Gericht | VG Potsdam 14. Kammer | Entscheidungsdatum | 28.02.2022 | |
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Aktenzeichen | 14 L 483/21 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2022:0228.14L483.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Bezogen auf den Antrag zu 1), wonach der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden sollte, den auf Dienstag, den 15.06.2021 ab 9:00 Uhr festgelegten Liegenschaftsvermessungstermin zur Vorbereitung eines Grenztermins des Flurstücks der Flur Gemarkung W...), OT P..., F... Straße, Ortsausgang P... aufzuheben, wird das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingestellt.
Nachdem die Beteiligten diesbezüglich den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO).
Unter den gegebenen Umständen entspricht es billigem Ermessen, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, denn der Antrag hatte ursprünglich nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Im vorliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrte der Antragsteller die ersatzlose Aufhebung des auf Dienstag, den ab Uhr festgelegten Liegenschaftsvermessungstermins. Zwar war der Antrag zulässig, weil der angegriffene Termin nicht bereits mit Schreiben des Antragsgegners vom aufgehoben worden war. Eine Terminsaufhebung kann der uneindeutigen Formulierung im genannten Schreiben nicht entnommen werden. Der Antrag war jedoch jedenfalls unbegründet. Denn auf die beantragte Regelungsanordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestand kein Anspruch, weil die Voraussetzungen des einzig als Grundlage in Betracht kommenden allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs nicht vorlagen. Erforderlich war, dass der Antragsteller durch eine hoheitliche Maßnahme in materiellen Rechten verletzt wird (BVerwG, Urteil vom 05. Oktober 1990 – 7 C 55/89 –, BVerwGE 85, 368-380, juris Rn. 25). Bei der Anberaumung eines Liegenschaftsvermessungstermins handelt es sich um einen Verfahrensakt, der für sich betrachtet keine Rechtsverletzung beinhaltet. Anhaltspunkte dafür, dass die Terminierung formell nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, waren nicht erkennbar und wurden auch nicht vorgetragen. Gemäß Nr. 5 der Liegenschaftsvermessungsvorschrift (VVLiegVerm) sind Ort und Zeit des Vermessungstermins den Beteiligten rechtzeitig mitzuteilen, soweit dies zweckmäßig erscheint. Der Antragsgegner nutzte hierzu das Formblatt aus Anlage 1a.
Der Antrag unter 2.),
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen, Liegenschaftsvermessungen auf dem Flurstück der Flur Gemarkung W...), OT P..., F... Straße, Ortsausgang P... vorzunehmen, ohne dass der Antragsteller dem Betreten seines Flurstücks der Flur Gemarkung W...), OT P..., F... Straße, Ortsausgang P... durch deren Mitarbeiter/innen zugestimmt hat oder er rechtskräftig zur Zustimmung verurteilt worden ist,
hat im Ergebnis keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Insbesondere liegt trotz des Schreibens des Antragsgegners vom, in dem dieser erklärt hatte, das Grundstück ohne Einwilligung des Antragstellers nicht zu betreten, ein Rechtschutzbedürfnis vor. Mit dem Inhalt des Schreibens werden zwar entsprechend dem Antrag zu 2) Liegenschaftsvermessungen gegen den Willen des Antragstellers praktisch ausgeschlossen, da vor allem für die Durchführung der Vermessung das Betreten des Grundstücks unerlässlich ist (Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht, 2. Auflage 2002, § 4 Nr. 2.1.). Bei dem Schreiben handelt es sich jedoch um eine unwirksame Zusicherung. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) (im Folgenden immer in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Brandenburg (VwVfGBbg)) ist eine Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt zu unterlassen. Der Antragsgegner verzichtet mit dem Schreiben gegenüber dem Antragsteller auf die Durchsetzung der gesetzlich für den Fall der Weigerung vorgesehenen Duldung im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 BbgVermG (Brandenburgisches Vermessungs-gesetz) in Verbindung mit den Zwangsmitteln des VwVGBbg (Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Brandenburg), mithin auf den Erlass belastender Verwaltungsakte. Die Zusicherung ist selbst ein Verwaltungsakt (BVerwG, Urteil vom 29. August 1986 – 7 C 21/85 –, juris Rn. 8). Der Verwaltungsakt war jedoch nichtig und damit unwirksam (vgl. § 43 Abs. 3 VwVfG). Gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Fehler im Sinne des Abs. 1 sind solche, die in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrundeliegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 44 Rn. 8). Der Fehler ist offensichtlich, wenn er für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist. Es ist ausreichend, dass mit den näheren Umständen vertraute Personen die besondere Fehlerhaftigkeit ohne weiteres erkennen können (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 44 Rn. 12, 13). Die Zusicherung leidet an einem solchen Fehler, weil sie gegen das zwingende Vermessungsgebot für alle Liegenschaften verstößt, indem sie die Durchführung der Vermessung von der Einwilligung eines Privaten abhängig macht. Auf Vermessung kann weder von Amts wegen noch auf Antrag eines Beteiligten verzichtet werden (Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht, 2. Auflage 2002, § 12 Nr. 3.1.1). Das Vermessungsgebot ergibt sich aus § 8 Abs. 3 BbgVermG (vgl. auch Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht, 2. Auflage 2002, § 12 Nr. 3.1.1). Aber die vorliegende Zusicherung verstößt nicht nur gegen eine Einzelnorm, sondern gegen die Grundsätze der Bestimmtheit und Rechtssicherheit. Wesensnotwendig für ein Grundstück ist, dass seine Grenzen im Liegenschaftskataster durch geometrische Bestimmungselemente festgelegt sind. Dies ist der Urauftrag der amtlichen Vermessung (Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht, 2. Auflage 2002, § 12 Nr. 3.1.2). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass zugunsten der Stadt Werder an dem streitgegenständlichen Flurstück eine Auflassungsvormerkung
bezüglich einer Teilfläche besteht. Der grundbuchliche Vollzug der geschuldeten Auflassung setzt die katastermäßige Zerlegung der Grundstücksteilfläche voraus (vgl. § 28 Satz 1 Grundbuchordnung (GBO); „die Zerlegung geht der rechtlichen Teilung vor“, Bengel/Simmerding, Grundbuch/Grundstück/Grenze, 5. Auflage 2000, S. 245). Die Zusicherung schließt die Rechte der Stadt Werder aus der Auflassungsvormerkung aus (§§ 883, 888 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und letztlich Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)). Vorliegend spricht der Schriftwechsel zwischen dem Antragsgegner und der Stadt Werder, die die Teilungsvermessung beantragt hat, dafür, dass für die Stadt Werder die Fehlerhaftigkeit der Zusicherung erkennbar wäre. So zeigt ihr Schreiben vom, dass ihr bewusst ist, dass es auf die Zustimmung des Antragstellers zum Grenzverlauf und mithin zur Vermessung nicht ankommt, dass diese lediglich wünschenswert wäre.
Der Antrag zu 2) ist jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass ein Anspruch glaubhaft gemacht wird, dessen vorläufiger Sicherung die begehrte Anordnung dienen soll (Anordnungsanspruch), und dass die Gründe glaubhaft gemacht werden, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund).
Als Anordnungsanspruch macht der Antragsteller einen Anspruch auf zukünftiges Unterlassen von Liegenschaftsvermessungen auf seinem Flurstück der Flur geltend bzw. einen Anspruch darauf, dass zukünftige Liegenschaftsvermessungen auf seinem Grundstück davon abhängen, dass er dem Betreten des Grundstücks zugestimmt hat oder er rechtskräftig zur Zustimmung verurteilt worden ist.
Ein solcher – sich aus dem Grundgesetz oder aus §§ 1004, 906 BGB analog ergebender – öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zugunsten des Antragstellers setzt einen (drohenden) rechtswidrigen Eingriff in eine geschützte subjektive Rechtsposition durch öffentlich-rechtliches Handeln voraus (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 12.6.2018 – OVG 1 S 9.18 – juris Rn. 6; VG Würzburg, Beschluss vom 07. April 2021 – W 4 E 21.338 –, juris Rn. 26). Die entsprechenden Voraussetzungen sind aber nach Ansicht der erkennenden Kammer nach summarischer Prüfung nicht gegeben.
Stellt man allein auf das Unterlassen der Liegenschaftsvermessung ab, so fehlt es bereits an einem Eingriff in eine Rechtsposition des Antragstellers, denn von der reinen Liegenschaftsvermessung gehen unmittelbar keine Rechtswirkungen aus. Sie liefert lediglich im Rahmen des flurstücksbezogenen Verwaltungsverfahrens Grunddaten und bereitet auf diese Weise Rechtsakte vor (Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht, 2. Auflage 2002, § 12 Nr. 3.3.2.).
Stellt man auf das begehrte Unterlassen des Betretens des Grundstücks ab, so ist der damit verbundene Eingriff nicht rechtswidrig, weil den Antragsteller eine Duldungspflicht trifft. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BbgVermG sind Personen, die Arbeiten zur Erfassung von Geobasisdaten durchführen, berechtigt, bei der Durchführung dieser Arbeiten Grundstücke und bauliche Anlagen zu betreten und zu befahren. Soweit der Antragsteller diesbezüglich anführt, es gehe nicht um die Erfassung von Geobasisdaten, sondern um Vermessungsarbeiten und die Vorschrift sei demzufolge nicht einschlägig, so ist dem nicht zuzustimmen. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 BbgVermG sind Geobasisdaten die Daten des amtlichen Vermessungswesens,
welche den Raumbezug, die Liegenschaften und die Landschaft anwendungsneutral nachweisen. Diese Daten enthält das Liegenschaftskataster (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BbgVermG). Die Liegenschaftsvermessung ist ein Verfahren zur Fortführung des Liegenschaftskatasters (Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht, 2. Auflage 2002, § 12 Nr. 3.2.5.)
Ein drohender rechtswidriger Eingriff lässt sich schließlich auch nicht damit begründen, dass der Antragsgegner „gerne tricky“ agiere (Antragsschrift Blatt 10), wie das Verwaltungshandeln in Bezug auf das Flurstück der Flur zeige. Der Antragsteller ist im Eilverfahren vor der Kammer erfolglos gegen dieses Verwaltungshandeln vorgegangen. Mit Beschluss vom unter dem Aktenzeichen VG 14 L 1023/20 wurde der Antrag abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen hat das OVG Berlin Brandenburg mit Beschluss vom zurückgewiesen. Das vom Antragsteller angeführte Urteil des OLG Brandenburg vom 25. Juli 2019 (Az.: 5 U 42/16) ist für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Es bezieht sich auf eine Grenzermittlung aus dem Jahr 2009 auf Grundlage des damaligen Teilungsentwurfs, der mit dem streitgegenständlichen Teilungsentwurf vom nicht übereinstimmt.
Der Antrag zu 3)
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen, einen Grenztermin auf Grundlage seines Teilungsentwurfs vom vorzunehmen, solange der Antragsteller dem Ergebnis der Grenzermittlung für das Flurstück, wie es im Teilungsentwurf niedergelegt ist, nicht zugestimmt hat oder er rechtskräftig zu einer Zustimmung zu dem Ergebnis der Grenzermittlung für das Flurstück, wie es im Teilungsentwurf vom niedergelegt ist, verurteilt worden ist,
ist unzulässig.
Soweit der Antrag darauf gerichtet ist, dem Teilungsentwurf die Zustimmung zu verweigern, fehlt dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist hierzu nicht erforderlich, weil der Antragsteller dieses Begehren auf einfachere Weise verwirklichen kann (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 42 Rn. 178). Der streitgegenständliche Teilungsentwurf ist mit dem Antrag der Stadt Werder auf Grenzfeststellung Grundlage der Grenzermittlung. Gemäß § 16 Abs. 1 BbgVermG ist den Beteiligten in einem Grenztermin Gelegenheit zu geben, sich über das Ergebnis der Grenzermittlung unterrichten zu lassen und die zur Grenzfeststellung notwendigen Anerkennungserklärungen abzugeben, beziehungsweise dies entsprechend nicht zu tun. Der Zerlegung seines Grundstücks nach Maßgabe des Teilungsentwurfs kann der Antragsteller mithin auf einfachere Weise im Grenztermin die Anerkennung verweigern.
Abgesehen davon ist der Antrag zu 3) auch nicht statthaft. Eine vorbeugende Unterlassungsklage bzw. vorliegend der entsprechende Antrag auf Sicherungsanordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, mit dem ein drohendes tatsächliches Verwaltungshandeln abgewehrt werden soll, ist nur statthaft, wenn sich dieses Handeln hinreichend konkret abzeichnet, insbesondere die für eine Rechtmäßigkeitsprüfung erforderliche Bestimmtheit aufweist (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 6 A 7/16 –, juris Rn. 12). Das ist vorliegend nicht der Fall, weil die Anordnung eines Grenztermins nicht unmittelbar bevorsteht. Der Grenztermin ist die verfahrensrechtliche Anhörung über das Ergebnis der Grenzermittlung (vgl. § 16 Abs. 1 BbgVermG und Kummer/Möllering, Vermessungs- und Katasterrecht, 2. Auflage 2002, § 17 Nr. 2.1). Die Liegenschaft ist aber bisher noch nicht einmal vermessen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes); eine Streitwerterhöhung durch die Antragsmehrheit ist nach Ansicht der Kammer nicht geboten. Für das vorläufige Rechtsschutzverfahren ist der Wert auf die Hälfte ermäßigt worden.