Gericht | FG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 27.04.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 K 3072/20 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2022:0427.3K3072.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Beteiligten streiten um die Anwendung der Vorschriften über die sogenannte Wegzugsbesteuerung.
Der 1989 geborene Kläger, der seit 1993 in C… ansässig war und mindestens seit 2015 (auch) in Kanada lebt, war im Streitjahr zunächst noch im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Mit Ablauf des 26. April 2017 gab er seinen inländischen Wohnsitz endgültig auf. Zu diesem Zeitpunkt war er als Kommanditist mit einem vermögensmäßigen Anteil von 10 % an der vermögensverwaltend tätigen B… KG (nachfolgend KG) in C… beteiligt. Die KG wiederum hielt 94,737% des Stammkapitals der D… GmbH (nachfolgend GmbH), einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, deren Aktivvermögen zu mehr als 90 % aus Grundbesitz bestand.
Mit der Einkommensteuererklärung 2017 erklärte der Kläger als gewerbliche Einkünfte in Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Außensteuergesetz in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (AStG) einen fiktiven steuerlichen Veräußerungsgewinn im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der KG i. H. v. 2.700.304 €. Dem lag eine auf der Basis von Sachverständigengutachten durchgeführte Ermittlung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile an der GmbH zugrunde, die den Substanzwert des Betriebsvermögens der GmbH mit 54.266.627 € und den gemeinen Wert des vom Kläger daran mittelbar gehaltenen Anteils auf 5.141.063 € bezifferte. Unter Berücksichtigung von Anschaffungs- und Veräußerungskosten (Gutachten) sowie nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ergab sich der erklärte Betrag.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2017 mit Bescheid vom 29. April 2019 auf 1.267.040 € fest, wobei er den fiktiven gewerblichen Veräußerungsgewinn erklärungsgemäß ansetzte. Der Kläger legte am 7. Mai 2019 Einspruch ein, mit dem er sich zunächst gegen die unterlassene Aufteilung seiner in Kanada aus nichtselbständiger Arbeit erzielten Einkünfte wendete, ehe er den Einspruch am 29. Mai 2019 auch gegen den Ansatz des fiktiven Veräußerungsgewinns im Wege der Wegzugsbesteuerung richtete.
Der Beklagte half dem Einspruch hinsichtlich der Aufteilung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit mit Änderungsbescheid vom 31. Mai 2019 ab, mit dem er die Einkommensteuer auf 1.256.547 € herabsetzte. Den weitergehenden Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 21. April 2020 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG seien vorliegend unstreitig erfüllt. Die gesetzliche Neuregelung beruhe konzeptionell darauf, dass der Bundesrepublik Deutschland das Recht zustehe, den Wertzuwachs steuerverstrickter Anteile an Kapitalgesellschaften bei einem Wegzug des Anteilseigners ins Ausland zu besteuern. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei dies grundsätzlich verfassungsgemäß und auch europarechtskonform. Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Vorschrift komme nicht in Betracht. Insbesondere setze § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht voraus, dass das deutsche Besteuerungsrecht durch den Wegzug tatsächlich ausgeschlossen oder beschränkt werde. Selbst wenn Deutschland im speziellen Fall der Immobilienkapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht wegen Art. 13 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Kanada aus dem Jahr 2001 zukünftig nicht verliere, sei nicht erkennbar, dass der Ersatztatbestand aus § 6 AStG unanwendbar sei, zumal das Finanzamt bei einer Umschichtung des betrieblichen Vermögens davon keine Kenntnis erlange. Der Anwendungsbereich von § 17 EStG werde durch § 6 AStG auf Sachverhalte erstreckt, in denen es nach dem Willen des Gesetzgebers einer vorgelagerten Abrechnung stiller Reserven bedürfe, um das Besteuerungsrecht zu sichern. Dies sei im Hinblick auf Art. 63 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unproblematisch. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gleichfalls nicht. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) fordere nicht die gleiche Behandlung unterschiedlicher Sachverhalte. Der vom Kläger aufgestellte Satz „keine Steuer ohne Liquidität“ sei kein durchgängiges Prinzip des deutschen Steuerrechts. Der Bundesfinanzhof habe die hier gegebene Schlussbesteuerung gebilligt. Zudem eröffne das Gesetz die Möglichkeit der Stundung. Diesen Ausweg habe der Kläger, der einen Stundungsantrag zurückgenommen hatte, nicht gehen wollen.
Der Kläger hat am 18. Mai 2020 Klage erhoben, mit der er die Herabsetzung der bei der Besteuerung berücksichtigten gewerblichen Einkünfte auf 0 erstrebt.
Die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG sei unverhältnismäßig. Zwar seien dessen Tatbestandsvoraussetzungen gegeben, doch führe die Anwendung der Vorschrift zur mehrfachen Besteuerung desselben Steuersubstrats, wenn Wegzugsbesteuerung und Besteuerung von Ausschüttungen zusammenträfen.
Zudem gebe es keinen Grund für die Anwendung der Wegzugsbesteuerung, denn nach dem DBA Kanada bestehe vorliegend unverändert ein unbeschränktes Besteuerungsrecht in Deutschland, falls der Kläger seine Anteile an der KG bzw. die KG die Anteile an der GmbH veräußere. Eine solche Veräußerung der Anteile der KG an der GmbH oder des Anteils des Klägers an der KG sei eine Veräußerung im Sinne von § 17 EStG. Diese unterliege nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 e) aa) EStG in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht. Das Besteuerungsrecht bleibe nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 a) DBA Kanada bei Deutschland, sofern das Vermögen der veräußerten Gesellschaft überwiegend auf Grundbesitz beruhe und der auswärtige Veräußerer allein oder zusammen mit verbundenen Personen zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Das sei hier gegeben, denn weitere Anteile an der KG und damit mittelbar an der GmbH würden vom Vater des Klägers und seinen Halbgeschwistern gehalten. Die deutsche Besteuerung solcher Gewinne sei in Kanada lediglich auf die dortige Steuerlast anzurechnen. Der Beklagte erlange auch Kenntnis vom Besteuerungsanspruch, selbst wenn ein Erklärungspflichtiger seinen Pflichten nicht ausreichend nachkomme. Der Steueranspruch sei aufgrund der abkommensrechtlichen Verfahrensregeln auch durchsetzbar. Insofern sei § 6 AStG systemgerecht und verfassungskonform einschränkend auszulegen und dürfe nur angewendet werden, wenn anderenfalls das deutsche Besteuerungsrecht an Veräußerungsgewinnen ausgeschlossen oder eingeschränkt sei.
Vorliegend komme es durch die Wegzugsbesteuerung zudem zu einer den Kläger unverhältnismäßig belastenden Besteuerung, was gleichfalls eine teleologische Reduktion der Regelung geboten erscheinen lasse. Die Anwendung der Wegzugsbesteuerung führe zu einer signifikanten Einkommensteuermehrbelastung, ohne dass dem Kläger liquide Mittel zuflössen. Das unterscheide den Sachverhalt von einer tatsächlichen Anteilsveräußerung. Zur Begleichung der daraus entstehenden Einkommensteuer bedürfe es notwendig einer Gewinnausschüttung aus der Gesellschaft, die wiederum mehrfach besteuert werde, nämlich zum einen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht im Inland und zum anderen beim Steuerpflichtigen in Kanada. Dort werde lediglich die deutsche Steuer in Höhe der abkommensrechtlichen Quellensteuer angerechnet und sei im Übrigen nur die Erstattung der inländischen Steuer nach § 50d EStG möglich. Insofern unterlägen stille Reserven bei Anwendung der Wegzugsbesteuerung einer Mehrfachbesteuerung. Die Wegzugsbesteuerung führe bei wirtschaftlich identischen Sachverhalten zur Realisation anteiliger stiller Reserven auf Anteilseignerebene und erzeuge eine signifikant höhere Einkommensteuerbelastung, wie eine Beispielrechnung ergebe.
Die Regeln der Wegzugsbesteuerung sähen auch nicht vor, dass für den Fall eines tatsächlichen Transfers der bereits durch die Wegzugsbesteuerung versteuerten stillen Reserven durch eine Ausschüttung eine Reduzierung des ursprünglichen durch die Wegzugsbesteuerung entstandenen Steuerbetrags vorzunehmen sei. Nur bei einem tatsächlichen Anteilsverkauf sei ein dann steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn um den der Wegzugsbesteuerung unterliegenden Vermögenszuwachs zu kürzen. Insofern sei die Anwendung der Wegzugsbesteuerung nach Sinn und Zweck vorliegend nicht sachgerecht.
Das zeige sich auch, wenn man die Besteuerungsfolgen hinsichtlich des zum Zeitpunkt des Wegzugs tatsächlich vorhandenen bilanziellen Eigenkapitals betrachte. Vorliegend seien erzielte Gewinne der Vorjahre in der GmbH thesauriert worden, sodass sich das bilanzielle Eigenkapital durch Entstehen eines Gewinnvortrags oder die Bildung oder Erhöhung von Gewinnrücklagen erhöht habe. Auch hier komme es zu einer übermäßigen Besteuerung. Aufgrund der Wegzugsbesteuerung würden Eigenkapitalbestandteile besteuert, die auf der Ebene der Gesellschaft vorhanden, aber noch nicht auf die Ebene des Gesellschafters transferiert worden seien. Gleichzeitig sähen die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung nicht vor, dass im Falle tatsächlicher Ausschüttungen eine Reduzierung der ursprünglichen Wegzugsbesteuerung vorzunehmen sei. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass auf Ausschüttungen verzichtet werden könne, da diese zur Begleichung der Einkommensteuer erforderlich seien. Die tatsächlichen Besteuerungsfolgen, wenn Ausschüttungen zur Deckung der Steuerlast erforderlich seien, zeigten, dass die Wegzugsbesteuerung schon deshalb unverhältnismäßig sei, weil Ausschüttungen noch nicht einmal i.H.v. 50 % zur Finanzierung der Wegzugsbesteuerung zur Verfügung stünden. Konkret sei hier zudem zunächst der aus Vorjahren herrührende Gewinnvortrag von der GmbH ausgeschüttet worden, der dann mit „neuen“ Gewinnen wieder aufgefüllt worden sei. Insofern komme es in Höhe der deutschen Kapitalertragsteuer von 15 % zu einer Mehrfachbelastung derselben Vermögenssubstanz mit deutscher Einkommensteuer. Die Vermögenssubstanz unterliege zum einen im Zuge der Wegzugsbesteuerung der deutschen Einkommensteuer und dieselbe Vermögenssubstanz unterliege nochmals dem Kapitalertragsteuerabzug.
Die Aufnahme eines Bankdarlehens sei keine Alternative, da auch zu dessen Bedienung Ausschüttungen erforderlich seien. Diese könne der Kläger nicht alleine herbeiführen. Insofern führe die Wegzugsbesteuerung zu einer Zwangslage, in der er auf das Wohlwollen der anderen Anteilseigner angewiesen sei. Diese Probleme würden dadurch verschärft, dass anders als im Falle eines Wegzugs in einen EU-/EWR-Staat eine zinslose Stundung des Steuerbetrags nicht vorgesehen sei. Die vor allem durch die Ausschüttung begründete Mehrbelastung habe sich daher vorliegend verwirklicht. Dies sei dann vermeidbar, wenn die Besteuerung an die tatsächliche Veräußerung oder den tatsächlichen Wegfall des deutschen Besteuerungsrecht anknüpfen würde.
Auch könne das deutsche Besteuerungssubstrat nicht durch Vermögensumschichtung entzogen werden. Eine Entstrickungsbesteuerung sei nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG auch noch nach dem Wegzug des Klägers möglich. Auch sonst sei eine Gefahr durch für die Besteuerung relevante Umschichtungen nicht gegeben. Diese lösten Erklärungspflichten aus. Der Kläger habe seine Pflichten in der Vergangenheit stets erfüllt und es sei nicht anzunehmen, dass sich dies nunmehr ändere. Im Hinblick auf Anzeigeverpflichtungen und Ermittlungsmöglichkeiten aus dem DBA Kanada könne der Beklagte auch künftig Kenntnis von relevanten Änderungen erlangen. Das DBA Kanada enthalte zudem verschiedene weitere Möglichkeiten und könne der Steueranspruch in Kanada im Wege der Amtshilfe durchgesetzt werden. Zudem seien auch die Gesellschaften im Inland erklärungspflichtig.
Die vorliegend in Anwendung von § 6 AStG eintretenden Besteuerungsfolgen seien grundrechtswidrig.
Es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen der Durchbrechung des Realisationsprinzips vor. Zudem habe die Wegzugsbesteuerung Auswirkungen auf die Ausreisefreiheit, die vorliegend unter besonderer Berücksichtigung des Rechts auf freie Religionsausübung auszulegen sei.
Art. 3 Abs. 1 GG fordere die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dies knüpfe am Wertzuwachs an, der nur dann zu besteuern sei, wenn er tatsächlich realisiert werde. Abweichungen davon seien nur dann zulässig, wenn sie dringend notwendig seien, um den Verlust von Besteuerungsmöglichkeiten des deutschen Staates zu verhindern. Eine vorgezogene Besteuerung noch unrealisierter stiller Reserven stelle hohe gleichheitsrechtliche Anforderungen. Vorliegend habe der Kläger unter verschiedenen Aspekten eine erhöhte Steuerlast zu tragen, ohne dass ihm tatsächlich Liquidität zufließe. Darin liege eine Ungleichbehandlung der stillen Reserven. Dies müsse einer eingehenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Eine Rechtfertigung für die signifikant erhöhte Steuerlast gebe es nicht. Ein legitimer Zweck könne allenfalls in der Typisierung und der Vermeidung von Vollzugsdefiziten erblickt werden. Hier fehle es aber an der Erforderlichkeit, weil ein späterer Steuerzugriff möglich bleibe, da der Kläger beschränkt steuerpflichtig bleibe. Es gebe weniger belastende Mittel, die etwa in Mitwirkungspflichten, die speziell auferlegt werden könnten, zu erkennen seien. Auch gebe es entsprechende Ermittlungsmöglichkeiten über das Doppelbesteuerungsabkommen. Im Falle einer finalen Betriebsaufgabe habe der Bundesfinanzhof anerkannt, dass ein vorzeitiger Steuerzugriff unter Durchbrechung des Realisationsprinzips nicht dadurch zu rechtfertigen sei, dass es anderenfalls zu Verwaltungsproblemen kommen könne. Solche könnten durch entsprechende Pflichten abgemildert werden. Faktische Schwierigkeiten begründeten jedenfalls keine Rechtsgrundlage für die Besteuerung stiller Reserven ohne Realisation. Selbst wenn man die Besteuerung insoweit für erforderlich erachten wolle, sei sie jedenfalls im Einzelfall unangemessen.
Darüber hinaus begründe § 6 Abs. 1 AStG einen mittelbaren Eingriff in die Ausreisefreiheit, da Ausreisewillige auch die finanziellen Folgen ihrer Ausreise berücksichtigen müssten. Diese sei hier deshalb besonders schützenswert, weil das vom Kläger verfolgte Ziel die ungehinderte und sichere Ausübung seines jüdischen Glaubens sei, die ihm in Kanada besser möglich sei. Dies verstärke die Schutzwirkung der Ausreisefreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und erhöhe den Rechtfertigungsbedarf.
Überhaupt zeige der Wortlaut von § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG teleologisch auf die Fälle des Fortfalls oder der Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts reduziert werden könne. Danach stünden alle in § 6 Abs. 1 AStG geregelten Tatbestände in engem Zusammenhang mit dem Ausschluss oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Insofern könne dies als ungeschriebene Voraussetzung auch in § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG hineingelesen werden, auch wenn diese Voraussetzung dort nicht explizit erwähnt werde. § 6 AStG sei auch deshalb teleologisch zu reduzieren, weil es sich bei dem Zielstaat Kanada nicht um einen Niedrigsteuerstaat handele und mit diesem Land ein Doppelbesteuerungsabkommen bestehe, das geeignete und ausreichende Auskunftsmöglichkeiten einräume, wenn es später tatsächlich zu einer Veräußerung komme. Art. 13 Abs. 7 b) DBA Kanada solle nur die Doppelbesteuerung aus Wegzugsbesteuerung und kanadischer Besteuerung im Veräußerungsfall vermeiden. Die Vorschrift sei nicht geeignet, die Mehrfachbelastung aus Wegzugsbesteuerung und Besteuerung von Gewinnausschüttungen zu beseitigen. Gerade die durch § 6 AStG erzwungene Ausschüttung führe zur steuerlichen Mehrfachbelastung.
Es treffe auch nicht zu, dass eine Steuerstundung zur Abmilderung der steuerlichen Folgen tauge, da diese in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zinslos gewährt werde und damit zusätzliche wirtschaftliche Belastungen erzeuge. Zudem habe die Reaktion des Beklagten auf den Stundungsantrag erkennen lassen, dass dem Antrag ohnehin kein Erfolg beschieden gewesen wäre, zumal der Kläger nicht über weitere Vermögenswerte oder andere Sicherheiten verfügt habe. Deshalb habe er den Antrag zurückgenommen.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 29. April 2019 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 31. Mai 2019 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2020 dahingehend abzuändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 0 € berücksichtigt und die Einkommensteuer entsprechend auf 54.124 € herabgesetzt wird und
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Voraussetzungen von § 6 AStG lägen vor. Die Vorschrift solle sicherstellen, dass von Steuerinländern angesammelte stille Reserven an Kapitalgesellschaften dem deutschen Fiskus nicht durch eine Wohnsitzverlegung der Gesellschafter verloren gingen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestünden hiergegen weder europa- noch verfassungsrechtliche Bedenken.
Zwar möge es wünschenswert sein, keine Besteuerung ohne Liquidität durchzuführen, doch handele es sich dabei nicht um einen im deutschen Steuerrecht allgemein respektierten Grundsatz. Der Gesetzgeber habe das Konfliktpotenzial zwischen der Sicherung des Zugriffs auf inländisches Steuersubstrat und das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unter anderem durch § 6 Abs. 3-6 AStG entschärft. Insofern habe auch der Bundesfinanzhof gegen die darin liegende Schlussbesteuerung keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert.
Die vom Kläger angeführte Ausreisefreiheit und die von ihm beabsichtigte freie Religionsausübung würden durch die Besteuerung nicht beeinträchtigt. Es bleibe ihm unbenommen auszureisen, wenn auch mit entsprechendem finanziellen Aufwand, der durch eine entsprechende Stundung habe abgemildert werden können.
Einen Berührungspunkt zum DBA Kanada gebe es nicht, denn bei § 6 AStG handele es sich um den letzten Akt der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland, der abkommensrechtlich zulässig sei. Die Wegzugsbesteuerung führe zu einem unilateralen Zugriff auf Wertzuwächse. Nach dem Wortlaut des § 6 AStG sei nicht gefordert, dass das Besteuerungsrecht tatsächlich ausgeschlossen oder beschränkt sei. § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG knüpfe an den Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht und die Aufgabe des Wohnsitzes an und erfasse alle denkbaren Fälle des Wegzugs und der Auswanderung. Die Vorschrift gelte auch dann, wenn der Wohnsitz in einen Nicht-DBA-Staat verlegt werde oder wenn - wie hier - eine Sonderregelung im Doppelbesteuerungsabkommen enthalten sei. Art. 13 Abs. 4 DBA Kanada erhalte dem Quellenstaat an sich das Besteuerungsrecht für die Veräußerung von Anteilen an sogenannten Grundstücksgesellschaften, deren Aktivvermögen zu mehr als 50 % aus Grundvermögen bestehe. Damit habe auch die Besteuerung mittelbar gehaltenen Grundbesitzes ermöglicht werden sollen. Darauf komme es aber nicht an. Die außensteuerrechtliche Vorschrift solle verhindern, dass eine inländische Besteuerung durch einen Wohnsitzwechsel in einen Niedrigsteuerstaat unterlaufen werde. Insofern sei § 6 AStG eine spezielle Entstrickungsvorschrift, die nur an den Statuswechsel anknüpfe und unabhängig vom möglichen Ausscheiden aus der deutschen Besteuerungshoheit aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens sei. Es komme nicht darauf an, wie die Veräußerung künftig im Ansässigkeitsstaat steuerlich behandelt werde. Der Gesetzgeber nehme offensichtlich eine Doppelbesteuerung in Kauf, die letztlich nur durch ein gegebenenfalls einzuleitendes Verständigungsverfahren zu beseitigen sei. Im DBA Kanada werde ein fiktiver Erlös als Anschaffungskosten der Beteiligung behandelt, sodass letztlich nur der Wertzuwachs während der Ansässigkeit im jeweiligen Staat besteuert werde. Soweit § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG in einem Spannungsverhältnis zum Abkommensrecht stehe, habe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten „treaty override“ die argumentative Möglichkeit stark beschränkt, auf diese Weise die Verfassungswidrigkeit einer Norm zu begründen.
Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 6 AStG komme nicht in Betracht. Es gebe keinen Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber, hätte er einen Fall wie den hier vorliegenden erkannt, den Vorgang von der Besteuerung ausgenommen hätte. Tatsächlich erstrecke § 6 AStG die Anwendung von § 17 EStG auf Sachverhalte, in denen es nach dem Willen des Gesetzgebers einer vorgelagerten Abrechnung stiller Reserven bedürfe, um das deutsche Besteuerungsrecht abzusichern. Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift etwa nicht gelten solle, wenn – wie vorliegend – das Besteuerungsrecht aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens erhalten bleibe, gebe es nicht.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Steuerakten des Beklagten (ESt I, Einspruch) genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 29. April 2019 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 31. Mai 2019 ist nicht abzuändern, denn er ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2017 zutreffend Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 2.700.304 € berücksichtigt, denn die Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG i.V.m. § 17 Abs. 1 EStG liegen vor (1.). Die dagegen vom Kläger vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Weder ist der Anwendungsbereich der Vorschrift teleologisch zu reduzieren (2.), noch ist der Senat sonst von der Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Norm überzeugt (3.).
1. Der Beklagte hat zutreffend einen Betrag von 2.700.304 € als Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei der Einkommensteuerveranlagung 2017 berücksichtigt, denn die Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG i.V.m. § 17 Abs. 1 EStG lagen vor.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, auf Anteile i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht § 17 EStG auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1% beteiligt war. Veräußerungsgewinn ist dabei grundsätzlich der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). An Stelle des Veräußerungspreises tritt bei Anwendbarkeit des § 6 AStG der gemeine Wert der Anteile in dem nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG maßgebenden Zeitpunkt (§ 6 Abs. 1 Satz 4 AStG).
Der seit 1993 in C… ansässige Kläger, der über die KG innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Wegverlegung seines Wohnsitzes nach Kanada mehr als 1% der Anteile an der GmbH im Privatvermögen hielt, war mehr als zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig, ehe die unbeschränkte Steuerpflicht letztlich unstreitig durch die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes im April 2017 endete. War demzufolge ein Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch ohne tatsächlich erfolgte Anteilsveräußerung zu versteuern, begegnet der vom Kläger unter Zuhilfenahme von Wertgutachten ermittelte und vom Beklagten der Besteuerung zugrunde gelegte Betrag keinen Bedenken.
2. Der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG ist nicht teleologisch zu reduzieren (so auch FG Köln, Urteil vom 28. März 2019 – 15 K 2159/15 -, EFG 2019, 1361, n. rkr., zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG). Insbesondere kommt es nicht in Betracht, das aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG herrührende Tatbestandsmerkmal des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG hineinzulesen (so aber Möller-Gosoge, in: Haase, AStG/DBA, 3. Aufl., § 6 AStG Rn. 5f.,12, 53ff.; Wilke, in: AStG-eKommentar, Stand: 29. März 2019, § 6 Rn. 35.1).
Schon nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 AStG in der vorliegend anzuwendenden Fassung handelt es sich bei dessen Satz 1, der hier allein von Bedeutung ist, um einen für sich stehenden eigenständigen Tatbestand, der maßgeblich an der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht, nicht aber an dem Ausschluss oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts anknüpft. Die die weitere Aufzählung von Anwendungsfällen der sogenannten Wegzugsbesteuerung in Satz 2 der Vorschrift einleitende Wendung „Der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im Sinne des Satzes 1 stehen gleich“ zeigt denn auch, dass es für den Tatbestand in § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG allein maßgeblich auf die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht ankommt. Auch lässt die Wendung erkennen, dass es sich bei Satz 1 um einen in sich abgeschlossenen Grundtatbestand handelt, der gerade nicht durch einzelne aus den ihm nachfolgend in Satz 2 gleichgestellten Ersatztatbeständen entnommene Merkmale ergänzt werden kann.
Gegen eine teleologische Reduktion spricht weiter, dass der in Abkehr von dem seit Anfang der 1970er Jahre verfolgten Regelungskonzept zentral am Fortbestehen des Besteuerungsrechts anknüpfende Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 16/2710, S. 21, 52) im Zuge der Novelle des Außensteuerrechts im Jahr 2006 gerade nicht Gesetz geworden ist. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, den Grundtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG unverändert am Wegzug des Anteilseigners anzuknüpfen und den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts unter weiteren Voraussetzungen lediglich als zusätzlichen – neuen – Ersatztatbestand einzuführen (BT-Drs. 16/3369, S. 14). Dieser eindeutige und einer teleologischen Reduktion entgegenstehende Wille des Gesetzgebers kommt auch in der Begründung der letzten Novelle des Außensteuerrechts im Zuge des ATAD-Umsetzungsgesetzes 2021 zum Ausdruck, wenn dort die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht als Grundkonzept bezeichnet wird, das beibehalten werden solle (BT-Drs. 19/28652, S. 49).
Mit Blick darauf, dass sich der Gesetzgeber ausweislich der Begründung im Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG - BT-Drs. 16/3369, S. 14) darüber im Klaren war, dass die hier anzuwendende Fassung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG auch dann zu einer – vorgezogenen – Besteuerung würde führen können, wenn das deutsche Besteuerungsrecht in Einzelfällen – etwa aufgrund von einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen – nicht wegfallen würde, fehlt es schon an einer verdeckten Lücke, die eine teleologische Reduktion überhaupt erst ermöglichen würde (im Ergebnis auch Pohl, in: Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Stand: 160. EL Dezember 2021, § 6 AStG Rn. 29).
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter dem Blickwinkel der verfassungskonformen Auslegung, denn eine solche ist nicht geboten. § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG ist – wie nachfolgend gezeigt wird – auch in der hier vorgenommenen wortlautorientierten Auslegung verfassungsgemäß.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG, die zur Aussetzung des Verfahrens und Vorlage der Sache beim Bundesverfassungsgericht zwingen würden (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) bestehen nicht. Die der Besteuerung zugrundeliegende Vorschrift ist ebenso wie deren Anwendung im vorliegenden Einzelfall verfassungsgemäß.
a. Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht zu einem verfassungswidrigen mittelbaren Eingriff in seine durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Ausreisefreiheit (vgl. zur Ausreisefreiheit BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 – 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32, 41f. – „Elfes“).
Die Freiheit der Ausreise aus dem Bundesgebiet umfasst auch die Freiheit, aus der Bundesrepublik auszuwandern, also auf Dauer seinen Wohnsitz und Lebensmittelpunkt außerhalb Deutschlands zu nehmen. Diese Freiheit wird durch § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG weder direkt noch indirekt beschränkt. Dass § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG keinen unmittelbaren Eingriff in die Ausreisefreiheit enthält, folgt schon daraus, dass die Vorschrift zu ihrer Anwendbarkeit gerade die Möglichkeit der Auswanderung voraussetzt, indem sie an die Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland anknüpft.
Die Norm greift aber auch nicht mittelbar in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit ein. Einwirkungen faktischer bzw. mittelbarer Art führen nur dann zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen einem klassischen Eingriff gleichkommen und damit die Eingriffsschwelle überschreiten (BVerfG, Urteil vom 17. März 2004 - 1 BvR 1266/00 -, BVerfGE 110, 177, 191; Beschlüsse vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1, 72; vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279, 300f.). Anders als § 2 AStG, der eine verhaltenslenkende Zielsetzung in Bezug auf die Wohnsitzverlegung verfolgt und damit einen rechtfertigungsbedürftigen zielgerichteten mittelbaren Eingriff in die Ausreisefreiheit beinhaltet (dazu BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200, 244ff.), verfolgt § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG fiskalische Ziele, indem er im Wege der Schlussbesteuerung bestimmte während der Zeit der Ansässigkeit entstandene stille Reserven der Besteuerung unterwirft. Bewirkt die sogenannte Wegzugsbesteuerung demnach keinen zielgerichteten Umfeldeingriff, kann die durch § 6 AStG bewirkte Besteuerung allenfalls zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Ausreisefreiheit führen, indem davon Betroffene angeregt werden darüber nachzudenken, ihren Wohnsitz aus steuerlichen Gründen im Inland beizubehalten und nicht ins Ausland zu verziehen. Eine solche Einwirkung unterfällt als ungezielte, tatsächliche Beeinträchtigung nicht dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1, 72, zum Ehegattennachzug).
Soweit in der Kommentarliteratur weitergehend die Auffassung vertreten wird, § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG greife dann in die Ausreisefreiheit ein und verletze sie, wenn die dadurch bewirkte Besteuerung zu einer faktischen Wegzugssperre führe (Häck, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Stand 99. EL 10.2021, § 6 AStG Rn. 148), kann offen bleiben, ob dem zu folgen sein könnte. Abgesehen davon, dass dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen ist, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG faktisch eine solche generelle Wegzugssperre bewirken könnte, hat der Kläger selbst den Wegzug vollzogen und damit Gebrauch von seinem Grundrecht gemacht. Das lässt es fernliegend erscheinen, ihn als in seinem Grundrecht der Ausreisefreiheit verletzt anzusehen.
Vor diesem Hintergrund bleibt es auch ohne Bedeutung, dass der Kläger geltend macht, er habe seinen Wohnsitz nicht zuletzt auch deshalb verlegt, weil ihm in Kanada eine sicherere Ausübung seiner Religion möglich sei
b. Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG i. V. m. § 17 EStG verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BFH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - I B 108/97 -, BStBl. II 1998, 558; FG Köln, Urteil vom 28. März 2019 - 15 K 2159/15 -, EFG 2019, 1361, n. rkr., zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG).
aa) Ausgehend vom Gebot des Art. 3 Abs. 1 GG, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (statt vieler: Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 -, BStBl II 2015, 622, BVerfGE 139, 1-19, Rn. 38ff. m. w. Nachw.) wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Das gilt für ungleiche Belastungen wie für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen.
Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus (Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 -, BStBl II 2015, 622, BVerfGE 139, 1-19, Rn. 39f. m.w.Nachw.): Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern.
Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und Ausmaß der Abweichung (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 -, BStBl II 2015, 622, BVerfGE 139, 1-19 Rn. 40). Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2019 - 2 BvL 22/14 -, BVerfGE 152, 274-331, Rn. 101).
bb) Dies zugrunde gelegt, ist die durch § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG bewirkte einkommensteuerliche Ungleichbehandlung von „Wegzugsfällen“ wie dem des Klägers gegenüber solchen „Umzugsfällen“, in denen die unbeschränkte Steuerpflicht fortbesteht, entgegen der Auffassung des Klägers nicht an einem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen.
Abgesehen davon, dass schon zweifelhaft ist, ob es sich bei der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts und einem Umzug bzw. Verbleib im Inland tatsächlich um wesentlich gleiche Sachverhalte handelt, lockert der Wegziehende damit doch auch die steuerlichen Bindungen zum Inland, beruht die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Wegzug auf freier Entscheidung des Steuerpflichtigen. Die daran vom Gesetzgeber geknüpfte Steuerfolge entfaltet nach den vorstehenden Ausführungen zur Ausreisefreiheit auch weder freiheitseinschränkende Wirkung noch weist sie eine Nähe zu den Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 GG auf. Dass die durch die Wegzugsbesteuerung ausgelöste Steuerlast beträchtlich sein kann, steht dem nicht entgegen.
(1) Zwischen der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts und deren Fortbestehen bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung von im Privatvermögen gehaltenen mittelbaren oder unmittelbaren Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG rechtfertigen können. Durch § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG wird die Aufdeckung der in einer solchen Beteiligung enthaltenen stillen Reserven auf den Zeitpunkt des Wegzugs dem Anteilsverkauf gleichgestellt. Das Gesetz führt damit zu einem Vorziehen der inländischen Besteuerung auf den Moment des Wegzugs (BFH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - I B 108/97 -, BStBl. II 1998, 558). Dies geschieht, um die während der Dauer der Ansässigkeit im Inland entstandenen stillen Reserven hier einer Besteuerung unterwerfen zu können (Strunk/Kaminski, in: Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Stand: 60. EL 01.2020, § 6 AStG Rn. 32), was anderenfalls im Hinblick auf die regelmäßige abkommensrechtliche Situation, die das Besteuerungsrecht dem (neuen) Ansässigkeitsstaat zuweist (vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), aber auch in Fällen, in denen das deutsche Besteuerungsrecht nach verschiedenen DBA bestehen bleibt, erschwert oder gar gänzlich ausgeschlossen sein kann. Ob ein anderer konzeptioneller Ansatz des Gesetzes möglicherweise als „besser“ zu bewerten sein könnte, spielt vorliegend keine Rolle, denn die vom Gesetzgeber gewählte Differenzierung ist nicht willkürlich. Insbesondere geht das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept damit noch von einem Gesamtbild aus, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte grundsätzlich zutreffend wiedergibt. Dass im – vorliegenden – Einzelfall aufgrund einer besonderen Gestaltung des anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens das deutsche Besteuerungsrecht trotz des Wegzugs erhalten bleibt, durfte im Rahmen der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers vernachlässigt werden, der sich am Regelfall orientieren darf und nicht gehalten ist, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2019 - 2 BvL 22/14 -, BVerfGE 152, 274-331, Rn. 102). Dies mag sich zukünftig wandeln, wenn die in Art. 13 Abs. 4 OECD-MA vorgesehene Verteilung des Besteuerungsrechts zum Regelfall in den von der Bundesrepublik abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen wird.
(2) Die Anknüpfung an der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht verletzt auch nicht das im Hinblick auf den Grundsatz der Belastungsgleichheit zu wahrende Leistungsfähigkeitsprinzip. Zwar trifft zu, dass der Wegzugsbesteuerung kein Liquiditätszufluss gegenübersteht, weil der Besteuerung des Wertzuwachses kein Realisationssachverhalt zugrunde liegt, sodass die Steuer aus anderem Vermögen aufgebracht werden muss. Dies verletzt jedoch nicht den Grundsatz der Belastungsgleichheit. Zum einen ist in den Fällen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 e) EStG grundsätzlich eine Besteuerung vorgesehen, die durch § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG nur zeitlich vorgezogen wird (vgl. BFH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - I B 108/97 -, BStBl II 1998, 558). Zum anderen gibt es auch sonst keinen allgemeinen Grundsatz der Besteuerung nach Liquidität, knüpft doch die Ertragsbesteuerung nicht stets am Zufluss liquider Mittel an. Zudem hat der Gesetzgeber durch die flankierenden Regelungen in § 6 Abs. 3-6 AStG Möglichkeiten geschaffen, die Folgen der Besteuerung abzumildern (Strunk/Kaminski, in: Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Stand: 60. EL 01.2020, § 6 AStG Rn. 2f.).
(3) Anderes ergibt sich auch nicht, soweit der Kläger geltend macht, durch die Wegzugsbesteuerung könne es in bestimmten – im hier zu beurteilenden Einzelfall seinem Vortrag zufolge auch gegebenen – Konstellationen, in denen zur Deckung der durch den Wegzug ausgelösten Steuerlast eine Ausschüttung von in Vorjahren entstandenen Gewinnrücklagen erforderlich sei, zu einer Doppelbesteuerung kommen.
Tatsächlich kann es in Fällen, in denen es nach der Besteuerung im Zusammenhang mit dem Wegzug zu einer Ausschüttung von bereits vor dem Wegzug angesammelten Gewinnrücklagen kommt, in Höhe von bis zu 15% zu einer nochmaligen Besteuerung kommen (vgl. Art. 10 Abs. 2 OECD-MA). Allerdings kann nicht übersehen werden, dass diese Konstellation nicht der gesetzliche Regelfall ist und durch Gestaltung im Einzelfall abgemildert oder sogar vermieden werden kann. Abgesehen von den Fällen, in denen eine Ausschüttung unterbleibt und die Steuerlast aus anderen Vermögenswerten oder über ein Darlehen getragen wird, kann in den Drittstaatsfällen auch die gesetzlich vorgesehene Stundungsmöglichkeit (§ 6 Abs. 4 AStG) zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung beitragen. Wird nämlich die Zahlung des Steuerbetrags über einen Zeitraum von fünf Jahren gestreckt, kann dies dazu führen, dass es zur Erfüllung der Steuerschuld nur der Ausschüttung laufender Gewinne bedarf und eine doppelte Besteuerung auf diese Weise vermieden werden kann.
Auch vorliegend musste es nicht zu einer solchen doppelten Besteuerung desselben Steuersubstrats kommen. Die Ertragslage der GmbH im Streitjahr und den Jahren danach – die GmbH wies nach ihren Bilanzen folgende Gewinne aus: 2017 2.065.702,88 €, 2018 4.105.757,87 €, 2019 15.875.823,16 €, 2020 10.886.295,20 € - hätte es grundsätzlich in Kombination mit der Stundungsmöglichkeit zugelassen, die auf § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG beruhende Steuer aus laufenden Gewinnen zu decken. Dass nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung stattdessen zunächst der bereits in der Vergangenheit thesaurierte Gewinn - rund 17,5 Mio € - ausgeschüttet worden sein soll und der Kläger auch von der Stundungsmöglichkeit keinen Gebrauch hat machen wollen, er vielmehr einen entsprechenden Antrag zurückgenommen hat, begründet die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung im vorliegenden Einzelfall jedenfalls nicht. Das gilt umso mehr, als die Ausschüttungen ohnehin, selbst wenn sie in Deutschland von der Besteuerung freigestellt wären, was der Kläger für geboten erachtet, im Ansässigkeitsstaat besteuert werden würden.
Seine weitere Erwägung, jedenfalls die im vorliegenden Fall eintretende effektive Ausschüttungsbelastung sei unverhältnismäßig, weil eine Musterberechnung belege, dass nicht einmal 50% einer Ausschüttung zur Finanzierung der Wegzugsbesteuerung zur Verfügung stehe, übergeht, dass die Höhe der auf der Ausschüttung lastenden Steuer insgesamt maßgeblich durch die kanadische, nicht aber die deutsche Besteuerung verursacht wird, die nach Angaben des Klägers 53,53% beträgt und auf die die deutsche Kapitalertragsteuer in Höhe von 15% angerechnet wird, während der restliche in Deutschland abgeführte Steuerbetrag nach § 50d Abs. 1 EStG erstattet werden kann. Im Übrigen kommt es darauf aber auch nicht entscheidend an, denn dies betrifft eine erst im Ausschüttungsjahr relevante Frage, die nicht im Streitjahr zu beantworten ist.
Soweit es nach dem Wegzug tatsächlich zu einer Veräußerung der Beteiligung kommt, hat der Gesetzgeber – was der Kläger nicht in Abrede stellt – hinreichende Vorkehrungen zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung getroffen. Bleibt es, wie hier, bei einer inländischen Besteuerung, ist der nach § 17 EStG anzusetzende Veräußerungsgewinn nach § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG um den bereits nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG besteuerten Vermögenszuwachs zu kürzen. Greift hingegen das ausländische Besteuerungsrecht, kann die Doppelbesteuerung bilateral beseitigt werden (BFH, Beschluss vom 23. September 2008 - I B 92/08 -, BStBl II 2009, 524), wie es etwa in Art. 13 Abs. 7 b) DBA Kanada vorgesehen ist. Danach kann der Betroffene verlangen so behandelt zu werden, als habe er Vermögen unmittelbar, bevor er in diesem Staat ansässig wurde, zu einem dem gemeinen Marktwert in diesem Zeitpunkt entsprechenden Gegenwert verkauft und wiedergekauft. Sollte es abgelöst von dem hier zu entscheidenden Fall allgemein dennoch zu einer Doppelbesteuerung kommen, kann dem notfalls durch ein Verständigungsverfahren abgeholfen werden und wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Beschluss vom 23. September 2008 – I B 92/08 -, BStBl II 2009, 524) jedenfalls Sache des Zuzugsstaats, eine drohende Doppelbesteuerung mittels Anrechnung der im Wegzugsstaat erhobenen Wegzugssteuer zu vermeiden.
(4) Der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass im vorliegenden Einzelfall aufgrund des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 a) DBA Kanada das deutsche Besteuerungsrecht erhalten bleiben würde, denn die allgemeine Grundannahme des Gesetzgebers, dass das deutsche Besteuerungsrecht durch den Wegzug erschwert oder gar gänzlich ausgeschlossen sein kann, wird dadurch nicht erkennbar sachwidrig. So sind etwa Konstellationen vorstellbar, die trotz des zunächst fortbestehenden deutschen Besteuerungsrechts etwa durch Vermögensumschichtung dazu führen können, dass das deutsche Besteuerungsrecht nachträglich entfällt (Beispiel etwa bei W. Wassermayer, in: Wassermayer, DBA, Stand: 156. EL 01.2022, Art. 13 DBA Kanada Rn. 97). Derartigen Fallkonstellationen kann auch nicht durch Auskunfts- oder Erklärungspflichten begegnet werden, die insoweit teilweise schon nicht bestehen. Auch findet § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG im Einzelfall hier keine Anwendung (FG Köln, Urteil vom 28. März 2019 - 15 K 2159/15 -, EFG 2019, 1361, n. rkr., zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG; insoweit zustimmend Wilke, in: AStG-eKommentar, Stand: 29. März 2019, § 6 Rn. 35.1 a.E.). Insofern erfasst der Gesetzgeber die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Soweit es dabei durch die Ausgestaltung der Belastungsentscheidung zu Härten kommen kann, hält sich dies innerhalb des ihm eröffneten Spielraums für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen und verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Im Übrigen bleibt unter Umständen die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO eröffnet, die hier jedoch nicht begehrt worden ist.
c. Die vom Kläger weiter herangezogene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 26. Februar 2019 - C-581/17 -, „Wächtler“, juris) führt für den vorliegend zu entscheidenden Rechtsstreit zu keinem anderen Ergebnis.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs betrifft die Auslegung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit aus dem Jahr 1999. Sie geht im Zusammenhang mit der Wegzugsbesteuerung der Frage nach, ob diese in ihrer konkreten Ausgestaltung mit der vertraglich eingeräumten Freizügigkeit und dem Niederlassungsrecht vereinbar ist. Die Frage, ob außensteuerliche Regeln im Falle eines Wegzugs in einen Drittstaat mit höherrangigem nationalen Recht vereinbar sind, wird dadurch ersichtlich nicht betroffen.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO unterbleibt, denn der Kläger unterliegt.