Gericht | FG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 04.05.2022 | |
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Aktenzeichen | 2 K 2157/21 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2022:0504.2K2157.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Beklagte wird verurteilt, die ihm von dem Kläger am 22. Januar 2016 angebotene Abtretung des dem Kläger gegen die B… GmbH zustehenden Anspruchs auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer anzunehmen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Streitig ist nach einer Klageänderung, ob der Kläger einen Anspruch auf Annahme des von ihm abgegebenen Abtretungsangebots durch den Beklagten hat.
Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen Zimmereibetrieb. Aufgrund eines Vertrages vom 21. Dezember 2010 erbrachte er in den Streitjahren an die B… GmbH, C…-straße, D… Bauleistungen für das Bauvorhaben E…-Siedlung – F…-straße/G…-straße (im Folgenden: Bauvorhaben). Bei der Rechnungsstellung gingen der Kläger und die B… GmbH unter Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Verwaltungsanweisung davon aus, dass die B… GmbH als Leistungsempfängerin GmbH nach § 13b Umsatzsteuergesetz -UStG- die Umsatzsteuer für die Bauleistungen schuldete. Dementsprechend wies der Kläger in seinen Rechnungen an die B… GmbH keine Umsatzsteuer aus.
In seinen Umsatzsteuererklärungen für 2011 vom 15. Februar 2013 und für 2012 vom 20. März 2014 erklärte der Kläger keine Umsatzsteuer hinsichtlich der Bauleistungen. Die Steueranmeldung stand nach § 168 Satz 1 Abgabenordnung -AO- einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2015 teilte das für die B… GmbH zuständige Finanzamt H… dem Beklagten mit, dass die B… GmbH unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. August 2013 – V R 37/10 die Erstattung der Umsatzsteuer (§ 13b Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG) beantragt habe. Ausweislich der – dem Schreiben beigefügten – von der B… GmbH übermittelten Anlage beliefen sich die Umsätze aus dem Bauvorhaben im Jahr 2011 auf insgesamt 34.826,47 € netto und im Jahr 2012 auf insgesamt 11.396,10 € netto.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 informierte der Beklagte den Kläger hierüber.
Der Kläger erklärte daraufhin mit Schreiben vom 22. Januar 2016, dass er „die Ansprüche an die Firma B… GmbH […] an das Finanzamt I…“ abtrete.
Am selben Tag übersandte der Kläger der B… GmbH berichtigte Rechnungen aus den Streitjahren, die nun Umsatzsteuer auswiesen. Zudem teilte er der B… GmbH mit, dass er seine Ansprüche hieraus an den Beklagten abgetreten habe.
Die B… GmbH teilte dem Kläger daraufhin am 19. Februar 2016 mit, dass sie die Forderungen aus den korrigierten Rechnungen zurückweise. Es bestünden diverse Einwendungen, namentlich Verjährung, inhaltliche und betragsmäßige Fehler sowie Gegenforderungen gegen den Kläger, insbesondere Schadensersatzansprüche. „Vorsorglich“ erklärte die B… GmbH gegenüber dem Kläger die Aufrechnung mit den Schadensersatzansprüchen.
Am selben Tag informierte die B… GmbH den Beklagten über die Zurückweisung und die Aufrechnung gegenüber dem Kläger. Darüber hinaus enthielt das Schreiben folgende Absätze:
„Höchst vorsorglich wird hiermit auch Ihnen gegenüber unter Verwendung des uns zustehenden Schadensersatzanspruches aufgrund unserer Auftraggeberhaftung gemäß §§ 150 Abs. 3 SGB VII, 28e Abs. 3 SGB IV in Höhe von 1.705,43 €, die Aufrechnung gegen sämtliche etwaig Ihnen abgetretenen noch offenen Forderungen des [Klägers] aus dem Vertrag vom 21.12.2020 betreffend das Bauvorhaben […] erklärt.
Ferner erklären wir Ihnen höchstvorsorglich die Aufrechnung mit allen unseren sonstigen Forderungen gegen [den Kläger] in der Reihenfolge des § 366 (2) BGB, insbesondere Forderungen betreffend das Bauvorhaben […] gegen sämtliche etwaig Ihnen abgetretenen noch offenen Forderungen des [Klägers] aus dem Vertrag vom 21.12.2020 betreffend das Bauvorhaben […].“
Am 21. März 2016 erließ der Beklagte nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen. Hierdurch ergaben sich Erhöhungen der festgesetzten Umsatzsteuer von 5.761,94 € (2011) und von 2.956,78 € (2012), insgesamt in Höhe von 8.718,72 €. In den Erläuterungen führte der Beklagte aus, dass die Änderung auf der Einreichung der korrigierten Rechnungen an die B… GmbH beruhe. Hinsichtlich der Abtretung bitte er um Verwendung des beigefügten Vertragsmusters.
Der Kläger übersandte dem Beklagten daraufhin am 8. April 2016 den ausgefüllten und von ihm unterschriebenen Abtretungsvertrag.
Am 7. Juni 2016 teilte der Beklagte dem Finanzamt H… mit, dass die von diesem im Schreiben vom 2. Dezember 2015 übermittelte Anlage nicht den zwischen dem Kläger und der B… GmbH erteilten Rechnungen entspreche. Wegen der Abweichung sei der von dem Kläger eingereichte Abtretungsvertrag nicht angenommen worden.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass das Abtretungsangebot derzeit nicht angenommen werden könne. In der Abtretungserklärung seien der Leistungsempfänger nicht genannt und der Skontobetrag nicht berücksichtigt, zudem habe die B… GmbH Einwendungen gegen die korrigierten Rechnungen erhoben sowie die Aufrechnung erklärt. Zudem bat er den Kläger um Übersendung verschiedener Unterlagen und Erläuterungen. Am 28. April 2017 teilte der Beklagte dem Kläger erneut mit, dass das Abtretungsangebot nicht angenommen werden könne, da die angeforderten Unterlagen und Erklärungen nicht übersandt worden seien.
Am 12. Mai 2017 (2012) bzw. am 22. Mai 2017 (2011) erließ der Beklagte erneut nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012. Hierdurch reduzierte sich die festgesetzte Umsatzsteuer auf 5.738,94 € (2011) sowie auf 2.059,00 € (2012), insgesamt auf 7.797,94 €.
Der Kläger übersandte dem Beklagten daraufhin am 15. Mai 2017 einen um die Angabe der Leistungsempfänger sowie der berichtigten Rechnungen ergänzten und von ihm unterschriebenen Abtretungsvertrag. Zudem übersandte er die korrigierten Rechnungen und das „Abnahme-/Begehungsprotokoll“ des Bauvorhabens vom 1. September 2012. Danach wurden „Mängel gemäß anliegendem Mängelprotokoll festgestellt“ und, so der handschriftliche Vermerk, „Mängel bereits abgestellt und angezeigt“. Zudem begann die Gewährleistungsfrist hiernach am 1. September 2012.
Mit Schreiben vom 31. Mai 2017 übersandte wiederum der Beklagte dem Kläger einen nicht unterzeichneten Abtretungsvertrag, welcher die Forderungen enthielt, die aus Sicht des Finanzamts bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen abgetreten werden könnten (5.761,94 € für 2011 und 2.165,24 € für 2012). Der Beklagte wies jedoch darauf hin, dass die B… GmbH weiterhin Gegenansprüche geltend mache, was Auswirkungen auf die Abtretung habe. Sollte die Aufrechnung berechtigt sein, wären die Forderungen des Klägers gegenüber der B… GmbH erloschen und könnten nicht abgetreten werden.
Gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012 legte der Kläger am 9. Juni 2017 Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass die Aufrechnung der B… GmbH kein Bestandteil der Abtretung sein könne.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass das Abtretungsangebot vom 15. Mai 2017 nicht angenommen werde. Eine Mitwirkung des Klägers sei nicht erfolgt. Zudem werde davon ausgegangen, dass die Forderungen aufgrund der Aufrechnung durch die B… GmbH erloschen seien und eine Abtretung nicht mehr in Betracht komme.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2017 – beim Beklagten eingegangen am 10. Juli 2017 – übersandte der Kläger erneut einen von ihm unterzeichneten Abtretungsvertrag.
Am 7. Juli 2017 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten erneut die Abtretung.
Dies lehnte der Beklagte am 14. Juli 2017 ab. Das Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung. Zur Begründung trug er vor, dass die Abtretung dann nicht anzunehmen sei, wenn der leistende Unternehmer nicht schutzwürdig sei. Die Schutzwürdigkeit entfalle vorliegend, da die B… GmbH erhebliche Schadensersatzansprüche gegen den Kläger geltend mache und dieser an der Durchsetzung des Anspruchs nicht mitwirke. Der Kläger sei bereits mehrfach aufgefordert worden, Stellung zu den Einwendungen und Einreden des Bauträgers zu nehmen. Dies sei bisher nicht erfolgt. Zudem habe der Bauträger bereits vor der Abtretung an das Finanzamt die Aufrechnung erklärt.
Hiergegen legte der Kläger am 24. Juli 2017 Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass er die Bescheinigung über die mängelfreie Schlussabnahme des Bauvorhabens bereits übersandt habe. Eine Mängelminderung sei ihm nicht bekannt. Vielmehr sei zu vermuten, dass die B… GmbH aus der Geltendmachung eines Mangelanspruchs bei dem Beklagten auf Kosten des Klägers zusätzlich ein Umsatzsteuererstattungsvolumen generieren wolle. Da die Gewährleistungsfrist im September 2017 ablaufe, habe er, der Kläger, ein Schreiben zu Mängeln erhalten und mit Schreiben vom 3. April 2017 beantwortet. Es seien keine weiteren Mängel vorhanden. Von erheblichen Schadensersatzansprüchen des Bauträgers könne keine Rede sein, erst recht könnten Abnahmeprotokolle und die Abarbeitung von kleineren Mängeln nicht Bestandteil des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten werden. Nicht umsonst weise der BFH in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 – V R 16, V R 24/16 darauf hin, dass das Finanzamt verpflichtet sei, die Abtretung anzunehmen.
Am 29. August 2017 erließ der Beklagte erneut nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012. Für 2011 setzte er Umsatzsteuer in Höhe von 26.917,77 € fest. Der geänderte Umsatzsteuerbescheid für 2011 wurde damit nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
Am 24. August 2018 erließ der Beklagte den erneut nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2012.
Gegen den geänderten Bescheid legte der Kläger am 6. September 2018 Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. März 2019 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Ablehnung der Annahme der Abtretung vom 14. Juli 2017 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger unter dem Aktenzeichen 2 K 2053/19 Klage. Das Verfahren ruhte bis zum Abschluss des BFH-Verfahrens V R 21/18. Nachdem der BFH mit Urteil vom 22. August 2019 – V R 21/18 (Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2020, 35) entschieden hatte, dass es sich weder bei der Abtretung eines zivilrechtlichen Forderungsanspruchs nach § 398 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- durch Angebot und Annahme noch bei der Mitwirkung des Finanzamts durch eine Angebotsannahme um Verwaltungsakte im Sinne des § 118 Satz 1 AO handelt, nahm der Kläger auf Hinweis des damaligen Berichterstatters die Klage am 3. Februar 2020 zurück.
Am 24. Juli 2019 erließ der Beklagte den nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2012, in dem er Umsatzsteuer in Höhe von 40.439,52 € festsetzte und der nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 13. Oktober 2020 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012 als unbegründet zurück.
Ebenfalls am 13. Oktober 2020 erließ der Beklagte auf Antrag des Klägers Abrechnungsbescheide gemäß § 218 Abs. 2 AO über die Umsatzsteuer 2011 und 2012. Abrechnungsstichtag war jeweils der 5. Oktober 2020. Der Abrechnungsbescheid über die Umsatzsteuer 2011 wies festgesetzte Umsatzsteuer in Höhe von 26.917,77 € („Bescheid vom 29.08.2017“), mehrere Zahlungen durch den Kläger, „durch Abtretung als gezahlt geltend“ mit 0,00 € und einen verbleibenden Betrag in Höhe von 4.321,16 € aus. Der Abrechnungsbescheid über die Umsatzsteuer 2012 wies festgesetzte Umsatzsteuer in Höhe von 40.439,52 € („Bescheid vom 24.07.2019“), mehrere Zahlungen durch den Kläger, „durch Abtretung als gezahlt geltend“ mit 0,00 € und einen verbleibenden Betrag in Höhe von 3.476,67 € aus. Der Beklagte führte in den Abrechnungsbescheiden zudem aus, dass der Abtretungsantrag vom 7. Juli 2017 abzulehnen sei, da die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4 UStG nicht vorlägen. Die Abtretung sei schon deshalb nicht anzunehmen, da die zivilrechtliche Verjährung der abzutretenden Umsatzsteuerforderungen eingetreten sei. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 habe sich für den Kläger die Gefahr der Inanspruchnahme für die Umsatzsteuer manifestiert und konkretisiert. Die Verjährungsfrist habe daher mit Ablauf des 31. Dezember 2015 begonnen und mit Ablauf des 31. Dezember 2018 geendet.
Gegen die Abrechnungsbescheide legte der Kläger am 23. Oktober 2020 Einsprüche ein. Zur Begründung trug er vor, dass die Verjährung erst am 10. Juli 2017 beginnen könne, da bis dahin der Umfang und die Höhe der abgetretenen Umsatzsteuerforderung mit dem Beklagten abgestimmt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs -BGH- hemme auch eine unzulässige Klage die Verjährung. Dies gelte etwa für die Klage vor einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht. Wenn man also davon ausgehen wolle, dass die Annahme einer Abtretung durch das Finanzamt ein zivilrechtlicher Prozess sei und dass die Verjährung in 2015 begonnen haben sollte, dann wäre die Verjährung durch die Klage unter dem Aktenzeichen 2 K 2053/19 bis zum 3. Februar 2020 gehemmt gewesen. Weiterhin werde die Verjährung durch den Einspruch vom 24. Juli 2017, durch die Einspruchsentscheidung vom 6. März 2019 sowie durch den Antrag auf Erteilung der Abrechnungsbescheide vom 10. Februar 2020 gehemmt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 12. August 2021 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Abrechnungsbescheide als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen die Ausführungen in den Abrechnungsbescheiden. Ergänzend trug er vor, dass eine Ablaufhemmung der Verjährungsfrist nach §§ 203 ff. BGB nicht eingetreten sei. Streitigkeiten, die nicht das Bestehen der originären Forderung beträfen, sondern deren Abtretung, wie das Klageverfahren zum Aktenzeichen 2 K 2053/19, wirkten sich nicht auf den Eintritt der Zahlungsverjährung der Forderung aus.
Am 14. September 2021 hat der Kläger Klage gegen die Abrechnungsbescheide gemäß § 218 Abs. 2 AO über die Umsatzsteuer 2011 und 2012 erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass die Abtretung an den Beklagten wirksam sei. Dabei stütze er sich auch auf die Urteile des Finanzgerichts -FG- Münster vom 17. Juni 2020 – 15 K 3839/17 und vom 1. Juli 2021 – 5 K 3578/18. Es sei zu klären, ob aus der Abtretung eines zivilrechtlichen Anspruchs das gesamte folgende Verfahren dem Zivilrecht unterliege. Es wäre unbillig, wenn sich die Finanzbehörde nur durch verzögerte Bearbeitung von Abtretungsangeboten der Verrechnung mit den Guthaben der Leistungsempfänger entledigen könne und damit der Vertrauensschutz des Leistenden, welcher ausdrücklich gesetzlich verankert sei, vollkommen wegfalle. Es sei zu klären, ob nicht die behauptete Verjährung durch die mehrfache Unterbrechung durch Aussetzung der Vollziehung gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO und die mehrfache schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen worden sei und durch die Klage gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 AO erst nach der Entscheidung eintreten könne.
Bevor die Höhe der Abtretungen mit dem Beklagten habe abgestimmt werden können, habe dieser am 21. März 2016 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012 erlassen. Diese Steuerbescheide könnten daher nur vorläufig sein. Es sei zu überlegen, ob nicht durch die falsche Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten in der Ablehnung die gesamte Ablehnung fehlerhaft sei (BFH, Beschluss vom 14. April 2016 – III B 108/15). Denn dadurch, dass er, der Kläger, durch diese falsche Rechtsbehelfsbelehrung den falschen Rechtsweg verfolgt habe, sei er daran gehindert gewesen, den zivilrechtlichen Klageweg einzuschlagen. Da es sich bei der Ablehnung um keinen Verwaltungsakt handele, könne es möglich sein, dass hier lediglich Zivilrecht anzuwenden sei und die Ablehnung erst drei Jahre nach dem Bekanntwerden des zulässigen Klagewegs, also drei Jahre nach dem BFH-Urteil vom 22. August 2019 im Jahr 2022 rechtskräftig sei.
Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Abrechnungsbescheide über die Umsatzsteuer 2011 und 2012, jeweils vom 13. Oktober 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. August 2021 dahingehend zu ändern, dass für 2011 ein Betrag in Höhe von 4.321,16 € und für 2012 ein Betrag in Höhe von 3.476,67 € angerechnet wird.
Mit Schriftsatz vom 23. März 2022 hat er den ursprünglichen Antrag auf Anregung der Berichterstatterin umgestellt. Er beantragt nunmehr schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, die ihm von dem Kläger am 22. Januar 2016 angebotene Abtretung des dem Kläger gegen die B… GmbH zustehenden Anspruchs auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer anzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass der Kläger bei der Bezugnahme auf das Urteil des FG Münster vom 17. Juni 2020 – 15 K 3839/17 verkenne, dass im vorliegenden Streitfall über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Abtretung zu entscheiden sei. Im Gegensatz zu dem im Urteil des FG Münster vom 1. Juli 2021 – 5 K 3578/18 entschiedenen Sachverhalt habe er, der Beklagte, die Abtretung im Verfahren 2 K 2157/21 nicht angenommen. Eine für den Abschluss eines Abtretungsvertrages nach § 398 BGB erforderliche Willenserklärung liege mangels Zustimmung nicht vor. Zwar habe der Kläger dem Leistungsempfänger mit Schreiben vom 22. Januar 2016 angezeigt, dass er die Ansprüche an das Finanzamt abgetreten habe. Allerdings sei diese Anzeige durch den Leistungsempfänger ausdrücklich zurückgewiesen worden. Der Leistungsempfänger habe gleichzeitig selbst gegenüber dem Finanzamt die Aufrechnung mit den eigenen Ansprüchen erklärt.
Hinsichtlich des umgestellten Antrags hat der Beklagte keine Stellungnahme abgegeben. Er hat aber angeregt, die im Verfahren 2 K 2114/21 vom Gericht vorgeschlagene Verfahrensruhe wegen des beim BFH unter dem Aktenzeichen V R 24/21 geführten Verfahrens ebenso in diesem Verfahren zur Anwendung kommen zu lassen.
Der Kläger hat daraufhin erklärt, dass er mit dem Ruhen des Verfahrens nicht einverstanden sei.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
I. Das Ruhen des Verfahrens nach § 155 Finanzgerichtsordnung -FGO- i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung -ZPO-war nicht anzuordnen. Es fehlt an den hierfür erforderlichen übereinstimmenden Anträgen des Klägers und des Beklagten bzw. an der Zustimmung des Klägers.
II. Die von dem Kläger erklärte Umstellung der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage gegen die Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer 2011 und 2012 in eine allgemeine Leistungsklage auf Verurteilung des Beklagten zur Annahme des Abtretungsangebots ist zulässig.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 26. April 2022 den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung erklärt. Damit hat er sich rügelos eingelassen, sodass nach § 67 Abs. 2 FGO die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage anzunehmen ist.
Darüber hinaus ist die in der Umstellung liegende Klageänderung nach § 67 Abs. 1 Hs. 1 FGO als sachdienlich zuzulassen. Denn die Zulassung der Klageänderung dient im Streitfall bei objektiver Beurteilung der zügigen Erledigung des Verfahrens, insbesondere beugt sie einem weiteren Rechtsstreit vor (vgl. Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 67 Rn. 25, m.w.N.). Zudem bleibt der Streitstoff im Wesentlichen unverändert (vgl. BFH, Urteil vom 25. April 2017 – VIII R 64/13, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2017, 1325).
III. Die geänderte Klage ist begründet.
Die von dem Beklagten abgelehnte Annahme des Abtretungsangebots des Klägers ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Annahme des von ihm abgegebenen Abtretungsangebots durch den Beklagten, da die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG erfüllt sind.
1. Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein (§ 27 Abs. 19 Satz 1 UStG). § 176 AO steht der Änderung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG). Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG).
2. Bei der Regelung in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG handelt es sich entgegen des Wortlauts um eine Ermessensreduktion auf Null (vgl. Weymüller in BeckOK UStG, 32. Edition, § 27 Rn. 62.3; Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, 92. EL Juni 2021, § 27 Rn. 63; Bundesministerium der Finanzen -BMF-, Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl. I 2017, 1001), sodass im Fall einer Abtretung des leistenden Unternehmers keine Steuer durch den leistenden Unternehmer zu zahlen ist. Denn aufgrund der Schutzwürdigkeit des leistenden Unternehmers ist bei der Ermessensentscheidung (Annahme des Abtretungsangebots) zu berücksichtigen, dass dieser sich mit seinen Abrechnungen in den fraglichen Jahren nach den Vorgaben der Verwaltung orientiert hat (Weymüller, in: BeckOK UStG, 30. Edition, § 27 Rn. 62.3).
Ob im Streitfall die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG vorlagen und das Ermessen des Beklagten zur Annahme des Abtretungsangebots somit auf Null reduziert war, hätte durch den Beklagten bereits im Rahmen des Erlasses der geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012 festgestellt werden müssen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die geänderten Umsatzsteuerbescheide für 2011 und 2012 rechtswidrig waren – was nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist – und dass bereits Bestandskraft eingetreten ist. Denn der durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG angeordnete Ausschluss des abgabenrechtlichen Vertrauensschutzes ist unionsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn das Bestehen und die Abtretbarkeit einer Forderung nicht erst im Anschluss an die Änderung des Umsatzsteuerbescheids, sondern bereits im Festsetzungsverfahren geklärt werden. Das Finanzamt muss daher nicht erst im Erhebungsverfahren bei einer Entscheidung über die Abtretung, sondern bereits im Festsetzungsverfahren bei der Prüfung der Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG feststellen, ob ein abtretbarer Anspruch des Leistenden gegen den Leistungsempfänger besteht (BFH, Urteil vom 23. Februar 2017 – V R 16/16, V R 24/16, BStBl. II 2017, 760). Die Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG erfordert somit als zusätzliches Tatbestandsmerkmal, dass dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht, was aus den unionsrechtlichen Grundprinzipiender Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes folgt (vgl. BFH, Urteil vom 23. Februar 2017 – V R 16/16, V R 24/16, BStBl. II 2017, 760; Heuermann, in: Sölch/Ringleb, UStG, 92. EL Juni 2021, § 27 Rn. 58).
3. Der Kläger hat einen Anspruch auf Annahme der Abtretung des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG. Nach Auffassung des Senats sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG erfüllt. Damit ist das Ermessen des Beklagten hinsichtlich der Entscheidung, ob die Annahme der Abtretung anzunehmen ist, auf Null reduziert.
a) Zunächst liegen im Streitfall die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG vor.
aa) Der Kläger und die B… GmbH sind davon ausgegangen, dass die B… GmbH als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet. Diese Annahme hat sich aufgrund des BFH-Urteils vom 22. August 2013 – V R 37/10 (BStBl. II 2014, 128) als unrichtig herausgestellt. Die B… GmbH als Leistungsempfängerin hat schließlich die Erstattung der Steuer gefordert, die sie in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldnerin zu sein.
bb) Der Kläger verfügte über einen abtretbaren Anspruch gegen die B… GmbH auf Zahlung der für seine Leistungen gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer.
(1) Dass ein Zahlungsanspruch gegen die B… GmbH besteht, folgt nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23. Februar 2017 – V R 16, 24/16, BStBl. II 2017, 760) und des Bundesgerichtshofs -BGH- (Urteil vom 17. Mai 2018 – VII ZR 157/17, Der Betrieb -DB- 2018, 1462) daraus, dass dem Bauunternehmer in Fällen wie dem hier streitigen aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) und auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zusteht, wenn der Bauträger vom Finanzamt die Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen.
(2) Der Anspruch des Klägers gegen die B… GmbH auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer war auch abtretbar. Etwaige Abtretungsverbote sind weder vertraglich vereinbart gewesen noch anderweitig ersichtlich.
Gegen die Abtretbarkeit des Anspruchs spricht auch nicht, dass der Beklagte vorträgt, die B… GmbH habe gegen die Forderung des Klägers gegen die B… GmbH auf Zahlung des zusätzlichen Werklohns in Form der Umsatzsteuer mit den Schadensersatzansprüchen aufgerechnet. Zwar führt die Aufrechnung zum Erlöschen der Umsatzsteuerforderung des Klägers, dies steht ihrer Abtretbarkeit jedoch nicht entgegen. Erstens hat der Kläger die Abtretung bereits mit Schreiben vom 22. Januar 2016 gegenüber dem Beklagten erklärt, und damit bereits vor dem Schreiben der B… GmbH vom 19. Februar 2016, mit dem sie die Aufrechnung erklärt hat. Sofern der Beklagte die Abtretung zu Unrecht nicht angenommen hat, muss dies zu seinen Lasten gehen.
Zweitens obliegt es dem Beklagten, darzulegen, ob die Aufrechnungserklärung auch tatsächlich zum Erlöschen der Forderung geführt hat. § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG bestimmt unter anderem, dass der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitzuwirken hat. Damit bestimmt das Gesetz, dass nicht der Kläger für die Durchsetzung des Anspruchs verantwortlich ist, sondern der Beklagte. Der Kläger hat ausweislich des Wortlauts der Norm lediglich Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, wie etwa Informationen einzuholen oder Unterlagen beizubringen. Zwar muss der Kläger das Entstehen der Forderung gegen die B… GmbH darlegen und beweisen. Dies hat er jedoch getan, da unstreitig ist, dass zwischen ihm und der B… GmbH die Zahlung der Umsatzsteuer vereinbart worden ist und der Kläger auch entsprechend korrigierte Rechnungen gestellt hat. Auch verneint die B… GmbH das Entstehen der Forderung selbst nicht. Da es dem Beklagten obliegt, die Umsatzsteuerforderung durchzusetzen, obliegt ihm auch die Prüfung, ob die unstreitig entstandene Forderung durch Aufrechnung erloschen ist. Der Kläger hat nicht sämtliche möglichen Erlöschensgründe zu entkräften. Dies würde dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG zuwiderlaufen. Diesbezüglich ist auch zu erwähnen, dass die B… GmbH „vorsorglich“ die Aufrechnung erklärt hat. Ob und wie weit Schadenersatzansprüche tatsächlich bestehen, hat die B… GmbH nachzuweisen. Die reine Behauptung solcher Ansprüche steht der Abtretbarkeit jedoch nicht entgegen.
b) Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG erfüllt.
aa) Der Kläger hat erstmals mit Schreiben vom 22. Januar 2016 – sowie mit weiteren Schreiben vom 8. April 2016, vom 15. Mai 2017, vom 21. Juni 2017 sowie vom 7. Juli 2017 – gegenüber dem Beklagten die Abtretung der Ansprüche gegenüber der B… GmbH erklärt, sodass formal ordnungsgemäße Abtretungsangebote vorliegen.
bb) Zudem beruhte die Annahme der Steuerschuld der B… GmbH als Leistungsempfängerin im Streitfall im Vertrauen auf der im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Verwaltungsanweisung. Sowohl der Kläger als auch die B… GmbH waren ursprünglich übereinstimmend davon ausgegangen, dass die B… GmbH die Steuer schuldet. Dies entspricht der damaligen Verwaltungsauffassung vor dem BFH-Urteil vom 22. August 2013 – V R 37/10 (BStBl. II 2014, 128).
cc) Der Kläger hat im Streitfall auch bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitgewirkt.
Unter dem Tatbestandsmerkmal des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG „bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitzuwirken“ versteht der Senat im Wesentlichen, die Informationen und vertraglichen Unterlagen, insbesondere die Höhe des möglichen Umsatzsteuernachforderungsanspruchs betreffend, dem Beklagten bereitzustellen, damit dieser die Umsatzsteuer vom Bauträger nachfordern kann. Diese allgemeine Mitwirkungspflicht begründet in Abgrenzung zu den speziellen Mitwirkungspflichten des § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 1 und Nr. 3 UStG (Ausstellung einer erstmaligen oder geänderten Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer und Anzeige der Abtretung) keine weitergehenden spezifischen Handlungspflichten des Bauleistenden (vgl. FG Münster, Urteil vom 15. März 2016 – 15 K 1553/15, Entscheidungen der FG -EFG- 2016, 855).
Im Streitfall hat der Kläger dem Beklagten im Ergebnis sämtliche erforderlichen Informationen bereitgestellt, damit dieser die Umsatzsteuer von der B… GmbH nachfordern kann. Zunächst bestand zwar Uneinigkeit hinsichtlich der Höhe der erteilten Rechnungen, letztendlich wurden diese Unstimmigkeiten jedoch beseitigt. Auch hat der Kläger dem Beklagten Unterlagen zur von der B… GmbH behaupteten Mangelhaftigkeit und deren Behebung bereitgestellt (siehe dazu auch nachfolgend unter II. 4. d).
dd) Der Beklagte kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass der Anspruch des Klägers gegen die B… GmbH auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer bereits verjährt ist.
Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Der Beginn der Verjährung des Anspruchs des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger bestimmt sich nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Danach beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt. Die Verjährungsfrist beginnt daher, wenn der leistende Unternehmer Kenntnis erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsantrag bei seinem Finanzamt gestellt hat.
Im Streitfall hat der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 darüber informiert, dass die B… GmbH bei dem zuständigen Finanzamt H… die Erstattung der Umsatzsteuer beantragt hatte. Die Verjährungsfrist begann damit mit Schluss des Jahres 2015 und endete mit Schluss des Jahres 2018. Dass der Anspruch des Klägers gegen die B… GmbH auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer bereits verjährt ist, lag jedoch im alleinigen Verantwortungsbereich des Beklagten und fällt somit allein dem Beklagten zur Last.
Der Kläger hatte bereits kurz nach Erhalt der Mitteilung über die Beantragung der Erstattung durch die B… GmbH am 22. Januar 2016 ein Abtretungsangebot gegenüber dem Beklagten abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch noch nicht verjährt. Auch kam der Kläger der Aufforderung des Beklagten nach, für die Abtretung das Vertragsmuster zu verwenden, indem er dem Beklagten am 8. April 2016 den ausgefüllten und von ihm unterschriebenen Abtretungsvertrag übersandte. Darüber hinaus übersandte der Kläger dem Beklagten am 15. Mai 2017 einen – wie von diesem angefordert – um die Angabe der Leistungsempfänger sowie der berichtigten Rechnungen ergänzten und von ihm unterschriebenen Abtretungsvertrag, einschließlich der korrigierten Rechnungen und des „Abnahme-/Begehungsprotokolls“ des Bauvorhabens vom 1. September 2012, nach dem die festgestellten Mängel bereits abgestellt worden waren. Weitere Abtretungsangebote des Klägers folgten am 21. Juni 2017 sowie am 7. Juli 2017. Der Kläger gab somit sämtliche Abtretungsangebote vor Ablauf der Verjährungsfrist ab. Der Beklagte teilte hingegen erstmals mit Schreiben vom 12. Januar 2017 mit, dass das Abtretungsangebot nicht angenommen werden kann.
ee) Auch die Behauptung des Beklagten, es hätten verschiedene Mängel vorgelegen, führt nicht dazu, dass der Beklagte das Abtretungsangebot ablehnen durfte. Zum einen führen etwaige Mängel nicht dazu, dass der Zahlungsanspruch der Kläger entfällt. Vielmehr hätte die B… GmbH ihre Rechte aus § 634 BGB ausüben müssen. Die bloße Berufung, dass Mängel vorlägen, berührt die Umsatzsteuerforderung selbst nicht. Zum anderen ist zwischen dem Kläger und der B… GmbH höchst streitig, ob überhaupt Mängel vorliegen. Wie bereits dargestellt, hat der Beklagte zu prüfen, ob die Berufung der B… GmbH auf Mängel am Werk zum Erlöschen oder Reduzierung der Umsatzsteuerforderung geführt haben.
c) Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass im vorliegenden Verfahren nur über den Anspruch des Klägers auf Annahme des von ihm abgegebenen Abtretungsangebots durch den Beklagten zu entscheiden ist. Es erfolgt daher noch keine Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG erfüllt sind und der Umsatzsteueranspruch des Beklagten gegen den Kläger durch Abtretung erloschen war. Dies ist gegebenenfalls in einem erneuten Abrechnungsbescheid zu klären.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
V. Der Senat hat die Revision zugelassen,da die hier streitigen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung haben (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).Insbesondere ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt, welche Auswirkungen das Bestehen der Einrede der Verjährung, eine durch den Leistungsempfänger erklärte Aufrechnung sowie das Berufen auf die Mangelhaftigkeit des Werks auf das Erfordernis eines abtretbaren Anspruchs haben. Auch der Umfang der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen, die Rechtsschutzmöglichkeiten des Steuerpflichtigen bei Verweigerung der Annahme des Abtretungsangebots durch das Finanzamt sowie der Beginn der Verjährung des zivilrechtlichen Zahlungsanspruchs sind höchstrichterlich nicht abschließend geklärt.
VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.