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Entscheidung 2 U 1/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 17.05.2022
Aktenzeichen 2 U 1/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0517.2U1.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 1. Dezember 2021 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Aktenzeichen: 4 O 364/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das genannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 265.639,64 €.

Gründe

1.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung wird - auch hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen sowie der in zweiter Instanz von den Parteien angekündigten Anträge - auf die Hinweise des Senats im Beschluss vom 22. März 2022 Bezug genommen. Hieran hält er auch mit Blick auf die Ausführungen in der Gegenerklärung des Beklagten vom 4. Mai 2022 fest.

a)

Das angegriffene Urteil ist nicht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO ergangen. Der Beklagte berücksichtigt auch in seiner Gegenerklärung nicht hinreichend die Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 4. November 2021. In diesem wurde ausführlich die Frage der Rechtswidrigkeit der Grundstücksverkehrsgenehmigung erörtert. Es widerspräche dem Gebot der interessengerechten Auslegung von Prozesserklärungen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2003 – VIII ZB 94/03, NJW 2004, 850) anzunehmen, die Kläger hätten bei der im Anschluss an das Rechtsgespräch erfolgten Antragstellung ihrer Klage nicht wenigstens hilfsweise auch den ihnen günstigen Gesichtspunkt zu Grunde gelegt, den das entscheidende Gericht zuvor als maßgeblich und gegeben bezeichnet hat.

b)

Die Mitarbeiter des Beklagten verletzten eine den Klägern gegenüber bestehende Amtspflicht, als sie am 22. November 1991 die Grundstücksverkehrsgenehmigung für das restitutionsbefangene Grundstück erteilten. Die Anmeldung von Restitutionsansprüchen durch die Kläger erfolgte rechtzeitig und war hinreichend konkret. Insbesondere erlaubten ihre Angaben zum herausverlangten Vermögensgegenstand ‒ Grundvermögen in F… im Umfang von insgesamt etwa 6.000 m², eingetragen bis 1939 für namentlich benannte Voreigentümer ̶ der Behörde weitere Ermittlungen, die zu den Restitutionsgrundstücken hinführten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die einzelnen Flurstücke keinen Grundstücksverbund bildeten. Hieran hält der Senat auch mit Blick auf die Gegenerklärung des Beklagten fest. Die Anmeldung ist deutlich konkreter als eine, die lediglich „diverse Bücher“ anführt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2019 – 8 C 13/18 –, BVerwGE 167, 110) oder sich nur auf unbestimmte „Mietshäuser in Ostberlin“ bezieht und allein die vormalige Hausverwalterin benennt (vgl. VG Berlin, Urteil vom 18. Juli 2002 – 31 A 45.02; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 11. November 2002 – 7 B 129/02 –, RÜ BARoV 2003, Nr 4, 19).

c)

Die Bediensteten des Beklagten handelten wenigstens fahrlässig. Ihr Verschulden wird nicht dadurch relativiert, dass die Kläger ihre Angaben gegenüber dem Beklagten im Laufe des Restitutionsverfahrens korrigierten. Das geschah erst nach Erlass der maßgeblichen Grundstücksverkehrsgenehmigung und ausweislich des von dem Beklagten angeführten klägerischen Schreibens vom 17. August 1996 gerade mit Blick auf diese und den mit ihr ermöglichten gutgläubigen Erwerb.

d)

Der den Klägern entstandene Schaden besteht in dem Verlust der Restitutionsmöglichkeit unter Verweis auf die Erlösauskehr. Wirtschaftlich ist dies die Differenz zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erlasses der Grundstücksverkehrsgenehmigung und dem Anspruch auf Erlösauskehr, soweit er zu realisieren war bzw. ist. Das Landgericht hat zum einen den Wert des den Klägern verbliebenen Anspruchs auf Erlösauskehr richtigerweise wirtschaftlich mit Null bemessen, da er aufgrund der zwischenzeitlichen Insolvenz der Verfügungsberechtigten faktisch auf unabsehbare Zeit nicht zu realisieren ist. Ebenso zutreffend hat es den Verkehrswert des Grundstücks zum maßgeblichen Zeitpunkt mit dem durch die Veräußerin erlösten Betrag bemessen. Die freie Aushandlung des Kaufpreises für das Grundstück zwischen der Verfügungsberechtigten und der Veräußerin lässt vermuten, dass beide den objektiven Marktwert des Grundstücks zum Veräußerungszeitpunkt zugrunde legten. Gründe, hiervon abzuweichen, führt weder die Gegenerklärung an noch sind solche ersichtlich.

e)

Den Klägern fällt nicht die schuldhafte Versäumung eines den Schaden ausschließenden Rechtsmittels zur Last, § 839 Abs. 3 BGB. Für die Kläger bestand keine zumutbare Möglichkeit, die mit der Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung angelegte Schädigung abzuwenden. Die Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung ermöglichte die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch auf die gutgläubige Erwerberin und führte damit bereits im Juni 1992 zum Verlust des Restitutionsanspruchs. Zwar hätten die Kläger die ihnen nie zugestellte Genehmigung mit Widerspruch und nötigenfalls Klage angreifen können. Das hätte aber nicht mit der notwendigen Sicherheit ihren Schaden verhindert. Die Aufhebung der Grundstücksverkehrsgenehmigung hätte nach § 7 Abs. 2 GVO die Rückabwicklung der Grundstücksveräußerung an die Erwerberin mit der Folge erlaubt, dass die Verfügungsberechtigte ihnen das Eigentum wieder hätte verschaffen können bzw. die Behörde dies nach § 7 Abs. 3 GVO hätte anordnen können. Das aber hätte erst nach der rechtskräftigen Feststellung der Restitutionsberechtigung der Kläger im Jahr 2018 und damit zu einem Zeitpunkt erfolgen können, zu dem die Verfügungsberechtigte bereits vermögenslos war. In diesem Moment aber hätte die Erwerberin dem Anspruch der Restitutionsberechtigten auf Rückübereignung ihre Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises entgegenhalten können. In gleicher Weise hätte sie dies nach §§ 412, 404 BGB den Klägern entgegenhalten können:

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 GVO ist, wird die Aufhebung der Grundstücksverkehrsgenehmigung bestandskräftig, der Erwerber verpflichtet, dem Verfügungsberechtigten das Grundstück, soweit es ihm noch gehört, in dem Zustand zurückzuübereignen, in dem es sich in dem genannten Zeitpunkt befindet. Der Verfügungsberechtigte ist vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen der Parteien verpflichtet, dem Erwerber den ihm aus der Erfüllung der Verpflichtung zur Rückübertragung entstandenen Schaden zu ersetzen, es sei denn, der Erwerber durfte aufgrund der Umstände der Erteilung der Genehmigung nicht auf deren Bestand vertrauen. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 GVO kann das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen das Eigentum an dem Grundstück bzw. den Anspruch auf Rückübertragung auf den Berechtigten übertragen. Das Gesetz verlangt damit zunächst die zivilrechtliche Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts, an die die dann wieder mögliche Restitution anknüpft. Demgemäß lebt der durch die genehmigte Veräußerung des Grundstücks untergegangene Restitutionsanspruch des Berechtigten nach Aufhebung der Genehmigung erst dann wieder auf, wenn der Verfügungsberechtigte das Eigentum vom Erwerber zurückerlangt hat. Bis dahin kann nur der Rückübertragungsanspruch übertragen werden. Die dergestalt vorgeschriebene zivilrechtliche Rückabwicklung stellt sicher, dass die gegenseitigen Ansprüche von Erwerber und Verfügungsberechtigtem Zug um Zug erfüllt werden, mit anderen Worten: Der Erwerber kann die Rückübereignung des Grundstücks davon abhängig machen, dass etwaige Schadensersatzansprüche nach § 7 Abs. 2 Satz 2 GVO erfüllt werden. Dies kann er bei der vermögensrechtlichen Übertragung des Rückübereignungsanspruchs von dem Verfügungsberechtigten auf den Berechtigten nach § 404 BGB auch gegenüber dem Berechtigten geltend machen (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 – 7 C 17/04 –, RÜ BARoV 2006, Nr 1, 25, Rdnr. 12 ff bei juris). Zu den dabei zu berücksichtigenden Schadenspositionen der Erwerberin gehört als Mindestschaden der von ihr gezahlte Kaufpreis (Senat, Urteil vom 28. Januar 2021 – 2 U 121/19 –, Rdnr. 52 bei juris; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – III ZR 29/21 –). Dem könnte die Verfügungsberechtigte – deren Sphäre letztlich zuzuordnen ist, dass sie die von ihr eingegangene vertragliche Verpflichtung mangels Genehmigungsfähigkeit nicht erfüllen kann (vgl. BT-Drs. 12/2480 S. 61 f) – nicht ihre zwischenzeitliche Vermögenslosigkeit als „Entreicherung“ entgegenhalten. Der vom Beklagten angeführte Hinweis des Senats auf die Rückabwicklung des Verkaufs „faktisch nach Bereicherungsrecht“ (Senat, Urteil vom 2. September 2014 – 2 U 39/13 –, ZOV 2014, 256, Rdnr. 53 bei juris) bezog sich allein auf das Grundstück. Dieses ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 GVO in dem rechtlichen und tatsächlichen Zustand zurück zu übereignen, in dem es sich in dem maßgeblichen Zeitpunkt befindet. Hat der Erwerber es umgestaltet oder gar real oder ideell geteilt und teils weiterveräußert, beschränkt sich die Rückübertragungsverpflichtung auf den verbliebenen Teil bzw. Zustand (vgl. BT-Drs. 12/2480 S. 62).

f)

Den Klägern fällt auch nicht zur Last, dass sie im August 2010 ihre Verpflichtungsklage auf Erteilung eines für sie günstigen Restitutionsbescheides zurückgenommen haben. Hierin liegt keine den Schadenseintritt begünstigende und damit nach § 254 BGB als Mitverschulden zu berücksichtigende zögerliche Verfolgung ihrer Ansprüche. Den Klägern war in diesem Moment prozessual keine weitere Handhabe gegeben, die eine raschere Befriedigung ihres Restitutionsbegehrens ermöglicht hätte.

Eine solche führt der Beklagte auch mit seiner Gegenerklärung nicht an. Er beschränkt sich weiterhin auf Vermutungen zur möglicherweise rascher zu erlangenden Feststellung der Restitutionsberechtigung der Kläger. Das genügt nicht zur Erfüllung der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – III ZR 45/19, NVwZ-RR 2021, 483, Rdnr. 26). Nicht überzeugend ist auch die Annahme des Beklagten, die Verfügungsberechtigte hätte nach einem zusprechenden Verpflichtungsurteil den hierauf ergangenen Bescheid wegen offenbarer Aussichtslosigkeit nicht mehr angegriffen. Denn sie hat auch nach der eindeutigen Positionierung der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam im Termin vom 12. August 2010 den diese Rechtsauffassung umsetzenden Bescheid des Bundesamtes vom 28. September 2015 tatsächlich angegriffen und so das klagabweisende Urteil vom 28. Februar 2018 erwirkt.

g)

Der klägerische Anspruch ist nicht verjährt. Er entstand erst mit der bestandskräftigen Feststellung der Restitutionsberechtigung der Kläger. Die Kläger durften daher die Bestandskraft der Entscheidung über ihren Restitutionsantrag abwarten (vgl. Senat, Urteil vom 14. August 2018 – 2 U 13/17 –, Rdnr. 43 bei juris; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2019 – III ZR 206/18) und damit hier die verwaltungsgerichtliche Entscheidung über den Bescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 28. September 2015. Diese erfolgte im Februar 2018, so dass die im Jahr 2020 und damit in unverjährter Zeit zugestellte Klage die Verjährung hemmen konnte, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Hieran ändert sich entgegen der Auffassung des Beklagten nichts, wenn man nicht auf die ursprüngliche Klageerhebung, sondern wie oben angesprochen auf die Antragstellung am 4. November 2021 abstellt. Auch diese erfolgte in unverjährter Zeit angesichts des Umstandes, dass der Anspruch der Kläger erst im Jahr 2018 entstand. Schon deshalb geht der Hinweis des Beklagten auf das bis zum 31. Dezember 2001 geltende Verjährungsregime und die Übergangsregelung des Art. 229 § 6 EGBGB fehl. Noch weniger kann es in diesem Zusammenhang auf die vor dem Entstehen des Schadensersatzanspruchs erfolgte Klagerücknahme vor dem Verwaltungsgericht betreffend einen ganz anderen Streitgegenstand ankommen.

h)

Das Landgericht hat schließlich zutreffend den Annahmeverzug des Beklagten hinsichtlich der ihm angebotenen Zug-um-Zug-Leistung festgestellt. In der näheren Bezeichnung der Zug um Zug abzutretenden Ersatzansprüche der Kläger gegen die Verfügungsberechtigte im Tenor zu 1 gegenüber dem Klageantrag liegt keine Erweiterung der Gegenleistung. Vielmehr präzisiert die von dem Landgericht im Wege der zulässigen und gebotenen Auslegung des Klageantrages zu 1. gefundene Formulierung lediglich die Ansprüche und damit die Gegenleistung, die die Kläger dem Beklagten bereits mit der Klageerhebung angeboten hatten.

2.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben. Die vom Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, sodass die vorliegende Sache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und eine Entscheidung des Senats weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch aus sonstigen Gründen nicht geboten.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt den §§ 43, 47 und 48 GKG.