Gericht | SG Neuruppin 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 29.04.2022 | |
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Aktenzeichen | S 26 AS 1611/16 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die mit dem Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2016 verlautbarten Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen werden aufgehoben.
Der Beklagten hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zu Recht zuvor gegenüber dem Kläger nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) ergangene bewilligende Verfügungen teilweise aufgehoben und gewährte Leistungen zurückgefordert hat, nachdem auf dem Girokonto des Klägers ua Einnahmen aus seiner (ehemaligen) selbständigen Tätigkeit gutgeschrieben worden waren.
Dem bis zum 31. Juli 2014 selbständig tätigen Kläger, der gegenüber seiner Tochter – der am ... Juni 2004 geborenen F. – unterhaltspflichtig ist und sich zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet hat (vgl die Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung des Landkreises Ostprignitz-Ruppin – Jugend- und Betreuungsamt – vom 06. November 2008), gewährte der Beklagte mit sozialverwaltungsbehördlichen Verfügungen vom 28. August 2014 passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II für den Zeitraum vom 01. August 2014 bis zum 31. Januar 2015.
Nachdem auf dem Girokonto des Klägers am 08. Oktober 2014 ein Betrag in Höhe von 50,00 Euro, am 09. Oktober 2014 ein Betrag in Höhe von 535,50 Euro, am 15. Oktober 2014 ein Betrag in Höhe von 999,60 Euro sowie am 17. Oktober 2014 ein Betrag in Höhe von 571,20 Euro gutgeschrieben worden war, hob der Beklagte –gestützt ua auf die Regelung des § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X – seine bewilligenden Verfügungen vom 28. August 2014 mit sozialverwaltungsbehördlichen Verfügungen vom 29. Juni 2015 für den Zeitraum vom 01. November 2014 bis zum 31. Januar 2015 im Umfang eines Betrages von jeweils monatlich 287,54 Euro auf und forderte im Umfang von insgesamt 862,62 Euro Erstattung. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 05. Juli 2015 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, die Anrechnung der Einnahmen sei nicht zu beanstanden und beruhe ua auf der Regelung des § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X. Dem Kläger seien insgesamt Einnahmen im Umfang eines Betrages von 2.156,30 Euro zugeflossen. Dieser sei gemäß § 11 Abs 3 SGB II als einmalige Einnahme ab dem Monat November 2016 zu berücksichtigen, da die Leistungen für Oktober 2016 bereits ausgezahlt gewesen seien. Der Betrag sei gemäß § 11 Abs 3 S 3 SGB II auf sechs Monate aufzuteilen und mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich ein monatlich zu berücksichtigendes Einkommen im Umfang eines Betrages von 359,38 Euro, der jeweils um die Versicherungspauschale in Höhe eines Betrages von 30,00 Euro und die monatlich fälligen Kfz-Versicherungsbeiträge in Höhe eines Betrages von 41,84 Euro zu bereinigen sei. Im Aufhebungsumfang seien bereits erbrachte Beträge gemäß § 50 Abs 1 SGB X zu erstatten.
Mit Schriftsatz vom 30. August 2016 – bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangen am 05. September 2016 – hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben, mit der er sein auf Aufhebung der ihn belastenden Verfügungen gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Er meint, die berücksichtigten Einnahmen entstammten aus dem Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen er Verbindlichkeiten aus dem Gewerbebetrieb beglichen habe, weshalb die Einnahmen nicht berücksichtigt werden könnten. Selbst wenn Einnahmen zu berücksichtigen seien, seien jedenfalls die Erwerbstätigenfreibeträge in Abzug zu bringen. Die Gutschrift in Höhe eines Betrages von 50,00 Euro sei als eigene Einzahlung des Klägers von vornherein nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger damit eine Ratenzahlung gegenüber seiner Krankenversicherung habe realisieren wollen. Nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis ergänzt der Kläger schließlich unter Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Kindsmutter vom 15. Februar 2022, er habe im streitigen Zeitraum jeweils monatlich 245,00 Euro Barunterhalt für seine Tochter geleistet.
Der Kläger beantragt (nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
die mit dem Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2016 verlautbarten Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages hebt er hervor, eine Berücksichtigung von Verbindlichkeiten aus dem Gewerbebetrieb komme nach der Abmeldung der selbständigen Tätigkeit nicht mehr in Betracht, es handele sich um Schulden des Klägers, die unberücksichtigt bleiben müssten. Auch eine weitergehende Bereinigung um den Grund- und den weiteren Freibetrag scheide mangels sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung aus. Soweit der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis vortrage, er habe monatlich Unterhalt geleistet, überzeuge der entsprechende Vortrag schon deshalb nicht, weil nicht nachzuvollziehen sei, wovon der Kläger nach der Leistung des Barunterhaltes gelebt habe. Es erscheine auch wenig glaubhaft, dass sich die Kindsmutter im Jahr 2022 an Barzahlungen des Klägers in den Jahren 2014 und 2015 erinnern und diese konkreten Monaten zuordnen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf den Inhalt der Prozess- und der Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Prozessakte sowie die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand von Beratung und Entscheidungsfindung.
Die Klagen haben Erfolg.
1. Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2016 für den Zeitraum vom 01. November 2014 bis zum 31. Januar 2015 verlautbarten Aufhebungs- und Erstattungsverfügungen, die ihrerseits Klagegegenstand sind. Richtige Klageart für die auf Aufhebung der den Kläger belastenden Verfügungen gerichteten Begehren sind (isolierte) Anfechtungsklagen (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG iVm § 56 SGG). Die so verstandenen statthaften Klagen sind auch im Übrigen zulässig.
2. Die danach insgesamt zulässigen Klagen sind auch begründet.
a) Die gegen die Aufhebungsentscheidungen des Beklagten gerichteten Anfechtungsklagen sind begründet, weil der Beklagte mit den angegriffenen Verfügungen zu Unrecht seine zuvor erteilten bewilligenden Verfügungen teilweise für jeden Monat des Streitzeitraumes (vgl zum sog Monatsprinzip die Regelungen des § 11 Abs 2 S 1 SGB II, § 11 Abs 3 S 1 SGB II, § 20 Abs 1 S 3 SGB II, § 37 Abs S 2 SGB II sowie § 41 Abs 1 S 2 SGB II; vgl dazu auch Bundessozialgericht, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R, RdNr 18 sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R, RdNr 28) aufgehoben hat, was den Kläger zudem auch im Sinne des § 54 Abs 2 S 1 SGG in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert.
aa) Die Rechtmäßigkeit der von dem Beklagten für jeden Monat des Streitzeitraumes verfügten Aufhebungen misst sich an § 40 Abs 1 S 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) und § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) und § 48 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), jeweils in der Fassung, die die genannten Vorschriften zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügungen hatten, weil insoweit das zu diesem Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 2020 – B 4 AS 1/20 R, RdNr 13 mwN), was im Übrigen auch für die weiteren zitierten Vorschriften gilt.
bb) Die Aufhebungsverfügungen sind zwar formell rechtmäßig, auch wenn der Kläger zu ihnen als eingreifenden Verwaltungsakten nicht vor deren Bekanntgabe gemäß § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 24 Abs 1 SGB X angehört worden sein sollte. Denn jedenfalls wurde ein etwaiger Anhörungsmangel aufgrund der Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt (vgl § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X iVm § 41 Abs 2 SGB X).
cc) Die Aufhebungsverfügungen erweisen sich jedoch als materiell rechtswidrig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlagen für die angegriffenen sozialverwaltungsbehördlichen Aufhebungsverfügungen des Beklagten liegen – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht vor.
aaa) Aufgrund der Regelung des § 40 Abs 1 S 1 SGB II gilt für das Verfahren nach dem SGB II (auch) das SGB X. Zudem sind entsprechend anwendbar die Vorschriften des SGB III ua über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 40 Abs 2 Nr 3 SGB II sowie § 330 Abs 2 SGB II und § 330 Abs 3 S 1 SGB III). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (§ 48 Abs 1 S 1 SGB X). Betrifft er – wie hier – Leistungen nach dem SGB II, ist er mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit ua nach seinem Erlass Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III und § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X).
Bei den zuvor ergangenen bewilligenden Verfügungen vom 26. März 2018 handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Indes ist nach Erlass dieser bewilligenden Verfügungen keine wesentliche Änderung eingetreten. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich – zu Gunsten oder zu Lasten des Betroffenen – auf den Grund oder die Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 14 AS 7/20, RdNr 26 mwN). Dies ist hier jedoch – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht der Fall. Denn der Kläger hat nach Erlass der genannten bewilligenden Verfügungen keine Einnahmen in Geld im Sinne des § 11 Abs 1 S 1 SGB II erzielt; der Kläger war daher auch nicht in vermindertem Umfang leistungsberechtigt.
Nach § 19 Abs 1 S 1 SGB II und § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II, wenn sie – neben weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen – hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs 1 SGB II ua, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann.
Gemäß § 11 Abs 1 S 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Dabei ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 S 1 SGB II nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt, weil sie sie für überzeugend hält, grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was der Leistungsberechtigte vor der Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie; Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 14 AS 7/20, RdNr 28 mwN). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 14 AS 7/20, RdNr 28 mwN).
Darüber hinaus ist zu beachten, dass gemäß § 11 Abs 3 S 1 SGB II einmalige Einnahmen zwar grundsätzlich in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen sind. Sofern aber für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt (vgl § 11 Abs 3 S 3 SGB II). Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (vgl § 11 Abs 3 S 4 SGB II).
bbb) Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben handelt es sich entgegen der Auffassung des Beklagten – mit Ausnahme des Betrages in Höhe von 50,00 Euro – bei den streitigen Beträgen, die auf dem Girokonto des Kläger im Monat Oktober 2014 gutgeschrieben worden sind, nicht um sonstige Einnahmen, die ua dem Regelungsmechanismus des § 4 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V) iVm § 2 Abs 6 Alg II-V unterfallen würden, sondern um Einnahmen aus (selbständiger) Erwerbstätigkeit. Denn bei diesen Einnahmen handelt es sich um Arbeitsentgelt, das der Kläger als Gegenleistung für seine selbständige Tätigkeit erhalten und für die er gegenüber seinen Auftraggebern Rechnung gelegt hat. Diese Einnahmen sind damit als Einkommen aus (selbständiger) Erwerbstätigkeit zu qualifizieren, das grundsätzlich nach Erteilung der jeweiligen Rechnungen zu leisten war, was jedoch – insoweit ist dem Beklagten zuzustimmen – wegen der nicht in den Bewilligungszeitraum (dieser begann erst am 01. August 2014, vgl den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 28. August 2014) fallenden Beendigung der selbständigen Tätigkeit nicht den Regelungsmechanismen des § 3 Alg II-V für Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit unterfallen kann.
Die nach Auffassung der Kammer danach jedenfalls als Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu qualifizierenden Einnahmen sind dann bereits für Oktober 2014 – also außerhalb des hier streitgegenständlichen Zeitraumes – zu berücksichtigen gewesen, denn nach § 11 Abs 2 S 1 SGB II sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei den dem Kläger im Monat Oktober 2014 zugeflossenen Rechnungsbeträgen insbesondere nicht um einmalige Einnahmen im Sinne des § 11 Abs 3 SGB II. Ihre Berücksichtigung erst im Folgemonat auf der Grundlage von § 11 Abs 3 S 2 SGB II kommt schon deshalb nicht in Betracht. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum übereinstimmend vorgenommenen Abgrenzung sind laufende Einnahmen solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden, bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung. Diese Abgrenzung bedarf nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer ebenfalls anschließt, weil sie sie für überzeugend hält, einer weitergehenden Präzisierung für Fälle, in denen die regelmäßige Erfüllung von Ansprüchen, die aus demselben Rechtsgrund herrühren, Störungen unterworfen ist. In diesen Fällen kommt dem Rechtsgrund der Zahlungen die maßgebende Bedeutung zu. Für die Qualifizierung einer Einnahme als laufende Einnahme reicht es danach aus, wenn sie zwar nicht „laufend“ sondern in einem Gesamtbetrag erbracht wird, aber nach dem zugrunde liegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre. Diese entscheidend auf den Rechtsgrund abstellende Sichtweise ermöglicht auch in Fällen mit Leistungsstörungen eine klare und praktisch gut handhabbare Abgrenzung, denn Rechtsgrund und vereinbarter Turnus von Zahlungen sind in der Regel einfach feststellbar. Zudem hängt die Beurteilung einer Einnahme als laufende oder einmalige nicht vom Verhalten des Schuldners ab, welches, wenn bestehende Ansprüche nicht erfüllt werden, unter Umständen sogar vertragswidrig ist. Wenn also Zahlungen aus ihrem Rechtsgrund heraus regelmäßig zu erbringen sind, ändert sich ihr Charakter als laufende Einnahme nicht dadurch, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – dem Berechtigten zeitweise ganz oder teilweise vorenthalten und erst später in einem Betrag nachgezahlt werden.
Ohne Bedeutung für die Abgrenzung ist es, ob das Rechtsverhältnis, auf dem die Zahlung beruht, zum Zeitpunkt der Zahlung noch bestanden hat oder schon beendet war. Da der Rechtsgrund der Zahlung maßgebliches Anknüpfungskriterium ist, ändert auch dies den Charakter der Zahlung als eine auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhende und an sich regelmäßig zu erbringende Einnahme nicht. Würde man nur auf den Zeitpunkt abstellen, zu dem das Rechtsverhältnis endet, wäre im Übrigen die Qualifizierung als einmalige oder laufende Einnahme von den Zufälligkeiten der Zahlungsmodalitäten abhängig. Gerade bei Arbeitsverhältnissen kann die Schlussabrechnung häufig überhaupt erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgen, etwa wenn variable Bezügebestandteile, wie Spesen oder Provisionen, abzurechnen sind. Dementsprechend haben beide für die Grundsicherung zuständigen Senate des Bundessozialgerichts bereits mehrfach entschieden, dass auch die letzte (Abschluss-)Zahlung in einer Reihe laufender Zahlungen als laufende Einnahme zu qualifizieren ist, ohne dass problematisiert wurde, ob das zugrunde liegende Rechtsverhältnis überhaupt noch bestanden hat (vgl zu alledem Bundessozialgericht, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R, RdNr 15ff mwN).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund stellen sich die dem Kläger im Oktober 2014 zugeflossenen Zahlungen – mit Ausnahme des Betrages in Höhe von 50,00 Euro – als laufende Einnahmen dar. Die Zahlungen hatte ihre rechtliche Grundlage in der zuvor beendeten selbständigen Tätigkeit und es hing nur vom Zufall ab, ob und wann die Schuldner die ihnen jeweils in Rechnung gestellten Leistungen bezahlten. Insofern sind Arbeitsentgelte, die nach der Beendigung einer selbständigen Tätigkeit gezahlt werden, als letzte Abschlusszahlungen in einer Reihe laufender Zahlungen zu behandeln und daher nicht anders zu behandeln als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nachgehend gezahlt werden und deshalb als laufende Einnahmen zu qualifizieren sind.
Zu beachten ist mit Blick auf das Geltungszeitraumprinzip in diesem Zusammenhang schließlich ferner auch, dass die in § 11 Abs 3 SGB II erst durch Art 1 Nr 8 Buchst b des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016 (BGBl I 1824) – entsprechend Art 4 Abs 1 des genannten Gesetzes – erst mit Wirkung ab dem 01. August 2016 vor dem bisherigen S 2 eingefügte Regelung des neuen S 2, wonach zu den einmaligen Einnahmen auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen gehören, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden, hier noch nicht anwendbar ist. Entgegen dem Inhalt der Gesetzesmaterialien zu der Einfügung des § 11 Abs 2 S 2 SGB II (vgl BT-Drs 18/8041, S 33, zu Buchst b) handelt es sich insbesondere auch nicht etwa um eine „Klarstellung“ der schon bisher bestehenden Rechtslage, sondern um eine – von der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl erneut Bundessozialgericht, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 32/14 R, RdNr 15ff mwN) diametral abweichende – ausdrücklich andere normative Zuordnung bestimmter Einnahmen (vgl hierzu G. Becker in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Auflage 2021, § 11, RdNr 31 sowie Söhngen in jurisPK-SGB II, § 11, RdNr 77), deren Rückwirkung sich indes nicht aus der gesetzlichen Neuregelung ergibt.
Zwar ist eine frühere, durch eine Änderung des Gesetzes abgelöste alte Fassung des Gesetzes kein aktuell geltendes Recht mehr, aufgrund der gesetzlichen Konzeption der Übergangsvorschriften im SGB II (vgl zB dessen § 66 oder auch dessen § 80), die Ausdruck des aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art 20 Abs 3 des Grundgesetzes folgenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes auch bei Rechtsänderungen sind, ist jedoch – worauf die Kammer schon hingewiesen hat – im SGB II vom sog Geltungszeitraumprinzip auszugehen, nach dem das Recht anzuwenden ist, das zu der Zeit galt, in der die maßgeblichen Rechtsfolgen eingetreten sind, wenn es – wie hier – an einer speziellen Regelung mangelt und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass ihr eine Rückwirkung beizumessen wäre (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R, RdNr 15 mwN; vgl zur fehlenden Anwendbarkeit der Neuregelung des § 11 Abs 3 S 2 SGB II auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Mai 2020 – L 32 AS 945/18, RdNr 53ff).
Wenn danach die im Oktober 2014 aus der selbständigen Tätigkeit herrührenden Gutschriften auch im Monat Oktober 2014 als nachgehende laufende Einnahmen zu berücksichtigen waren, stehen sie der Hilfebedürftigkeit des Klägers im hier nur streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. November 2014 bis zum 31. Januar 2015 nicht entgegen, so dass eine teilweise Aufhebung der bewilligenden Verfügungen aus diesem Grunde mangels wesentlicher Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht gerechtfertigt ist. Mangels berücksichtigungsfähigem Einkommen kommt es deshalb auch nicht darauf an, ob von diesem die von dem Kläger behaupteten monatlichen Unterhaltszahlungen abzusetzen wären.
ccc) Soweit der Beklagte der Hilfebedürftigkeit des Klägers auch die im Monat Oktober 2014 erfolgte Gutschrift in Höhe eines Betrages von 50,00 Euro entgegen hält, dürfte er zwar zu Recht davon ausgehen, dass diese – sollte es sich nicht um die bloße Verwendung eigenen Vermögens des Klägers handeln – eine einmalige Einnahme darstellt, die wegen der bereits erfolgten Auszahlung der Leistungen für Oktober 2014 im Folgemonat Berücksichtigung finden müsste, ohne dass sie wegen des Entfallens der Hilfebedürftigkeit, aufzuteilen wäre. Indes wären von diesem Einkommen neben der in § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V vorgesehenen Pauschale von 30,00 Euro für private Versicherungen gemäß § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II auch der monatlich fällige Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung abzusetzen (vgl dazu zuletzt Bundessozialgericht, Urteil vom 11. November 2021 – B 14 AS 41/20 R, RdNr 32 mwN), abzusetzen, so dass kein berücksichtigungsfähiges Einkommen mehr verbliebe. Vor diesem Hintergrund kommt es weder auf die Frage an, ob der Kläger diesen Betrag lediglich „umgeschichtet“ hat noch darauf, ob von diesem Betrag noch die behaupteten tatsächlich geleisteten monatlichen Unterhaltszahlungen abzusetzen wären.
b) Wenn nach alledem die Anfechtungsklagen gegen die Aufhebungsverfügungen begründet sind, gilt Gleiches auch für die gegen die Erstattungsverfügung erhobene (isolierte) Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG iVm § 56 SGG. Diese ist begründet, weil die auf die Regelung des § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 50 Abs 1 SGB X gestützte angegriffene Verfügung rechtswidrig ist und der Kläger auch durch sie in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG). Denn nach der gerichtlichen Aufhebung der den Erstattungsverwaltungsakt tragenden Aufhebungsverfügungen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die sozialverwaltungsbehördliche Erstattungsverfügung und damit auch dessen Grundlage entfallen. Es fehlt mithin mangels noch bestehender Aufhebung der bewilligenden sozialverwaltungsbehördlichen Verfügungen an der Rechtfertigung für die geltend gemachte Erstattungsforderung.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass der Beklagte dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten hat, weil der Kläger mit seinem Begehren vollumfänglich obsiegt hat. Die Aufwendungen des Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG). Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 183 S 1 SGG).