Gericht | VG Potsdam 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 02.03.2022 | |
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Aktenzeichen | 1 K 1674/19.A | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2022:0302.1K1674.19.A.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der 1996 geborene Kläger ist eigenen Angaben nach türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimischer Religionszugehörigkeit.
Der Kläger reiste – nach seinen Angaben – im Juli 2018 auf dem Luftweg von der Türkei in die Niederlande (Den Haag), und nach zwei bis drei Wochen mit dem Pkw weiter nach Deutschland, wo er Anfang August 2018 angekommen sei. Rund acht Monate später, am 2. April 2019, stellte der Kläger in Deutschland einen Asylantrag und wurde am selben Tag zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Antrages angehört.
Bei der weiteren Anhörung zu seinen Asylgründen am 4. April 2019 gab er an, dass er die Türkei aus Angst vor Verhaftung wegen seiner prokurdischen Aktivitäten verlassen habe. Er habe eine Schwester und einen Bruder in Deutschland. Im Jahr 2015 sei er noch als Schüler auf der Grundlage eines Visums für einige Wochen in Deutschland bei einem Cousin in Hamburg gewesen. Im Jahr 2018 sei er dann auf der Grundlage einer Schleusung in die Niederlande gekommen, wofür er 6.000 EUR einschließlich Flug und Visum mit einem gefälschten türkischen Reisepass gezahlt habe. Nachdem er im August 2018 nach Deutschland eingereist sei, sei er am 23. September 2018 von der Polizei aufgegriffen worden. Dabei habe er einen – ebenfalls – gefälschten bulgarischen Reisepass mit seinem Foto bei sich gehabt. Diesen habe er sich für 600 EUR am Hamburger Bahnhof beschafft, nachdem ihm in einem Wettbüro dazu geraten worden sei. Nach dem Aufgreifen sei er zunächst erneut zu seinem Cousin in die Niederlande gegangen. Nachdem er sich mit diesem gestritten habe, sei er nach Deutschland zurückgekehrt und habe den Asylantrag gestellt. Jetzt habe er keinerlei Personalpapiere mehr. Er stamme aus dem zur Gemeinde S... gehörenden Dorf H... im Landkreis K... (Provinz E... ) im Osten der Türkei, wo er bis 2010 gelebt habe. Danach sei er in die unweit gelegene Stadt K... umgezogen, um die Schule zu besuchen. Seit 2014 lebe er in unterschiedlichen Städten, um zu arbeiten, nämlich in I... , E... und T... , zuletzt in K... . Seine Familie, nämlich seine Eltern und seine Schwester, lebten heute in K... , zögen im Sommer aber in ein Haus im Herkunftsdorf. Es gebe diese zwei Wohnsitze der Familie, die in ihrem Eigentum stünden. Von seiner Familie lebten insgesamt noch drei Schwestern in der Türkei. Ein Bruder lebe in Italien. Sein Bruder in Deutschland sei 1979 geboren und deutscher Staatsbürger. Seine ebenfalls in Hamburg lebende Schwester sei 27 Jahre alt und habe einen Aufenthaltstitel.
Der Grund, warum er zunächst nach seiner Einreise nach Deutschland keinen Asylantrag gestellt habe, sei gewesen, dass er die Verteilung (in ein weiter entferntes Bundesland) gefürchtet habe.
Die Schule habe er bis zum Abitur besucht. Dann habe er ein Fernstudium in Buchhaltung begonnen, habe aber tatsächlich gar nicht studiert. Er habe vor allem als Friseur und auf Baustellen gearbeitet. Zuletzt vor seiner Ausreise habe er für etwa ein Jahr auf einem Großmarkt in K... gearbeitet. Seine wirtschaftliche Situation sei weder sehr gut noch sehr schlecht gewesen. Er habe ein monatliches Einkommen von 1.300 TL bis 1.500 TL gehabt. 200 TL habe er an die Eltern abgegeben. Den Wehrdienst habe er noch nicht absolviert, da er wegen des Studentenstatus zurückgestellt gewesen sei.
Hinsichtlich des Grundes für die Ausreise verwies der Kläger auf seine Teilnahme an verschiedenen Demonstrationen in S... (Provinz D... ), in C... (Provinz Ş... ) und in N... (Provinz M... ). Dies seien Demonstrationen gegen die Festnahme von Selahattin Demirtaş und Burhan Kocaman (dem Bürgermeister von K... ) gewesen. Viele seiner Freunde seien festgenommen worden. Er habe Angst gehabt, dass auch er irgendwann verhaftet würde. Außerdem seien nachts die Guerillas, also PKK-Kämpfer, in sein Dorf gekommen und hätten sie gezwungen, ihnen Lebensmittel zu geben. Tagsüber hätte ihnen dann die Jandarma Vorwürfe gemacht, dass sie die PKK unterstützen würden.
Es seien etwa 50 Demonstrationen gewesen im Zeitraum von 2014 bis zu seiner Ausreise, an denen er teilgenommen habe. Seine Personalien seien dabei nie aufgenommen worden, aber diejenigen von Freunden. Freunde von ihm seien auch im Gefängnis. Seine Aufgabe sei es gewesen, für die Demonstrationen zu mobilisieren. Dann habe er auch an ihnen teilgenommen. Reden habe er nicht gehalten. Er sei auch nicht als Ordner tätig gewesen. Dennoch gehe er davon aus, dass die Polizei seine Personalien besitze, dass sie aber nicht genug Beweismittel gegen ihn habe. Sein Cousin sei Vorsitzender der Jugendorganisation der HDP (HDP-Jugend) in S... gewesen. Er sei 2018 an einer Krankheit verstorben. Er selbst sei Mitglied in der HDP-Jugend gewesen, habe aber seinen Mitgliedsausweis weggeworfen vor der Ausreise. Er habe dort 300 TL im Monat gezahlt. (Weitere) Unterstützungshandlungen für die HDP habe er nicht vorgenommen. Bei den Demonstrationen habe er sich stets unauffällig im Hintergrund gehalten. Er sei nie mitgenommen bzw. verhaftet worden. Nach seiner Ausreise sei die Jandarma zu seinem Vater gekommen und habe gewarnt, dass er nicht mehr an Demonstrationen teilnehmen solle. Der Vater solle ihm sagen, dass er zur Polizei gehen solle, um dort eine Aussage zu machen. Als im Juli 2018 ein befreundetes Mitglied verhaftet worden sei, habe er sich zur Ausreise entschlossen. Persönliche oder körperliche Bedrohungen gegen ihn habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Auch in I... sei ihm, bis auf eine kleinere Streiterei, nichts zugestoßen. Probleme mit der Justiz habe er nie gehabt. Er sei auch nicht Mitglied in einer Partei gewesen.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2019 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und subsidiären Schutz ab (Ziffern 1 bis 3); zugleich stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4). Des Weiteren wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, anderenfalls werde er abgeschoben (Ziffer 5). Zudem wurde eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung verfügt (Ziffer 6). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen ersichtlich nicht vor. Es habe keine relevante staatliche Verfolgung gegeben. Eine solche wäre auch nicht nachvollziehbar aufgrund des vorgetragenen bloß mäßigen Engagements des Klägers für die HDP-Jugend. Aus der Verfolgung von Freunden oder Bekannten könne der Kläger selbst nichts herleiten. Es habe keine staatlichen Maßnahmen gegeben, die sich gegen ihn gerichtet hätten. Er bzw. sein Vater seien zwar angesprochen worden, er sei aber nie verhaftet worden. Was die Situation nach einer Rückkehr in die Türkei angehe, so sei kaum zweifelhaft, dass der – gesunde – Kläger, auch mithilfe seines familiären Netzwerks, wirtschaftlich wieder fußfassen werde können. Schutzwürdige Belange für eine Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots seien nicht ersichtlich.
Der Kläger hat am 2. Juli 2019 Klage erhoben. Zur weiteren Begründung der geltend gemachten asyl- und flüchtlingsrechtlichen Ansprüche hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren seine Angaben aus der Anhörung beim Bundesamt mit der Klagebegründung vom 12. Juli 2019 im Wesentlichen wiederholt. Das Aufsuchen des Vaters durch die Jandarma sei so zu werten, dass die Verhaftung des Klägers im Zeitpunkt seiner Ausreise unmittelbar bevorgestanden habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juni 2019 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weiter hilfsweise subsidiären Schutz zu gewähren sowie wiederum weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 10. Juli 2019 unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die von der Beklagten eingereichte elektronische Asylakte, dort insbesondere des Protokolls der Anhörung des Klägers 4. April 2019, Bezug genommen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
I) Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. März 2022 war auf den Terminsverlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 28. Februar 2022 nicht aufzuheben.
Ein Termin kann gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben oder vertagt werden, wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt und glaubhaft macht. Sind die für die Vertagung in Frage stehenden Gründe nicht offensichtlich, sind sie dem Gericht glaubhaft zu machen. An erheblichen Gründen fehlt es hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 28. Februar 2022 (Eingangszeitpunkt 19:11 Uhr) gestellten sowie mit den Schriftsätzen vom 1. und 2. März 2022 weiter begründeten Antrages auf Terminsverlegung, der sich im Wesentlichen auf die krankheitsbedingte Verhandlungsunfähigkeit (allein) des Klägers stützt.
Wird eine Terminsverlegung – wie hier faktisch aufgrund des Eingangs am 28. Februar 2022 nach 19 Uhr, nach dem eine Kenntnisnahme durch den Einzelrichter erst am 1. März 2022 möglich war – erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung des Beteiligten begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert werden, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht. Dies erfordert grundsätzlich die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, aus der das Gericht Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit des Betroffenen selbst beurteilen kann. Bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminsverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2017 - 2 B 69.16 -, juris Rn. 24; BSG, Beschluss vom 16. April 2018 - B 9 V 66/17 B -, juris Rn. 11; SächsOVG, Beschluss vom 8. Mai 2019 - 3 A 1351/18.A -, juris Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 1. Februar 2018 - 4 A 10/18.A -, juris Rn. 20 ff.
Das – vom Kläger angeführte – Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der verfassungsrechtlich verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör vermittelt den Beteiligten daher das Recht, an einer im Verwaltungsrechtsstreit stattfindenden mündlichen Verhandlung teilzunehmen und sich dort zu Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern. Sofern der Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, genügt zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs allerdings regelmäßig die Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung. Dies gilt grundsätzlich auch im Asylprozess. Einen generellen Anspruch auf eine persönliche Anhörung anwaltlich vertretener Kläger sieht die Prozessordnung im Asylrechtsstreit nicht vor. Etwas anderes gilt im Einzelfall allerdings dann, wenn gewichtige Gründe vorliegen, die die persönliche Anwesenheit des Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als erforderlich erscheinen lassen. So kann das Unterbleiben einer persönlichen Anhörung je nach den Umständen des Einzelfalles verfahrensfehlerhaft sein, wenn es für die Entscheidung nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts auf den persönlichen Eindruck von dem Asylbewerber ankommt, etwa weil das Gericht auf seine Glaubwürdigkeit oder die Glaubhaftigkeit seiner Angaben abstellt.
Zusammenfassend NdsOVG, Beschluss vom 27. September 2021 - 4 LA 171/21 -, juris Rn. 3, unter Verweis u. a. auf BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2002 - 1 B 313.01 -, juris Rn. 5, und vom 8. August 2007 - 10 B 74.07 -, juris Rn. 8.
Es kann vorliegend offenbleiben, ob der Kläger seiner Darlegungsobliegenheit hinsichtlich der Verhandlungsunfähigkeit hinreichend nachgekommen ist. Zweifelhaft erscheint dies deshalb, weil weder sich aus dem vorgelegten Attest die konkreten Symptome ergeben, die den Kläger an der Wahrnehmung des Termins hindern sollen, noch ob diese auch am Verhandlungstag tatsächlich weiterhin bestanden, noch der Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung – ungeachtet des entsprechenden Hinweises des Einzelrichters gegenüber dem Prozessbevollmächtigten – hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat, dass das ausgestellte Attest auf einer persönlichen Untersuchung durch den ausstellenden Arzt beruht. Damit bleibt offen, ob es dem Gericht ermöglicht wurde, die geltend gemachte Verhandlungsunfähig zu überprüfen.
Dem Terminsverlegungsantrag war indes jedenfalls aus dem Grund nicht stattzugeben, dass der – nach seinem Vorbringen verhandlungs- und reiseunfähige – Kläger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertreten wird und der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Gelegenheit hatte, den Termin der mündlichen Verhandlung wahrzunehmen, auch wenn er diese – entsprechend seiner schriftsätzlichen Ankündigung vom 2. März 2022 – ohne Angabe weiterer Gründe nicht genutzt hat. Insoweit wurden insbesondere keine auf den Prozessbevollmächtigten bezogenen Verhinderungsgründe geltend gemacht. Gewichtige Gründe, die nach den bezeichneten Grundsätzen eine persönliche Anwesenheit des Klägers erforderlich machen, sind weder vom Kläger geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Das kurze klägerische Vorbringen hierzu im Schriftsatz vom 1. März 2022, nach welchem der Kläger begehrt „sein Verfolgungsschicksal erläuternd und vertiefend darzulegen, dies auch im Hinblick auf etwaige gerichtliche Nachfragen“, bleibt letztlich pauschal und formelhaft. Der Kläger vermag damit nicht zu verdeutlichen, welchen konkreten entscheidungserheblichen Vortrag er nur höchstpersönlich darzulegen vermag, so dass seinem Prozessbevollmächtigten eine entsprechende Vertretung in der mündlichen Verhandlung nicht möglich wäre. Insbesondere hat er nicht substantiiert dargelegt, dass er etwa neue, bislang nicht geltend gemacht Umstände, die eine Verfolgungsgefahr aus seiner Sicht begründen, vortragen will und dass (und warum) dies nicht durch den Prozessbevollmächtigten erfolgen kann. Für das Gericht kommt es im vorliegenden Fall nach Aktenlage jedenfalls nicht auf den persönlichen Eindruck des Klägers an. Die Klage ist auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers in der Anhörung beim Bundesamt wie auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch den klagebegründenden Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 12. Juli 2019 – wie darzulegen ist – aus Rechtsgründen abzuweisen.
Der im Zusammenhang mit dem Antrag auf Terminsverlegung kaum vertiefte Verweis des Klägers auf „den Art. 46 ff. Richtlinie 2013/32/EU“ im Schriftsatz vom 1. März 2022 führt nicht weiter. Es wird bereits nicht deutlich, aus welcher konkreten Vorschrift innerhalb des (elf Absätze umfassenden) Art. 46 der Richtlinie zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes vom 26. Juni 2013 (Asylverfahrensrichtlinie) der Kläger einen Anspruch für anwaltlich vertretene Antragsteller auf persönliche Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ableiten will. Der Kläger erläutert auch nicht, warum ein etwaiges Teilnahmerecht nicht durch den vom ihm frei gewählten Prozessbevollmächtigten, sondern ausschließlich von ihm persönlich wahrgenommen werden können sollte.
Auch der im Schriftsatz vom 2. März 2022 vorgetragene Verweis auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Anspruch auf rechtliches Gehör (BVerfG Plenum, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - [„Fachgerichtlicher Rechtsschutz“], juris Rn. 42) vermag den Antrag auf Terminsverlegung nicht zu tragen. Zwar soll die Partei ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Sie muss mit ihren Ausführungen (und Anträgen) gehört werden. Dies geschieht indes auch über den Prozessbevollmächtigten, jedenfalls – wie dargelegt – im Grundsatz. Für die Annahme einer Ausnahme mangelt es – wie ebenfalls bereits dargelegt – an substantiiertem Vorbringen des Klägers.
II) Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten sowie eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in der Sache verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
III) Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 25. Juni 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat auf Grundlage der gemäß § 77 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) noch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a des Grundgesetzes - GG) noch auf subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) und auch nicht auf Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich der Türkei gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG oder auf Herabsetzung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a GG scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben auf dem Landweg und damit zwangsläufig aus einem sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a AsylG, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nach Deutschland eingereist ist.
Mit den von ihm geltend gemachten materiellen flüchtlingsrechtlichen Ansprüchen vermag der Kläger nicht durchzudringen.
a) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
aa) Der Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG setzt voraus, dass der Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlings-Konvention - GFK) ist (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG). Dies ist dann der Fall, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt.
Als Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Verfolgungshandlungen in diesem Sinne sind insbesondere die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr.1 AsylG), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (§ 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG), unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG), Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (§ 3a Abs. 2 Nr. 4 AsylG), Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG) und zuletzt Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind (§ 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG). Zwischen den in § 3 Abs.1 Nr. 1 AsylG in Verbindung mit den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Eine Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn sie aufgrund der im Herkunftsland des Ausländers gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht,
sog. „real risk“, vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 -, juris Rn. 22.
Dies setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen als die dagegensprechenden. Dabei ist eine sog. qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann,
vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 32; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -, juris Rn. 35 ff.
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt voraus, dass das Gericht von der Wahrheit – und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit – des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Schicksals die volle Überzeugung erlangt.
Insbesondere hinsichtlich der den Schutzanspruch begründenden Vorgänge im Verfolgerland darf das Gericht dabei zwar wegen der (häufig bestehenden) asyltypischen Beweisschwierigkeiten keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind,
BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, juris Rn. 16.
Wenn keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen, kann daher allein der Tatsachenvortrag des Asylbewerbers für eine Glaubhaftmachung ausreichen, sofern sich das Gericht von der Richtigkeit seiner Behauptungen zu überzeugen vermag. Eine Glaubhaftmachung setzt allerdings regelmäßig voraus, dass der Asylbewerber die Gründe für das Vorliegen einer Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG schlüssig, widerspruchsfrei und mit genauen Einzelheiten vorträgt. Der Art und Weise seiner Einlassung, seiner Persönlichkeit, insbesondere seiner Vertrauenswürdigkeit kommt insoweit entscheidende Bedeutung zu,
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, juris Rn. 16.
Es obliegt dem Schutzsuchenden, die Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
Er muss in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, seinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lückenlos zu tragen. Ein in diesem Sinne schlüssiges Schutzbegehren setzt im Regelfall voraus, dass der Schutzsuchende konkrete Einzelheiten seines individuellen Verfolgungsschicksals vorträgt und sich nicht auf unsubstantiierte allgemeine Darlegungen beschränkt. Er muss nachvollziehbar machen, wieso und weshalb gerade er eine Verfolgung befürchtet. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt,
vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1988 - 9 C 273.86 -, juris Rn. 11.
Das Asylverfahren ist eine Einheit, so dass ein gegenüber den Angaben vor der Verwaltungsbehörde in gerichtlichen Verfahren vorgetragener neuer Sachverhalt regelmäßig Zweifel an der Richtigkeit dieses Vorbringens wecken wird. Dies bedeutet letztlich, dass der Ausländer unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren.
bb) In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Das Gericht vermag auch bei einer Wahrunterstellung aller vom Kläger aus eigenem Erleben heraus vorgetragenen tatsächlichen Umstände nicht zu der Überzeugung zu kommen, dass der Kläger in der Türkei von nach den dargestellten Maßgaben erheblichen Verfolgungsmaßnahmen betroffen war und dass diese ihn zur Ausreise bewegt haben. Ebenso wenig ist für das Gericht die vom Kläger vorgetragene Furcht nachvollziehbar, bei einer Rückkehr in die Türkei Opfer derartiger individueller Verfolgungsmaßnahmen zu werden und auf Dauer im Zusammenhang mit einem flüchtlingsschutzbezogenen Anknüpfungspunkt inhaftiert zu werden. Er muss bei der Rückkehr in die Türkei nicht damit rechnen, dass mit nicht rechtsstaatlichen Mitteln gegen ihn vorgegangen wird oder dass er in Haft kommt und dort mit Folter oder schweren Misshandlungen konfrontiert wird.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe – auch hinsichtlich der Zuerkennung von subsidiärem Schutz und der Feststellung von Abschiebungsverboten – sieht das Gericht von einer weiteren eigenen Darstellung ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG), dort insbesondere Seiten 4 bis 9.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass insbesondere die Ausführungen des Klägers in der Anhörung beim Bundesamt zu seiner Mitgliedschaft und zu seinem Engagement für die HDP-Jugend die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder von subsidiärem Schutzes nicht zu rechtfertigen vermögen. Es fehlt, wie die Beklagte im Bescheid zutreffend dargestellt hat, auch mit Blick auf dieses Vorbringen an einer staatlichen Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger und auch an einem Verhalten des Klägers in der Türkei, die ein Verfolgungsinteresse des türkischen Staats plausibilisieren und eine Verfolgungsfurcht rechtfertigen würden.
Das Gericht ist, mit verschiedenen weiteren Verwaltungsgerichten, der Überzeugung, dass das Risiko eines Mitglieds oder Sympathisanten der HDP, der Unterstützung der PKK verdächtigt und deswegen staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein, abhängig vom individuellen Profil und den konkreten Betätigungen des Einzelnen ist. Normale Mitglieder stehen dabei im Allgemeinen nicht im besonderen Fokus der staatlichen Ermittlungsbehörden allein wegen ihrer politischen Überzeugung. Die Aufmerksamkeit der Behörden erlangen normale Mitglieder meist nur darüber, dass sie ungünstig aufgefallen sind. Ein größeres Risiko besteht demgegenüber für höherrangige Partei- oder Vorstandsmitglieder. Der türkische Staat geht dabei insbesondere gegen diejenigen vor, die seiner Wertung nach in der HDP oder der BDP eine herausgehobene Rolle einnehmen. Einem einfachen HDP-Mitglied hingegen, das ohne herausragende Position oder besondere Funktion lediglich als einer von vielen an Kundgebungen und Demonstrationen teilgenommen hat, droht (vorbehaltlich gegenteiliger Anhaltspunkte im Einzelfall) keine landesweite Verfolgung. Insoweit dürfte das Verfolgungsinteresse des türkischen Staats, soweit es überhaupt besteht, räumlich und zeitlich beschränkt sein.
Vgl. VG München, Urteil vom 17. März 2021 - M 1 K 17.41734 -, juris Rn. 38 f.; VG Köln, Urteil vom 12. Februar 2020 - 22 K 16250/17.A -, juris Rn. 36; VG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2020 - 2 A 5986/18 -, juris.
Selbst wenn man diese für die HDP und nicht die HDP-Jugend entwickelten Grundsätze hier zur Anwendung bringt, vermag dies die Klage nicht zu stützen. Mit Blick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ist insoweit nicht ersichtlich, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht. Der Kläger nahm auf der Grundlage seiner eigenen Angaben keine höhere Funktion in der HDP-Jugend ein. Sein Engagement beschränkte sich im Wesentlichen auf übliche niederschwellige Unterstützungshandlungen, nämlich die Mobilisierung für Demonstrationen und weitere kleinere Hilfen (Fahrdienste o. ä.) sowie den Besuch von Demonstrationen, wobei er selbst angegeben hat, aus Vorsicht sich dort eher im hinteren Bereich aufgehalten zu haben und nie durch türkische Sicherheitskräfte auf seine Personalien kontrolliert worden zu sein. Als Ordner oder gar Redner war er zu keinem Zeitpunkt tätig. Auch die nach seinen Angaben nach seiner Ausreise erfolgte Aufsuchung seines Vaters durch die Jandarma, die Nachfrage nach ihm und die ihm zu überbringende Aufforderung, sich für eine Aussage bald bei der Jandarma zu melden (ohne dass etwa eine entsprechende schriftliche Aufforderung oder überhaupt ein an ihn gerichteten Schreiben abgegeben wurde), belegen keine individualisierte Verfolgung, sondern eher die Aufforderung zu einer Zeugenaussage (mit Bezug zu welchen Ereignissen auch immer). Insbesondere ist nicht erkennbar geworden, dass die Sicherheitsbehörden oder das türkische Justizsystem gegen ihn vorgehen wollen. Gesicherte Anhaltspunkte für ein formaljuristisches Vorgehen gegen den Kläger bestehen gerade nicht. Das Bestehen eines Verfolgungsinteresses ist vor dem Hintergrund der geschilderten Aktivitäten des Klägers auch nicht hinreichend wahrscheinlich oder überhaupt plausibel. Die im klagebegründenden Schriftsatz vom 12. Juli 2019 enthaltene, dort aber nicht weiter plausibilisierte Bewertung, dass eine Verhaftung des Klägers durch die türkische Polizei bei seiner Ausreise unmittelbar bevorgestanden habe, ist danach nicht nachvollziehbar.
Das Gleiche gilt für die vom Kläger angeführte Versorgung von PKK-Mitgliedern („Guerillas“) mit Lebensmitteln in seinem Heimatdorf. Er hat in der Anhörung beim Bundesamt insoweit angegeben, dass „sie“ „uns“ dann zwar nicht geschlagen hätten, sie aber mit Waffen „hineingekommen“ seien und „sie“ sich gezwungen gesehen hätten, ihnen nachts etwas zu geben. Tagsüber hätten „sie“ sich Vorwürfen der Jandarma aussetzen müssen, dass sie die PKK unterstützten. Er hat weiter geschildert, dass „sie“ dem ausgewichen seien, indem sie nur im Sommer im Dorf waren, während die PKK-Kämpfer gerade im Sommer nicht gekommen seien, sondern meistens im Frühjahr oder im Herbst. Die restliche Zeit – außerhalb des Sommers – hätte die Familie in der Stadt verbracht. Abgesehen davon, dass der Kläger, der sich gerade in den letzten Jahren vor der Ausreise ohnehin zur Arbeit in anderen Städten aufhielt, insoweit gar keine konkrete individuelle Unterstützungshandlung durch sich selbst angegeben hat, sondern stets die „Wir“-Form benutzte, hat er selber nicht angegeben, dass hieraus eine nachhaltige Verfolgung etwa seiner Familie oder sogar von ihm selbst resultiert habe. Vielmehr blieb es bei den allgemeinen Vorwürfen der Jandarma. Verhaftungen oder gar justizförmige Verfahren sind hieraus über die Jahre nicht gefolgt. Dies genügt schon im Ansatz weder für die Annahme eines auf den Kläger individualisierten Verfolgungsinteresses des türkischen Staates noch für die Bejahung eines „real risk“ im vorbezeichneten Sinn.
Der Kläger hat schließlich die Möglichkeit nicht genutzt, durch seinen Prozessbevollmächtigten etwaige, für das Gericht allerdings nicht erkennbare Lücken in seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung aufzuklären, zu plausibilisieren oder ergänzende Umstände geltend zu machen. Sein Prozessbevollmächtigter ist nicht erschienen.
b) Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung entspricht den Regelungen gemäß §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).
Auch soweit die Klage gegen das auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot gerichtet ist, hat sie keinen Erfolg,
zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage insoweit vgl. jeweils m. w. N. VG Berlin, Urteil vom 9. September 2019 - 19 K 447.17 -, juris Rn. 51; Urteil vom 19. September 2019 - 31 K 397.19.A -, juris Rn. 13.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der – zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) geltenden – Fassung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl. I, S. 1294) ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wird über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Ermessen entschieden. Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG darf sie außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten. Dem wird die hier getroffene Regelung gerecht; insbesondere lässt die Ermessensentscheidung über die Länge der Frist keine Rechts- oder Ermessensfehler erkennen. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in Fällen, in denen – wie hier – keine individuellen Gründe glaubhaft gemacht worden sind, generell eine Befristung von 30 Monaten vornimmt,
vgl. VG Berlin, Urteil vom 19. September 2019 - 31 K 397.19 A -, juris Rn. 47 m. w. N.
IV) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.