksam erfolgt (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Juni 2012 - 7 A 10286/12 -). Die vormalige Klägerin habe sich seit dem Jahre 1998 durch ihre Tochter vertreten lassen, deren Verhalten sie sich zurechnen lassen müsse. Im April 2002 habe die Tochter anlässlich einer Überprüfung ausdrücklich mitgeteilt, dass keine Leistungen der Pflegeversicherung erfolgen würden. Auch ab Dezember 2003, als die Pflegeversicherung Leistungen gewährt habe, sei die Tochter als Vertreterin der vormaligen Klägerin aufgetreten und habe erst im Jahre 2012 den Bezug von Leistungen mitgeteilt.
Die Tochter der vormaligen Klägerin hat am 19. April 2021 das Erbe nach ihrer Mutter für sich und ihre im Jahre 2003 geborene Tochter aus jedem Berufungsgrunde ausgeschlagen und erklärt, die vormalige Klägerin habe eine im Jahre 1934 geborene Schwester. Der Prozessbevollmächtigte der vormaligen Klägerin hat mitgeteilt, dass bislang keine weiteren möglichen Erben bekannt geworden sind.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter im schriftlichen Verfahren erteilt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Pflegegeldakte des Beklagten Bezug genommen, die allesamt der Entscheidungsfindung zu Grunde gelegt worden sind.
Das vorliegende Klageverfahren ist, obwohl die vormalige Klägerin im Verlauf dieses Klageverfahrens am 15. März 2021 verstorben ist, nicht unterbrochen, weil sie anwaltlich vertreten worden ist und ihr Prozessbevollmächtigter keinen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt hat (vgl. § 246 Abs. 1 Halbsatz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO - in Verbindung mit § 173 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Erben der vormaligen Klägerin, die gegenwärtig unbekannt sind, sind auf Grund der Erbfolge in deren Rechtsstellung als Kläger eingerückt.
Die Klage, über die infolge des Einverständnisses der Beteiligten durch den Berichterstatter im schriftlichen Verfahren entschieden wird (vgl. §§ 87a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO), hat nur in dem aus der Entscheidungsformel dieses Urteiles ersichtlichen Umfange und damit nur in einem geringfügigen Umfang Erfolg; im Übrigen hat sie keinen Erfolg.
Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt deswegen die Kläger als Rechtsnachfolger der vormaligen Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), als damit der ursprüngliche Bewilligungsbescheid für den Monat November 2005 aufgehoben und hierfür ein Betrag von 266 € und damit insgesamt ein Betrag von mehr als 22.610 € zurückgefordert worden ist. Im Übrigen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, soweit der Bewilligungsbescheid für den Zeitraum von Dezember 2005 bis einschließlich Dezember 2012 aufgehoben und infolgedessen ein Betrag von 22.610 € zurückgefordert wurde.
Rechtsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – (SGB X), der im Rahmen der Leistungsgewährung von Landespflegegeld nach § 9 des (brandenburgischen) Landespflegegeldgesetzes (LPflGG) in der hier maßgeblichen, nämlich der im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides gültigen Fassung vom 13. März 2012 (GVBl. I Nr. 16) Anwendung findet.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach dem Satz 2 Nummer 2 dieser Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Veränderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse liegt im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach dem Landespflegegeldgesetz vor, wenn blinde Menschen (vgl. § 2 Nr. 2 LPflGG) auch Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36 bis 38 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Pflegeversicherungsleistungen) erhalten. Denn nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LPflGG in den hier maßgeblichen Fassungen vom 22. April 2003 (GVBl. I. S. 119), 12. Juli 2011 (GVBl. I Nr. 16) und 13. März 2012 (GVBl. I Nr. 16) werden diese Leistungen, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Blinden mit 70 Prozent angerechnet. Demnach entfällt ein in Höhe von 266 € bestehender Blindengeldanspruch vollständig, wenn Pflegeversicherungsleistungen in einer Gesamthöhe von 380 € und mehr gewährt werden (380 € x 70% = 266 €). Änderungen von Tatsachen, die eine Herabsetzung oder Einstellung des Pflegegeldes nach dem Landespflegegeld bewirken, sind nach § 8 Abs. 2 LPflGG vom Ersten des Monats an zu berücksichtigen, der auf den ersten Monat ihres Eintrittes folgt. Dementsprechend sind die für einen bestimmten Monat gewährten Sach- und Geldleistungen nach den §§ 36 bis 38 des Elften Buches Sozialgesetzbuch erst im Folgemonat auf das Blindengeld nach dem Landespflegegeldgesetz anzurechnen. Mit der Vorschrift des § 8 Abs. 2 LPflGG hat der Gesetzgeber bei der Änderung von Tatsachen, die in der Lebenswirklichkeit auch inmitten eines Monates eintreten können, in einer typisierenden Form eine kalendermonatsabschnittsweise Betrachtungsweise eingeführt und damit zugleich eine nach Monatsanteilen bzw. Tagen zu bemessende Bewilligungsdauer von Landespflegegeldleistungen grundsätzlich ausgeschlossen. Das Prinzip der kalendermonatsabschnittsweisen Betrachtung gilt auch bei erstmaligen Gewährung von Landespflegegeld, die mit dem Ersten des Monats beginnt, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind bzw. der Pflegegeldantrag gestellt wurde (§ 8 Abs. 1 Satz 1 LPflGG), bei der Auszahlung des Landespflegegeldes (§ 8 Abs. 1 Satz 2 LPflGG) sowie beim Erlöschen des Pflegegeldanspruchs zum Ende des Monats, in dem der Berechtigte verstirbt (§ 8 Abs. 3 Satz 1 LPflGG). Mit diesen Regelungen nimmt der Gesetzgeber aus Gründen der Typisierung und Verwaltungsvereinfachung zu Gunsten des Leistungsempfängers in Kauf, dass dem Leistungsempfänger auch dann für den gesamten Monat ein Anspruch auf Landespflegegeld zusteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für einzelne Tage eines Monats nicht vorgelegen haben. Auf Grund dieser Typisierung ist nach § 8 Abs. 2 LPflGG auch eine zum Ersten eines Monats eingetretene Änderung von Tatsachen, die eine Herabsetzung oder Einstellung des Pflegegeldes bewirkt, erst zum Ersten des Folgemonates zu berücksichtigen. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 LPflGG ist der Empfänger von Pflegegeld verpflichtet, Änderungen von Tatsachen, die – wie hier die nach § 5 Abs. 2 LPflGG vorzunehmende Anrechnung von Leistungen bei häuslicher Pflege – für die Gewährung des Landespflegegeldes maßgebend sind, unverzüglich anzuzeigen; nach dem Satz 2 des § 7 Abs. 2 LPflGG trifft diese Pflicht den gesetzlichen Vertreter des Berechtigten, wenn der Berechtigte geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Maßstäbe erweist sich die Aufhebung der Bewilligung des Blindengeldes in Höhe von 266 € für den Monat November 2005 als rechtswidrig. Denn im Hinblick auf das für den Monat November 2015 bewilligte Blindengeld war keine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten, weil die ab dem 1. November 2005 gewährten Pflegeversicherungsleistungen nicht schon auf das für den Monat November 2005 bewilligte Blindengeld angerechnet, sondern nach § 8 Abs. 2 LPflGG erst im Folgemonat bei dem für den Monat Dezember 2005 bewilligten Blindengeld berücksichtigt werden durften.
Rechtmäßig ist hingegen die Aufhebung der Bewilligung des Blindengeldes für die Monate Dezember 2005 bis Dezember 2012. Nach § 8 Abs. 2 LPflGG hatte die Gewährung von Pflegeversicherungsleistungen ab 1. November 2015 zur Folge, dass diese Leistungen bei der Bemessung des Blindengeldes ab dem 1. Dezember 2015 berücksichtigt werden durften. Seither ist der Pflegegeldanspruch der vormaligen Klägerin entfallen und damit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, weil sie durchgehend Geld- und Sachleistungen nach den §§ 36 bis 38 des Elften Buches Sozialgesetzbuch in einer monatlichen Gesamthöhe von mindestens 380 € erhalten hat, die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LPflGG in Höhe von 70 Prozent, mithin in Höhe von 266 €, auf ihre jeweiligen in dieser Höhe bestehenden monatlichen Pflegegeldansprüche anzurechnen sind. Hinsichtlich der einzelnen Anrechnungsbeträge für die jeweiligen Bewilligungsmonate wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Tabelle in der Anlage zum angefochtenen Ausgangsbescheid verwiesen, der sich das Gericht mit folgenden Maßgaben anschließt: Erstens sind die für den Monat November 2005 ausgewiesenen Beträge für die Pflegeversicherungsleistungen auf den für den Monat Dezember 2005 ausgewiesenen Blindengeldbetrag anzurechnen. Zweitens ist für den Monat Dezember 2005 anstelle der in der Tabelle ausgewiesenen Sachleistung von 232,97 € die ausweislich der von der AOK am 6. März 2013 übersandten tabellarischen Aufstellung (vgl. Blatt 49 der Pflegegeldakte des Beklagten) tatsächlich in diesem Monat gewährte Sachleistung in Höhe von 323,97 € anzusetzen und gemeinsam mit der für diesen Monat gewährten Geldleistung mit dem Blindengeld für den Monat Januar 2006 zu verrechnen. Drittens sind die für die ab dem Monat Januar 2006 ausgewiesenen Beträge für die Pflegeversicherungsleistungen mit den jeweiligen Folgemonaten zu verrechnen.
Den Bezug dieser ab dem 1. November 2005 gewährten Pflegeversicherungsleistungen hat weder die vormalige Klägerin noch ihre Tochter, die zu diesem Zeitpunkt bereits als deren Betreuerin bestellt gewesen war, angezeigt, obwohl sie hierzu gemäß § 7 LPflGG verpflichtet gewesen wären. Insoweit muss sich die vormalige Klägerin nach § 7 Satz 2 LPflGG auch das Verhalten ihrer als Betreuerin bestellten Tochter zurechnen lassen, so dass es auf die vom Prozessbevollmächtigten der vormaligen Klägerin aufgeworfene Frage, ob sie im November 2005 nicht mehr geschäftsfähig war, nicht ankommt.
Die Betreuerin der vormaligen Klägerin hat es auch in einer grob fahrlässigen Weise unterlassen, der Beklagten den Bezug der betreffenden Leistungen nach der Pflegeversicherung mitzuteilen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem besonders schweren Maße außer Acht gelassen wird. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine bestimmte Handlungspflicht offenkundig ist, diese Pflicht dem Verpflichteten „geradezu ins Auge“ springen muss und einfachste Überlegungen genügen, um entsprechend zu handeln. Maßgebend sind hierbei die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des Betroffenen. Ausgehend hiervon musste sich der bereits seit Juni 2005 bestellten Betreuerin der vormaligen Klägerin, deren Aufgabenkreis sich auf die Vermögens- und Behördenangelegenheiten der vormaligen Klägerin erstreckte, die Bedeutung des Inhaltes der Belehrung aus dem Bewilligungsbescheid vom 19. Mai 2003 geradezu aufdrängen, mit der in einer leicht verständlichen Weise darüber belehrt worden war, dass Änderungen der Umstände, die für die Gewährung des Blindengeldes maßgebend seien, wie insbesondere der Bezug von Leistungen nach den §§ 36-38 des Pflegeversicherungsgesetzes, unverzüglich mitzuteilen seien. Zwar war die Tochter der vormaligen Klägerin im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bewilligungsbescheides im Jahre 2003 noch nicht als Betreuerin bestellt gewesen. Jedoch gehört es zum Pflichtenkreis eines Betreuers, dass er im Rahmen der Verwaltung der Vermögensangelegenheiten der betreuten Person auch diejenigen ihm zugänglichen Bewilligungsbescheide von Sozialleistungen zu sichten hat, die vor seiner Betreuerbestellung erlassen worden sind. Anhaltspunkte dafür, dass der Betreuerin die Belehrung aus dem Bewilligungsbescheid vom 19. Mai 2003 nicht zugänglich gewesen wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr ist angesichts des Umstandes, dass der von der Betreuerin der vormaligen Klägerin beauftragte Prozessbevollmächtigte den Bewilligungsbescheid vom 19. Mai 2003 als Anlage K1 zur Klageschrift vorgelegt hatte, davon auszugehen, dass dieser Bescheid für die Betreuerin der vormaligen Klägerin zugänglich gewesen war und sie von dessen Inhalt Kenntnis nehmen konnte. Insoweit war die Betreuerin auch mit den Blindengeldangelegenheiten der vormaligen Klägerin befasst gewesen und hatte hierauf auch Zugriff; dies zeigt ihre Mitteilung 9. Juni 2009 an die zuständige Sachbearbeiterin der Pflegestelle des Beklagten, dass die Kontonummer für das Konto, auf welches die Pflegegeldleistungen überwiesen werden würden, zutreffend sei und das Geld für die Monate April und Mai 2009 auf dem Konto seien. Insoweit hatte die Betreuerin auch Kenntnis davon, dass sich der Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung auf die Gewährung von Blindengeld auswirken kann, weil sie am 13. Mai 2002 auf eine entsprechende Anfrage des Beklagten vom 19. März 2002 angegeben hatte, dass ihre Mutter keine Leistungen der Pflegeversicherung beziehe. Auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Betreuerin bestellt gewesen war, hätte ihr dieser Zusammenhang im Verlauf ihrer ab Juni 2005 begonnen Betreuertätigkeit weiterhin bewusst bleiben müssen. Vor Hintergrund dessen, dass sie ohne Weiteres von der Belehrung im Bewilligungsbescheid vom 19. Mai 2003 hätte Kenntnis nehmen können, hätte es sich ihr geradezu aufdrängen müssen, der Beklagten den Bezug von Pflegeversicherungsleistungen ab November 2005 unverzüglich zu melden. Insoweit ist nichts dafür ersichtlich, dass die Betreuerin, etwa wegen einer limitierten Erkenntnisfähigkeit oder aus anderen Gründen, nicht zu einer derartigen Meldung in der Lage gewesen sein könnte; gegen eine solche Annahme spricht auch, dass sie seit dem Jahre 1998 mit den Blindengeldangelegenheiten ihrer Mutter befasst gewesen war.
Rechtsgrundlage für die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs in Höhe von 22.610 € ist § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Demnach ist hier zu Recht ein Betrag von 22.610 € zurückgefordert worden, weil die mit dem angefochtenen Bescheid bewirkte Aufhebung der Blindengeldbewilligung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2012 aus den vorstehend ausgeführten Gründen Bestand hat und die während dieser Zeit über den Zeitraum von 85 Monaten erbrachten Blindengeldleistungen in einer monatlichen Höhe von 266 € und einer Gesamthöhe von 22.610 € (= 266 € x 85 Monate) zu Unrecht geleistet worden sind. Rechtswidrig ist indessen die über den vorgenannten Gesamtbetrag hinausgehende Rückforderung in Höhe von weiteren 266 € für den Monat November 2005, weil insoweit die hier angefochtene Aufhebung der Bewilligung für diesen Bewilligungsabschnitt aus den vorstehend aufgeführten Gründen rechtswidrig ist und dieser Betrag damit nicht rechtsgrundlos ausgezahlt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 188 VwGO. Soweit die Kläger mit einem Wertanteil von einem Sechsundachtzigstel obsiegt haben, sind ihnen wegen der Geringfügigkeit dieses Obsiegens auch insoweit die Kosten aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Es liegen keine Gründe vor, die nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Zulassung der Berufung bereits durch das Verwaltungsgericht rechtfertigen würden.