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gesonderter Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach KStG zum 31.03.2007 sowie Aufhebung des Haftungsbescheides zur Kapitalertragsteuer 2007


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 8. Senat Entscheidungsdatum 03.05.2022
Aktenzeichen 8 K 8077/20 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2022:0503.8K8077.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Endbestand des steuerlichen Einlagekontos der Klägerin zum 31. März 2007 anlässlich einer Kapitalauskehrung in Höhe von 36.000.000 € und der damit im Zusammenhang stehenden Ausstellung von Steuerbescheinigungen.

Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (1. April bis 31. März des Folgejahres). Sie wurde im Jahr 19.. gegründet und hatte bis zum 02. März 2007 die Rechtsform einer Aktiengesellschaft und ihren Sitz in B…. Im Streitzeitraum waren Mitglieder der Familie …, bestehend aus den Eltern Herrn C… und Frau D… sowie der vier gemeinsamen Kinder, beteiligt. Herr C… hielt dabei 24 % der Beteiligung, seine Frau D… 16 % und die Kinder (E…, F…, G…, H…) jeweils 15 %. Nach dem Tod von C… am 05. Januar 2009 trat dessen Sohn H… als Gesamtrechtsnachfolger in dessen steuerliche Stellung ein.

Zum 31. März 2006 wurde das steuerliche Einlagekonto der Klägerin in Höhe von 53.134.007 € bestandskräftig festgestellt. Die Klägerin wies zu diesem Zeitpunkt ein steuerbilanzielles Eigenkapital in Höhe von 1.740.037 €, sowie ein Nennkapital in Höhe von 5.000.000 € aus.

Zu Beginn des Jahres 2007 kam es zu Reorganisationen in der …-Gruppe. Die Klägerin sollte hierbei in eine GmbH formgewechselt werden. Zudem sollte eine Darlehensrückzahlung der I… GmbH als Kapitalrückzahlung an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Am 08., 09. und 12. Februar 2007 kam es zu internem Schriftverkehr zwischen der Geschäftsführerin Frau J… sowie den damaligen Mitarbeitern der Steuerabteilung der …-Gruppe, Herrn K… sowie Herrn L…, hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Auszahlung aus der Kapitalrücklage. Hierbei verwies die Geschäftsführerin auf die Frage, ob die Auszahlung von 36 Mio. € Ende Februar 2007 geleistet werden könne, ohne dass es zu steuerpflichtigen Erträgen bei den Gesellschaftern bzw. zu Steuerbelastungen auf Ebene der Klägerin komme. Im Vermerk vom 12. Februar 2007 von Herrn K… führt dieser unter „Elementare Voraussetzung der Festschreibung“ aus, dass die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos zu bescheinigen sei. Es wäre unter Umständen schädlich, wenn die Steuerbescheinigungen die Verwendung des Einlagekontos nicht erwähnen würden, also leer blieben. Deshalb führte er unter „Ergebnis“ aus: „In der Steuerbescheinigung ist die Verwendung aus dem steuerlichen Einlagekonto zu bescheinigen.“ Das Gericht nimmt Bezug auf die Vermerke (Anlagen K10 bis K13 = Blatt 129 bis 134 der Gerichtsakte).

Am 21. März 2007 überwies die Klägerin insgesamt 36 Mio. € an die Gesellschafter wie folgt:

 C…    

 8,64 Mio. €

D…    

5,76 Mio. €

G…    

5,40 Mio. €

H…    

5,40 Mio. €

F…    

5,40 Mio. €

E…    

5,40 Mio. €

Summe 

36,00 Mio. €

Bei der Überweisung gab die Klägerin ausweislich der vorgelegten Überweisungsnachweise als Zahlungszweck jeweils „Kapitalrückzahlung“ an.

Das vormals zuständige Finanzamt U… stellte mit Bescheid vom 10. März 2009 das steuerliche Einlagekonto auf den 31. März 2007 (unverändert zum vorherigen Stichtag) i.H.v. 53.134.007 € fest. Der Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung -AO-). Dem lag eine Feststellungserklärung zu Grunde, die die Auszahlungen vom 21. März 2007 unberücksichtigt ließ. Am 02. April 2009 und am 10. August 2009 ergingen geänderte Vorbehaltsbescheide, wobei die Feststellungen selbst unverändert blieben. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Im Jahr 2010 verlegte die Klägerin ihren Sitz nach M… und damit in den Bezirk des Beklagten. Das Finanzamt N… ordnete am 08. September 2010 eine Außenprüfung für Körperschaftsteuer 2005 bis 2008 an.

Die Klägerin beantragte mit Änderungsantrag vom 29. März 2012 beim vormals zuständigen Finanzamt U…, den Feststellungsbescheid gem. § 164 Abs. 2 AO dahingehend abzuändern, dass die Auszahlungen als Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto berücksichtigt und ein entsprechend um 36.000.000 € geminderter Bestand des steuerlichen Einlagekontos festgestellt wird. Im Antrag verwies die Klägerin darauf, dass die Auszahlung in der Feststellungserklärung unzutreffend nicht erklärt worden sei. Es sei zu vermuten, dass der Gesellschafterbeschluss zur Auszahlung am 15. März 2007 unterschrieben worden sei; eine unterschriebene Fassung sei aber nicht mehr aufzufinden. Der Beschluss könne allerdings auch konkludent getroffen werden. Ob den Gesellschaftern entsprechende Bescheinigungen erteilt worden seien, könne nicht mehr eindeutig festgestellt werden. Bescheinigungen seien jedenfalls nicht mehr aufzufinden. Da in der Vergangenheit allerdings Bescheinigungen für Einlagenrückgewähr ausnahmslos zuverlässig und ordnungsgemäß erteilt worden seien, gehe die Klägerin davon aus, dass dies auch im Jahr 2007 der Fall gewesen sei. Das Gericht nimmt Bezug auf den Änderungsantrag sowie die beigefügten geänderten Feststellungserklärungen für 2007 bis 2010 sowie Ersatzsteuerbescheinigungen vom 29. März 2012 (Anlage K7 = Blatt 64 bis 80 der Gerichtsakte). Das Finanzamt U… leitete die Unterlagen sogleich an den Beklagten weiter.

Am 26. November 2012 wurde die Außenprüfung auch auf Kapitalertragsteuer 2007 erweitert. Im Rahmen der Außenprüfung fragte der Prüfer O… bei den Wohnsitzfinanzämtern der Gesellschafter an, ob in den Steuerakten entsprechende Steuerbescheinigungen vorliegen würden. Das für die Einkommensbesteuerung der Gesellschafter zuständige Finanzamt P… (Herr Q…) teilte dem Prüfer telefonisch am 28. Juni 2012 mit, dass er alle Steuerakten der Gesellschafter (Eheleute C… und D… und Kinder) durchgesehen und dabei festgestellt habe, dass dort keine Steuerbescheinigungen enthalten seien (Telefonnotiz des Prüfers O… vom 28. Juni 2012, Blatt 365 der Gerichtsakte).

Am 10. April 2013 beantragte die Klägerin zudem eine abweichende Feststellung aus Billigkeitsgründen.

Im Betriebsprüfungsbericht vom 28. Oktober 2013 fasste das Finanzamt N… die Prüfungsergebnisse zusammen. Im Prüfungsbericht wurde ebenfalls ausgeführt, dass eine sachliche Unbilligkeit nicht vorliege. Über den Billigkeitsantrag sei durch gesonderten Verwaltungsakt zu entscheiden (Tz. 16). Nach Maßgabe des Prüfungsberichts erließ der Beklagte am 22. April 2014 einen Haftungsbescheid zur Kapitalertragsteuer. Den Haftungsbetrag ermittelte der Beklagte nach dem bis zum Veranlagungszeitraum 2008 geltenden Recht (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz -EStG- idF v. 1. August 2006), indem er einen Steuersatz von 20 % auf den Ausschüttungsbetrag in Höhe von 36.000.000 € anwendete (= 7.200.000 €) und diesem Betrag 369.000 € Solidaritätszuschlag hinzusetzte. Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein.

Der Beklagte hob zudem mit Bescheid vom 23. Juni 2014 den Vorbehalt der Nachprüfung bezüglich des Bescheids über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den 31. März 2007 auf; die Feststellung blieb hierbei unverändert, da der Beklagte die Auszahlung weiterhin nicht als Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto berücksichtigte. Auch hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein.

Zur Einspruchsbegründung trug die Klägerin vor, dass es sich bei den Zahlungen vom 21. März 2007 um Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto gehandelt habe. Auf den Überweisungsträgern sei ausdrücklich angegeben worden, dass es sich um bloße Kapitalrückzahlungen gehandelt habe. Die Auszahlungen seien nur versehentlich nicht schon in der Steuererklärung für 2007 als Einlagenrückgewähr ausgewiesen worden. Die Erstellung der Erklärungen sei zeitlich mitten in die Phase einer existenzbedrohenden Finanz- und Liquiditätskrise der … Unternehmensgruppe gefallen. Zu dieser Zeit habe eine akute Insolvenzgefahr für mehrere der Gruppengesellschaften bestanden, da diese aufgrund eines gruppeninternen Finanzierungsgeflechts finanziell voneinander abhängig gewesen seien. Die lediglich 20 Mitarbeiter der Steuerabteilung seien dementsprechend überlastet gewesen, da sie binnen kurzer Zeit mehrfach den Liquiditätsstatus von über 100 Gesellschaften haben prüfen müssen. Deshalb sei der Fehler erst nach der Krisenüberwindung im Jahr 2011 anlässlich der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung für den Erwerb von Todes wegen nach Herrn C… aufgefallen.

Die nach § 27 Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz -KStG- erforderlichen Steuerbescheinigungen seien rechtzeitig erteilt worden. Diese seien lediglich nicht mehr auffindbar. Die Fiktionswirkung des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG könne deshalb nicht eintreten. Es komme nicht darauf an, ob dem Finanzamt die Bescheinigungen vorgelegt werden können, sondern ob diese tatsächlich erteilt wurden. Die rechtzeitige Erteilung ergebe sich aus einer Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände. In zahlreichen anderen Fällen der Einlagenrückgewähr seien die Bescheinigungen ordnungsgemäß erteilt worden. Aufgrund der guten Organisation der Steuerabteilung der … Unternehmensgruppe habe sich die Geschäftsführung auf die ordnungsgemäße Erteilung stets verlassen können. Der Beweis des ersten Anscheins spreche somit dafür, dass Bescheinigungen tatsächlich ausgestellt worden seien. Diesen Anschein habe der Beklagte nicht widerlegt.

Hinzu komme, dass bereits vor der Auszahlung interne Aktenvermerke über Kommunikation innerhalb der Unternehmensgruppe angefertigt worden seien, aus denen sich zweifelsfrei ergebe, dass die Steuerfreiheit der Auskehrungen von den jeweils Beteiligten vorausgesetzt worden sei. So habe der damalige Leiter der Steuerabteilung Herr K… mit der damaligen Geschäftsführerin Frau J… besprochen, dass die Steuerfreiheit der „Rückzahlung“ wichtig sei. Dieser habe ferner auf die Wichtigkeit der Erteilung einer Steuerbescheinigung hingewiesen. Deshalb sei es auch realitätsfern anzunehmen, bei Kenntnis dieser Sachlage seien die Steuerbescheinigungen kurze Zeit später doch nicht erteilt worden. Weiter liege ein Anschreiben des Steuerabteilungsleiters vom 13. April 2007 vor, welches ausweislich seines Inhalts als Begleitschreiben zur Übermittlung der Steuerbescheinigungen diente (Anlage K14 = Blatt 135 der Gerichtsakte). Es entspräche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein solches Begleitschreiben nicht ohne zeitgleiche Übersendung des eigentlichen Inhalts – also der Steuerbescheinigungen – erfolgte. Der Leiter der Steuerabteilung sowie der Mitarbeiter Herr L… zeigten sich im Rahmen persönlicher Befragungen davon überzeugt, dass Bescheinigungen erteilt worden sein müssten. Die Kapitalrückzahlung sei Ausgangspunkt eines größeren Projekts gewesen. Die Steuerfreiheit mithin von erheblicher Wichtigkeit. Aufgrund dessen hätten die damals beteiligten Mitarbeiter bleibende Erinnerungen. Die ausgestellten Steuerbescheinigungen hätten Herrn C…. auch sicher erreicht. Wie Befragungen der Mitarbeiterinnen Frau R… und Frau S… zeigten, sei die Hauspost sehr zuverlässig gewesen und durch einen eigens dafür angestellten Fahrer durchgeführt worden.

Die Akten und Büroräume des Herrn C… seien akribisch durchsucht worden, ohne dass die Bescheinigungen aufzufinden waren. Daher müssten diese bei ihm untergegangen oder verloren gegangen sein. Nach dessen Tod sei das Büro mehrere Monate hinweg unverschlossen geblieben. In dieser Zeit sei es durch mehrere Personen etappenweise ausgeräumt worden. Im Büro seien zahlreiche lose Dokumentenstapel befindlich gewesen, welche in Kisten verstaut und zur Lagerung oder Vernichtung durch Umzugsunternehmen verbracht worden seien.

Dessen ungeachtet liege die Feststellungslast bezüglich einer Nichterteilung einer Steuerbescheinigung im Sinne des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG bei der Finanzverwaltung. Dies sei immer dann der Fall, wenn eine steuererhöhende Tatsache zur Überzeugung des Gerichts feststehen müsse. Die Nichterteilung der Steuerbescheinigung sei eine solche steuererhöhende Tatsache. Die Voraussetzungen von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG für eine Einlagenrückgewähr lägen unstreitig vor. Die Erteilung von Steuerbescheinigungen gehöre nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Norm. § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG stelle eine Ausnahmeregelung dar, wonach nur bei erwiesener Nichterteilung der Steuerbescheinigung die „Nullfiktion“ greife. Hätte der Gesetzgeber die Feststellungslast dem Steuerpflichtigen aufbürden wollen, wäre die Erteilung der Bescheinigung als Tatbestandsvoraussetzung in § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG normiert worden.

Der Betriebsprüfer habe lediglich aus der Nichtvorlage der Bescheinigung auf eine Nicht-erteilung geschlossen. Diese Schlussfolgerung sei unzutreffend, da der Wortlaut von § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG auf die „Erteilung“ und nicht auf die „Vorlage“ abstelle. Der Beklagte müsse vielmehr Tatsachen, die spezifisch auf die Nichterteilung hindeuten, darlegen. Er könne hier aber nicht einmal den Anscheinsbeweis erschüttern, da für einen „atypischen Geschehensablauf“ nichts ersichtlich sei. Eine solche Atypik sei nicht dadurch belegt, dass die Kapitalrückzahlung noch nicht in der Steuererklärung für 2007 angegeben worden sei. Denn anders als die Rückzahlungen selbst sei die Abgabe der Steuererklärung in eine Zeit existenzieller Krisen gefallen, in der die Monate zuvor erfolgte Auskehr schlicht übersehen worden sei. Unerheblich sei weiter, dass die Gesellschafter in ihren eigenen Steuererklärungen keine Angaben nach § 17 Abs. 4 oder § 20 Abs. 1 Satz 3 EStG gemacht haben. Die Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG sei hierfür keine Voraussetzung. Im Gegenteil zeige die Nichterklärung des Empfangs der Auszahlungen durch die Gesellschafter, dass diese davon ausgegangen seien, dass diese steuerfrei waren. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass die Bescheinigungen bei den Gesellschaftern und deren Wohnsitzfinanzämtern nicht aufzufinden gewesen seien. Denn die Empfänger einer Einlagenrückgewähr müssten die Steuerbescheinigungen gerade nicht vorlegen. Außerdem habe Herr C… beim Empfang der Bescheinigungen als „zentrale Stelle“ für deren Annahme fungiert. Dies ergebe sich vor allem aus den Erinnerungen des Mitarbeiters Herrn L… und erkläre, warum die einzelnen Gesellschafter keine Bescheinigungen hätten.

Selbst wenn § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG tatbestandlich erfüllt wäre, müsste dieser teleologisch reduziert werden, um unverhältnismäßige Nachteile zu verhindern. Vermeintlich anderslautende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- (Beschluss vom 11. Juli 2018, I R 30/16, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2019, 283) stünde dem nicht entgegen. Das steuerliche Einlagekonto diene dem Schutz der Anteilseigner. Hierdurch solle eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechende Besteuerung gewährleistet werden, indem Einlagen und erwirtschafteter Gewinn getrennt voneinander aufgeführt werden. § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG ziele speziell auf Publikumsgesellschaften ab und solle Streit über das materielle Vorliegen einer Einlagenrückgewähr verhindern. Im Streitfall liege aber ein überschaubarer und familiär verbundener Gesellschafterkreis vor, weshalb ein Streit über das Vorliegen einer Einlagenrückgewähr schwerlich vorstellbar sei. Da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt steuerliche Gewinne erwirtschaftet habe, könne eine Gewinnausschüttung ohnehin nicht vorliegen. In der konkreten Situation müsse es sich deshalb bei den ausgekehrten 36.000.000 € denklogisch um rückgewährte Einlagen gehandelt haben. Die in § 27 Abs. 3 KStG vorgesehenen wesentlichen Angaben würden außerdem schon auf den entsprechenden Überweisungsträgern gemacht. Dies erfülle den Zweck der Steuerbescheinigung. Der Vorwurf der Finanzverwaltung könne sich deshalb nur auf die Nichtverwendung des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks beziehen. Die Fiktionswirkung von § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG diene in diesem Fall ausschließlich der Erhöhung der Bemessungsgrundlage. Eine derartige Lesart führe aber zu unverhältnismäßigen Ergebnissen. Der vom BFH entschiedene Sachverhalt unterscheide sich aus diesen Gründen maßgeblich von dem hier streitgegenständlichen. Denn dort sei ein Fall entschieden worden, in dem unstreitig keine Steuerbescheinigungen erteilt worden seien.

Mit verbundener Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2020 wies der Beklagte die Einsprüche wegen der gesonderten Feststellung und des Haftungsbescheids als unbegründet zurück. Voraussetzung für die Minderung des steuerlichen Einlagekontos sei, dass die Gesellschaft den Anteilseignern nach amtlich vorgegebenem Muster die Leistung bescheinige. Zwingend erforderlich sei, dass diese Bescheinigung Namen und Anschrift des Anteilseigners, die Höhe der Leistungen und den Zahlungstag enthalte. Anderenfalls gelte nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 € bescheinigt. In diesem Fall sei eine Berichtigung oder erstmalige Erteilung unzulässig (§ 27 Abs. 5 Satz 3 KStG). Ersatzbescheinigungen reichten nicht aus. Da die Klägerin die Bescheinigungen nicht habe vorlegen können, sei davon auszugehen, dass diese auch nicht erteilt worden seien. Die internen Aktenvermerke über die Kommunikation zwischen Geschäftsführer, Steuerabteilungsleiter und Mitarbeitern der Steuerabteilung seien ungeeignet, die Ausstellung der Bescheinigungen zu beweisen. Denn diese Personen hätten keine gefestigte Erinnerung daran, wann genau die Erteilung vorgenommen worden sein soll und wer diese unterzeichnet haben soll. Der Umstand, dass in den Unterlagen der Klägerin keine Kopien oder anderweitige Ausfertigungen der Bescheinigungen vorhanden seien, spreche außerdem gegen deren Erteilung.

Den Wohnsitzfinanzämtern der Anteilseigner lägen die Steuerbescheinigungen ebenfalls nicht vor. Dies spreche dagegen, dass die Bescheinigungen jemals erteilt wurden. Denn aus Sicht des Anteilseigners erbringen diese den Nachweis der Steuerfreiheit der Auszahlung. Angaben auf Überweisungsträgern seien im Übrigen ungeeignet, die Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG zu ersetzen, weil die Norm die Verwendung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck verlange. Ein Indiz für das tatsächliche Vorliegen einer Steuerbescheinigung könnten die Überweisungsträger ebenso wenig darstellen. Gegen den von der Klägerin geschilderten Geschehensablauf spreche ferner, dass die vermeintliche Einlagenrückgewähr nicht in der Steuererklärung für das Jahr 2007 aufgeführt worden sei. Außerdem sei es untypisch, dass die Steuerabteilung einer Unternehmensgruppe keine Kopien der maßgeblichen Vorgänge, wie den Bescheinigungen als solche oder den zu Grunde liegenden Gesellschafterbeschluss, angefertigt und zu den Akten genommen habe.

§ 27 Abs. 5 Satz 2 KStG könne nicht teleologisch reduziert werden, weil der Gesetzgeber die Anwendbarkeit der Norm auf Publikumsgesellschaften hätte reduzieren können, wenn dies beabsichtigt gewesen wäre. Der Haftungsbescheid sei ebenfalls rechtmäßig; die Klägerin hafte nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG für nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer. Nach § 191 Abs. 1 AO habe ein entsprechender Bescheid erlassen werden können. Ausführungen zu einem Billigkeitsverfahren machte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung nicht.

Die Klägerin hat hiergegen fristgerecht Klage erhoben. Sie hat ihre Ausführungen des Einspruchsverfahrens wiederholt und dahingehend vertieft, dass der Beklagte sich keinesfalls auf ein reduziertes Beweismaß berufen könne. Denn sie habe überobligatorisch daran mitgewirkt, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären. Es könne ihr nicht angelastet werden, dass Herr C… aufgrund seines Todes nicht mehr als Zeuge zur Verfügung stehe. Dass es auf die Vorlage der Steuerbescheinigung nicht ankomme, sondern die Erteilung ausreiche, ergebe sich auch aus einem Umkehrschluss zu § 36 Abs. 2 Satz 2 EStG. Dieser fordere bezogen auf die Bescheinigung über einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer nach § 45a Abs. 2 EStG die Vorlage. Da die Vorlage der Steuerbescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG keine materielle Tatbestandsvoraussetzung sei, könne der Nachweis der Erteilung auch aufgrund eines Indizien- oder Anscheinsbeweises geführt werden. Aufgrund der im Wege der von der Klägerin durchgeführten Sachverhaltsermittlung gelinge ihr dieser Beweis. Der Beweis des ersten Anscheins spreche für sie, da die Vornahme der Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto auf die Erteilung der Steuerbescheinigungen schließen lasse. Die von ihr vorgenommenen Befragungen ehemaliger Mitarbeiter haben ferner genügend Indizien ergeben, die allein den Schluss der ordnungsgemäßen Erteilung der Steuerbescheinigungen zulassen. Der Beklagte habe keine Gesamtwürdigung der Umstände vorgenommen, sondern sich punktuell einzelne für ihn günstige Aspekte herausgesucht. Insbesondere sei eine fehlende Unterzeichnung des Schreibens, mit dem die Bescheinigungen übersendet worden seien, unerheblich. Üblicherweise würde nur die unterzeichnete Ausfertigung versandt, während eine nicht unterschriebene Kopie, wie in diesem Falle, in den Akten verbleibe. Wenn es zu keiner Versendung gekommen wäre, würden die Bescheinigungen weiterhin in den Akten der Klägerin aufzufinden sein. Bei der Beweiswürdigung sei außerdem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Die Anforderungen an die Beweisführung dürften nicht überspannt werden, da § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG eine Rechtsfolge vorsehe, die erheblich vom tatsächlichen Geschehen abweichen könne.

Der Haftungsbescheid sei aufzuheben. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG habe materielle Bindungswirkung für den Haftungsbescheid. Dahingehend sei der Antrag zu 2 auch zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ergebe sich daraus, dass die Bescheide nicht im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid stünden.

In der mündlichen Verhandlung hat die Geschäftsführerin der Klägerin ausgeführt, dass der Abgang von Dokumenten (Postausgang) in sogenannten Tagesordnern dokumentiert gewesen sei. Diese seien aber für sämtliche Gesellschaften der Gruppe einheitlich und zusammenfassend geführt worden. Man habe sich mit dem Käufer der anteiligen Unternehmensgruppe im Jahr 2010 dahingehend geeinigt, dass wichtige und einzeln zuordbare Unterlagen dem Käufer bzw. der fortbestehenden …-Gruppe zugeordnet wurden. Eine Sortierung der Tagesordner sei aber einvernehmlich als unverhältnismäßig angesehen worden, weshalb diese Tagesordner entsorgt worden seien. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Geschäftsführerin erklärt, dass der Verkauf am 18. März 2010 beschlossen und im August 2010 vollzogen worden sei. Die Entsorgung der Tagesordner müsse im Zeitraum November 2010 bis Januar 2011 erfolgt sein.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid zum 31. März 2007 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG vom 23. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2020 dahingehend zu ändern, dass der Endbestand des steuerlichen Einlagekontos in Höhe von 17.134.007 € festgestellt wird.

2. Hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1, den Haftungsbescheid zur Kapitalertragsteuer 2007 vom 22. April 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2020 aufzuheben.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

4. Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass er nicht die Feststellungs- oder Beweislast für das Nichtvorliegen oder die Nichterteilung einer Steuerbescheinigung trage. Dies falle in den Pflichtenkreis der Klägerin. Ihr allein obliege die Nachweisführung; durch Verwendung des amtlich vorgeschriebenen Vordrucks hätte sie dem ohne Weiteres nachkommen können. Diesen Nachweis könne die Klägerin nicht führen. Der Umstand, dass die Steuerabteilung der Unternehmensgruppe grundsätzlich ordnungsgemäß und zuverlässig gearbeitet habe, sei lediglich die Grundvoraussetzung für unternehmerisches Handeln und die Erfüllung steuerlicher Pflichten. Dies bedeute aber nicht zwangsläufig, dass auch im konkreten Fall Steuerbescheinigungen erteilt wurden. Es liegen ferner keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Schreiben des Steuerabteilungsleiters Herrn K… an Herrn C… samt Anhängen auch tatsächlich versendet und empfangen wurde. Das Schreiben sei nicht unterzeichnet gewesen. Bei unterstelltem reibungslosen Postlauf entspreche es außerdem der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die versendeten Schreiben auch aufzufinden wären. Eine fehlende Belegablage durch Herrn C… vor dessen Tod erschwere lediglich eine Suche nach bestimmten Unterlagen, verhindere diese jedoch nicht. Ferner sei unklar, ob eine Suche überhaupt stattgefunden habe. Die Klägerin trage nicht genügend Tatsachenstoff vor, der die Annahme eines Anscheinsbeweises nahelege. Ob in der Vergangenheit entsprechende Steuerbescheinigungen ausgestellt worden seien, sei unerheblich, da dies für den konkreten Fall nichts aussage. Aus höchstrichterlicher Rechtsprechung ergebe sich entgegen der Auffassung der Klägerin eindeutig, dass eine einschränkende Auslegung von § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG nicht in Betracht komme.

Das Gericht hat am 03. Mai 2022 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K… und L…. Für die Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 03. Mai 2022.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben zur Beweisaufnahme erklärt, dass der Zeuge L… zweifelsfrei die Bescheinigungen erstellt und dem Zeugen K… übergeben habe. Der Zugang bei Herrn C… sei nachvollziehbar dargestellt worden. Auch die Zeugenaussage des Herrn K… habe keine Zweifel an der Aussage des Zeugen L… gelassen. Der Beklagtenvertreter hat hingegen erklärt, dass der Zeuge L… keineswegs bestätigt habe, dass er die Bescheinigungen tatsächlich erstellt habe. Er habe nur von einem Paket berichtet und rückgeschlossen, dass die Bescheinigungen dabei gewesen sein müssten, weil er die Vermutung geäußert habe, dass ansonsten der Zeuge K… oder Herr C… auf ihn zugekommen wären. Es habe aber keine Kontrolle gegeben.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag (Antrag zu 1) zulässig, aber unbegründet. Über den unechten Hilfsantrag zu 2 war nach der ausdrücklichen Antragstellung nicht zu entscheiden. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG zum 31. März 2007 vom 23. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2020, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

I. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG zum 31. März 2007 vom 23. Juni 2014 ist nicht wie beantragt dahingehend durch das Gericht abzuändern, dass das Einlagekonto um 36 Mio. € niedriger festgestellt wird.

1. Gegen die Aufhebung des Vorbehalts ist der Einspruch und nach Einspruchsentscheidung die Anfechtungsklage gegeben, weil die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts einer (vorbehaltslosen) Steuerfestsetzung gleichsteht. Der Aufhebungsbescheid ist selbständiger Steuerbescheid und tritt an die Stelle des ursprünglichen Vorbehaltsbescheids; er kann mit allen Einwendungen, die gegen eine Steuerfestsetzung möglich sind, angegriffen werden. Die Anfechtungssituation verdrängt insoweit das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren auf Änderung.

2. Die Klage ist aber unbegründet, da der Feststellungsbescheid rechtmäßig ist.

Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG wird der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos gesondert festgestellt. Der Bestand umfasst die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen abzüglich der Leistungen der Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner, wenn und soweit diese keine Rückzahlungen von Nennkapital darstellen und den ausschüttbaren Gewinn übersteigen (§ 27 Abs. 1 Satz 3 KStG). Erbringt die Kapitalgesellschaft derartige Leistungen, hat sie nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG den Anteilseignern nach amtlich vorgeschriebenem Muster Bescheinigungen auszustellen, die den Namen und die Anschrift des Anteilseigners, die Höhe der Leistungen und den Zahlungstag enthalten müssen. Fehlt eine solche Bescheinigung bis zum Tag der Bekanntgabe der Feststellung, gilt der Betrag nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG als mit 0 € bescheinigt. Hiernach hat der Beklagte den Endbestand des steuerlichen Einlagekontos der Klägerin zum 31. März 2007 zu Recht mit einem Betrag von 53.134.007 € festgestellt. Zwar erfolgten am 21. März 2007 Auszahlungen an die Gesellschafter, allerdings gilt der Betrag nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG als mit 0 € bescheinigt. Damit verbleibt der Bestand des steuerlichen Einlagekontos im Vergleich zum vorherigen Feststellungszeitpunkt unverändert.

3. Das Gericht ist zwar davon überzeugt, dass eine Einlagenrückgewähr vorlag. Das steuerliche Einlagekonto der Klägerin wurde noch zum 31. März 2006 in Höhe von 53.134.007 € festgestellt; gleichzeitig wies die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nur ein steuerbilanzielles Eigenkapital in Höhe von 1.740.037 € sowie ein Nennkapital in Höhe von 5.000.000 € aus. Für das Vorliegen einer Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto ist es unerheblich, ob Steuerbescheinigungen nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG erteilt wurden. Denn diese Bescheinigungen sind nach allgemeiner und zutreffender Ansicht keine materiellen Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme einer Leistung aus dem Einlagekonto, sondern lediglich Beweismittel im Sinne von § 92 Satz 1 AO (BFH, Beschluss vom 3. Februar 2010, I B 32/09, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2010, 1128; Oellreich in Brandis/Heuermann, § 27 KStG Rn. 58; Berninghaus in Herrmann/Heuer/Raupach, § 27 KStG Rn. 100; Kümpel in Bott/Walter KStG, § 27 Rn. 79).

4. Das Gericht konnte sich aber nach erfolgter Beweisaufnahme keine Überzeugung dahingehend bilden, dass die Klägerin ihren Anteilseignern jeweils Leistungen aus dem Einlagekonto i.S. des § 27 Abs. 3 KStG bescheinigt hatte.

a) Dafür, dass die Steuerbescheinigungen tatsächlich ausgestellt wurden, spricht zunächst kein Beweis des ersten Anscheins. Ein solcher stellt eine besondere Form mittelbarer Beweisführung dar und beruht auf der Erfahrung, dass gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder dass umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten. Die vom Gericht festzustellende Typizität des jeweiligen Geschehensablaufs (Anscheinstatbestand) rechtfertigt es dann, auf die Ermittlung atypischer Sachverhaltsalternativen zu verzichten und den bestimmten Sachablauf als bewiesen anzusehen (Anscheinsschluss), solange nicht Tatsachen sich ergeben, welche ein von diesem typischen Ablauf abweichendes Geschehen als möglich erscheinen lassen (st. Rspr., vgl. nur BFH, Urteil vom 28. September 2000, III R 43/97, BStBl. II 2001, 211). Ob ein steuerrechtlicher Sachverhalt nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises aufklärbar ist, richtet sich nach den Besonderheiten des Streitfalls. Bei der Annahme der Typizität eines Geschehensablaufs nach der Lebenserfahrung ist indes Zurückhaltung geboten. Nicht ausreichend ist, dass von zwei verschiedenen Möglichkeiten die eine wahrscheinlicher ist als die andere (BFH, Urteil vom 14. März 1989, VII R 75/85, BStBl. II 1989, 534; Beschluss vom 26. März 2007, X B 186/06). Erforderlich ist jedenfalls, dass sich das Gericht allein durch Anwendung eines Erfahrungssatzes auf den Anscheinstatbestand eine volle Überzeugung von der im Streit stehenden Tatsache zu bilden vermag (Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO Rn. 41).

Nach diesen Maßstäben liegt kein Beweis des ersten Anscheins vor, der für die Erteilung der Steuerbescheinigungen spricht. Es besteht kein genereller Erfahrungssatz, dass die Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft nach einer Kapitalrückzahlung eine Bescheinigung für eine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ausstellt. Gegen die Annahme eines solchen typischen Geschehensablaufs spricht bereits die gesetzgeberische Wertung in § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG, dass an die Nichtausstellung eine gesetzliche Fiktion geknüpft wird. Das Gericht hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es einen solchen Geschehensablauf gibt, vielmehr spricht die Vielzahl gerichtsbekannter Verfahren zu fehlenden bzw. unrichtigen Bescheinigungen bzw. zu Unklarheiten bei der Verwendung oder zu fehlerhaften Feststellungserklärungen dafür, dass eine Vielzahl an Körperschaften gerade nicht – wie von der Klägerin vorgetragen – Auszahlungen aus der Kapitalrücklage beschließt, auszahlt und sodann auch bescheinigt.

Auch im konkreten Fall der Klägerin lässt sich aus der Organisation der Steuerabteilung der …-Unternehmensgruppe sowie den in der Vergangenheit erfolgten Ausstellungen der Steuerbescheinigungen nicht folgern, dass die Bescheinigungen auch für die am 21. März 2007 erfolgten Ausschüttungen ausgestellt und zumindest an einen der Gesellschafter übermittelt wurden. Aus den dem Gericht vorgelegten Übersichten, wonach in den Jahren 2004 bis 2011 in mehreren Fällen der Einlagenrückgewähr entsprechende Bescheinigungen ausgestellt wurden, ergibt sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass die Erteilung auch für die im Streit stehenden Auszahlungen erfolgt ist. Obwohl die Erteilung der Bescheinigungen in der Vergangenheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Erteilung auch im konkreten Fall nahelegen, existiert nach Auffassung des Gerichts kein allgemeiner Erfahrungssatz, nach dem aus einer ordnungsgemäßen Pflichterfüllung in der Vergangenheit auf fehlerfreie Aufgabenerfüllung in der Zukunft geschlossen werden kann. Auch wenn dies in der überwiegenden Anzahl der Fälle zutreffend sein mag, ist damit noch nicht eine den Anforderungen des Anscheinsbeweises genügende Typik im Geschehensablauf erwiesen. Denn auch zuverlässigen Mitarbeitern unterlaufen im Laufe ihrer Tätigkeit immer wieder Fehler. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Anfertigung der Bescheinigungen als auch hinsichtlich deren Übermittlung. Dies zeigt sich auch daran, dass Mitarbeitern der Steuerabteilung – wie die Klägerin selbst einräumt – einige Zeit nach der behaupteten Erteilung der Bescheinigungen selbst ein Fehler dahingehend unterlaufen ist, dass die Auszahlungen bei der Erstellung der Steuererklärung für die Klägerin im Oktober 2008 fälschlich nicht als Minderung des steuerlichen Einlagenkontos berücksichtigt wurden. Dass die Mitarbeiter in dieser Zeit aufgrund der Liquiditätskrise erhöhter Arbeitsbelastung ausgesetzt waren, begründet die Möglichkeit von Fehlern nicht, sondern erhöht nur deren Wahrscheinlichkeit. Nicht ausreichend ist auch die Behauptung, dass die Erstellung der Steuerbescheinigungen eine Routineaufgabe gewesen sei. Denn auch hinsichtlich solcher vermeintlich weniger komplexen Aufgaben können Fehler begangen werden und sind nicht derart selten, dass damit nur unter außergewöhnlichen Umständen zu rechnen wäre. Nach Überzeugung des Gerichts sind gerade „lästige“ Routineaufgaben besonders gefahrgeneigt, weil insoweit eine vermeintliche Routine zu weniger konzentrierter Arbeit verleiten kann. Weiter stellt die Anfertigung von Bescheinigungen keine weit weniger komplexe Leistung dar als die Angabe der Minderung des Einlagekontos in der Steuererklärung. Zudem hat der Zeuge K… auf Befragung der Klägerin eingeräumt, dass der gesamte Vorgang etwas Besonderes war, schon wegen der Höhe der Kapitalrücklage. Auch insoweit kann nicht von einer Routineaufgabe ausgegangen werden. Letztlich hat der Zeuge L… eingeräumt, dass er Bescheinigungen mit Software der Anbieter Datev oder Haufe und zur Not auch mit einer Schreibmaschine erstellt habe. Auch dies spricht ersichtlich gegen eine Routineaufgabe, weil der Prozess noch zur Disposition des Leiters Rechnungswesen stand.

Die „interne Notiz“, wonach der damalige Leiter der Steuerabteilung Herr K… Herrn C… am 13. April 2007 anschrieb, begründet ebenfalls keinen Anscheinsbeweis dafür, dass die Bescheinigungen auch tatsächlich erstellt und versandt wurden. Die Betreffzeile dieses Anschreibens lautet: „Steuerbescheinigungen wegen A… GmbH Auszahlung aus der Kapitalrücklage“. Dem Inhalt nach sollten als Anlage dieses Schreibens die diesbezüglichen Steuerbescheinigungen versandt werden. Es entspricht zwar der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Anschreiben, die keinen weiteren Inhalt haben, als auf ihre Anlagen zu verweisen, nicht angefertigt oder versendet werden, ohne dass die entsprechenden Anlagen auch vorliegen. Allerdings blieb auch nach Zeugenvernehmung des Herrn K… als Urheber ungeklärt, ob die Bescheinigungen vorgelegen und beigefügt wurden oder nicht. Jedenfalls blieb der vermeintliche Zeitpunkt der Erstellung der Bescheinigung (wohl vor Auszahlung, weil vor Urlaubsantritt des Zeugen L…), der weitere Verbleib der Bescheinigungen bis zum 13. April 2007 sowie die Übermittlung ungeklärt. Tatsächlich hat der Zeuge K… erklärt, dass er solche Schreiben seiner Erinnerung nach diktiert habe. Insoweit bleibt auch der nicht unwahrscheinliche Geschehensablauf, dass das Sekretariat die Beifügung der Anlagen vergessen hatte bzw. Anlagen mit dem Diktat (Kassettte) nicht vorgelegt worden sind. Letztlich liefen die besonderen Anforderungen an den Inhalt der Bescheinigungen faktisch ins Leere, wenn mit dem Feststehen einer Einlagenrückgewähr zugleich deren besondere Nachweisführung feststünde. Mit den Bescheinigungen soll die Einlagenrückgewähr erleichtert nachgewiesen werden, nicht andersherum die Erteilung der Bescheinigungen mit dem Vorliegen einer Einlagenrückgewähr.

b) Die Klägerin konnte auch nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass im konkreten Fall tatsächlich Bescheinigungen ausgestellt worden sind. Obwohl gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Bescheinigungen erteilt wurden, verbleiben erhebliche Restzweifel.

Das Gesetz verlangt die vollständige tatrichterliche Überzeugung von der im Streit stehenden Tatsache (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dies ist nicht die absolute Gewissheit, die niemals erreicht werden kann, sondern es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit. Dieser ist erreicht, wenn das Gericht eine Überzeugung in dem Maße erlangt, welches vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BFH, Urteil vom 20. Mai 2010, VI R 41/09, BStBl. II 2010, 1022; Beschluss vom 8. September 2010, X B 213/09, BFH/NV 2011, 268).

aa) Es liegen aus Sicht des Gerichts einige Indizien vor, die die Erstellung und Versendung der Steuerbescheinigungen als wahrscheinlich erscheinen lassen.

Zunächst arbeitete die Steuerabteilung unstreitig grundsätzlich ordnungsgemäß und erteilte die Steuerbescheinigungen auch in anderen Fällen. Weiter war dem Leiter und den Mitarbeitern der Steuerabteilung ersichtlich die Bedeutung der Rückzahlungen als auch der Umstand, dass die Steuerbescheinigungen eine elementare Voraussetzung für die Festschreibung darstellten, bewusst. Dies ergibt sich aus den internen Notizen als auch aus den Aussagen der Zeugen K… und L…. Beide haben übereinstimmend erklärt, dass es allen Beteiligten in besonderer Weise auf die Steuerfreiheit der Rückzahlungen und die deshalb notwendige Abwicklung vor dem Schluss des Wirtschaftsjahres ankam, weil ein Direktzugriff auf die Rücklage nach Gewinnerzielung im folgenden Wirtschaftsjahr nicht möglich war. Insoweit hat auch die Beweisaufnahme die schriftsätzlichen Einlassungen bestätigt. Wenngleich der vorgelegte Entwurf eines Anschreibens des Herrn K… an Herrn C… vom 13. April 2007 keinen Beweis des ersten Anscheins begründen kann, so stellt der Entwurf doch ein gewichtiges Indiz dar, welches auf die spätere tatsächliche Erstellung und Versendung der Bescheinigungen hindeutet.

bb) Dem Gericht drängen sich auf der anderen Seite nicht unerhebliche Zweifel an der tatsächlichen Erstellung und Versendung der Steuerbescheinigungen auf. Es ist im Streitfall keine bloß denktheoretische oder abseitige Möglichkeit, dass die Ausstellung der Bescheinigungen schlicht vergessen wurde.

Zunächst hat der Zeuge L… erklärt, dass er zwar für die Erstellung von Steuerbescheinigungen zuständig gewesen sei, selbst konnte er sich aber nicht mehr an die Ausstellung von Bescheinigungen im Streitfall erinnern. Offen blieb auch nach der Zeugenvernehmung des Herrn K… der zeitliche Ablauf, denn der Zeuge L… hat erklärt, dass er die Unterlagen zur Ausschüttung (auf welche Konten das Geld gezahlt wird, der Tag der Auszahlung musste festgelegt werden und den Auszahlungsbeschluss selbst) als Paket noch vor dem Auszahlungstag (21. März 2007) erstellt und in den üblichen Ablauf (Vorlage an den Abteilungsleiter K… in Umlaufmappe) gegeben hatte. Zugleich hat die Klägerin aber auf das Schreiben vom 13. April 2007 verwiesen, was Herr K… vorbereitet bzw. angeordnet haben soll. Hätte Herr L… den Auszahlungsbeschluss nebst Überweisungsvorlagen zeitgleich mit den Steuerbescheinigungen erstellt, wären diese nach den übereinstimmenden Aussagen aber eigentlich nicht über mehr als 15 Werktage „liegen geblieben“. Beide Zeugen hatten nämlich erklärt, dass Unterlagen regelmäßig an die Familie … übersandt wurden, nicht nur für die Klägerin. Gegen eine Übersendung des vom Zeugen L… genannten Pakets erst am 13. April 2007 spricht sodann, dass das Schreiben des Zeugen K… nur von Bescheinigungen spricht, nicht aber von anderen Unterlagen. Damit verbleibt die Möglichkeit, dass der Zeuge L… vor dem 21. März 2007 gerade keine Bescheinigungen ausgestellt hatte, diese also nicht Bestandteil des bezeichneten Pakets waren, das bereits vor dem 13. April 2007 an die Gesellschafter übermittelt worden sein musste. Dies deckt sich mit seiner fehlenden Erinnerung an eine eigene Erstellung.

Gegen eine Erstellung der Bescheinigungen spricht zudem, dass zwar allen Beteiligten die Wichtigkeit der Bescheinigung bewusst war, dann aber – wie bei Behandlung anderer Routineaufgaben – keine Kopien in den Steuerordnern der Klägerin verblieben. Der Zeuge L… hat selbst erklärt, dass zumindest der Ausschüttungsbeschluss in Kopie in den Dauerordner / Stammordner der Klägerin zu nehmen gewesen wäre. Auch eine solche Kopie konnte die Klägerin aber nicht vorlegen. Zudem hätten vorliegende Kopien des Beschlusses oder Bescheinigungen bei Erstellung der Steuererklärungen dazu geführt, dass das Eigenkapital – wie vom Zeugen L… berichtet – verprobt worden wäre, mithin die Fehlerhaftigkeit der Feststellungserklärung aufgefallen wäre.

Letztlich besteht der Widerspruch zwischen nicht vorhandener Kopie in der vom Zeugen L… gepflegten Dauerakte und dem Schreiben vom 13. April 2007, denn dieses weist Herrn L… unter „cc“ (carbon copy = Durchschlag/Kopie) aus. Der Zeuge K… hat ausgeführt, dass dies wohl so von ihm veranlasst worden sein könnte, weil er kurze Zeit später (Mitte Mai 2007) bereits aus der Unternehmensgruppe ausgeschieden war. Wäre das Schreiben vom 13. April 2007 also von der zuverlässigen Sekretärin ausgeführt worden/abgesandt worden, hätte Herr L… für seine Akte eine Kopie mit den Anlagen erhalten müssen.

Weiter spricht für die ernsthafte Möglichkeit, dass die Bescheinigungen schlicht vergessen wurden, dass der gesamte Vorgang um die Ausschüttung in besonderem Maße zeitkritisch war und es der Lebenserfahrung entspricht, dass gerade unter erhöhtem Zeitdruck auch wichtige Dinge vergessen werden können. Die besondere zeitliche Dringlichkeit des gesamten Vorgangs (Formwechsel der Klägerin in eine GmbH, Ausschüttungsbeschluss und Auszahlung vor dem 31. März 2007) legt auch die Aussage des damaligen Leiters der Steuerabteilung (Zeuge K…) nahe, welcher ansonsten aber keine gefestigten Erinnerungen zum konkreten Ablauf hat. Dieser konnte nur noch einen allgemeinen Eindruck von der Arbeitsweise der Abteilung geben, ohne sicher aber an Details zu erinnern. Zugleich war aber die Erstellung der Steuerbescheinigungen im Frühjahr 2007 gerade nicht zeitkritisch und konnte grundsätzlich bis zur Erstellung der Feststellungserklärung aufgeschoben werden.

Für das Gericht ist zudem deutlich geworden, dass die Prozesse und Abläufe in der Abteilung auf Vertrauen und der allgemeinen Gewissheit beruhten, dass die einzelnen Mitarbeiter (angefangen vom Referenten über den Abteilungsleiter, die Geschäftsführung oder das Sekretariat) grundsätzlich fehlerfrei arbeiten würden. Es gab hingegen keine Rückversicherungen, Bestätigungen oder Kontrollen. Der Zeuge L… hat sogar ausgeführt, dass er von Steuererklärungen keine Kopien erstellt habe, sondern von der Übergabe, Unterschrift und Weiterleitung überzeugt war. Insoweit ist auch hinsichtlich der Steuerbescheinigung ein punktuelles Versagen nicht auszuschließen, dass bei zeitkritischen Prozessen, gleichzeitigem Urlaub und Personalwechsel vorkommen kann. Gerade die Tatsache, dass der Zeuge L… im Zeitpunkt der Ausschüttung im Urlaub war, der Abteilungsleiter K… aber bereits Mitte Mai 2007 aus der Unternehmensgruppe ausschied, belässt die Möglichkeit, dass der Fehler (Nichtausstellung von Bescheinigungen) wegen gegenseitiger Vertrauensstellungen nicht aufgefallen war, gerade weil es keine nachträgliche Kontrolle durch Vorgesetzte (Abteilungsleiter, Geschäftsführerin) gab. Nicht auszuschließen ist hierbei, dass die Zeugen L… und K… gegenseitig davon ausgingen, dass der jeweils andere für die Ausstellung der Bescheinigungen verantwortlich zeichne bzw. die noch nachzuholende Bescheinigung zeitlich im Kalender nachverfolge, Herr L… dies aber wegen seines Urlaubs aus den Augen verloren hatte und Herr K… nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen (15. Juni 2007) nebst vorheriger Inanspruchnahme von Resturlaub nicht mehr eingreifen konnte bzw. entsprechende Dokumentationen auf Seiten der Geschäftsführung nicht vorlagen.

Möglich bleibt auch, dass einzelne Beteiligte davon ausgingen, dass die Bescheinigungen noch später stellt werden könnten, nämlich mit der Erstellung der Steuererklärung zusammen, denn das Gesetz ermöglicht eine Bescheinigung bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung im Sinne des § 27 Abs. 2 KStG.

cc) Weder für noch gegen die Ausstellung der Bescheinigungen spricht die Tatsache, dass die Betriebsprüfung der Klägerin bei den Wohnsitzfinanzämtern der Gesellschafter in Erfahrung gebracht hatte, dass den Steuerakten der Gesellschafter keine Steuerbescheinigungen zu den Steuererklärungen der Gesellschafter vorliegen. Dem Beklagten ist zwar darin zu folgen, dass die Bescheinigungen gerade zum Beweis der nicht steuerbaren Kapitalrückzahlung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) erteilt werden, allerdings verlangten die Einkommensteuer-Erklärungsvordrucke des VZ 2008 gerade nicht die Vorlage der Bescheinigung bzw. nicht ausdrücklich die Erklärung entsprechender Rückzahlungen. In der Anlage KAP 2008 wurde unter „Dividenden und ähnliche Erträge“ lediglich abgefragt, ob Dividenden aus Aktien und anderen Anteilen (Zeile 18), aus Investmentanteilen (Zeile 19) oder aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft (Zeile 20) vorliegen. Auch in der Anleitung zur Anlage KAP 2008 wurde hierzu ausgeführt „In diesen Zeilen erklären Sie bitte Ihre Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus ... Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung ... Zu den hier einzutragenden Erträgen gehören aber auch solche aus der Veräußerung von Dividendenscheinen, aus einer Kapitalherabsetzung von Körperschaften oder Personenvereinigungen, aus einer Auflösung von Körperschaften oder Personenvereinigungen.“ Weder wird hieraus klar und deutlich, dass entsprechende als nicht steuerbar eingeschätzte Leistungen zu erklären sind, noch dass die Bescheinigungen der leistenden Körperschaft dem Finanzamt unmittelbar vorzulegen sind. Damit besteht durchaus die Möglichkeit, dass Gesellschafter bei vorliegenden Bescheinigungen diese nur auf Nachfrage des Wohnsitzfinanzamts vorlegen. Gerade in entsprechenden Konzernfällen und der Konzentration der Steuerfälle bei einzelnen Sachbearbeitern besteht damit die Möglichkeit, dass der zuständige Sachbearbeiter Kenntnisse (hier über Kapitalrückzahlungen) aus anderen Quellen erhält.

dd) Damit verbleibt es nach dem Inbegriff der Verhandlung und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung K… und L…) dabei, dass das Gericht keine Überzeugung dahingehend gewinnen konnte, dass die Bescheinigungen nach der Auszahlung aus der Kapitalrücklage tatsächlich erstellt wurden bzw. den Gesellschaftern etwas i.S. des § 27 Abs. 3 KStG bescheinigt wurde.

Das Gericht kann insoweit die Aussagen der als Zeugen benannten Angestellten des Herrn C… (Frau R… und Frau S…) als wahr unterstellen, dass die interne Hauspost Herrn C… zweimal täglich erreicht habe und dies von einem eigens angestellten Fahrer (Herr T…) immer zuverlässig erfolgt ist und Post nie verloren gegangen ist, denn wenn das Gericht keine Überzeugung davon gewinnen konnte, dass Bescheinigungen tatsächlich ausgestellt worden sind, kommt es auf den üblichen folgenden Geschehensablauf (Transport, Übergabe und Kenntnisnahme) nicht mehr an. Hinsichtlich der Aussage der Frau R… ist letztlich auch anzumerken, dass diese nach eigenen Angaben nur bis 2006 für Herrn C… gearbeitet habe; mithin sich ihre Erinnerungen nicht auf den relevanten Zeitraum (nach Auszahlung bis Feststellung) beziehen können.

c) Die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts geht im Streitfall zu Lasten der Klägerin. Sie trägt die Feststellungslast hinsichtlich des Vorliegens der Steuerbescheinigungen selbst dann, wenn sich das beklagte Finanzamt auf die Rechtsfolgen von § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG beruft.

aa) Im Grundsatz trägt die Feststellungslast derjenige, der sich auf ihn begünstigende Tatsachen beruft. Für den Finanzgerichtsprozess folgt daraus, dass die Unerweislichkeit steuerbegründender und steuererhöhender Tatsachen zu Lasten der Finanzverwaltung geht, die Unerweislichkeit steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen zu Lasten des Steuerpflichtigen (z.B. BFH, Urteile vom 1. Dezember 2010, IV R 17/09, BStBl. II 2011, 419; vom 12. Dezember 2013, X R 33/11, BFH/NV 2014, 693). Diese Regel stellt eine „Grundregel“ dar, von der es Ausnahmen und Abweichungen gibt. Die Frage, wer die Feststellungslast trägt, lässt sich damit nur im jeweils konkreten Fall unter Berücksichtigung der Normen und deren Zweckbestimmungen beantworten (BFH, Urteil vom 12. Oktober 2004, V R 37/02, BFH/NV 2005, 923).

bb) Bei ausschließlicher und enger Anwendung des Grundsatzes der Normbegünstigung würde der Beklagte die Feststellungslast für das Nichtvorliegen von Steuerbescheinigungen tragen, wenn er sich auf die Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG beruft. Dessen Rechtsfolge wirkt zunächst „steuerbegründend“. Dies ergibt sich aus der Ausgestaltung der Norm und ihrem Zusammenhang mit § 27 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 KStG. Die Steuerbescheinigungen stellen keine materiellen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Einlagenrückgewähr dar, sondern sind bloße Beweismittel (BFH, Beschluss vom 3. Februar 2010, I B 32/09, BFH/NV 2010, 1128). Eine gänzlich fehlende Bescheinigung löst dagegen die materielle Rechtsfolge der sogenannten „Nullfiktion“ aus. Damit ist § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG eine materielle Präklusionsvorschrift. Deren Rechtsfolgen überlagern die materiell-rechtliche Berechnung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG (BFH, Urteile vom 11. Februar 2015, I R 3/14, BStBl. II 2015, 816; vom 11. Juli 2018, I R 30/16, BStBl. II 2019, 283; Beschluss vom 19. Januar 2021, I B 3/20, BFH/NV 2021, 648). Die Anwendung von § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG führt zu einer für den Steuerpflichtigen ungünstigen Rechtsfolge. Gilt der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 € bescheinigt, muss die ausschüttende Gesellschaft grundsätzlich Kapitalertragsteuer einbehalten und abführen. Bei Verletzung dieser Pflicht ist sie Haftungsschuldnerin (§§ 43; 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 EStG).

cc) Nach Auffassung des Gerichts liegt die Feststellungslast für die Erteilung der Steuerbescheinigungen gleichwohl bei der Klägerin. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem Gedanken der Sphärenverantwortung.

Liegt ein bestimmter Umstand in der Verantwortungssphäre des Steuerpflichtigen und ist ihm im Grunde die Beweisführung zur Klärung des Sachverhalts möglich und daher auch zumutbar, so kann nicht nach der allgemeinen Beweislastverteilung vorgegangen werden. In diesen Fällen hat die Prozesspartei für die Beschaffung und die Aufklärbarkeit der sich ihrer Sphäre zuzuordnenden Tatsachen Sorge zu tragen (BFH, Urteil vom 12. Oktober 2004, V R 37/02, BFH/NV 2005, 923).

Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 27 KStG ist die Verantwortung für den Nachweis einer Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto der Sphäre der ausschüttenden Körperschaft zuzuordnen. Die inhaltlich richtige und rechtzeitige Erteilung von Steuerbescheinigungen ist als eine Obliegenheit ausgestaltet, die die Körperschaft selbständig zu erfüllen hat. Nur sie kann die Bescheinigung ausstellen, da nur sie über die dazu erforderliche Kenntnis und Organisationsmacht verfügt. Sie kann außerdem Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass bei erfolgter Erteilung der Nachweis in der Zukunft gelingt. Dies begründet eine besondere Beweisnähe der Klägerin zu der zu beweisenden Tatsache. Gerade dann, wenn die Körperschaft erkennt, dass sie Leistungen aus dem Einlagekonto erbringt, ist eine nicht erteilte Bescheinigung ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen (BFH, Beschluss vom 11. Juli 2018, I R 30/16, BStBl. II 2019, 283). Die Ausstellung der Bescheinigung steht zudem im Alternativverhältnis zur Pflicht einer ausschüttenden Körperschaft – bei Nichtverwendung des steuerlichen Einlagekontos – die Kapitalertragsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Die Nullfiktion ist für die Körperschaft auch nur mittelbar nachteilig, weil diese – wie im Streitfall – für fehlenden Kapitalertragsteuereinbehalt in Haftung genommen werden kann. Die Steuerbelastung betrifft aber im Ergebnis die Gesellschafter der Klägerin. Insoweit ist die Nullfiktion im Zusammenhang mit der Rückausnahme des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu sehen, der Bezüge als nicht zu den steuerpflichtigen Einnahmen gehörend qualifiziert, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto als verwendet gelten. Der Gesellschafter hat deshalb gegen seine Körperschaft nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG auch einen zivilrechtlichen Anspruch darauf, dass ihm eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster erteilt wird (vgl. nur Oellerich in Brandis/Heuermann, § 27 KStG Rn. 52; Kümpel in Bott/Walter, § 27 Rn. 218).

Hieraus folgt, dass es dem Gesetzeszweck widerspräche, die Feststellungslast hinsichtlich der Frage, ob eine Steuerbescheinigung erteilt wurde, der Finanzbehörde aufzubürden. Legt der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen ein bestimmtes Pflichtenprogramm mit dem Ziel auf, dass dieser für ihn günstige Tatsachen beweisen kann und normiert damit zugleich den gesetzlich vorgesehenen Standardfall der Beweisführung einer bestimmten Tatsache, entspricht es regelmäßig dem Sinn und Zweck der Norm, wenn der Steuerpflichtige die Erfüllung dieser Pflichten auch dann beweisen muss, wenn die Nichterfüllung der Pflicht für ihn nachteilige Rechtsfolgen auslöst. Die Nichterfüllung einer Pflicht stellt eine Negativtatsache dar, deren Beweis dem anderen Teil regelmäßig nicht möglich ist. Die beweiserhebliche Tatsache (das Ausstellen der Bescheinigungen) kann von dem Prozessgegner nicht oder nur eingeschränkt überprüft werden.

Die Feststellung der betragsmäßigen Höhe des verwendeten Einlagekontos beruht allein auf den Angaben der Klägerin. Sie hat es in vorwerfbarer Weise versäumt sicherzustellen, dass die notwendigen Beweismittel für die Ausstellung der Bescheinigungen vorlagen. Wie der Beklagte zutreffend eingewandt hat, wäre es unstreitig möglich gewesen, sich den Empfang der Bescheinigungen auf Kopien zu bescheinigen oder den Abgang der Bescheinigungen an die Gesellschafter zumindest in einem Postausgangsbuch nachzuweisen. Hiermit wäre die Klägerin nicht unzumutbar belastet gewesen.

Damit ist letztlich auch der Klägerin anzulasten, dass sie eine – unterstellte – Bescheinigung nicht weiter dokumentiert hat, bspw. durch Ablage von Kopien oder durch Dokumentation des Erstellungsprozesses (klare Anweisungen der Geschäftsleitung an bestimmte Mitarbeiter der Steuerabteilung) bzw. des Abgangs an den Gesellschafterkreis. Die Klägerin hat sich insoweit vorwerfen zu lassen, dass ursprünglich wohl vorhandene Nachweise Ende 2010 bzw. Anfang 2011 vernichtet wurden. Die Geschäftsführerin der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es sog. Tagesordner des Sekretariats für die gesamte Unternehmensgruppe gegeben habe, in denen Abgänge verzeichnet gewesen seien. Diese Tagesordner seien aber in Abstimmung mit dem Erwerber eines Teils der Unternehmensgruppe nach dem Verkauf vom 18. März 2010 nach Vollzug im Herbst/Winter 2010/2011 vernichtet worden, weil in den Ordnern sämtliche Gesellschaften und entsprechende Korrespondenz ungeordnet abgelegt worden sei. Für das Gericht ist dies nicht nachvollziehbar, denn bereits am 08. September 2010 hatte das Finanzamt N… für die Jahre 2005 bis 2008 eine steuerliche Außenprüfung angeordnet. Es wäre demnach auch Sache der Klägerin gewesen, zumindest die Ordner dieser Jahre einzulagern oder zu scannen.

Das Gericht braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob sich die Klägerin den sorglosen Umgang der Gesellschafter mit Unterlagen zurechnen lassen muss. Auch wenn die Krise der Unternehmensgruppe und die Kulmination im Suizid des Familienvaters die gesamte Unternehmensgruppe – auch medienwirksam – erschüttert hatte, waren es doch nach Einlassung der Klägerin die Erben des Herrn C…, die unsortierte Unterlagen einem Umzugs- bzw. Entsorgungsunternehmen auch zur Entsorgung überließen. Hier hätte sich jedem Berater aufgedrängt, dass es sinnvoll wäre, entweder sämtliche Unterlagen wenigstens unsortiert einzulagern oder wenigstens auf Relevanz zu untersuchen. Die vollständige Entsorgung ist insoweit unverständlich. Letztlich soll die Haftungsanordnung genau diese Probleme zu Gunsten der Finanzbehörde unerheblich machen, denn ansonsten hätten es Körperschaft und Gesellschafter in der Hand, sich gegenseitig von Verantwortung für Aufbewahrung freizuzeichnen und damit erhebliche steuerfreie Kapitalauszahlungen zu erhalten.

5. § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG ist entgegen Auffassung der Klägerin auch nicht teleologisch zu reduzieren. Der BFH hat entschieden, dass die Norm einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich ist (BFH, Beschluss vom 11. Juli 2018, I R 30/16, BStBl. II 2019, 283). Eine teleologische Reduktion setzt regelmäßig voraus, dass die Anwendung der von einer Norm vorgesehenen Rechtsfolge der gesetzgeberischen Intention zuwiderliefe oder von ihr nicht erfasst würde. Nicht ausreichend ist dagegen, dass die Sachverhalte, welchen den Anlass zur Einführung einer Norm gegeben haben, sich von dem zu entscheidenden Fall unterscheiden. Der Zweck einer Norm ist mithin nicht auf ihren Anlass beschränkt. Selbst in Fällen kleinerer Kapitalgesellschaften mit engem Gesellschafterkreis ist die Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG indes geeignet, ihren Zweck zu erfüllen. Dieser besteht zuvörderst darin, die Besteuerung des Anteilseigners an der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos auszurichten. Disparitäten zwischen der steuerlichen Behandlung einer Ausschüttung auf Ebene der Gesellschaft auf der einen und auf Ebene der Gesellschafter auf der anderen Seite, sollen dadurch vermieden werden (ebenso BFH, Urteil vom 11. Februar 2015, I R 3/14, BStBl. II 2015, 816). Die Anwendung der „Nullfiktion“ ist erkennbar auch im streitgegenständlichen Fall geeignet, diesen Zweck zu erfüllen. Denn obschon bei Gesellschaften mit einer kleinen Anzahl an Gesellschaftern die Gefahr der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung derselben Leistung nicht in demselben Maße droht, wie bei Publikumsgesellschaften, so ist eine unterschiedliche Behandlung aufgrund fehlender oder unrichtiger Bescheinigungen doch denkbar und nicht völlig abwegig.

Das Gericht braucht nicht zu entscheiden, ob § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG ebenfalls den Zweck verfolgt, Streit zwischen den Gesellschaftern zu verhindern. Denn die Norm ist auch im Streitfall geeignet, diesen Zweck zu erfüllen. Es entspricht der Lebenserfahrung und ist gerichtsbekannt, dass auch und gerade bei reinen „Familiengesellschaften“ Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern nicht die Ausnahme, sondern den Regelfall darstellen. Unerheblich ist, ob dies auch bei den Gesellschaftern der Klägerin der Fall ist oder nicht. § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG steht jedenfalls nicht unter dem Vorbehalt, dass das Verhältnis der Gesellschafter von Konflikt geprägt ist.

Im konkreten Fall entfällt der Zweck von § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG auch nicht deshalb, weil unstreitig eine Einlagenrückgewähr vorlag. Die Rechtsfolge der Norm soll nach der gesetzgeberischen Intention gerade die materiell zutreffende Berechnung nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG überlagern. Dies bewegt sich im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Entscheidungsspielraums bei der Verwirklichung des einer Norm zugrundeliegenden Zwecks. Deshalb ist eine Verwendungsfestschreibung auf 0 € selbst dann nicht unangemessen, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die fingierte Verwendung materiell fehlerhaft war (BFH, Beschluss vom 11. Juli 2018, I R 30/16, BStBl. II 2019, 283). Nichts Anderes gilt nach Auffassung des Gerichts, wenn sich nicht aufklären lässt, ob die Bescheinigungen erteilt wurden oder nicht. Denn die Verteilung der Feststellungslast würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn sich hiermit eine teleologische Reduktion begründen ließe. Die Frage der Feststellungslast ist der Norm aufgrund ihrer Zweckbestimmung und ihres Regelungszusammenhangs immanent. Da hier aus dem Zweck der Norm schon folgt, dass die Klägerin die Feststellungslast trägt, kann derselbe Zweck nicht zugleich zu einem gegenteiligen Ergebnis führen.

Damit erfüllen – entgegen der klägerischen Ansicht – die Überweisungsträger nicht den Zweck der Steuerbescheinigung. Dies gilt auch dann, wenn diese die in § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG vorgesehenen Angaben von Namen der Anteilseigner, Höhe der Leistungen und Datum der Einlagenrückgewähr enthalten. Die Überweisungsträger erfüllen im hiesigen Fall schon deshalb nicht die Anforderungen von § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG, weil die Adressen der Anteilseigner nicht angegeben sind und die Zahlungen lediglich als „Kapitalrückzahlung“ betitelt sind. Aus dieser Angabe lässt sich nicht zweifelsfrei folgern, dass die der Überweisung zugrundeliegende Zahlung eine Einlagenrückgewähr darstellt, weil § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG eine bestimmte Verwendungsreihenfolge vorsieht und es sich bei den überwiesenen Beträgen deshalb auch (teilweise/vollständig) um Rückzahlung von Nennkapital handeln könnte. Außerdem hat der Gesetzgeber durch das Erfordernis der Verwendung eines amtlichen Vordrucks selbst geregelt, wie das Ziel der Norm durchgesetzt werden soll. Die Bescheinigungen nach amtlichem Vordruck dienen der Rechtssicherheit, indem sie sicherstellen sollen, dass der Anteilseigner gegenüber seinem Wohnsitzfinanzamt nachweisen kann, dass eine erhaltene Zahlung nicht steuerbar ist. Würde für die Verhinderung der Verwendungsfiktion jeder Nachweis genügen, wäre § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG vom Gesetzgeber anders gefasst worden und würde nicht eindeutig auf § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG verweisen.

Aus denselben Gründen kommt eine teleologische Reduktion von § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG, wonach eine nachträgliche Bescheinigung die Verwendungsfiktion nicht zu beseitigen vermag, nicht in Betracht. Denn das primäre Anliegen der verfahrenssicheren Abstimmung der Besteuerungsebenen kann durch eine erst im Nachgang erteilte Bescheinigung beeinträchtigt sein (BFH, Urteil vom 11. Februar 2015, I R 3/14, BStBl. II 2015, 816). Daher führen die von der Klägerin im Jahr 2012 erteilten Ersatzbescheinigungen zu keinem anderen Ergebnis.

II. Über den Hilfsantrag zu 2 ist nicht zu entscheiden, weil der Antrag von der Klägerin ausdrücklich und zulässig an die innerprozessuale Bedingung geknüpft worden ist, dass über den Antrag zu 1 stattgebend entschieden wird. Dies ist (siehe oben unter I.) aber nicht der Fall.

III. Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Zwar hatte sich der BFH zuletzt (BFH, Beschluss vom 11. Juli 2018, I R 30/16, BStBl. II 2019, 283) mit der Auslegung des § 27 KStG und der Streitfrage befasst, allerdings besteht die Möglichkeit hinsichtlich des Streitfalls zur Feststellungslast bei nicht erweislicher Ausstellung von Bescheinigungen in Familiengesellschaften Stellung zu beziehen, weil insbesondere § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zwar eine Verwendung des Einlagekontos erwähnt, aber dennoch keine Vorlagepflicht für die Bescheinigungen umfasst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Über den Hinzuziehungsantrag (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) war wegen der alleinigen Kostentragungspflicht der Klägerin nicht zu entscheiden.