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Entscheidung 7 TaBV 970/21


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Beschwerdekammer Entscheidungsdatum 29.03.2022
Aktenzeichen 7 TaBV 970/21 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0329.7TABV970.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1 MiLoG, § 3 MiLoG, § 87 BetrVG

Leitsatz

Ein Spruch der Einigungsstelle, mit dem die Fälligkeit einer Sonderzahlung auf 2 Zeitpunkte festgelegt wird, überschreitet die Regelungskompetenz der Einigungsstelle auch dann nicht, wenn dadurch der Arbeitgeberin in Einzelfällen verwehrt ist, sich auf die Erfüllung des Mindestlohns zu berufen (Beschluss des LAG Sachsen vom 27.07.2016 - 8 TaBV 1/16).

Tenor

I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus

vom 16. Juni 2021 – 4 BV 3/20 - wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird für die Arbeitgeberin zugelassen.

Gründe

1. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zum Auszahlungszeitpunkt einer Sonderzahlung.

Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt einen Betrieb zur Herstellung dekorativer Schichtstoffplatten in S.. Dort beschäftigt sie ca. 130 Arbeitnehmer einschließlich der Leiharbeitnehmer. Sie ist nicht tarifgebunden. Der Beteiligte zu 2) ist der für den Betrieb S. gewählte Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat).

Die Arbeitgeberin zahlte bis zum 31. 12. 2014 an die bei ihr Beschäftigten auf arbeitsvertraglicher Grundlage ein Urlaubsgeld in Höhe von 50% des Urlaubsentgelts in dem dem Urlaub folgenden Monat, an die Angestellten in 2 gleichen Teilen mit den Gehaltsabrechnungen für Juni und September des Jahres. Außerdem zahlte sie mit der Lohnabrechnung für November des jeweiligen Jahres ein weiteres halbes Gehalt als „Weihnachtsgratifikation“. Die bis zum diesem Datum verwendeten Arbeitsverträge sehen ein Urlaubsgeld nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten in Höhe von 50 % des Urlaubsentgelts vor, das bei Kündigung seitens des Arbeitnehmers oder begründeter fristloser Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers innerhalb des ersten Jahres der Betriebszugehörigkeit zurückzuzahlen ist (Anlage 2 zum Arbeitsvertrag). Außerdem ist dort die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe von ebenfalls 50% des durchschnittlichen Monatsverdienstes aus Januar bis September eines Jahres geregelt, die mit der Lohnzahlung November fällig wird und auf die bei einer unterjährigen Beschäftigungszeit am 1.12. eines Jahres nur ein anteiliger, bei einer Beschäftigung von weniger als 4 Monaten zum Stichtag kein Anspruch bestand. Bei Ausscheiden innerhalb von 4 Monaten nach Zahlung aufgrund verhaltensbedingter Kündigung oder arbeitnehmerseitiger Kündigung sollte die Gratifikation zurückgezahlt werden. Für die Einzelheiten dieser vertraglichen Regelungen wird auf Bl. 17 und 18 d.A. Bezug genommen.

Zum 1. Januar 2015 änderte die Arbeitgeberin die von ihr verwendeten Arbeitsverträge u.a. hinsichtlich des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes. In § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages heißt es nunmehr:

„Weiter erhält der Arbeitnehmer ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemäß Anlage 2 dieses Arbeitsvertrags. Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden dabei als rein leistungsbezogene Vergütungsbestandteile geleistet und sind daher auf den gesetzlichen Mindestlohn gemäß § 1 Abs. 2 MiLoG anrechenbar.“

In der Anlage 2 zu diesen neuen Arbeitsverträgen heißt es dazu:

2. Zusätzliches Urlaubsgeld

Urlaubsgeld wird in Höhe von 50% des Urlaubsentgeltes gewährt.

Der Arbeitgeber behält sich die anteilige Auszahlung monatlich zu je 1/12 vor.

4. Weihnachtsgratifikation

Eine Weihnachtsgratifikation wird in Höhe von 50% gewährt.

Der Betrag ermittelt sich aus dem durchschnittlichen Verdienst (ohne Einmalbezüge) der Monate Januar bis September eines Jahres.

Der Arbeitgeber behält sich die anteilige Auszahlung monatlich zu je 1/12 vor.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 29 und 30 d.A. Bezug genommen.

Seit dem 1. Januar 2015 zahlt die Arbeitgeberin an alle Arbeitnehmer Urlaubs- und Weihnachtsgeld monatlich anteilig aus. Den Betriebsrat beteiligte sie an der Änderung der Auszahlungszeitpunkte nicht.

Nachdem dieser daraufhin sein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht hat, einigten sich die Betriebsparteien auf die Bildung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Regelung zur Auszahlung Arbeitsentgelt“ die mit Spruch vom 6. Oktober 2017 die Auszahlung des Urlaubsgeldes und der Weihnachtsgratifikation entsprechend der bis zum 31. 12. 2014 ausgeübten Praxis beschloss. Nach Anfechtung des Spruchs seitens der Arbeitgeberin schlossen die Beteiligten einen Vergleich über die Errichtung einer weiteren Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Entgeltordnung und Auszahlung Arbeitsentgelt, § 87 Abs. 1 Nr. 4 und 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)“. Diese endete mit Spruch „Auszahlung Arbeitsentgelt“ vom 27. Januar 2020. Dieser Spruch enthält unter § 4 Abs. 3 eine Regelung zur Auszahlung des Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeldes, die der bis zum 31.Dezember 2014 praktizierten Handhabung entsprach, also die Auszahlung in „Einmalbeträgen“. Eine Vereinbarung über die Entgeltordnung kam nicht zustande. Für die Einzelheiten des Spruchs wird auf Bl. 14 bis 16 d.A. sowie Bl. 80 – 83 d.A. Bezug genommen. Der Spruch ging der Arbeitgeberin am 27. Januar 2020 zu.

Die Arbeitgeberin macht mit dem beim Arbeitsgericht Cottbus am 3. Februar 2020 eingegangenen Antrag die Unwirksamkeit dieses Spruchs geltend, mit der Begründung, er greife in ihr alleiniges Entscheidungsrecht über die Höhe der Lohnzahlung ein. Denn mit der Fälligkeitsregelung werde ihr die Möglichkeit genommen, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf Mindestlohnansprüche anzurechnen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 16. Juni 2021 den Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Einigungsstellenspruch vom 27.01.2020 wahre die Grenzen des Mitbestimmungsrechts und die Einigungsstelle habe das ihr eingeräumte Ermessen nicht überschritten.

Die Einigungsstelle sei gemäß § 87 Abs. 1 Nr. BetrVG für die Regelung der Fälligkeit von Urlaubs- und Weihnachtsgeld zuständig gewesen. Dabei verstoße der Spruch nicht gegen höherrangiges Recht. In das Bestimmungsrecht der Arbeitgeberin zur Lohnhöhe werde nicht eingegriffen. Unabhängig von der Fälligkeitsregelung erfülle das Urlaubs- und Weihnachtsgeld schon deshalb nicht Ansprüche auf den Mindestlohn, weil es nicht als Gegenleistung für geleistete Arbeit ausgestaltet sei. Jedenfalls aber beruhe die Folge der Nichtanrechenbarkeit auf Mindestlohnansprüche nicht auf dem Spruch, sondern auf den Regelungen des Mindestlohngesetzes. Damit ergebe sich eine eventuelle Erhöhung des Lohns der Arbeitnehmer allein aus den Regelungen des Mindestlohngesetzes. Die fehlende Anrechenbarkeit der Zahlung auf den Mindestlohnanspruch und die daraus resultierende Lohnerhöhung sei nur eine indirekte Folge des Spruchs. Der Spruch der Einigungsstelle sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Er sei nicht sachfremd und trage dem Charakter der Zahlung, wie sie seit vielen Jahren vorgenommen worden sei, Rechnung. Er verstoße auch nicht gegen vertragliche Regelungen. Die getroffene Fälligkeitsregelung sei günstiger. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 13. Juli 2021 zugestellten Beschluss richtet sich ihre Beschwerde, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 14. Juli 2021 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 15. November 2021 – am 15. November 2021 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Arbeitgeberin vertritt auch in der Beschwerdeinstanz die Auffassung, der Spruch der Einigungsstelle sei unwirksam. Er greife zunächst schon in die arbeitsvertraglich geregelten Fälligkeitszeitpunkte ein und verschiebe die Fälligkeit des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes unter Verstoß gegen individualvertragliche Absprachen nach hinten. Insofern bringe sie die Arbeitgeberin in die missliche Lage, entweder die Arbeitsverträge nicht erfüllen zu können oder aber gegen die Betriebsvereinbarung zu verstoßen. Der Hinweis des Arbeitsgerichts Cottbus auf das „Günstigkeitsprinzip“ gehe fehl, denn die betroffenen Beschäftigten verlören die monatliche Liquidität. Jedenfalls aber verstoße der Spruch der Einigungsstelle gegen verfassungsrechtliche Vorgaben. Denn er greife zumindest mittelbar in unzulässiger Weise in die lohnpolitische Entscheidung über die Lohn- und Gehaltshöhe ein, die allein ihr als Arbeitgeberin obliege. Im Ergebnis handele es sich bei dem Spruch der Einigungsstelle um eine „Lohnerhöhung durch die Hintertür“ für die betroffenen Mitarbeiter. Der Spruch der Einigungsstelle habe auch tatsächliche Auswirkungen in ihrem Betrieb, da bisher zumindest bei einem Mitarbeiter ohne die Anrechenbarkeit der Sonderzahlung der Mindestlohn nicht erfüllt werde. Diese Auswirkungen würden sich mit der geplanten Erhöhung des Mindestlohnes noch einmal verschärfen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Cottbus vom 16. Juni 2021 – 4 BV 3/20 – festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle über eine Regelung zur Auszahlung Arbeitsentgelt vom 27.01.2020 – zugegangen am 27.01.2020 – unwirksam ist.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung mit Rechtsausführungen zum Charakter der Sonderzahlung sowie einem lediglich mittelbaren Einfluss des Spruchs der Einigungsstelle auf die Lohnhöhe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Beschwerdebegründung vom 15.November 2021 (Bl. 135 bis 141 d. A.) sowie auf die Beschwerdeerwiderung vom 24. Januar 2022 (Bl. 164 bis 167 d. A.) sowie auf das Vorbringen der Beteiligten in dem mündlichen Anhörungstermin Bezug genommen.

2. Die gemäß § 87 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zulässige form- und fristgerecht gemäß der §§ 87 Abs. 1, 89, 66 ArbGG eingelegte und begründete Beschwerde der Arbeitgeberin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Spruch der Einigungsstelle ist nicht unwirksam.

2.1 Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Streiten die Betriebsparteien über die Rechtswirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, ist die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses zu beantragen, § 256 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) (BAG vom 27.01.2013 – 1 ABR 85/11 – AP Nr. 219 zu § 112 BetrVG 1972). Dem entspricht der vorliegende Antrag der Arbeitgeberin.

2.2 Der Antrag ist unbegründet. Der Spruch der Einigungsstelle ist mit §§ 77, 87 BetrVG vereinbar. Er verstößt weder gegen vorrangige gesetzliche Regelungen, noch überschreitet die Einigungsstelle den ihr eingeräumten Gestaltungs- und Ermessensspielraum.

2.2.1 Der Einigungsstellenspruch unterliegt der gerichtlichen Überprüfung nach § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat den ihr am 27.Januar 2020 zugestellten Spruch innerhalb der 2-Wochenfrist am 3. Februar 2020 beim Arbeitsgericht gerichtlich angefochten und die Überschreitung der Grenzen des Ermessens unter anderem wegen Verstoßes gegen vorrangige gesetzliche Regelungen gerügt.

2.2.2 Der Antrag ist unbegründet. Der angefochtene Einigungsstellenspruch ist wirksam. Die Einigungsstelle besaß die erforderliche Regelungskompetenz. Ihr Spruch verstößt nicht gegen zwingendes höherrangiges Recht. Er ist weder unvollständig noch ermessensfehlerhaft.

2.2.2.1 Die Einigungsstelle war nach § 87 Abs. 2 BetrVG befugt, durch Spruch die Auszahlungszeitpunkte für die Sonderzahlungen „Urlaubsgeld“ und „Weihnachtsgratifikation“ zu regeln. Es handelt sich dabei um Fälligkeitsbestimmungen, die unter das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG fallen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG . erfasst die Regelung des Zeitpunkts, zu dem die Arbeitsvergütung zu zahlen ist (vgl. BAG vom 22. Juli 2014 – 1 ABR 96/12 – BAG 148, 341 Randziff. 12).

2.2.2.2 Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist nicht durch den Gesetzesvorbehalt in § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG ausgeschlossen. Mit der Fälligkeitsregelung für die beiden Sonderzahlungen greift der Spruch nicht in die in § 2 Abs. 1 MiLoG geregelte Fälligkeit des Mindestlohns ein. Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch (vgl. BAG 27. April 2021 – 1 ABR 21/20 –Rn 17). Daraus folgt zugleich, dass der Mindestlohnanspruch als solches durch die Regelung der Betriebsvereinbarung nicht tangiert wird. Auch wenn diese für die Sonderzahlungen nur zwei Fälligkeitszeitpunkte vorsieht, regelt sie damit nur den neben dem Mindestlohndifferenzanspruch bestehenden Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragliche oder tarifvertragliche Entgeltbestandteile.

2.2.2.3 Der Spruch ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere regelt er nicht die Lohnhöhe, die von einer erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG ausgenommen wäre und damit auch einem Spruch der Einigungsstelle nicht zugänglich wäre (vgl. dazu BAG vom 27. April 2021 - 1 ABR 21/20 Rn. 15 - AP Nr 158 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).

2.2.2.3.1 Allerdings kann sich die im Spruch getroffene Regelung auf die Höhe des einem Arbeitnehmer insgesamt zustehenden Lohns auswirken, weil die auf zwei Zeitpunkte festgelegte Fälligkeit eine Erfüllungswirkung für den Mindestlohn verhindert, mit der Folge, dass die Arbeitgeberin bei Unterschreiten des Mindestlohns zur Zahlung der Differenzen verpflichtet wird.

Dabei ging die Kammer zunächst davon aus, dass zumindest das auf Grundlage der ab dem 01.01.2015 abgeschlossenen Arbeitsverträge gezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei einer monatlichen Zahlungsweise auf den Mindestlohn anrechenbar wäre. Diese Sonderzahlungen stellen eine Geldleistung der Arbeitgeberin dar, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung erbracht wird.

Sonderzahlungen können unterschiedliche Zwecke verfolgen. Sie können als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet sein, Betriebstreue honorieren oder eine Beteiligung des Arbeitgebers an zusätzlichen Ausgaben zu besonderen Anlässen wie Urlaub und Weihnachten darstellen. Welcher Zweck mit ihnen verfolgt wird, ist durch Auslegung anhand der festgelegten Anspruchsvoraussetzungen zu bestimmen. Dabei kommt es auf die Bezeichnung der Sonderzahlung nicht an. Sind weitere Anspruchsvoraussetzungen nicht vereinbart, spricht dies dafür, dass die Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird.

Eine Auslegung der vertraglichen Regelung ergibt, dass die hier im Streit stehenden zusätzlichen Zahlungen Vergütungsbestandteilen darstellen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit dienen soll. Dies kommt in den arbeitsvertraglichen Regelungen zum Ausdruck. § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages bezeichnet sowohl das Urlaubs- als auch das Weihnachtsgeld „als leistungsbezogenen Vergütungsbestandteil“, der auf den Mindestlohn anrechenbar sein soll. Schon damit wird der Entgeltbezug verdeutlich. Zudem hat sich die Arbeitgeberin in der Anlage zum Arbeitsvertrag eine monatliche Zahlung vorbehalten. Damit hat sie eine etwaige Verknüpfung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes an die in der Bezeichnung enthaltenen Ereignisse aufgehoben. Die Zahlungen sind an keine weiteren Voraussetzungen wie Stichtagsregelungen oder Betriebstreue gebunden. Zusammen mit dem Urlaubsgeld zahlt die Arbeitgeberin insgesamt ein weiteres Gehalt. Auch dies spricht für ein zusätzliches Arbeitsentgelt. Als Arbeitsentgelt aber steht die Sonderzahlung im Synallagma und wäre an sich geeignet, den Mindestlohnanspruch zu erfüllen (vgl. (BAG, 25.05.2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 32 - BAGE 155, 202-214).

Diese Erfüllungswirkung entfällt jedoch aufgrund der durch Spruch vorgesehenen Fälligkeitsvereinbarung jedenfalls für die Monate, in denen das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld nicht gezahlt werden. Denn Erfüllungswirkung für den Mindestlohn können Zahlungen nur in den jeweiligen Monaten entfalten, in denen sie erfolgen (BAG, 25.05.2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 32). Soweit das Monatsentgelt dann unterhalb des Mindestlohns liegt, wird der Arbeitgeber nach § 3 MiLoG verpflichtet, für die Monate, in denen das Weihnachtsgeld nicht gezahlt wird, die Mindestlohndifferenz auszuzahlen. Dies führt jedenfalls bei denjenigen Arbeitnehmern, deren Entgelt unter dem Mindestlohn liegt, insgesamt zu einem höheren Entgelt als bei einer gleichmäßigen monatlichen Auszahlung.

2.2.2.3.2 Dies steht jedoch nach Auffassung der erkennenden Kammer dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu den Fälligkeiten des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes nicht entgegen.

Dabei ist mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 27. April 2021 – 1 ABR 21/20 – juris Rn. 16) davon auszugehen, dass die Regelungen des Mindestlohngesetzes die Regelungsbefugnisse der Betriebsparteien an sich nicht tangieren. Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch. Die arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen werden dadurch nicht unwirksam (vgl. BAG Beschluss vom 27. April 2021 – 1 ABR 21/20 – juris Rn. 16).

Aus dieser Konzeption aber folgt, dass der Spruch der Einigungsstelle selbst keine Regelung in Bezug auf die Höhe des Arbeitsentgelts darstellt. Er regelt nämlich allein die Fälligkeitszeitpunkte der arbeitsvertraglich vereinbarten Sonderzahlungen. Die Höhe dieser Sonderzahlung ist im Arbeitsvertrag festgelegt und wird durch den Spruch nicht verändert. Ob und in welchem Umfang für den einzelnen Arbeitnehmer gleichwohl Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz entstehen, beruht allein auf § 3 MiLoG. Dieser bestimmt das zusätzlich zu zahlende Entgelt. Der Spruch hat hier nur mittelbar Auswirkungen, weil vertraglichen Entgeltzahlungen nur bezogen auf den jeweiligen Monat, in denen sie gezahlt werden, den Mindestlohn erfüllen (so bereits LAG Sachsen vom 27. Juli 2016 – 8 TaBV 1/16 Rn 52; LAG Mecklenburg-Vorpommern 20. Juni 2017 – 5 TaBV 17/16 Rn 55; a.A Fitting § 87 BetrVG Rn 182).

2.2.2.3.3 Der Spruch der Einigungsstelle ist auch nicht unbillig. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ändert er die vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkte nicht. Die früheren Arbeitsverträge gingen ohnehin von nur zwei bzw. drei Fälligkeitszeitpunkten aus. In den von der Arbeitgeberin nach dem 1.1.2015 verwendeten Verträgen ist ein konkreter Fälligkeitszeitpunkt nicht geregelt. Die Arbeitgeberin sich vielmehr die Entscheidung vorbehalten, die Auszahlung monatlich vorzunehmen. Die Ausgestaltung eines solchen einseitigen Bestimmungsrechts aber wird gerade durch die in § 87 BetrVG geregelten Mitbestimmungstatbestände begrenzt. Es bedarf darüber einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder aber eben eines Spruchs der Einigungsstelle, um dieses Bestimmungsrecht auszufüllen.

Die Regelung des Einigungsstellenspruchs ist auch nicht ansonsten ermessensfehlerhaft. Sie hält sich mit den Fälligkeitszeitpunkten an die Regelungen, die die Arbeitgeberin jedenfalls für die Arbeitsverträge bis zum 31.12.2014 verwendet hat. Danach wurde die Gratifikation in zwei gleichen Teilen gezahlt und zwar zu einer Zeit, in der Arbeitnehmer regelmäßig einen finanziellen Mehrbedarf haben (Urlaub, Weihnachten). An dieser Interessenlage hat sich nach der Einführung des Mindestlohns nichts geändert. Soweit die Arbeitgeberin daran interessiert ist, Aufstockungsansprüche aus dem Mindestlohngesetz bei Mitarbeitern im unteren Lohnbereich so gering wie möglich zu halten, ist dieser Wunsch durchaus verständlich. Ebenso nachvollziehbar ist es aber auch, es unter Berücksichtigung des Zwecks der Sonderzahlung bei einer Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer im Betrieb zu belassen. Hinzu kommt, dass die Arbeitgeberin für die Arbeitsverträge bis zum 31.12.2014 ohnehin arbeitsvertraglich verpflichtet ist, die Zahlungen gerade nicht als Zwölftel-Zahlungen zu leisten:

3. Aus diesen Gründen war die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen. Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, da Gerichtskosten und Auslagen nicht erhoben werden.

Die Rechtsbeschwerde war für die Arbeitgeberin nach § 92, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.