Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 21. Kammer | Entscheidungsdatum | 24.03.2022 | |
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Aktenzeichen | 21 Sa 1313/21 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0324.21SA1313.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Tätigkeit eines oder einer Polizeiangestellten im Objektschutz erfordert gründliche Fachkenntnisse im Sinne der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1b der Anlage 1a zum BAT-/BAT-O.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Juli 2021 - 21 Ca 4301/15 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger nach Entgeltgruppe 6 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem Ersten des jeweiligen Folgemonats beginnend mit dem 3. April 2015 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
II. Die Kosten der I. Instanz haben der Kläger zu 67,19 % und das beklagte Land zu 32,81 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat das beklagten Land zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger ist gelernter Maschinist für Wärmekraftanlagen und war seit 1983 als Wachtmeister bzw. Oberwachtmeister bei der Volkspolizei der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in Neubrandenburg und Berlin tätig. Seit dem 12. Juli 1993 ist er bei dem beklagten Land unter Anrechnung von Vordienstzeiten seit dem 1. November 1985 als vollbeschäftigter Angestellter beschäftigt und als Wachpolizist im zentralen Objektschutz tätig. Vom 28. März bis zum 29. April 1994 absolvierte er mit Erfolg einen Grundlehrgang der Wachpolizei für den Objektschutz. In den Jahren 2005, 2007, 2012 und 2014 nahm er an Fortbildungslehrgängen und im Jahr 2017 an einem Schießtraining teil.
Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 16. Februar 1994 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die mit dem Land Berlin bzw. dem Arbeitgeberverband, dem das Land Berlin angehört, bisher vereinbarten, noch geltenden und künftig abzuschließenden Tarifverträge über Arbeitsbedingungen der Angestellten, deren Arbeitsverhältnisse in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet begründet worden sind, Anwendung. Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf dessen Ablichtung (Blatt 15 f. (folgende) der Akten) verwiesen. Vom 1. Juli 1990 bis zum 30. September 2017 war der Kläger Mitglied der Gewerkschaft der Polizei.
Der Objektschutzdienst umfasst den Postendienst sowie den Fuß-, Rad- und motorisierten Streifendienst. Voraussetzung für die Tätigkeit ist ein Hauptschulabschluss und die erfolgreiche Absolvierung eines mittlerweile etwa 16-wöchigen Einführungslehrgangs. Die im Objektschutz tätigen Polizeiangestellten - so auch der Kläger - bewachen Botschaften, Konsulate, das Reichstagsgebäude, jüdische Einrichtungen und Wohnungen von Politikern oder Personen des öffentlichen Lebens, um die Gebäude und die in den Gebäuden befindlichen Personen vor jeglicher Gewalt und Gefahr zu schützen. Zunächst wurde der Kläger als Springer an wechselnden Schutzobjekten eingesetzt. Seit November 2017 wird er schwerpunktmäßig an den Schutzobjekten in der H. Straße … und der D. Straße … (jüdisches Pflegeheim ... ..., Synagoge sowie jüdisches Seniorenzentrum mit Synagoge) eingesetzt. Als Dienstausstattung führt der Kläger einen Schlagstock, ein Reizstoffsprühgerät und als Dienstwaffe eine Handfeuerwaffe sowie je nach Einsatz auch eine Maschinenpistole mit sich. Für die verschiedenen Objekte gibt es jeweils „Posten- und Streifenanweisungen“, in denen die örtlichen Verhältnisse und Besonderheiten der Schutzobjekte sowie die vorgesehenen Objektschutzmaßnahmen näher beschrieben sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die Posten-/Streifenanweisung für die Objekte, an denen der Kläger schwerpunktmäßig eingesetzt ist, (Blatt 263 ff. (fortfolgende) der Akten) sowie auf die vom Kläger beispielhaft eingereichten Posten-/Streifenanweisungen für die Botschaft und Residenz des Staates Israel (Blatt 504 ff. der Akten) und das Privathaus einer Richterin (Blatt 623 ff. der Akten) verwiesen.
Es existiert eine Muster-Beschreibung des Aufgabenkreises (Muster-BAK) aus dem Jahr 1984. In der Anlage zu Ziffer 5 der Muster-BAK ist der Arbeitsvorgang unter der laufenden Nr. 1 Buchstabe a wie folgt beschrieben:
„Schutz von Objekten im Rahmen des Posten- sowie des Fuß-, Rad- und motorisierten Streifendienstes, das heißt, Schutz bzw. Sicherung des Eigentums der Schutzmächte, öffentliche Einrichtungen sowie privatgenutzter Gebäude, von Anlagen und Einrichtungen, die wegen ihrer Gefährdung oder ihres Wertes für die Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung sind oder Angriffsziel extremer Gruppierungen sein können.
Hierbei ist durch präventiven Einsatz zur Erhaltung und Herstellung der Sicherheit und Ordnung an und im Objekt beizutragen. Durch sichtbare Präsenz sind Straftaten zu verhindern.
Diese Aufgabe beinhaltet je nach den für das Objekt geltende Anforderungen:
- Kontrolle des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs an den Eingängen/Einfahrten und im Objektbereich zur Feststellung der Berechtigung zum Betreten des Objektes durch Überprüfung der
-- Personen- und Fahrzeugpapiere,
-- mitgeführten Behältnisse,
-- Fahrzeugladung.
Ferner ggf.
-- Ausfertigung von Besucherbescheinigungen,
-- Eintragung im Besucherbuch,
-- Rückfragen oder Anmeldungen bei Bediensteten, soweit die Berechtigung anerkannt wurde
- Erteilen von Auskünften
- Überprüfung des ordnungsgemäßen Verschlusses und Zustandes wichtiger Einrichtungen (z.B. Tore, Türen, Begrenzungszäune und -mauern, Alarmanlagen, ADV- und Fernmeldeanlagen, elektrische Einrichtungen, Waffen- und Munitionsbehältnisse, Kraftstofflager, Kfz-Hallen, Werkstätten pp.).
- Kontaktaufnahme und -halten mit den im Objektschutzbefehl benannten Personen.
- Beobachten des Objektbereiches und Aufklären in der Umgebung zum rechtzeitigen Erkennen von rechtswidrigen Eingriffen, die sich gegen das Objekt richten. Hierbei sind alle rechtmäßigen Möglichkeiten zur Verhinderung von Straftaten bzw. zur Festnahme des/der Täter anzuwenden (ggf. körperliche Gewalt, Waffengebrauch).
- Meldeerstattung über Fernsprecher und/oder Funkgerät.
- Übernahme von bestimmten Schutzaufgaben nach dem Alarmplan für das Objekt.
- Entgegennahme von Fundsachen, sofern es dem Finder nicht möglich ist, die Fundsache bei einer Polizeidienststelle abzugeben.“
Ferner ist unter der Ziffer 5 der Muster-BAK „Benötigte Fachkenntnisse und Fähigkeiten“ Folgendes aufgeführt:
„- Grundausbildung bei ZD IV D, etwa sieben Wochen
- Fundierte Rechtskenntnisse
-- der Jedermannrechte Notwehr/Nothilfe und Notstand (§§ 32-35 StGB, § 227, 228, 904 BGB), vorläufige Festnahme (§ 127 Abs. 1 Satz 1 StPO) und Besitzwehr (§§ 859, 860 BGB)
-- der übertragenen hoheitlichen Befugnisse
Allgemeine Befugnisse - z. B. Platzverweis - (§ 14 ASOG)
Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen (§ 15 ASOG)
Durchsuchung von Personen (§ 22 ASOG)
Durchsuchung von Sachen (§ 23 ASOG)
Sicherstellung von Sachen (§ 26 ASOG)
-- im Hinblick auf die Berechtigung zur sofortigen Vollziehung ihrer Maßnahmen bei der rechtmäßigen Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie zur Anwendung unmittelbaren Zwanges (§§ 6, 9, 12, 15 VwVG i.V.m. § 3 Nr. 7 UZwG)
-- im Recht zum Schußwaffengebrauch
zur Verhinderung rechtswidriger Taten (§ 11 UZwG) und unter den Voraussetzungen der Jedermannrechte
- Beherrschen der Handhabung der dienstlich überlassenen Schusswaffen und gute bis ausreichende Ergebnisse im Schießtraining
- Gebrauch von Hiebwaffen (Schlagstock), Reizstoffen (Tränengas) und Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt (Fesseln, Diensthunde, Dienstfahrzeuge) gemäß Nr. 84 AV Pol UzwG“.
Wegen des weiteren Inhalts der Muster-BAK wird auf deren Ablichtung (Blatt 24 ff. der Akten) verwiesen.
In der Dienstanweisung für Polizeiangestellte im Objektschutz (PAng OS) vom 22. Januar 2002 heißt es zu den Befugnissen und zu den Allgemeinen Aufgaben und Anforderungen auszugsweise wie folgt:
„4. Objektschutz
...
Beim Objektschutzdienst muss jederzeit mit Anschlägen gerechnet werden.
...
Da die Polizeivollzugsangestellten die der Situation angepassten Maßnahmen zu treffen haben, sind ihnen Befugnisse übertragen worden, die zu den bedeutendsten des Polizeirechts gehören und deren Handhabung mit besonderer Verantwortung verbunden ist ...
4.1 Allgemeine Aufgaben und Anforderungen
- zugewiesene Bereiche überwachen
- angrenzende Verkehrsflächen und Grundstücke beobachten
- Gebäude, Einrichtungen, Anlagen sichern und schützen
- unbefugten Zutritt, unbefugte Zufahrt, Einbringen gefährlicher / verdächtiger Gegenstände durch Kontrollen verhindern
- Personen, Fahrzeuge, Sachen durch Kontrollen nach unberechtigtem Aufenthalt, Einfahren, Abstellen entfernen bzw. veranlassen (z. B. auch sprengstoffverdächtige Gegenstände)
- bei Gefahren sowie erkannten Straftaten erste Maßnahmen einleiten (wobei die Verfolgung flüchtender Täter unmittelbar nach einer Straftat zu unterbleiben hat, wenn dadurch der Objektschutzauftrag nicht mehr erfüllt werden kann)
- Auskünfte erteilen
Die PAng OS werden überwiegend in Einzelverantwortung tätig. Sie müssen in jeder Situation bei der Prüfung von Sachverhalten mit psychologischem Einfühlungsvermögen und polizeilichem Gespür eigene Überlegungen anstellen, die Initiative ergreifen und selbstständig die erforderlichen Maßnahmen treffen und dabei die übertragenen Befugnisse korrekt anwenden. Sie müssen notfalls Personen festhalten und bei Gegenwehr eigenverantwortlich über die Anwendung unmittelbaren Zwanges entscheiden, von der körperlichen Gewalt bis hin zum Waffengebrauch.
Sie benötigen ein ständig verfügbares Wissen, um - insbesondere beim Einsatz hoheitlicher Mittel - unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, rechtsstaatlich einwandfreie Maßnahmen zu treffen.
...“
Wegen des weiteren Inhalts der Dienstanweisung wird auf deren Ablichtung (Blatt 251 ff. der Akten) verwiesen.
Der Tätigkeit der Polizeiangestellten im Wachschutz liegen unter anderem § 5 Absatz 2 ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) und die diesbezüglich ergangene Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch Dienstkräfte der Polizei (PDieVO) zugrunde.
Das sogenannte Unterrichtsbegleitmaterial zur Basisqualifizierung von Polizeiangestellten im Objektschutz behandelt unter anderem deren Befugnisse und ihre gesetzlichen Grundlagen, den Inhalt und die Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und die Ermessensausübung in diesem Zusammenhang. Wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichte Kopie des Unterrichtsbegleitmaterials von Oktober 2003 (Blatt 29 - 70 der Akten) verwiesen.
Unter Beibehaltung der damaligen Ausbildungsinhalte wurde der Grundlehrgang für die Tarifbeschäftigten im Objektschutz von 7 auf 16 Wochen ausgedehnt. Der 16-wöchige Grundlehrgang besteht aus folgenden auszugsweise dargestellten Modulen:
„1. Verhaltenstraining (32 Unterrichtsstunden)
...
2. Rechtskunde (112 Unterrichtsstunden)
...
3. Politische Bildung (18 Unterrichtsstunden)
...
4. Praktische Ausbildung für den Objektschutzdienst (158 Unterrichtsstunden)
...
5. Sport (44 Unterrichtsstunden)
...
6. Schießausbildung auf einem Schießstand (Pistole-P6 und Maschinenpistole MP5)
Unterteilt in
o Grundlehrgang Schießen - Sch-A (40 Unterrichtsstunden)
o Aufbaulehrgang Schießen - Sch-B (40 Unterrichtsstunden)
o Abschlusslehrgang Schießen - Sch-C (40 Unterrichtsstunden)
7. Einsatztraining
o Einsatztraining mit Schwerpunkt Eigensicherung (40 Unterrichtsstunden)
o Einführung in diverse FEM (Führung und Einsatzmittel) (20 Unterrichtsstunden)
...
o Fernmeldeausbildung (20 Unterrichtsstunden)
...
8. Fahrsicherheitstraining
o Fahrerschulung (FS l) (16 Unterrichtsstunden)
o Fahrsicherheitstraining in Brandenburg (FS ll) (24 Unterrichtsstunden)
9. Erste-Hilfe-Ausbildung (16 Stunden)
10. Darüber hinausgehende Inhalte:
o Eröffnung Lehrgang und Begrüßung (8 Unterrichtsstunden)
o Dienstausweiserstellung und Anprobe der Dienstkleidung (8 Unterrichtsstunden)
o Verabschiedung und Aushändigung der Lehrgangsbescheinigungen (4 Unterrichtsstunden)“.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Weisung ZSE IV A 1 AE P vom 23. November 2015 (Blatt 273 f. (folgende) der Akten) sowie auf die eingereichte Kopie des Unterrichtsmaterialien von August 2014 (Blatt 279 - 456 der Akten) verwiesen.
Der Kläger wurde zunächst der Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1a im Teil I der Anlage 1a zum BAT-O und ab dem 1. Juli 1996 im Wege des Bewährungsaufstiegs der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 2 im Teil I der Anlage 1a zum BAT-O zugeordnet und entsprechend vergütet.
Mit Inkrafttreten des Tarifvertrages zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (Angleichungs-TV Land Berlin) vom 14. Oktober 2010 am 1. November 2010 wurde der Kläger in die Entgeltgruppe 5 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) übergeleitet.
Mit Sammelschreiben vom 28. Dezember 2012 machte der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers unter anderem namens des Klägers einen Anspruch auf Höhergruppierung geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Geltendmachungsschreibens (Blatt 19 ff. der Akten) verwiesen. Das beklagte Land lehnte den Anspruch ab.
Mit der am 23. März 2015 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, dem beklagten Land am 2. April 2015 zugestellten Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zunächst hat er einen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 8 TVL und zuletzt nach teilweiser Rücknahme der Klage nach Entgeltgruppe 6 TV-L geltend gemacht.
Der Kläger hat behauptet, seine Tätigkeiten und Aufgaben hätten sich aufgrund der mit der Hauptstadtfunktion verbundenen Bewachungsaufgaben deutlich verändert. Die Anzahl der zu schützenden diplomatischen und konsularischen Objekte sei durch die Übernahme der Hauptstadtfunktion erheblich angestiegen. Ihre Bewachung erfolge unter gefährlicheren Bedingungen. Die BAK erfasse seine Tätigkeiten und Aufgaben nicht mehr aktuell. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Aufgaben erforderten gründliche Fachkenntnisse. Die Feststellung von Verstößen, die Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren, insbesondere aber das Ergreifen der gebotenen Gefahrenabwehrmaßnahmen bis hin zum Einsatz von Schusswaffen, das Aussprechen von Platzverweisen, und die über das Jedermannsrecht hinausgehende Anwendung unmittelbaren Zwangs - stets unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - erforderten jedenfalls gründliche Fachkenntnisse. Dabei hat sich der Kläger insbesondere auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2018 - 11 Sa 593/16 - in einem Parallelfall gestützt.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger seit dem 1. Juni 2012 nach Maßgabe der Entgeltgruppe 6 des TV-L zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge beginnend mit dem 18. März 2015 ab dem jeweiligen Ersten des Folgemonats mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit des Klägers sei zwar schwierig, erfordere aber keine gründlichen Fachkenntnisse. Sie beschränke sich auf den Schutz des Objektes und umfasse nicht die Strafverfolgung von Eigentumsdelikten oder anderen Vergehen, die nicht im Zusammenhang mit dem Schutz des Objekts stünden. Zur Festnahme und Ingewahrsamnahme von Personen seien grundsätzlich Polizeibeamte herbeizurufen, die anschließend die weiteren Ermittlungen einleiteten. Der Waffengebrauch begründe keine gründlichen Fachkenntnisse. Der Objektschutzbefehl beschränke sich auf die Beschreibung der Örtlichkeiten, Benennung des konkreten Auftrages, bereitzustellende Kräfte, erforderliche Ausrüstung und Sicherungsmaßnahmen, dienstliches Verhalten und Kommunikationsinformation.
Im Übrigen hat das beklagte Land die Einrede der Verjährung erhoben, soweit die Ansprüche zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt waren.
Mit Urteil vom 16. Juli 2021, auf dessen Tatbestand (Blatt 526 - 531 der Akten) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Tarifmerkmale der Vergütungsgruppe VI b der Anlage 1a zum BAT/BAT-O und sei deshalb auch nicht in die Entgeltgruppe 6 TV-L übergeleitet worden. Die Tätigkeit eines Polizeiangestellten im Objektschutz erfordere keine gründlichen Fachkenntnisse im Sinne der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1b im Teil I der Anlage 1a zum BAT/BAT-O. Daher könne der Kläger auch nicht nach neunjähriger Bewährungszeit in dieser Vergütungsgruppe im Wege des Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 2 im Teil I der Anlage 1a zum BAT-/BAT aufgestiegen sein. Für die auszuübende Tätigkeit seien keine vertieften Normenkenntnisse oder sonstige Fachkenntnisse in erheblicher Menge erforderlich. Es handele sich um einen abgegrenzten Vorschriftenkreis. Es würden auch keine vertieften Kenntnisse wie etwa im Bereich der Strafverfolgung oder des Außendienstes im bezirklichen Ordnungsdienst benötigt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 532 - 545 der Akten) verwiesen.
Gegen dieses dem Kläger am 8. September 2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. September 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Klägers, welche er mit am 8. November 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger setzt sich - unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens - mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Das Eingruppierungsmerkmal „gründliche Fachkenntnisse“ erfordere keine vertieften Normkenntnisse oder sonstige Fachkenntnisse in erheblicher Menge. Gründliche Fachkenntnisse setzen nähere Kenntnisse von - unter anderem - Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen des fraglichen Aufgabenkreises voraus. Es seien Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen. Die für die Ausübung der Tätigkeit als Wachpolizist im Objektschutz eingeräumten Befugnisse erforderten aber die Kenntnis von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen des fraglichen Aufgabenkreises aus unterschiedlichen Rechtsgebieten in nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art. Diese ergäben sich bereits maßgeblich aus Umfang und Inhalt des Lehrgangs zu Beginn der Tätigkeit und korrelierten mit den nach der PDieVO übertragenen Aufgaben und Befugnissen. Zwar lägen die Unterlagen des vom Kläger selbst absolvierten Lehrgangs nicht mehr vor, es sei aber im Wesentlichen von einer Übereinstimmung mit den eingereichten Lehrgangsunterlagen auszugehen. Auch die Dauer des Einführungslehrgangs von 13 Wochen spreche für die Vermittlung eines nicht nur unerheblichen Ausmaßes an Fachkenntnissen sowie die in der Muster-BAK und in den Lehrgangsmaterialien genannte Anzahl an Normen. Der Grundlehrgang umfasse über 340 Stunden und damit mehr als die Hälfte der 640 Gesamtstundenzahl Theorie, wobei auch Kenntnisse über die Rechtspraxis zu Straftatbeständen vermittelt würden; Praxis falle nur an hinsichtlich der 158 Stunden praktische Ausbildung, 44 Stunden Sport sowie in Teilen von 120 Stunden Schießtraining, 40 Stunden Eigensicherung, 20 Stunden Fernmeldeausbildung, 40 Stunden Fahrertraining, 16 Stunden Erste Hilfe und 20 Stunden sonstige Anteile.
Das Arbeitsgericht habe in seinem Urteil auch die den Wachpolizisten übertragenen Befugnisse nicht vollständig erfasst. § 2 PDieVO regele keine Einschränkung der übertragenen Befugnisse. Den Wachpolizisten im Objektschutz und im Gefangenenwesen seien alle Befugnisse des § 3 PDieVO übertragen, soweit sie für die Aufgaben nach § 2 PDieVO erforderlich seien. Mit Ausnahme der Befugnisse nach § 23 ASOG, §§ 14 und 15 UZwG, §§ 81b und 163b StPO ständen den Wachpolizisten im Objektschutz alle Befugnisse zu. Bereits die Anzahl der genannten Vorschriften begründe ihrem Umfang nach das quantitative Element der gründlichen Fachkenntnisse. Mengenmäßig gingen die für den Objektschutz erforderlichen Fachkenntnisse deshalb weit über ein unerhebliches Ausmaß hinaus. Die für die Tätigkeit des Klägers erforderlichen Fachkenntnisse seien auch nicht lediglich oberflächlicher Art. Diese ergebe sich bereits aus den Ausführungen der Kammer 11 des LAG Berlin-Brandenburg auf Seite 24 ff. des Urteils vom 20. November 2018 (11 Sa 593/16). Durch die dem Kläger eingeräumten Befugnisse zu Datenerhebungen, Identitätsfeststellung, Prüfung von Berechtigungsscheinen, Platzverweisen, Ingewahrsamnahme von Personen, Durchsuchung von Personen, Durchsuchung von Sachen, Betreten von Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen sowie anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Räumen und Grundstücken, Sicherstellung von Sachen, Ausübung des unmittelbaren Zwangs, Gebrauch von Hiebwaffen und Reizstoffen, Fesselung von Personen, Schusswaffengebrauch zur Verhinderung rechtswidriger Taten, Schusswaffengebrauch zur Notwehr und Nothilfe, Vorführung zur und Zwangsanwendung bei der Durchsetzung der körperlichen Untersuchung, Blutprobe sowie der vorläufigen Festnahme sei es dem Kläger gestattet, in die höchsten Rechtsgüter, nämlich die Grundrechte Dritter einzugreifen. Für derart erhebliche Eingriffe sei es zwingend erforderlich, dass die Polizeiangestellten im Objektschutz die jeweils einschlägige Verhältnismäßigkeit innerhalb kürzester Zeit beurteilen könnten. Jede einzelne Handlung und/oder Maßnahme bedürfe einer sorgfältigen Ermessensausübung. Die Tätigkeit des Klägers erfordere entsprechend tiefere Fachkenntnisse hinsichtlich einer Vielzahl von Eingriffsgrundlagen. Die vom Kläger benötigten Fachkenntnisse genügten deshalb den quantitativen und qualitativen Anforderungen des Tarifmerkmals „gründliche Fachkenntnisse“. Auch der Vergleich mit der Tätigkeit eines Schulhausmeisters, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in vom 15. Mai 1968 (4 AZR 366/67) gewesen sei, ergebe, dass der Kläger nicht lediglich „schwierigere Tätigkeiten“ auszuüben habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Juli 2021 - 21 Ca 4301/15 - abzuändern und
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger nach Entgeltgruppe 6 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem ersten des jeweiligen Folgemonats beginnend mit Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land verteidigt - unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens - das angefochtene Urteil. Es bleibt dabei, dass die Tätigkeit des Klägers keine gründlichen Fachkenntnisse erfordere. Soweit der Kläger auf die Posten- und Streifenanweisungen Bezug nehme, erschöpften sich derartige Anweisungen und die anliegenden Informationen auf Beschreibungen der Örtlichkeiten (Lage, Besonderheiten), Benennung des konkreten Auftrages (z.B. (zum Beispiel) Schutz des Gebäudes XY), bereitzustellende Kräfte, erforderliche Ausrüstung/Sicherungsmaßnahmen (z.B. Schutzweste), dienstliches Verhalten (z.B. Rauchverbot, Pausenzeiten), Kommunikationsinformationen (z.B. für den Sprechfunk), Dienstplan, Posten- und Streifenplan und Vergleichbares. Auch seien die Dauer und der Umfang der Ausbildung ein starkes Indiz dafür, dass es sich vorliegend um ein eng abgegrenztes Teilgebiet handele, welches im Wesentlichen routinemäßig zu bearbeiten sei. Unzutreffend sei, dass für die auszuübende Tätigkeit im Objektschutz ein über Jahre erworbenes Praxiswissen erforderlich sei, da nach dieser Lesart nur langjährig in der Praxis ausgebildete Polizeikräfte die Tätigkeit eines Objektschützers ausüben könnten. Vielmehr zeige das Abstellen auf „erworbene Fachwissen in täglicher Praxis" dass keine gründlichen Fachkenntnisse für die Tätigkeit erforderlich seien und sich die Tätigkeit im Wesentlichen in Routinen und praktische Übung eingrenzen lasse. Der Umgang mit der Schusswaffe und die Anforderungen an einen Berufswaffenträger als auch gegebenenfalls der Einsatz eines Reizstoffsprühgerätes erforderten schon an sich keine gründlichen, sondern nur sehr begrenzte Kenntnisse im Umgang mit der jeweiligen Waffe, die sich vorwiegend in der praktischen Übung erschöpften.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 8. November 2021 (Blatt 565 - 622 der Akten) und 14. März 2022 (Blatt 650 - 637 der Akten) sowie die Schriftsätze des beklagten Landes vom 24. November 2021 (Blatt 639 - 647 der Akten) und 22. März 2022 (Blatt 660 f. der Akten) verwiesen.
Die Berufung hat Erfolg. Der Tenor der Entscheidung ist dahin zu verstehen, dass sich die Verpflichtung des beklagten Landes, den Kläger nach Entgeltgruppe 6 TV-L zu vergüten, auf die Zeit ab dem 1. Juni 2012 bezieht.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung hat auch begründet. Die Klage ist zulässig und begründet. Das erstinstanzliche Urteil ist daher abzuändern und es ist der Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag stattzugeben. Dabei ist der auf die Vergütung gerichtete erste Teil des Sachantrages im Rahmen des § 308 Absatz 1 ZPO unter Berücksichtigung des Zinsantrages und des gesamten Berufungsvorbringens des Klägers dahin auszulegen, dass der Kläger weiterhin entsprechend dem erstinstanzlich zuletzt gestellten und in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag festgestellt wissen will, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihn ab dem 1. Juni 2012 nach Entgeltgruppe 6 TV-L zu vergüten und auf die monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge Prozesszinsen zu zahlen.
1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit einschließlich des Zinsantrags nach § 256 Absatz 1 ZPO keine Bedenken bestehen (BAG (Bundesarbeitsgericht) 10. Juni 2020 - 4 AZR 167/19 - Rn. (Randnummer) 12 mwN (mit weiteren Nachweisen)).
2. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht ab dem 1. Juni 2012 Vergütung nach Entgeltgruppe 6 TV-L nebst Prozesszinsen auf die Bruttodifferenzbeträge zu.
a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme unter anderem auf die für das beklagte Land geltenden und für den Kläger einschlägigen Tarifverträge seit dem 1. November 2010 der TV-L in Verbindung mit dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) nach Maßgabe des Angleichungs-TV Land Berlin vom 14. Oktober 2010 und des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Berlin in das Tarifrecht der TdL (TV Wiederaufnahme Berlin) vom 12. Dezember 2012 in der jeweils aktuellen Fassung Anwendung.
b) Die Eingruppierung des Klägers richtet sich nach § 17 Absatz 1 TVÜ-Länder weiterhin nach den §§ 22, 23 BAT/BAT/O in Verbindung mit der Anlage 1a zum BAT/BAT-O sowie nach der Anlage 2 zum TVÜ-Länder.
aa) Zwar gelten nach § 29 Absatz 1 TVÜ-Länder seit dem Inkrafttreten der Entgeltordnung zum TV-L am 1. Januar 2012 für die Eingruppierung grundsätzlich die §§ 12, 13 TV-L in Verbindung mit der neuen Entgeltordnung. Für in den TV-L übergeleitete Angestellte bestimmt jedoch § 29 Absatz 2 TVÜ-Länder, dass die zunächst vorläufige Überleitung in die Entgeltgruppen des TV-L entsprechend der Zuordnung der bisherigen Vergütungsgruppen des BAT/BAT-O zu den neuen Entgeltgruppen des TV-L nach der Anlage 2 zum TVÜ-Länder für die Dauer der unveränderten Tätigkeit grundsätzlich Bestand haben soll (vergleiche BAG 27. Februar 2019 - 4 AZR 562/17 - Rn. 18). Nach der Protokollerklärung zu § 29 Absatz 2 TVÜ-Länder gilt die Zuordnung zu den Entgeltgruppen des TV-L nach der Anlage 2 oder 4 zum TVÜ-Länder als Eingruppierung, ohne dass eine Überprüfung und gegebenenfalls Neufestsetzung stattfindet.
bb) Seit der Überleitung des Klägers in den TV-L hat sich seine Tätigkeit nicht geändert. Dadurch, dass er seit November 2017 nicht mehr als Springer sondern schwerpunktmäßig an bestimmten Schutzobjekten eingesetzt wird, haben sich nur die Objekte, deren Bewachung dem Kläger obliegt, geändert, nicht hingegen seine Tätigkeit als solche. Danach ist der Kläger in der Entgeltgruppe eingruppiert, der nach der Anlage 2 zum TVÜ-Länder die Vergütungsgruppe zugeordnet ist, in der der Kläger zum Zeitpunkt seiner Überleitung in den TV-L mit Inkrafttreten des Angleichungs-TV Berlin am 1. November 2010 nach den §§ 22, 23 BAT/BAT-O in Verbindung mit der Anlage 1a eingruppiert war.
c) Der Kläger war am 31. Oktober 2010, nach § 39 Absatz 1 Angleichungs-TV Land Berlin maßgeblichen Stichtag, in der Vergütungsgruppe VI b BAT-O nach Aufstieg aus der Vergütungsgruppe VII BAT-O eingruppiert und dementsprechend nach der Anlage 2 zum TVÜ-Länder in die Entgeltgruppe 6 TV-L überzuleiten. Die ihm übertragene Tätigkeit eines Polizeiangestellten im Objektschutz erfüllt die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 2 im Teil I der Anlage 1a zum BAT/BAT-O. Auch hatte sich der Kläger in dieser Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1b im Teil I der Anlage 1a zum BAT/BAT-O weit länger als neun Jahre bewährt.
aa) Nach § 22 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 BAT-O ist der Kläger in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dies ist gegeben, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Entscheidender Bezugspunkt für die Eingruppierung ist damit der Arbeitsvorgang.
(1) Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den oder die Arbeitgeber*in vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 22 Absatz 2 BAT/BAT-O auch Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines oder einer Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind (ständige Rechtsprechung des BAG, siehe z.B. BAG 17. März 2021 - 4 AZR 327/20 - Rn. 17 zum im Wesentlichen gleichlautenden § 12 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVÖD/VKA)).
(2) In Anwendung dieser Grundsätze besteht die Tätigkeit des Klägers aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist für die Arbeitsvorgänge eines Polizeiangestellten im Objektschutz nicht der konkrete Einsatz am Stichtag 31. Oktober 2010 maßgeblich, sondern die auszuübende Tätigkeit und damit der Schutz von Objekten im Rahmen des Posten- sowie des mobilen Fuß-, Rad- oder motorisierten Streifendienstes. Das zu erzielende Arbeitsergebnis besteht darin, das jeweilige Gebäude vor jeglicher Gewalt und Gefahr zu schützen. Da vor der Arbeitsaufnahme nicht feststeht, welcher Gefahr, Gewaltanwendung, Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu begegnen sein wird und damit auch nicht, welche einzelnen Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben zu erledigen sein werden, lässt sich die Tätigkeit des Klägers nicht sinnvoll weiter untergliedern. Denn die genannten Problemlagen ergeben sich erst durch das Agieren Dritter. Das Arbeitsergebnis ist auch bei Objekten mit erhöhter Gefährdungslage gleich, lediglich das Risiko der Realisierung ist höher. Schließlich macht es für das Arbeitsergebnis weiter keinen Unterschied, ob der Kläger als Springer oder an einem festen oder mehreren festen Objekten eingesetzt ist (ebenso LAG (Landesarbeitsgericht) Berlin-Brandenburg 14. Januar 2022 - 6 Sa 1368/21 - in einem Parallelverfahren).
bb) Die Eingruppierung des Klägers richtet sich nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen im Teil I der Anlage 1a zum BAT/BAT-O. Die maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale lauten auszugsweise wie folgt:
„Vergütungsgruppe VI b
...
2. Angestellte, die nach mit dem Hinweiszeichen * gekennzeichneten Tätigkeitsmerkmalen in der Vergütungsgruppe VII eingruppiert sind, nach neunjähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe VII.
...
Vergütungsgruppe VII
...
1b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.
(Erforderlich sind nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises.)*
...
2. Angestellte, die nach mit dem Hinweiszeichen * gekennzeichneten Tätigkeitsmerkmalen in der Vergütungsgruppe VIII eingruppiert sind, nach dreijähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe VIII.
Vergütungsgruppe VIII
1a. Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z.B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art, Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung).*
...“
cc) Die Tätigkeit des Klägers als Polizeiangestellter im Objektschutz erfordert gründliche Fachkenntnisse.
(1) „Gründliche Fachkenntnisse“ setzen unter Berücksichtigung der Klammerdefinition zur Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1b im Teil I der Anlage 1a zum BAT/BAT-O nähere Kenntnisse von unter anderem Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen des fraglichen Aufgabenkreises voraus. Die Fachkenntnisse müssen sich jedoch nicht notwendig auf Rechtsvorschriften beziehen, wie sich bereits aus dem Zusatz „usw.“ in der Klammerdefinition ergibt. Es sind Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen. Das Tätigkeitsmerkmal erfordert damit erweiterte Fachkenntnisse sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht (BAG 27. Februar 2019 - 4 AZR 562/17 - Rn. 34 mwN). Fachkenntnisse von nur geringfügigem Umfang oder die Kenntnis nur weniger Vorschriften genügen ebenso wenig wie ein lediglich allgemeiner Überblick bzw. grober Einblick (vergleiche BAG 27. Februar 2019 - 4 AZR 562/17 - Rn. 35; Krasemann, Das Eingruppierungsrecht des BAT/BAT-O, 8. Auflage Kapitel 9.4 Rn. 38). Andererseits bedarf es - anders als bei vielseitigen Fachkenntnissen - auch dann keiner Detailkenntnisse, wenn sich der Wissensbereich auf ein eng abgegrenztes Teilgebiet beschränkt (vergleiche dazu BAG 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 - Rn. 36; BAG 29. August 1984 - 4 AZR 338/82 -, AP (Arbeitsrechtliche Praxis) Nr. 94 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Es ist auch nicht erforderlich, dass der oder die Angestellte die anzuwendenden Normen voll beherrschen muss. Es genügt vielmehr, wenn er oder sie den Normalfall mit seinen Abwandlungen richtig beurteilen können muss (Krasemann, Kapitel 9.4 Rn. 37 unter Berufung auf LAG Baden-Württemberg vom 29. November 1972 - 4 Sa 45/72).
Zu den Fachkenntnissen sind diejenigen Kenntnisse eines oder einer Beschäftigten zu rechnen, die unerlässlich sind, um die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Auch Ortskenntnisse (BeckOK (Beck`scher Online-Kommentar TV-L Entgeltordnungen)/Steuernagel, Stand: 1. März 2022, Entgeltgruppe 5 Rn. 4) und Erfahrungswissen (BAG 22. Oktober 1986 - 4 AZR 568/85 -, AP Nr. 126 zu §§ 22, 23 BAT 1975) können unter das Tarifmerkmal der gründlichen Fachkenntnisse fallen. Gründliche Fachkenntnisse können auch bei ständig wiederkehrenden Tätigkeiten erforderlich sein (BeckOK TV-L Entgeltordnungen/Steuernagel, Entgeltgruppe 5 Rn. 6). Maßgebend ist allein, welche Kenntnisse bei objektiver Betrachtung benötigt werden, um die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen (vergleiche BAG 29. August 1984 - 4 AZR 338/82 -, AP Nr. 94 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BeckOK/Steuernagel, TV-L Entgeltordnungen Entgeltgruppe 5 Rn. 9).
(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze erfordert die Tätigkeit des Klägers gründliche Fachkenntnisse.
(a) Der Kläger benötigt für seine Tätigkeit Rechtskenntnisse und sonstige Fachkenntnisse von nicht (ganz) unerheblichem Ausmaß.
Bereits in der Muster-BAK aus dem Jahr 1984 sind unter der Ziffer 5 „Benötigte Fachkenntnisse und Fähigkeiten“ 22 Vorschriften aus dem Bereich des Straf- und Strafprozessrechts, des bürgerlichen Rechts, des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsrechts, des Verwaltungs-, Verwaltungsprozess- und Verwaltungsvollstreckungsrecht sowie des weiteren Polizeirechts aufgelistet, die ein Polizeiangestellter im Objektschutz kennen muss. Weiter lassen sich Art und Umfang der Rechtskenntnisse, die der Kläger für die ihm übertragenen Tätigkeit benötigt, der Verordnung über die Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben durch Dienstkräfte der Polizei (PDieVO), in deren Anwendung der Kläger geschult worden ist, sowie den Schulungsunterlagen entnehmen. Die Eingriffsmaßnahmen, die zum Schutz der vom Kläger zu bewachenden Objekte möglicherweise erforderlich werden können, erfordern Fachkenntnisse bezüglich der dem Kläger nach der PDieVO übertragenen Eingriffsrechte und Gefahrenabwehrrechte. Die danach bestehenden Befugnisse nach dem Allgemeinen Sicherheit- und Ordnungsgesetz (ASOG), dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG), dem Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin (UZwG), dem Strafgesetzbuch (StGB), dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), der Strafprozessordnung (StPO), der Straßenverkehrsordnung (StVO) und dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) wiederum setzen die Kenntnis der entsprechenden Normen voraus. Für die Ausübung dieser Befugnisse, die von einfachen Befragungen bis hin zum unmittelbaren Zwang einschließlich des Schusswaffengebrauchs reichen, sind zudem, wie den Unterrichtsmaterialien für den Grundlehrgang entnommen werden kann, Kenntnisse über ausgewählte Straftatbestände und allgemeine Grundsätzen wie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erforderlich (vergleiche zum Ganzen auch LAG Berlin-Brandenburg 5. Dezember 2018 - 15 Sa 1196/18 - und LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16 - in Parallelverfahren).
Weiter sind für die übertragende Tätigkeit als Polizeiangestellter im Objektschutz Kenntnisse des jeweiligen Objektschutzbefehls, der örtlichen Gegebenheiten und Besonderheiten des Schutzobjekts erforderlich sowie der Dienstanweisungen und aktuellen Mitteilungen. Dabei handelt es sich ebenfalls um Fachkenntnisse. Darüber hinaus benötigt der Kläger Kenntnisse im Umgang mit den von ihm mitgeführten Waffen (Schuss-, Hieb- und Stoßwaffen), Reizstoffen und sonstigen Hilfsmitteln sowie zu deren Gebrauch und Einsatz im konkreten Einzelfall. Ferner sind Kenntnisse der Regeln zur Eigensicherung und die Beherrschung der rechtlichen Grundlagen und Techniken bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich. Dies gilt auch unabhängig davon, an welchem konkreten Objekt der Kläger eingesetzt ist. Denn das Schutzbedürfnis der jeweiligen Objekte ergibt sich gerade daraus, dass jederzeit, wenn auch nicht unbedingt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit mit Anschlägen gerechnet werden muss. Schließlich sind Fachkenntnisse des Ordnungsrechts erforderlich, da zu den Aufgaben des Objektschutzes auch die Durchsetzung bestehender ordnungsrechtlicher Vorschriften zum Schutz des Objektes gehören (vergleiche LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16).
Damit benötigt der Kläger für die von ihm auszuübende Tätigkeit Kenntnisse verschiedener Rechtsnomen aus unterschiedlichen Gesetzen und Rechtsgebieten sowie weitere theoretische und praktische Kenntnisse. Dabei gehen die Fachkenntnisse, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der dem Kläger übertragenen Aufgaben erforderlich sind, schon auf aufgrund der Anzahl der vorgenannten Vorschriften, die Eingriffs- und Gefahrenabwehrrechte normieren, über ein nicht ganz unerhebliches Maß hinaus und begründen ihrem Umfang nach das quantitative Element der gründlichen Fachkenntnisse (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16 -; anderer Ansicht z.B. LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2022 - 6 Sa 1368/21 - und LAG Berlin-Brandenburg 23. März 2022 - 4 Sa 1382/21 - in Parallelverfahren).
Dem steht auch nicht entgegen, dass sich das Aufgabengebiet des Klägers lediglich auf ein eng abgegrenztes Teilgebiet polizeilicher Maßnahmen bezieht und sich der Arbeitsalltag des Klägers vielfach auf Routinetätigkeiten beschränkt. Denn vorliegend geht es nicht darum, ob der Kläger zur Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeit vielseitige Fachkenntnisse benötigt, sondern nur darum, dass die erforderlichen Fachkenntnisse nicht ganz unerheblich sind. Das ist immer dann der Fall, wenn mehr als nur minimale Fachkenntnisse verlangt werden. Soweit sich die Tätigkeit des Klägers ganz überwiegend auf Routinetätigkeiten beschränkt, die keine besonderen Fachkenntnisse erfordern, ändert dies nichts daran, dass der Kläger das Wissen, dass er in Gefahrensituationen benötig, jederzeit vorhalten muss (ähnlich schon LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16).
(b) Die Fachkenntnisse, die der Kläger für seine Tätigkeit benötigt, sind auch nicht nur oberflächlicher Art.
(aa) Nach der Muster-BAK werden zu den dort aufgelisteten Vorschriften „fundierte Rechtskenntnisse“ verlangt. Dafür genügt ein grober Überblick über den Inhalt dieser Vorschriften und der sich daraus ergebenden Verhaltensanforderungen nicht (ähnlich bereits LAG Berlin-Brandenburg 5. Dezember 2018 - 15 Sa 1196/18). Vielmehr bedarf es einer näheren Beschäftigung mit diesen Vorschriften und deren Anwendung im Einzelfall.
Gleiches ergibt sich aus der PDieVO sowie den Posten- und Streifenanweisungen für die einzelnen Objekte. Aufgrund der darin enthaltenen Aufgabenstellungen, den den Polizeiangestellten zukommenden Aufgaben und Befugnissen und den möglicherweise notwendig werdenden schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte Dritter können oberflächliche Fachkenntnisse nicht genügen. Für den rechtmäßigen Einsatz von Waffen (Schlagstock, Reizstoffsprühgerät, Schusswaffen bis hin zur Maschinenpistole) unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes reichen nur oberflächliche Kenntnisse nicht aus (LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16). Zwar muss der Kläger, um eine drohende Gefahr von einem Schutzobjekt abzuwenden, die damit im Zusammenhang stehende Taten - anders als im Nachgang die Strafverfolgungsbehörden nicht unter konkrete Straftatbestände subsumieren. Vielmehr reicht es zunächst einmal aus, dass er die Gefahr erkennt und weiß, welche Befugnisse ihm zu deren Abwehr zur Verfügung stehen (vergleiche LAG Berlin-Brandenburg 23. März 2022 - 4 Sa 1382/21 - unter Verweis auf LAG Berlin-Brandenburg 19. Juli 2016 - 22 Sa 1870/15). Darüber hinaus muss er aber auch in der Lage sei, die Bedeutung, das Ausmaß und die Dringlichkeit der Gefahr korrekt einzuschätzen und unter den ihm zur Vergütung stehenden Eingriffsmaßnahmen die zutreffende Auswahl unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu treffen und entsprechend einzusetzen. Insbesondere für Letzteres genügen keine nur oberflächlichen Kenntnisse der Bedeutung von Eingriffen in die Grundrechte Dritter und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Kammer folgt nicht der vom beklagten Landes erstinstanzlich geäußerten Ausfassung, dass sich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beim Waffengebrauch auf die Formel „Waffe im Notfall verwenden, möglichst wenig Schaden anrichten“ reduzieren lässt und es für die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit genügt, diese Vorgabe zu kennen. Denn es bedarf der rechtlich geleiteten Einschätzung, was ein Notfall ist, wie schwer er wiegt und welche Mittel bei welchem Schaden Erfolg versprechen.
(bb) Dafür, dass mehr als nur oberflächliche Fachkenntnisse erforderlich sind, spricht auch die Ausdehnung der Dauer der Grundqualifizierung von ehemals sieben auf etwa 16 Wochen sowie der Inhalt und Umfang der Unterrichtsmaterialien. Zwar kommt es für die Erfüllung des Tätigkeitmerkmals „gründliche Fachkenntnisse“ nur auf die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und nicht auf die bei dem oder der Beschäftigten subjektiv vorhandenen Fachkenntnisse an (BAG 22. November 2017 - 4 AZR 629/17 -Rn. 44). Auch ist unerheblich, wie und auf welche Weise der oder die Beschäftigte die erforderlichen Kenntnisse erworben hat (vergleiche BAG 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 - Rn. 48). Dient eine Schulung jedoch - wie hier - gezielt der Qualifizierung für eine konkrete auszuübende Tätigkeit, können aus dem vorgegebenen Unterrichtsstoff unter Umständen Rückschlüsse auf die erforderliche Tiefe der Fachkenntnisse gezogen werden (BAG 22. November 2017 - 4 AZR 629/17 - Rn. 44).
Den Unterrichtsmaterialien lässt sich entnehmen, dass die im Rahmen der Grundqualifizierung vermittelten Kenntnisse nicht nur einen groben Überblick über die verschiedenen Materien geben, sondern tiefergehende Kenntnisse vermitteln. Das wird sowohl aus dem Umfang des Unterrichtsmaterials als auch aus dessen Inhalt deutlich. In der Zeit zwischen 2003 und 2014 sind die Unterrichtsmaterialien für den Grundlehrgang von 40 Seiten auf insgesamt 176 Seiten angewachsen. Darüber hinaus existiert für besonders wichtige Themen weiteres besonderes Begleitmaterial. Wegen der Einzelheiten wird auf die beispielhafte Auflistung im Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2018 - 11 Sa 593/16 - verwiesen, auf die der Kläger sowohl erstinstanzlich im Schriftsatz vom 17. Juni 2021 (Blatt 204 f. der Akten) als auch in der Berufungsbegründung (Blatt 614 f. der Akten) Bezug genommen hat und der das beklagte Land nicht entgegengetreten ist.
Auf Seite 9 ff. der Begleitmaterialien von August 2014 werden die verschiedenen polizeirechtlichen Gefahrenbegriffe erläutert, die Voraussetzungen der Inanspruchnahme einer polizeilichen Befugnis sind, und deren genaue Kenntnis von großer Bedeutung ist. Der Kläger muss im Rahmen seiner Streifengänge jeweils spontan und anhand der konkreten Situation den sich ihm bietenden Sachverhalt unter die entsprechende Norm subsumieren. Dafür sind eben nicht nur eine entsprechende Erfahrung, sondern sind auch nähere Kenntnisse über die jeweilige Anwendungsbreite der Norm, Ermessensspielräume und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz notwendig (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16).
Weiter werden die möglichen polizeilichen Maßnahmen im Einzelnen in ihren Voraussetzungen und Ablauf und nicht bloß überblicksartig beschrieben. Besonders bei den Eingriffsrechten wird die gelebte Rechtspraxis beschrieben und auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erläutert. Ferner werden verschiedene Straftatbestände behandelt, die dazu ergangene Rechtspraxis wiedergegeben und Beispielsfälle geschildert. Dabei stellen die Unterrichtsmaterialien bei jedem polizeilichen Handeln den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Gesetzmäßigkeit heraus und behandelt diese jeweils eingehend (LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16).
Dies entspricht auch dem Verständnis des beklagten Landes, das selbst vorgetragen hat, dass die längere Lehrgangsdauer nicht eingeführt wurde, um die Themenkreise zu erweitern, sondern um die Qualität des vermittelten Wissens zu verbessern.
Soweit das beklagte Land einwendet, dass einzelne in den Unterrichtsmaterialien angesprochene Themen wie beispielweise die Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO für die vom Kläger auszuübende Tätigkeit keine Bedeutung hätten, kommt es darauf nicht an. Denn selbst wenn einzelne im Rahmen des Grundlehrgangs vermittelte Kenntnisse für die Tätigkeit des Klägers nicht erforderlich sein sollten, ändert dies nichts daran, dass die übrigen im Rahmen der Module Verhaltenstraining, der Rechtskunde, politische Bildung, Schießausbildung etc. des Grundlehrgangs vermittelten Kenntnisse nicht nur oberflächlicher Art sind (ähnlich bereits LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16). Das insoweit unnötige Kenntnisse vermittelt wurden und werden, ist fernliegend.
Durch die Ausbildung wird der Kläger in die Lage versetzt, seine Tätigkeit auszuüben. Bei seiner Tätigkeit als Objektschützer an den ihm zu gewiesenen Schutzobjekten benötigt er diese Kenntnisse, um seinem Auftrag nach der entsprechenden Posten-/Streifenanweisung nachkommen zu können. Dabei muss er, wie sich aus 4. und 4.1 der Dienstanweisung für Polizeiangestellte im Objektschutz (PAng OS) ergibt, jederzeit mit Anschlägen rechnen und unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation vor Ort eigenverantwortlich Entscheidungen über die gegebenenfalls einzuleitenden polizeilichen Maßnahmen wie Personenüberprüfungen, Identitätsfeststellungen, vorläufige Festnahmen, Durchsuchen von Personen und/oder Sachen oder Anwendung von unmittelbarem Zwang von körperlicher Gewalt bis hin zum Waffengebrauch treffen (ähnlich bereits LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16). Das macht deutlich, dass die Kenntnisse des Klägers so fundiert sein müssen, dass er gegebenenfalls in der Lage ist, in Sekundenschnelle zwischen verschiedenen Eingriffsmaßnahmen hinsichtlich deren Effektivität und Angemessenheit abzuwägen. Dabei ist es gerade in Situationen, in denen es auf die Reaktionsfähigkeit und Schnelligkeit des Klägers ankommt und kein Raum für das Anstellen vertiefter Überlegungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist, entscheidend, dass der Kläger den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in einer Weise verinnerlicht hat, die es ihm ermöglicht, quasi intuitiv eine richtige Entscheidung zu treffen (anderer Ansicht z.B. LAG Berlin-Brandenburg 14. Januar 2022 - 6 Sa 1368/21 - und LAG Berlin-Brandenburg 23. März 2022 - 4 Sa 1382/21 - jeweils unter Verweis auf LAG Berlin-Brandenburg 19. Juli 2016 - 22 Sa 1870/15). Dies ist jedoch ohne eine nähere, über einen oberflächlichen Überblick hinausgehende Beschäftigung mit den Ermächtigungsgrundlagen und insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht möglich und lässt sich auch nicht durch praktische Übungen ersetzen.
(c) Die Anforderungen an die dem Kläger übertragene Tätigkeit werden entgegen der Ansicht des beklagten Landes auch nicht schon durch das Tätigkeitmerkmal der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe im Teil I der der Anlage 1a zum BAT/BAT-O „schwierigere Tätigkeit“ ausreichend erfasst.
(aa) Unter einer schwierigeren Tätigkeit ist weniger als eine schwierige Tätigkeit zu verstehen, da das Tätigkeitmerkmal als Steigerung gegenüber den „einfacheren Arbeiten“ der Vergütungsgruppe IX b Fallgruppe 1 im Teil I der Anlage 1a zu BAT/BAT-O verwendet wird. Es ist deshalb am Merkmal "einfachere Arbeiten" der Vergütungsgruppe IX b BAT/Bat-O zu messen und im Verhältnis dazu zu sehen. Schwierigere Tätigkeiten liegen dann vor, wenn die Tätigkeit den Einsatz qualifizierterer Fähigkeiten gleich in welcher Hinsicht im Vergleich zu den einfacheren Arbeiten verlangt (BAG 15. Mai 1968 - 4 AZR 366/67 -, AP Nr. 20 zu §§ 22, 23 BAT).
(bb) Danach wird das Tätigkeitsmerkmal schwierigere Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe VIII Fallgruppe 1a im Teil I der Anlage 1a zum BAT/BAT-O schon dadurch erfüllt, dass die Tätigkeit des Klägers im Einzelfall Reaktionsschnelligkeit und eine besondere Entschlussfähigkeit sowie, insbesondere was den Einsatz von Schusswaffen anbetrifft, eine hohe Verantwortlichkeit erfordert (vergleiche LAG Berlin-Brandenburg 5. April 2015 - 16 Sa 1842/15 - und LAG Berlin-Brandenburg 19. Juli 2016 - 7 Sa 572/16 - in Parallelverfahren). Die gründlichen Fachkenntnisse, die der Kläger zur Ausübung seiner Tätigkeit benötigt, sind damit nicht abgedeckt, sondern stellen, wie die Ausgestaltung der Tätigkeitsmerkmale der allgemeinen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT/BAT-O zeigen, eine Steigerung gegenüber schwierigeren Tätigkeiten dar.
(d) Schließlich steht der Erforderlichkeit gründlicher Fachkenntnisse nicht entgegen, dass die Ausbildung der Polizeiangestellten im Objektschutz im Vergleich zur nach den Angaben des beklagten Landes mindestens zweieinhalb Jahre umfassenden Ausbildung von Polizeivollzugsbeamt*innen trotz der Ausdehnung auf etwa 16 Wochen immer noch relativ kurz ist. Die hier in Betracht kommenden Vergütungsgruppen sind nicht nach personenbezogenen Ausbildungsanforderungen aufgebaut. Keine der Eingruppierungsvorschriften nimmt Bezug auf formale Ausbildungserfordernisse (BAG 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 -, AP Nr. 317 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Im Übrigen kann aus der Erfüllung zeitlicher Vorgaben wie beispielweise der Dauer einer Ausbildung oder einer Einarbeitung grundsätzlich nicht auf die Gründlichkeit der erforderlichen Fachkenntnisse geschlossen werden, auch wenn gründliche Fachkenntnisse üblicherweise durch eine einschlägige Berufsausbildung erworben werden (LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16). Soweit das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 31. Juli 2002 - 4 AZR 129/01 - (AP Nr. 291 zu §§ 22, 23 BAT 1975) zur Eingruppierung von Fluggastkontrolleur*innen auf Verkehrsflughäfen ausführt, dass es eher gegen das Vorliegen „gründlicher Fachkenntnisse“ spreche, wenn in 129 Stunden theoretische Unterweisungen stattfänden und damit die „Ausbildung“ zum Fluggastkontrolleur ersichtlich beendet sei, ergibt sich daraus nichts Anderes. Der Grundlehrgang der Polizeiangestellten im Objektschutz nimmt sehr viel mehr Zeit in Anspruch. Er umfasst aktuell etwa 16 Wochen und mehr als 600 Stunden, wovon in einem erheblichen Teil zumindest auch theoretische Kenntnisse vermittelt werden (vergleiche auch LAG Berlin-Brandenburg 20. November 2018 - 11 Sa 593/16).
Abgesehen davon hilft ein Vergleich mit Polizeivollzugsbeamt*innen auch schon deshalb nicht weiter, weil ebenso gut Fluggastkontrolleur*innen als Vergleichsgruppe herangezogen werden könnten. Im Vergleich zur Tätigkeit von Fluggastkontrolleur*innen handelt es sich bei der Tätigkeit von Polizeiangestellten im Objektschutz jedoch allein schon aufgrund des Umfangs und der Art der Eingriffsbefugnisse um eine offensichtlich höher qualifizierte Tätigkeit. Wenn aber schon die Tätigkeit von Fluggastkontrolleur*innen als „schwierigere Tätigkeit“ eingestuft wird (vergleiche BAG 31. Juni 2002 - 4 AZR 129/01 -, AP Nr. 291 zu §§ 22, 23 BAT 1975), spricht viel dafür, dass die Tätigkeit von Polizeiangestellten im Objektschutz höher und die Tätigkeit von Tarifbeschäftigten im Polizeivollzugsdienst, abhängig von der konkret zugewiesenen Tätigkeit, gegebenenfalls noch höher zu bewerten ist.
(e) Ohne Bedeutung ist, welche Anforderungen an die Eingruppierung in der Entgeltgruppe 6 nach der Entgeltordnung zum TV-L zu stellen sind, da sich die Eingruppierung des Klägers - wie oben ausgeführt - gerade nicht nach der neuen Entgeltordnung richtet.
dd) Der Kläger hatte als Objektschützer zum Zeitpunkt seiner Überleitung in den TV-L am 1. November 2010 auch die neunjährige Bewährungszeit für den Aufstieg aus der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1b in die Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 2 im Teil I der Anlage 1a zum BAT/BAT-O erfüllt. Er hat sich in der Tätigkeit als Objektschützer bewährt. Dies wird auch von dem beklagten Land nicht in Frage gestellt. Vielmehr hat es den Kläger im Wege des Bewährungsaufstiegs zum 1. Juli 1996 höhergruppiert und ihm damit zugleich dessen Bewährung bescheinigt. Dass sich daran in den Folgejahren etwas geändert hat und der Kläger nicht mehr die von ihm berechtigterweise erwarteten Leistungen erbracht hat, ist nicht ersichtlich und hat auch das beklagte Land nicht behauptet.
d) Die Ausschlussfrist des § 37 Absatz 1 TV-L ist eingehalten. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen mit dem Sammelschreiben vom 28. Dezember 2012 nicht Vergütung nach Entgeltgruppe 6, sondern nach Entgeltgruppe 8 TV-L gefordert. Dies ist jedoch unschädlich, da die Vergütungsgruppe V c BAT-O, deren Tätigkeitsmerkmale der Kläger erfüllt haben müsste, um in die Entgeltgruppe 8 TV-L übergeleitet zu werden, nach der Anlage 1a zum BAT/BAT-O auf den Vergütungsgruppen VI b und VII BAT-O aufbaut und damit die Vergütung nach Entgeltgruppe 8 TV-L denknotwendig die Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 TV-L als ein Weniger mitumfasst (vergleiche dazu BAG 9. April 2008 - 4 AZR 104/07 - Rn. 51).
e) Soweit das beklagte Land Verjährungseinrede erhoben hat, greift diese nicht durch. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche waren nach den §§ 195, 199 Absatz 1 BGB bei Klageerhebung nicht verjährt.
f) Die geltend gemachten Ansprüche auf Prozesszinsen folgen aus § 291 Satz 1 und 2, § 288 Absatz 1 Satz 1, § 247 BGB in Verbindung mit § 253 Absatz 1, § 261 Absatz 1 ZPO. Die Vergütungsansprüche werden nach § 24 Absatz 1 TV-L jeweils zum Ende des Monats fällig. Die Klage ist dem beklagten Land am 2. April 2015 zugestellt worden. Daher stehen dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 187 Absatz 1 BGB Prozesszinsen ab dem Ersten des jeweiligen Folgemonats und frühestens aber ab dem 3. April 2015 zu.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1, § 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO. Danach hat das beklagte Land die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der Kosten, die durch die in der ersten Instanz teilweise zurückgenommene Klage entstanden sind. Diese hat der Kläger zu tragen. Bei der Verteilung der erstinstanzlichen Kosten sind die dreijährigen Unterschiedsbeträge zwischen der Entgeltgruppe 5 Stufe 6 und der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 TV-L sowie zwischen der Entgeltgruppe 5 Stufe 6 und der Entgeltgruppe 8 Stufe 6 TV-L auf der Grundlage der bei Einreichung der Klage maßgeblichen Entgelttabelle berücksichtigt.
IV.
Die Revision wird nach § 72 Absatz 2 ArbGG zugelassen.