Gericht | SG Neuruppin 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 29.04.2022 | |
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Aktenzeichen | S 26 AS 813/21 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zu Recht zuvor gegenüber den Klägern nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) ergangene bewilligende Verfügungen teilweise aufgehoben und gewährte Leistungen im Aufhebungsumfang zurückgefordert hat.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 136 Abs 2 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort unter „I.“ bis vor „II.“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. Oktober 2021, mit dem dieser die Widersprüche der Kläger vom 03. Mai 2021 gegen die sozialverwaltungsbehördlichen Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen des Beklagten vom 20. April 2021 als unzulässig zurückwies. Wegen der Begründung des Beklagten verweist die Kammer gemäß § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort ab „II.“) bis Seite 3 (dort bis zu dem Wort „Rechtsbehelfsbelehrung“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. Oktober 2021.
Mit bei dem Sozialgericht Neuruppin am 05. November 2021 eingegangenem Schriftsatz vom 01. November 2021 haben die Kläger bei dem erkennenden Gericht Klagen erhoben, mit denen sie ihr auf Aufhebung der sie belastenden sozialverwaltungsbehördlichen Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen des Beklagten gerichtetes Begehren weiter verfolgen. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, sie hätten kein Schreiben vom 11. Mai 2021 erhalten und seien deshalb auch nicht darauf hingewiesen worden, dass eine eMail das Schriftformerfordernis nicht erfüllen könne. Sie hätten auch keine arglistige Täuschung begangen, ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass sie mit den Nebenkosten nicht so umzugehen sei, auch seien die Nebenkosten für Kleinreparaturen verwandt worden.
Die Kläger beantragen (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
die mit den Bescheiden des Beklagten vom 20. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2021 verlautbarten sozialverwaltungsbehördlichen Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen des Beklagten aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages wiederholt und vertieft er seine Ausführungen in dem – auch – angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2021. Ergänzend hebt er hervor, selbst wenn die Kläger das Schreiben vom 11. Mai 2021, mit dem der Beklagte die Kläger darauf hingewiesen habe, dass das Schriftformerfordernis nicht erfüllt sei, nicht erhalten hätten, seien aber die entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrungen der angegriffenen Bescheide ausreichend gewesen.
Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 03. März 2022 und vom 07. März 2022 jeweils ihre Zustimmung zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie auf die die Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand von Beratung und Entscheidungsfindung waren.
Die Klagen haben keinen Erfolg.
1. Über die Klagen konnte die Kammer gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben und weil das Gericht vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).
2. Streitgegenstand ist die Rechtmäßigkeit der den Klägern bekanntgegebenen sozialverwaltungsbehördlichen Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen vom 20. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2021; die entsprechenden sozialverwaltungsbehördlichen Verfügungen des Beklagten sind damit Gegenstand des Klageverfahrens.
3. Die in der gebotenen sinnentsprechenden Auslegung des klägerischen Begehrens (vgl § 123 SGG) als isolierte Anfechtungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG iVm § 56 SGG) zu verstehenden Klagen, die die Kläger in Streitgenossenschaft (vgl § 74 SGG iVm § 59 der Zivilprozessordnung <ZPO> und § 60 ZPO) erhoben haben, und die auf die Aufhebung der sie belastenden sozialverwaltungsbehördlichen Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen des Beklagten – hierbei handelt es um Verwaltungsakte im Sinne des § 31 S 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) – gerichtet sind, sind statthaft und auch im Übrigen insgesamt zulässig.
4. Die danach insgesamt zulässigen Klagen sind jedoch unbegründet, weil der Beklagte die Widersprüche der Kläger zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat, wodurch die Kläger auch nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert sind (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).
a) Die Kammer sieht gemäß § 136 Abs 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der Begründung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. Oktober 2021 (dort S 2, unter „II.“) bis Seite 3 (dort bis zu dem sechsten Absatz). Hierneben verweist die Kammer in entsprechender Anwendung der Regelung des § 136 Abs 3 SGG auf die Erwägungen des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 31. Januar 2022. Die so in Bezug genommenen Erwägungen des Beklagten hält auch die Kammer für überzeugend und legt sie deshalb auch ihrer eigenen Entscheidung zugrunde. Den so in Bezug genommenen Erwägungen des Beklagten haben die Kläger auch im Klageverfahren nichts Entscheidungserhebliches entgegen gesetzt. Soweit die Kläger insbesondere geltend machen, dass sie das Schreiben des Beklagten vom 11. Mai 2021, mit dem der Beklagte die Kläger auf die Problematik des Schriftformerfordernisses hingewiesen habe, nicht erhalten zu haben, können sie hiermit nicht durchdringen, weil – wie der Beklagte zu Recht geltend macht – bereits die entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrungen der angegriffenen Bescheide ausreichend über das Schriftformerfordernis aufgeklärt hatten.
b) Nur ergänzend möchte die Kammer indes noch einmal Folgendes hervorheben: Eine Widerspruchseinlegung mittels einfacher eMail stellt keine schriftliche Widerspruchseinlegung iSd § 84 Abs 1 S 1 SGG dar (vgl hierzu auch Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juni 2012 – L 7 AS 205/11 B ER, RdNr 19 mwzN). Die in § 84 Abs 1 S 1 SGG angeordnete Schriftform wurde insbesondere auch nicht nach § 36a Abs 2 S 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) durch die elektronische Form ersetzt, weil die eMail des Klägers vom 03. Mai 2021 nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen war. Nach § 36a Abs 2 S 2 SGB I ist, wenn die in § 84 Abs 1 S 1 SGG angeordnete Schriftform durch die elektronische Form ersetzt wird, das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen (vgl Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juni 2012 – L 7 AS 205/11 B ER, RdNr 20 mwzN). Qualifizierte elektronische Signaturen sind nach § 2 Nr 1 bis 3 des Gesetzes über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen – Signaturgesetz (SigG) – Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen, wobei sie ausschließlich dem Signaturschlüssel-Inhaber zugeordnet sind, die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers ermöglichen, mit Mitteln erzeugt werden, die der Signaturschlüssel-Inhaber unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann, und mit den Daten, auf die sie sich beziehen, so verknüpft sind, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann. Zudem müssen sie auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt werden (vgl Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juni 2012 – L 7 AS 205/11 B ER, RdNr 20).
Weil dieser eMail auch keine Datei beigefügt war, die ggf ihrerseits als Ausdruck der auf elektronischem Wege übermittelten Datei der Schriftform iSd § 84 Abs 1 S 1 SGG durch Wiedergabe einer Unterschrift der Kläger genügt hätte (vgl Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juni 2012 – L 7 AS 205/11 B ER, RdNr 22 ff mwzN), haben die Kläger ihre Widersprüche nicht formgerecht eingelegt, weshalb der Beklagte sie zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat.
5. Nur der Vollständigkeit halber wird abschließend darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu prüfen haben wird, ob bereits die eMail der Kläger vom 03. Mai 2021 oder aber jedenfalls die bei dem erkennenden Gericht am 05. November 2021 eingegangenen Klagen vom 01. November 2021 als Überprüfungsantrag im Sinne des § 44 Abs 1 SGB X iVm § 44 Abs 2 SGB X iVm § 40 Abs 1 S 1 SGB II und § 40 Abs 1 S 2 SGB II auszulegen und zu behandeln sind.
6. a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten insgesamt einander keine Kosten zu erstatten haben, weil die Kläger mit ihren Begehren im Klageverfahren vollumfänglich unterlagen.
b) Die Aufwendungen des Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).
7. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 183 S 1 SGG).
8. Die wegen der Unterschreitung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zulassungsbedürftige Berufung (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG) war nicht zuzulassen, weil Gründe für die Zulassung der Berufung nicht ersichtlich sind (§ 144 Abs 2 SGG).