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Entscheidung 21 Sa 965/19


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 21. Kammer Entscheidungsdatum 17.03.2022
Aktenzeichen 21 Sa 965/19 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0317.21SA965.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 204 Abs 1 Nr 1 BGB, § 205 BGB, § 242 BGB, § 305c Abs 2 BGB, § 89 Abs 2 S 1 Halbs 2 HGB, § 89a Abs 1 S 2 HGB, § 355 HGB

Leitsatz

1. Zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle einer vertraglich vereinbarten Verpflichtung zur Rückzahlung nicht verdienter Provisionsvorschüsse und Provisionen
2. Zur Auslegung und Inhaltskontrolle einer Kontokorrentabrede in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
3. Zu den Auswirkungen auf die Verjährung von Rückforderungen

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. April 2019 - 2 Ca 1273/18 - teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.312,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2018 zu zahlen.

II. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung erhaltener Provisionsvorschüsse und Provisionen.

Die Klägerin vermittelt als Vermittlungsgesellschaft in der Rechtsstellung einer selbstständigen Versicherungsvertreterin für verschiedene Versicherungsunternehmen (Partnergesellschaften) im Rahmen von separaten Agenturverträgen Versicherungen, Bausparverträge und Kapitalanlagen. Für die Durchführung ihrer Vermittlungstätigkeit bedient sie sich einer Außenorganisation aus selbstständigen Versicherungsvertreter*innen, mit denen sie sogenannte Finanzdienstleistungsvermittlerverträge schließt.

Der Beklagte war für die Klägerin seit November 2009 als selbstständiger Finanzdienstleister auf der Grundlage des Finanzdienstleistungsvermittlervertrages vom 20. November/21. Dezember 2009 (im Folgenden: Vertrag) tätig. Nach dem Vertrag war der Beklagte ständig damit betraut, für die Klägerin und deren Partnergesellschaften innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ohne Gebietseinschränkung bestandsfähige Verträge zu vermitteln und zu betreuen, die Vertragsprodukte zum Gegenstand haben (Ziffer 5.1 Satz 1 des Vertrages) und erhielt für jedes vermittelte Geschäft eine einmalige Abschlussprovision bzw. (beziehungsweise) eine Abschlussdifferenzprovision, sofern das Geschäft nicht durch ihn selbst, sondern durch einen seiner Führung unterliegenden nachgeordneten Finanzdienstleister vermittelt wurde (Ziffer 12.1.1 Satz 1 und 2 und 12.1.2 des Vertrages).

Darüber hinaus ist in dem Vertrag - soweit hier von Bedeutung - auszugsweise Folgendes geregelt:

„…

12.4 Provisionsvorschuss

12.4.1 Nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen wird die Abschlussprovision in den Sparten Lebens- Kranken und Sachversicherung vorbehaltlich der nach Ziff. 15 zu leistenden Sicherheiten in Höhe der zu erwartenden Provision diskontiert. Der Provisionsvorschuss ist nicht verdient, solange der Finanzdienstleister den Anspruch auf Provision gemäß Ziff. 12.5 noch nicht endgültig erworben hat.

12.4.4 Der Anspruch auf Provisionsdiskont entsteht bezogen auf das jeweils geschlossene Geschäft, wenn die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind: … Der erste Betrag des Kunden ist endgültig und unwiderruflich auf dem von der betreffenden Partnergesellschaft bezeichneten Zielkonto eingegangen. …

12.4.5 Der Anspruch auf den Provisionsdiskont entsteht nur unter der Bedingung, dass die Provisionsstornoquote die Höhe von 10 % nicht übersteigt, und dass der Kunde seiner Beitragspflicht laufend nachkommt. … Entfällt eine der vorstehenden Bedingungen ist die OVB berechtigt, die Provisionsdiskonte auszusetzen und etwaig ausgezahlte Diskonte, für die die Voraussetzungen entfallen sind, zurückzuverlangen, soweit sie nicht ins Verdienen gebracht sind.

12.4.6 Der Anspruch auf Provisionsvorschuss erlischt hinsichtlich des auf den nicht ausgeführten Teil des Vertrages entfallenden Teils, wenn der zu Grunde liegende Vertrag mit dem Kunden gekündigt wird. Entsprechendes gilt auch bei einer vollständigen oder teilweisen Nichtausführung des Vertrages. In dem Umfang, in dem der Provisionsvorschussanspruch nach den vorstehenden Bestimmungen erlischt, unterliegt er der Rückzahlung.

12.4.7 Unterliegt ein Provisionsvorschuss der Rückzahlung, so wird diese Forderung der OVB dem Provisionskonto des Finanzdienstleisters belastet. Ein Sollsaldo zulasten des Finanzdienstleisters wird dieser binnen zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung der OVB ausgleichen. Der Finanzdienstleister ist nicht berechtigt, die Rückzahlungen von Provisionsvorschüssen unter Hinweis auf ein etwaiges Stornoreservekonto zu verweigern, sofern Leistungen hieraus noch nicht fällig sind.

12.5 Schicksalsteilungsgrundsatz

12.5.1 Der Anspruch des Finanzdienstleisters auf Vergütung teilt das Schicksal der Prämie. Die Provision ist erst dann verdient, wenn und soweit der Kunde die Prämie, den Beitrag oder das Entgelt bezahlt hat, aus der sich die Provision nach der Provisionsliste errechnet und wenn die OVB die Provisionszahlung ihrerseits von der Partnergesellschaft erhalten hat. …

12.5.2 Der Anspruch auf Provision entfällt oder vermindert sich, wenn bzw. soweit feststeht, dass der Kunde nicht leistet. Entsprechendes gilt, wenn das Geschäft vollständig oder teilweise nicht ausgeführt wird und die Nichtausführung des Geschäfts auf Umständen beruht, die die OVB nicht zu vertreten hat. Bereits gezahlte Provisionen sind in diesem Fall auf Verlangen der OVB an diese zurückzuzahlen.

12.5.3 Werden vermittelte Versicherungsverträge gekündigt oder beitragsfrei gestellt, so ist die Provision anteilig vom Finanzdienstleister an die OVB zurückzuzahlen. …

13 Abrechnung

13.1 Über Vorschüsse und Provisionen, auf die der Finanzdienstleister Anspruch hat, rechnet die OVB monatlich ab. …

13.2 Soweit Anträge an die Partnergesellschaften zur Policierung weitergeleitet werden, erwachsen der OVB Vergütungsansprüche gegen die Partnergesellschaften. Die Parteien dieses Vertrages sind sich darüber einig, dass zwischen der Vergütungszahlung der Partnergesellschaften an die OVB und den Vergütungszahlungen, die aufgrund dieses Vertrages an den Finanzdienstleister zu leisten sind, Wechselwirkung besteht. Die OVB wird dem Finanzdienstleister die Ansprüche auf Vorschüsse und Provisionen erst dann abrechnen und auszahlen, wenn diese ihrerseits von ihrem Partnergesellschaften abgerechnet und ausgezahlt worden sind. …

13.3 Die Verbundenheit der OVB mit zahlreichen Partnerunternehmen und die große Produktvielfalt bedingen komplexe Abrechnungsvorgänge. Um dem Finanzdienstleister einen Überblick über seine jeweiligen aktuellen Einkommensverhältnisse zu verschaffen, führt die OVB ein laufendes Agenturkonto für den Finanzdienstleister, auf dem sie die ihr von dem Partnerunternehmen mitgeteilten Vorschüsse, Provisionen und Provisionsrückforderungen zusammenfasst, etwaige Sollsalden mit Habensalden verrechnet und das sich ergebende Guthaben nach Abrechnung an den Finanzdienstleister auszahlt. Für Monate, in denen keine Kontobewegungen zu verzeichnen sind, entfällt die Abrechnung.

13.4 Ergibt sich aus der Abrechnung ein den Betrag von 25 € übersteigendes Guthaben zu Gunsten des Finanzdienstleisters, so überweist die OVB den Guthabenbetrag auf das ihr vom Finanzdienstleister benannte Geschäftskonto oder zahlt ihn per Scheck aus. Guthaben unterhalb von 25 € werden jeweils in die nächsten Abrechnungsperioden fortgetragen, bis der Kontostand diesen Betrag überschreitet. …

13.6 Die von der OVB bis Dezember des laufenden Jahres erteilten Abrechnungen der letzten zwölf Monate sind von dem Finanzdienstleister zum 31. März des folgenden Jahres umgehend und sorgfältig auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen. Sind keine Beanstandungen zu erheben, erteilt der Finanzdienstleister der OVB jeweils bis zum Ablauf der vorstehenden Prüfungsfrist eine Saldobestätigung, mit der er die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung bestätigt. …

15. Sicherheiten

15.1 Zur Absicherung etwaiger Rückzahlungsverpflichtungen des Finanzdienstleister wegen unverdienter Vorschüsse werden mit jedem fälligen Vorschuss mindestens 10 % der vollen Provision auf Stornoreservekonten gebucht. Die OVB ist berechtigt, die Höhe der Stornoreserve nach einer eigenen Risikoeinschätzung und unter Berücksichtigung der von dem Partnergesellschaften vorgenommene Bewertung des Stornorisikos frei festzusetzen. …

...

15.3 Nach Beendigung des Vertrages verbleibt die Stornoreserve solange auf dem Stornoreservekonto bis alle Provisionen für Geschäfte, die während der Vertragsdauer vermittelt wurden, verdient sind. Der Finanzdienstleister erhält Beträge aus der Stornoreserve ausgezahlt, sobald und soweit ihr keine zu sichernden Forderungen der OVB mehr gegenüberstehen. …

16. Verjährung

Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren in dreizehn Monaten ab dem Schluss des Monats, in dem der Anspruchsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat. … Der Kenntniserlangung steht es gleich, wenn der Berechtigte ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Kenntnis erlangen müssen. …

…“

Wegen des weiteren Inhalts des 15 Seiten umfassenden Vertrages ohne Anlagen wird auf dessen Ablichtung (Anlage K1, Blatt 5 ff. (fortfolgende) der Akten) verwiesen.

Unter dem 12./13. Januar 2015 schlossen die Parteien einen Zusatzvertrag für leitende Finanzdienstleistungsvermittler, der die Aufgaben des Beklagten als leitender Finanzdienstleiter sowie verschiedene damit verbundene Leitungsprovisionen regelt (Blatt 364 ff. der Akten).

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2016 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten fristgerecht zum 31. Dezember 2017. Mit Schreiben vom 9. Februar 2017 kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis seinerseits fristlos, wobei die Klägerin die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung in Abrede stellt. Seit dem 1. März 2017 ist der Beklagte als selbstständiger Versicherungsvertreter für die B. B. Lebensversicherung a.G. tätig. In diesem Zusammenhang nimmt die Klägerin den Beklagten im Rahmen eines weiteren Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) wegen unzulässiger Konkurrenztätigkeit bei fortbestehendem Vertragsverhältnis auf Schadensersatz im Wege einer Stufenklage in Anspruch. Mit Teilurteil vom 17. Mai 2018 (8 Ca 1071/17) verurteilte das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) den Beklagten, der Klägerin Auskunft über die von ihm in der Zeit vom 1. März und dem 31. Dezember 2017 vermittelten Verträge zu erteilen, und stellte dabei inzident die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung fest (Blatt 384 ff. der Akten). Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 13. Februar 2019 (15 Sa 1060/18) zurück (Blatt 1666 ff. der Akten).

Während des Vertragsverhältnisses rechnete die Klägerin das Provisions- und das Stornoreservekonto des Beklagten monatlich zum 15. des Folgemonats fortschreibend ab, zuletzt für November 2017. Die Abrechnungen enthalten neben den einzelnen Gutschriften und Belastungen auf dem Provisionskonto („Bu-Betrag“) und dem Stornoreservekonto („Stornoreserve“) unter anderem den Namen des jeweiligen Abschlussvermittlers („AVM“), die Kürzelbezeichnung der das Produkt anbietenden Partnergesellschaft der Klägerin („Pges“), des oder der Kund*in, die Nummer des vermittelten Versicherungsvertrages, die Höhe der provisionspflichtigen Summe („Prov.-summe“), den Prozentsatz für die Provision („Prov.-%“) und den Prozentsatz der Stornoreserve („Stor.-%“). Wegen der Einzelheiten wird auf die Abrechnungen für die Monate Januar 2010 bis einschließlich Oktober 2017 (Anlage K3, Blatt 27 - 281 der Akten) und November 2017 (Anlage K2, Blatt 20 - 26 der Akten) und wegen der Erläuterung der in den Abrechnungen verwandten Bezeichnungen und Kürzel auf die Ausführungen der Klägerin auf Seite 2 f. (folgende) ihres Schriftsatzes vom 15. November 2018 (Blatt 400 f. der Akten) verwiesen. Ob der Beklagte die Abrechnungen jeweils erhalten hat oder - wie er behauptet - zuletzt nur noch sporadisch, ist zwischen den Parteien streitig.

Für das jährliche Anerkenntnis nach Ziffer 13.6 des Vertrages bildete die Klägerin aus dem Salden des Provisions- und Stornoreservekontos einen Gesamtsaldo. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin als Anlage K4 eingereichte, unter dem 19. Januar 2016 unterzeichnete Saldenbestätigung vom 12. Dezember 2015 (Blatt 282 der Akten) verwiesen. Ob die Unterschrift unter der Saldenbestätigung, wie die Klägerin behauptet, von dem Beklagten stammt, ist zwischen den Parteien streitig.

Laut der Schlussabrechnung für November 2017 belief sich der Saldo auf dem Stornoreservekonto zuletzt auf ein Guthaben in Höhe von 4.708,66 Euro, der Saldo auf dem Provisionskonto auf einen Minusbetrag in Höhe von 95.804,02 Euro und der aus beiden Salden gebildete Gesamtsaldo auf einen Minusbetrag in Höhe von 91.095,36 Euro. Wegen der zusammenfassenden Darstellung der Salden und Gesamtsalden in einzelnen Monaten wird auf die als Anlage K5 eingereichte Übersicht (Blatt 283 f. der Akten) verwiesen.

Nach der von der Klägerin als Anlage K7 eingereichten Scheck- und Überweisungsstatistik (Blatt 420 ff. der Akten) hat die Klägerin im Zeitraum von Februar 2010 bis einschließlich August 2016 mit Ausnahme der Monate Februar bis einschließlich August 2011 an den Beklagten Auszahlungen in Höhe von insgesamt 288.034,74 Euro vorgenommen. Zum Teil erfolgten die Auszahlungen nicht unmittelbar an den Beklagten, sondern an Dritte zur Begleichung von Zahlungsverbindlichkeiten des Beklagten. Beispielweise zahlte die Klägerin im März 2015 zur Begleichung von Steuerschulden des Beklagten 17.529,43 Euro an das Finanzamt und 3.555,00 Euro an das Gewerbeamt. In diesem Zusammenhang nahm der Beklagte bei der K. Bank, der Hausbank der Klägerin, ein Darlehen über 29.446,00 Euro auf, welches seinem Provisionskonto gutgeschrieben wurde. Die monatlichen Rückzahlungsraten in Höhe von 750,00 Euro wurden ebenfalls über das Provisionskonto des Beklagten abgewickelt.

Bei drohenden Stornierungen übersandte die Klägerin sogenannte Stornogefahrmitteilungen, je nachdem, wer den Vertrag vermittelt hatte, der Beklagte selbst oder ein oder eine der ihm unterstellten Finanzdienstleister*innen, entweder postalisch an den Beklagten an dessen Anschriften in Erkner und Minden oder elektronisch an den oder die jeweilige Abschlussvermittler*in. Wegen der Einzelheiten der postalisch oder elektronisch übersandten Stornogefahrmitteilungen wird auf die Anlagen K8 bis K10 (Blatt 434 ff., 500 ff. und 526 ff. der Akten) und die Anlagen K11 bis K15 (Blatt 558 ff., 670 ff., 699 ff., 712 ff. und 864 ff. der Akten) sowie auf die als Anlage K16 eingereichte Übersicht (Blatt 1335 ff. der Akten) verwiesen. Ferner konnte der Beklagte auf sämtliche im OASYS-System der Klägerin hinterlegte Stornogefahrmitteilungen über sein persönliches Login auf dem PC des für ihn zuständigen Landesdirektors, Herrn K., Zugriff nehmen.

Mit der am 6. Juli 2018 beim Landgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen, dem Beklagten am 25. Juli 2018 zugestellten Klage hat die Klägerin den Beklagten auf den Gesamtsaldo aus der Schlussabrechnung für November 2017 in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 22. November 2018 hat das Landgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) verwiesen (Blatt 1348 ff. der Akten).

Die Klägerin hat gemeint, sie habe die Klageforderung, da es sich um das Schlusssaldo eines abgerechneten Kontokorrents gehe, durch Vorlage der Abrechnungen schlüssig dargelegt. Das Schlusssaldo resultiere im Wesentlichen aus nicht ins Verdienen gebrachten Provisionsvorschüssen sowie stornobedingt zurückzuerstattender Abschlussprovisionen.

Die Parteien hätten in dem Vertrag eine wirksame Kontokorrentvereinbarung geschlossen, die von ihr, der Klägerin, auch praktiziert worden sei. Damit genüge für einen schlüssigen Vortrag die Vorlage der rechnerisch nachvollziehbaren Provisionsabrechnungen, aus denen sich die Entwicklung der Forderungen und die einzelnen Buchungen ergäben. Eine weitere Darstellung zu den einzelnen Forderungen sei jedenfalls so lange nicht erforderlich, als der Beklagte keine konkreten Einwände gegen einzelne Buchungen erhebe. Den Kontoverlauf bis einschließlich Dezember 2015 habe der Beklagte im Übrigen auch als richtig anerkannt und bestätigt. Für die Jahre 2016 und 2017 habe sie dem Beklagten ebenfalls Saldenbestätigungen mit dem Gesamtsaldo Stand Dezember 2016 bzw. Stand Dezember 2017 übersandt. Diese habe der Beklagte jedoch nicht unterzeichnet. Dennoch habe sie auch zu den nach Dezember 2016 stornierten Verträgen schlüssig vorgetragen, da sich die Entwicklung der nach Abgabe des Saldenanerkenntnisses für 2015 stornierten Einzelforderungen der als Anlage K6 eingereichten Übersicht (Blatt 408 ff. der Akten) nachvollziehbar entnehmen lasse. Durch die Übersendung der Stornogefahrmitteilungen sei sie hinsichtlich der stornierten Verträge auch ihrer Nachbearbeitungspflicht nachgekommen.

Schließlich habe sie auch keine vertragswidrige Auszahlungen an den Beklagten vorgenommen und ihn damit in die Schuldenfalle getrieben. Vielmehr habe er die ihm zustehenden Abschlussprovisionen sowie Provisionsvorschüsse auf bereits eingereichte, aber nicht policierte Geschäfte erhalten. Den Sollständen auf dem Provisionskonto hätten entsprechende Guthaben auf dem Stornoreservekonto gegenüber gestanden. Der Landesdirektor Herr K. habe den Beklagten auch nicht genötigt, das Vertragsverhältnis fortzuführen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 91.095,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint, die Klage sei unschlüssig. Eine wirksame Kontokorrentvereinbarung sei zwischen den Parteien nicht geschlossen worden. Zumindest aber sei sie nicht mehr praktiziert worden. Die Unterschrift auf der Saldenbestätigung vom 19. Januar 2016 stamme nicht von ihm. Saldenbestätigungen mit dem Stand Dezember 2016 und Dezember 2017 habe er nicht erhalten. Im Übrigen seien die vertraglichen Klauseln, da immer wieder zwischen verschiedenen Konten hin- und hergesprungen werde, derart unverständlich, dass sie dem Transparenzgebot des § 307 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nicht genügten.

Die Verweise auf beigefügte Anlagen könnten den erforderlichen Vortrag nicht ersetzen. Im Übrigen seien die Abrechnungen völlig unübersichtlich, weshalb nicht ansatzweise nachvollziehbar sei, wie sich die Rückforderung zusammensetze. Die Klägerin habe auch keine ordnungsgemäße Nachbearbeitung der notleidenden Verträge vorgenommen. Von den vorgelegten Stornogefahrenmitteilungen habe er nur einige bekommen, wobei die darin enthaltenen Informationen völlig unzureichend seien. Bestritten werde, dass es zu Stornierungen in der von der Klägerin behaupteten Höhe gekommen sei. Außerdem sei die Klägerin teilweise nicht aktiv legitimiert, da er bei der Signal Iduna und der Volksfürsorge als Handelsvertreter direkt angeschlossen gewesen sei.

Weiter hat der Beklagte bestritten, dass es sich bei den Auszahlungen um Provisionszahlungen gehandelt habe. In den letzten Jahren habe die Klägerin, da sich sein Provisionskonto ständig im Minus befunden habe, stets pauschale Auszahlungen unabhängig vom Stand des Provisionskonto vorgenommen. Zudem habe sie, um das Minus auf dem Provisionskonto abzubauen, vertragswidrige Umbuchungen vom Stornoreservekonto auf das Provisionskonto vorgenommen. Damit habe sie das Vertragsverhältnis weiter angefüttert und ihn in die Überschuldung getrieben. Er habe Herrn K. Monat für Monat bestätigen müssen, wofür er die Auszahlungen benötige. Nur dann, wenn er dem nachgekommen sei und zudem versprochen habe, nicht zu kündigen, habe er weitere Auszahlungen erhalten. Dabei habe es sich um freiwillige Zahlungen gehandelt, welche die Klägerin nach § 814 BGB nicht zurückfordern könne. Im Mai 2015 habe die Klägerin ihn im Zusammenhang mit der Nachzahlung an das Finanzamt zur Aufnahme eines Darlehens bei ihrer Hausbank gedrängt. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe es keine Hoffnung mehr gegeben, dass er das Minus auf seinem Provisionskonto irgendwann würde abbauen können. Anfang 2016 sei der Schuldenberg dann nochmal mächtig angewachsen, nachdem er zwei Mitarbeiter verloren habe. Bereits 2011 habe er das Vertragsverhältnis beenden wollen und zwischenzeitlich eine andere Tätigkeit aufgenommen, sei aber dann von Herrn K. aufgesucht worden und - unter anderem unter der Androhung, ansonsten sofort das Minussaldo ausgleichen zu müssen - zur Fortführung des Vertrages überredet worden. Auch in der Folgezeit, als sich das Provisionskonto weiterhin chronisch im Minus befunden habe, habe er das Vertragsverhältnis immer wieder beenden wollen, die Klägerin habe jedoch stets mit der sofortigen Klage auf Ausgleich des Minussaldos gedroht. Dies gehöre zu einem bei der Klägerin als „Mitarbeiterbehaltungsprogramm“ bezeichneten System. Daher sei die Rückforderung auch als treuwidrig anzusehen.

Im Übrigen hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit Urteil vom 4. April 2019, auf dessen Tatbestand (Blatt 1462 - 1470 der Akten) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die in dem Vertrag enthaltene Rückzahlungsklausel sei nach § 89a Absatz 1 Satz 2, § 89 Absatz 2 Satz 1, 2. Halbsatz HGB in Verbindung mit § 134 BGB nichtig, da sie geeignet sei, den Beklagten von der Kündigung des Vertrages abzuhalten und damit eine unzulässige Kündigungserschwernis darstelle. Zwar sei die in Ziffer 12.4.7 des Vertrages geregelte Rückzahlungspflicht nicht explizit mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses verknüpft. Vielmehr unterliege die Fälligkeit von Rückforderungen der Gestaltungsfreiheit der Klägerin mit der Folge, dass die Rückforderungen in jedem Fall spätestens mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht würden. Dies stehe jedenfalls in einem Fall wie dem Vorliegenden, in dem die Klägerin während des siebenjährigen Vertragsverhältnis zu keinem Zeitpunkt zuvor den Ausgleich des Negativsaldos verlangt habe, einer expliziten Verknüpfung der Rückzahlungspflicht mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses gleich.

Außerdem habe die Klägerin monatlich Auszahlungen an den Beklagten vorgenommen, die in keinerlei Bezug zu den von ihm erwirtschafteten Provisionen gestanden hätten. In der Regel hätten die Auszahlungen den Saldo aus den Provisionsgutschriften und den Negativbuchungen deutlich überschritten, weshalb sich das Provisionskonto kontinuierlich im Minus befunden habe. Die Klägerin habe selbst dann, wenn das Gesamtsaldo aus Provisions- und Stornoreservekonto kein Guthaben ausgewiesen habe, Auszahlungen vorgenommen. Dadurch sei der Beklagte in eine derart starke wirtschaftliche Abhängigkeit von der Klägerin geraten, dass seine Kündigungsfreiheit erheblich eingeschränkt gewesen sei. Dass der Beklagte nicht in der Lage sein würde, die nicht verdienten Vorschüsse zurückzuzahlen, sei angesichts dessen 10 % deutlich übersteigender Stornoquote auch für die Klägerin erkennbar gewesen und von dieser zumindest billigend in Kauf genommen worden.

Die fehlende Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin die erhaltenen bzw. zu seinen Gunsten an Dritte geleisteten Zahlungen zurückzuerstatten, sei auch nicht unbillig, da der Beklagte damit seinen laufenden Lebensunterhalt sowie seine Arbeits- und Werbungskosten habe bestreiten müssen und die Klägerin von den Vermittlungsleistungen des Beklagten profitiert habe.

Darüber hinaus, sei die Rückforderung der vom Beklagten nicht erwirtschafteten Vorschüsse rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB, da die Klägerin durch die von ihr praktizierten Auszahlungen sowie die Dezimierung der Stornoreserve auf dem Stornoreservekonto durch anlasslose Umbuchungen auf das Provisionskonto ihre Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Beklagten verletzt und auf diese Weise das Negativsaldo mitverursacht habe. Die Stornoreserve schütze nicht nur die Klägerin sondern mittelbar auch den Beklagten.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 1470 - 1481 der Akten) verwiesen.

Gegen dieses der Klägerin am 15. Mai 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Mai 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung der Klägerin, welche sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. August 2019 mit am 7. August 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin setzt sich - unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Die Annahme einer Kündigungserschwernis setze ein Anknüpfen der Rückzahlungsverpflichtung gerade an die Kündigung oder jedenfalls an das Ausscheiden des Handelsvertreters voraus. Hingegen seien vertragliche Regelungen, die den Kündigungsentschluss des Handelsvertreters nur als Reflex beeinflussen könnten, nicht als Kündigungserschwerungen zu qualifizieren. Von Letzterem sei vorliegend auszugehen, da der Vertrag gerade keine Sonderregelungen für den Fall der Vertragsbeendigung vorsehe, sondern die Rückzahlungspflicht bei Beendigung des Vertrages den gleichen Regeln unterstelle wie während des Vertragsverhältnisses.

Die Auszahlungen seien auch nicht regelmäßig und kontinuierlich erfolgt, sondern im Einzelfall und nur auf Antrag des Beklagten. Diesbezüglich verweist die Klägerin auf die als Anlage K12 eingereichten Ablichtungen der Anträge (Anlage K12, Blatt 1540 ff. der Akten). Zwar seien die Vorschussanträge zum Teil nicht vom Beklagten selbst, sondern von Herr K. unterzeichnet. Die Beantragung sei jedoch stets im Auftrag des Beklagten und auf dessen Wunsch und Initiative erfolgt. Die Auszahlungen seien auch nicht ohne nähere Prüfung erfolgt, sondern aufgrund der positiven Entwicklung der Provisionsumsätze des Beklagten. Außerdem habe eine nicht unbeträchtliche Stornoreserve zur Verfügung gestanden, welche bei der vorzunehmenden gesamtwirtschaftlichen Betrachtung mit einzubeziehen sei. Der Beklagte habe die wirtschaftliche und finanzielle Schieflage ausschließlich selbst verursacht. Sie, die Klägerin, habe durch die Gewährung der Vorschüsse auch nicht gegen ihre Förderungs- und Rücksichtnahmepflicht verstoßen. Dem Beklagten sei bei der Beantragung der Vorschüsse das wirtschaftliche Risiko bekannt und bewusst gewesen. Offensichtlich sei er aber davon ausgegangen, die Vorschüsse erwirtschaften zu können. Die Umbuchungen vom Stornoreservekonto seien ebenfalls nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt, da die Stornoreserve ausschließlich ihrer eigenen Absicherung diene. Unzutreffend sei, dass Herr K. dem Beklagten im August 2016 gekündigt habe. Er sei dem Beklagten zwar übergeordnet, aber nicht kündigungsberechtigt gewesen, was dem Beklagten auch bekannt gewesen sei.

Schließlich hat die Klägerin für den Fall, dass sich die Kontokorrentabrede nur auf das Provisionskonto beziehen sollte, vorsorglich mit ihrem unverjährten Rückforderungsanspruch gegen den Anspruch des Beklagten auf Auszahlung der Stornoreserve aufgerechnet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. April 2019 - 2 Ca 1273/18 - abzuändern und

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 91.095,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt - unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens - das angefochtene Urteil. Die Klägerin habe sich nicht an den Vertrag gehalten. Sie habe keine Provisionsvorschüsse geleistet, sondern willkürliche Vorschusszahlungen vorgenommen, die weder etwas mit dem Vertrag, noch mit den Provisionsabrechnungen zu tun gehabt hätten. Gleichwohl habe die Klägerin diese in das Provisionskonto eingebucht. Eine Kontokorrentabrede habe es - wenn überhaupt - spätestens ab September 2016 nicht mehr gegeben. Im August 2016 habe ihm Herr K. mündlich gekündigt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe er nur noch unregelmäßig Abrechnungen erhalten.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 6. August 2019 (Blatt 1532 -1539 der Akten), 8. November 2019 (Blatt 1585 - 1588), 8. Juni 2020 (Blatt 1609 f. der Akten), 9. August 2021 (Blatt 1632 - 1534 der Akten) und 19. Oktober 2021 (Blatt 1648 f. der Akten), die Schriftsätze des Beklagten vom 14. Oktober 2019 (Blatt 1580 - 1584 der Akten) und 16. September 2021 (Blatt 1639 f. der Akten) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2022 (Blatt 1663 -1665 der Akten) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Absatz 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) eingelegt und begründet worden.

B. Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet. Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Rückzahlung überzahlter Provisionsvorschüsse und Provisionen in Höhe von 8.312,04 Euro nebst Prozesszinsen verlangen. Weitergehende Forderungen sind verjährt oder durch Aufrechnung erloschen.

I. Die Klägerin kann von dem Beklagten nach Ziffer 12.4.5 und 12.4.6 des Vertrages vom 20. November/21. Dezember 2009 grundsätzlich die Rückzahlung gezahlter, aber nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse und Provisionen verlangen.

1. Nach Ziffer 12.4.6 Satz 2 und Ziffer 12.5.2 Satz 2 in Verbindung mit Ziffer 12.5.2 Satz 1 und Ziffer 12.5.3 Satz 1 des Vertrages sind Provisionsvorschüsse oder Provisionen zurückzuzahlen, wenn und soweit die Voraussetzungen für die Vorschussleistungen entfallen sind, feststeht, dass der oder die Kund*in nicht leistet bzw. das Geschäft vollständig oder teilweise nicht ausgeführt wird sowie, wenn vermittelte Versicherungsverträge gekündigt oder beitragsfrei gestellt werden.

2. Ob danach ein Rückzahlungsanspruch besteht, hängt davon ab, ob die vertraglichen Regelungen im Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages rechtlich zulässig sind (Inhalts- bzw. Wirksamkeitskontrolle) und ob die Geltendmachung der Rückforderung im Einzelfall einer rechtlichen Kontrolle (Ausübungskontrolle) standhält (vergleiche BAG (Bundesarbeitsgericht) 10. Dezember 2019 - 3 AZR 122/18 - Rn. (Randnummer) 82 und 87; BAG 24. Januar 2017 - 1 AZR 774/14 - Rn. 29; BGH (Bundesgerichtshof) 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - Rn. 20 und 22). Hier sind unter beiden Gesichtspunkten keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegeben.

a) Die vertraglichen Regeln halten einer Inhalts- bzw. Wirksamkeitskontrolle stand. Sie sind nicht nach § 89a Absatz 1 Satz 2, § 89 Absatz 2 Satz 1, 2. Halbsatz HGB in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Daher benachteiligen sie den Beklagten auch nicht unangemessen im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB. Nach § 92 Absatz 2 HGB gelten die §§ 89, 89a HGB auch für Vertragsverhältnisse von Versicherungsvertreter*innen. Sie sind daher auf das Vertragsverhältnis der Parteien insgesamt anwendbar.

aa) Nach § 89a Absatz 1 Satz 2 HGB darf das Recht zur fristlosen Kündigung eines Handelsvertretervertrages aus wichtigem Grund weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Ferner bestimmt § 89 Absatz 2 Satz 1, 2. Halbsatz HGB, dass die Frist für die ordentliche Kündigung eines Handelsvertretervertrages für den oder die Unternehmer*in nicht kürzer sein darf als für den oder die Handelsvertreter*in. Diese zwingenden gesetzlichen Regelungen stellen Schutzvorschriften zu Gunsten des oder der Handelsvertreter*in dar. Sie sollen verhindern, dass der oder die Handelsvertreter*in als der schwächere Vertragsteil in seiner oder ihrer Entschließungsfreiheit, den Vertrag zu beenden, beschnitten wird. Eine solche einseitige Beschränkung der Entschließungsfreiheit kann sich nicht nur unmittelbar aus einem partiellen Kündigungsausschluss oder aus der Vereinbarung ungleicher Kündigungsfristen, sondern auch mittelbar daraus ergeben, dass an die Kündigung wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende finanzielle und sonstige Nachteile geknüpft werden (vergleiche BGH 5. November 2015 - VII ZR 59/14 - Rn. 27 mwN (mit weiteren Nachweisen)). Hingegen sind vertragliche Regelungen, die sich lediglich als Reflex der Vertragsbeendigung für den oder die Handelsvertreter*in ungünstig auswirken, nicht als unzulässige Kündigungsbeschränkung anzusehen (vergleiche BAG 3. Juli 2019 - 10 AZR 300/18 - Rn. 40; OLG Düsseldorf 1. August 2013 - 16 U 183/12 - Rn. 21 zitiert nach juris).

Ob die an eine Vertragsbeendigung anknüpfenden finanziellen Nachteile von solchem Gewicht sind, dass sie zu einer nach § 89a Absatz 1 Satz 2, § 89 Absatz 2 Satz 1, 2. Halbsatz HGB in Verbindung mit § 134 BGB unwirksamen Kündigungserschwernis führen, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vergleiche BGH 5. November 2015 - VII ZR 59/14 - Rn. 27). Letztlich ist entscheidend, ob im Einzelfall die vertragliche Regelung über die Rückzahlungspflicht von erhaltenen Provisionsvorschüssen und Provisionen geeignet ist, den oder die Handels- bzw. Versicherungsvertreter*in von einer Kündigung des Vertrages abzuhalten (vergleiche OLG Köln 13. Mai 2016 - 19 U 156/15 - Rn. 23 zitiert nach juris mwN).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ist in der zwischen den Parteien vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung keine unzulässige Kündigungsbeschränkung zu sehen. Zwar ist es nach Ziffer 12.4.7 Satz 1 des Vertrages der Klägerin überlassen, ob sie den Beklagten während des laufenden Vertrages regelmäßig oder nur im Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses auffordert, ein Sollsaldo auf seinem Provisionskonto auszugleichen. Jedoch wird zum einen durch die Regelungen zur Auszahlung aus dem Provisionskonto in Ziffer 13.4 des Vertrages und zum anderen durch die Regelungen zur Stornoreserve in Ziffer 15 des Vertrages sichergestellt, dass es unter normalen Umständen und, wenn sich beide Vertragsparteien an den Vertrag halten, nicht zu höheren, den Beklagten in seiner Kündigungsfreiheit negativ beeinflussenden Rückforderungen kommen kann.

(1) Nach Ziffer 13.4 Satz 1 des Vertrages überweist die Klägerin, wenn sich aus der monatlichen Abrechnung nach Ziffer 13.1 des Vertrages ein Guthaben von mehr als (bzw. mindestens) 25,00 Euro ergibt, den Guthabenbetrag auf das Konto des Beklagten. Hingegen sehen die Regelungen in Ziffer 13.4 des Vertrages keine Auszahlung vor, wenn das Guthaben auf dem Provisionskonto geringer ist oder der Kontostand sich gar im Negativen befindet. Damit wird zugleich verhindert, dass das Sollsaldo auf dem Provisionskonto übermäßig ansteigen kann, selbst wenn es zur Rückforderung von Provisionsvorschüssen kommt. Denn es ist ausgeschlossen, das auf der vertraglichen Basis Rückzahlungsverpflichtungen und damit Bindungen an die Klägerin entstehen, die sich nicht aus dem gewöhnlichen Ablauf der Geschäftsbeziehung ergeben. Der Vertrag ist auch nicht auf das Entstehen eines Minussaldos angelegt, weil im Normalverlauf der Vertragsbeziehung mit laufenden Gutschriften auf dem Provisionskonto des Beklagten zu rechnen ist.

(2) Ferner werden nach Ziffer 12.4.1 Satz 1 des Vertrages als Provisionsvorschuss nur jeweils höchstens 90 % der auf die vermittelten Verträge anfallenden Provisionen auf das Provisionskonto des Beklagten gebucht, während die restlichen mindestens 10 % nach Ziffer 15.1 Satz 1 des Vertrages zur Absicherung etwaiger Rückzahlungsverpflichtungen als Stornoreserve auf dem Stornoreservekonto des Beklagten zu buchen sind, wobei die Klägerin den Prozentsatz nach Ziffer 31.1 Satz 2 des Vertrages nach eigener Risikoeinschätzung unter Berücksichtigung der von ihren Partnergesellschaften vorgenommenen Bewertung des Stornorisikos auch höher festsetzen kann. Nach Ziffer 15.3 Satz 2 des Vertrages werden Beträge aus der Stornoreserve nur ausbezahlt, sobald und soweit ihr keine zu sichernden Forderungen der Klägerin mehr gegenüberstehen. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Stornoreserve von 10 % üblicherweise ausreichend ist, um das Rückzahlungsrisiko ausgezahlter, noch nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse und Provisionen abzudecken. Gegenteiliges hat auch der Beklagte nicht vorgetragen. Dafür spricht außerdem, dass sich die Klägerin in Ziffer 20.5 Satz 2, 13. Spiegelstrich des Vertrages das Recht zur fristlosen Kündigung vorbehalten hat, wenn die Stornoquote der in den letzten zwölf Monaten eingereichten Neuverträge 20 % überschreitet.

(3) Gleichzeitig besteht ein Anspruch auf Buchung der Provisionsvorschüsse auf dem Provisionskonto nach Ziffer 12.4.5 Satz 1 des Vertrages nur, wenn die Stornoquote 10 % nicht übersteigt. Auch dadurch wird das Risiko, dass es zu hohen Rückforderungen am Ende des Vertragsverhältnisses kommen kann, weiter reduziert.

(4) Danach kann es nach den vertraglichen Regelungen im Fall einer Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Beklagten nur dann zu einer hohen Rückzahlungsverpflichtung kommen, wenn er sich im Zusammenhang mit der Kündigung trotz Stornogefahrmitteilungen nicht mehr um die Durchführung der Verträge, deren für die Provision maßgebliche Haftungszeit noch nicht abgelaufen ist, kümmert und dadurch die Stornoquote ungewöhnlich ansteigt.

b) Die Geltendmachung der Rückforderung verstößt auch nicht gegen § 242 BGB.

aa) Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung (BGH 18. März 2021 - VIII ZR 305/19 - Rn. 81; Grüneberg/Grüneberg, BGB 81. Auflage § 242 Rn. 38). Eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist als Rechtsüberschreitung missbräuchlich und unzulässig (Grüneberg/Grüneberg, aaO). Durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen sind nach § 242 BGB grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen. Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der oder die Berechtigte die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten zielgerichtet erworben, liegt eine unzulässige Rechtsausübung vor (vergleiche BAG 26. Januar 2017 - 8 AZR 848/13 - Rn. 125; BAG 21. September 2017 - 2 AZR 865/16 - Rn.36). Fehlt es dagegen an einem zielgerichteten Verhalten, bedarf es einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls (vergleiche BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21; Grüneberg/Grüneberg, § 242 Rn. 43). Dabei ist jedoch insgesamt Zurückhaltung geboten. Nicht jede Unbilligkeit rechtfertigt eine Korrektur des gesetzlich vorgesehenen Ergebnisses über § 242 BGB (BeckOK (Beck´scher Online-Kommentar, BGB/Sutschet, Stand: 1. Februar 2022 § 242 Rn. 49). Es muss vielmehr eine Situation bestehen, die es als untragbar erscheinen lässt, das aus der Gesetzesanwendung folgende Ergebnis zu akzeptieren (vergleiche BGH 18. März 2021 - VIII ZR 305/19 - Rn. 81; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB Neubearbeitung § 242 Rn. 219).

bb) Danach greift der Einwand des Rechtsmissbrauch vorliegend nicht durch.

(1) Zwar hat die Klägerin dem Beklagten bis einschließlich September 2016 regelmäßig Vorschüsse ausgezahlt, ohne dass die Zahlungen in einem direkten Bezug zu den vom Beklagten vermittelten Geschäften standen oder durch die von ihm erwirtschafteten Provisionen und Provisionsvorschüsse gedeckt waren. Sie hat dadurch das negative Saldo auf dessen Provisionskonto zumindest mitverursacht. Jedoch sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Klägerin den Beklagten gezielt in die Überschuldung getrieben hat, um ihn an sich zu binden. Dem steht schon entgegen, dass die Klägerin die Auszahlungen nicht von sich aus vorgenommen hat, sondern stets nur auf Antrag des Beklagten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Anträge teilweise nicht vom Beklagten selbst unterzeichnet sind, sondern Herr K. die Anträge im Auftrag des Beklagten unterschrieben hat. Denn, dass die Klägerin dem Beklagten die in den Anträgen ausgewiesenen Beträge gegen seinen Willen aufgedrängt hat, hat auch der Beklagte nicht behauptet. Vielmehr hat er selbst vorgetragen, er habe Herrn K. Monat für Monat bestätigen müssen, wofür er die Auszahlungen benötigte. Letzteres spricht auch dafür, dass Herr K. die Auszahlungen nicht ohne Weiteres befürwortete, sondern erst nach gesonderter Prüfung.

(2) Soweit die Klägerin darüber hinaus auch Zahlungen an Dritte geleistet und diese über das Provisionskonto des Beklagten verbucht hat, hat sie für den Beklagten Verbindlichkeiten, die dieser bei den Dritten, darunter das Finanz- und Gewerbeamt, hatte, beglichen. Auch insoweit ging die Initiative von dem Beklagten aus und nicht etwa von der Klägerin. Der Beklagte hat die Klägerin also von sich aus in die Lösung seiner finanzielle Probleme einbezogen.

(3) Soweit der Beklagte im Mai 2015 bei der K. Bank ein Darlehen in Höhe von 29.446,00 Euro aufgenommen hat, und dazu von der Klägerin gedrängt worden sein soll, wie er behauptet, übersieht er, dass das Darlehen zu ganz wesentlichen Teilen der Tilgung seiner Steuerschulden beim Finanzamt in Höhe von 17.529,43 Euro und beim Gewerbeamt in Höhe von 3.555,00 Euro und nur der restliche Betrag von 8.361,57 Euro dem Ausgleich seines Provisionskonto diente. Zudem hätte es, wenn er das Darlehen nicht aufgenommen und dieses demnach auch nicht über sein Provisionskonto abgewickelt worden wäre, nichts daran geändert, dass er verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin den Betrag zu erstatten, mit dem sie für ihn beim Finanzamt und beim Gewerbeamt in Vorleistung getreten war. Insoweit wurde seine finanzielle Abhängigkeit von der Klägerin nicht erhöht.

(4) Bei den Auszahlungen handelte es sich - anders als bei dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 17. März 2000 (14 U 77/99) zugrunde lag - auch nicht um regelmäßige Zahlungen in gleichbleibender Höhe. Sie waren deshalb auch nicht mit einem festen regelmäßigen Arbeitseinkommen vergleichbar. Vielmehr schwankten die Auszahlungen in den einzelnen Monaten hinsichtlich ihrer Anzahl und Höhe ganz erheblich. Es kam auch vor, dass über einen Zeitraum von einem Monat keine Auszahlungen vorgenommen wurden, so beispielweise im Dezember 2013/Januar 2014 sowie im März und Juli 2012.

(5) Das Minus auf dem Provisionskonto des Beklagten stieg auch nicht kontinuierlich an, sondern unterlag ebenfalls erheblichen Schwankungen. Dies änderte sich erst ab September 2016 und damit etwa zeitgleich mit der Einstellung der Auszahlungen an den Beklagten, kurz bevor die Klägerin das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten im Oktober 2016 von sich aus ordentlich kündigte. Die letzten Auszahlungen hatte die Klägerin am 15. August 2016 über 1.500,00 Euro und 974,00 Euro vorgenommen.

(6) Hinzukommt, dass nicht nur die Klägerin, sondern auch der Beklagte durch die monatlichen Abrechnungen stets einen Überblick über die Entwicklung seines Provisionskontos hatte und er, als der Minusstand auf seinem Provisionskonto im Juni 2014 einen fünfstelligen Betrag erreichte, aufgrund der Dauer seiner Tätigkeit für die Klägerin längst kein unerfahrener Anfänger mehr war, sondern die Bedingungen bei der Klägerin und die Tücken des Geschäfts bestens kannte. Es wäre deshalb in erster Linie an ihm gewesen, die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen, solange der Minusstand noch überschaubar war.

II. Die Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung überzahlter Provisionsvorschüsse aus dem Vertrag sind verjährt, soweit sie sich aus den Abrechnungen bis einschließlich April 2017 ergeben.

1. Nach Ziffer 16 Satz 1 und 4 des Vertrages verjähren Ansprüche aus dem Vertrag in 13 Monaten ab dem Schluss des Monats, indem der Anspruchsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, hier also den die Rückforderungsansprüche begründenden Umständen erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Danach ist für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Einstellung der jeweiligen Rückforderungsansprüche in die monatlichen Abrechnungen abzustellen. Denn einerseits ist davon auszugehen, dass die Klägerin spätestens mit der Einstellung der Forderungen Kenntnis von den die Erstattungsansprüche auslösenden Umständen hatte, da es andernfalls keinen Sinn gemacht hätte, die Forderungen in die Abrechnungen aufzunehmen. Andererseits hat der für den Beginn der Verjährung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keine Anhaltspunkte vorgetragen, dass die Klägerin bereits früher davon ausgehen musste, dass die Nichtdurchführung bzw. die nicht vollständige Durchführung der vermittelten Verträge feststand, weil Stornierungsabwehrbemühungen des Beklagten entweder keinen Erfolg hatten oder überhaupt nicht ergriffen wurden (ähnlich OLG Köln vom 25. Januar 2019 - 19 U 135/18 - unter II 4 der Gründe, Blatt 1447 ff. der Akten).

2. Die Verjährungsfrist ist nicht nach § 205 BGB im Hinblick auf eine wirksame Kontokorrentabrede gehemmt (zur analogen Anwendung des § 205 BGB auf Kontokorrentabreden Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Steimle/Dornieden, HGB 5. Auflage § 355 Rn. 30; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB 41. Auflage § 355 Rn. 12). Die von den Parteien in Ziffer 13.3 und 13.6 des Vertrages getroffene Kontokorrentabrede ist unwirksam.

a) Bei dem Vertrag handelt es sich - wovon auch die Parteien ausgehen - schon aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Absatz 1 Satz 1 BGB.

b) Die Kontokorrentabrede ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam.

aa) Nach § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den oder die Verwender*in keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der oder die Vertragspartner*in des oder der Klauselverwender*in von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen deshalb so bestimmt oder zumindest so bestimmbar sein, dass der oder die Vertragspartner*in des oder der Klauselverwender*in bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn oder sie zukommt. Eine Klausel verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten enthält und Spielräume eröffnet. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der oder die Verwender*in keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der oder die Vertragspartner*in des oder der Klauselverwender*in wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine oder ihre Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Absatz 1 BGB (vergleiche nur BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 33).

bb) Danach ist die Kontokorrentabrede intransparent.

(1) Bei der in Ziffer 13.3 und 13.6 des Vertrages getroffenen Vereinbarung handelt es sich eindeutig um eine Kontokorrentabrede.

(a) Eine Kontokorrentabrede im Sinne von § 355 Absatz 1 HGB setzt eine auf eine gewisse Dauer angelegte Geschäftsbeziehung von zwei am Geschäftsverkehr teilnehmenden Parteien voraus, wobei zumindest eine der beiden Parteien Kaufmannseigenschaft haben muss (Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Steimle/ Dornieden, § 355 Rn. 7 und 10; Baumbach/Hopt/Hopt, § 355 Rn. 3 f.). Weiter müssen sich die Parteien auf die wechselseitige Inrechnungstellung ihrer gegenseitigen Forderungen und deren Verrechnung und Saldierung in regelmäßigen Zeitabschnitten sowie den Abschluss von Saldoanerkenntnissen geeinigt haben (Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Steimle/Dornieden, § 355 Rn. 12 und 14; Baumbach/Hopt/Hopt § 355 Rn. 5 f.).

(b) Mit dem Vertrag vom 20. November/21.Dezember 2009 sind die Parteien, wobei jedenfalls die Klägerin als Aktiengesellschaft nach § 6 Absatz 1 HGB in Verbindung mit § 3 Absatz 1 AktG (Aktiengesetz) unzweifelhaft Kaufmannseigenschaft besitzt, eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung eingegangen. In Ziffer 13.3 Satz 2 des Vertrages haben sie die Verrechnung und Saldierung der gegenseitigen Ansprüche im Rahmen der monatlichen Abrechnung nach Ziffer 13.1 Satz 1 des Vertrages vereinbart. Schließlich haben sie in Ziffer 13.6 des Vertrages vereinbart, dass der Beklagte der Klägerin jährlich bis zum 31. März des Folgejahres eine Saldobestätigung erteilt, mit der er die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnungen bestätigt und damit das Saldo entsprechend der im Dezember erteilten Abrechnung anerkennt.

(2) Jedoch ist die Kontokorrentabrede intransparent, weil aus ihr nicht hinreichend deutlich wird, dass sie nicht den Teil der zu erwartenden Provisionen erfasst, der nach der Ziffer 12.4.1 Satz 1 in Verbindung mit Ziffer 15 des Vertrages als zu leistende Sicherheit auf das Stornoreservekonto des Beklagten gebucht wird, sondern nur den Teil, der als Provisionsvorschuss mit den Provisionen und Provisionsrückforderungen auf das Provisionskonto des Beklagten im Sinne der Ziffer 12.4.7 Satz 1 des Vertrages gebucht wird.

(a) Nach den für Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsregeln ist unklar, ob sich die Kontokorrentabrede sowohl auf das Provisionskonto des Beklagten bezieht oder auch die zu leistenden Sicherheiten auf dem Stornoreservekonto erfasst.

(aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartner*innen unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des oder der durchschnittlichen Vertragspartner*in des oder der Verwender*in zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner*innen zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner*innen beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartner*innen verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies nach § 305c Absatz 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Absatz 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr. (ständige Rechtsprechung) des BAG, vergleiche nur BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 26).

(bb) Danach kann sich die in Ziffer 13.3 und 13.6 des Vertrages getroffene Kontokorrentabrede entweder nur auf das Provisionskonto beziehen oder sowohl das Provisionskonto als auch das Stornoreservekonto umfassen.

(aaa) Für die erste Möglichkeit, dass sich die Kontokorrentabrede nur auf das Provisionskonto bezieht, sprechen systematische Gründe.

(aaaa) Nach Ziffer 12.4.1 Satz 1 in Verbindung mit Ziffer 15 des Vertrages umfassen die in Ziffer 12.4 des Vertrages geregelten Provisionsvorschüsse die für die Vermittlungstätigkeit geschuldeten Provisionen abzüglich der nach Ziffer 15 des Vertrages auf das Stornoreservekonto zu leistenden Sicherheiten und damit höchstens 90 % der möglichen Provisionen. Bestätigt wird dies durch Ziffer 15.1 Satz 1 des Vertrages, wonach mit jedem fälligen Vorschuss mindestens 10 % der vollen Provision auf das Stornoreservekonto gebucht wird.

Weiter rechnet die Klägerin die Vorschüsse und die gegebenenfalls sofort verdienten Provisionen einschließlich etwaiger Provisionsrückforderungen, mit denen das Provisionskonto des Beklagten nach Ziffer 12.4.7 Satz 1 des Vertrages belastet worden ist, nach Ziffer 13.1 Satz 1 in Verbindung mit Ziffer 13.3 Satz 2, letzter Halbsatz und Satz 3 des Vertrages monatlich ab, es sei denn, in einem Monat sind keine Kontobewegungen zu verzeichnen. Ergibt sich aus den Abrechnungen ein Guthaben von mehr als (bzw. mindestens) 25,00 Euro, zahlt die Klägerin dieses nach Ziffer 13.3 Satz 2, letzter Halbsatz in Verbindung mit Ziffer 13.4 Satz 1 und 2 des Vertrages an den Beklagten aus, während ein Guthaben von weniger als (bzw. bis zu) 25,00 Euro in die nächste Abrechnungsperiode übernommen („fortgetragen“) wird. Von einer Einbeziehung der Stornoreserve auf dem Stornoreservekonto in die monatlichen Abrechnungen und einer Verrechnung des Guthabens auf dem Stornoreservekonto mit dem Saldo auf dem Provisionskonto ist in Ziffer 13.1 und 13.3 des Vertrages hingegen keine Rede. Dagegen spricht auch die Regelung in Ziffer 12.4.7 Satz 3 des Vertrages, wonach der Beklagte nicht berechtigt ist, die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen im Sinne der Ziffer 12.4.1 Satz 1 des Vertrages unter Hinweis auf das Stornoreservekonto zu verweigern, sofern Leistungen hieraus noch nicht fällig sind.

Das in Ziffer 13.6 des Vertrages geregelte Anerkenntnis („Saldobestätigung“) bezieht sich wiederum auf die bis Dezember eines Jahres erteilten monatlichen Abrechnungen im Sinne der Ziffer 13.1 in Verbindung mit Ziffer 13.3 Satz 2, letzter Halbsatz des Vertrages und damit ebenfalls nur auf die Provisionsvorschüsse, Provisionen und Provisionsrückforderungen.

(bbbb) Aus den übrigen Regelungen in Ziffer 13.3 Satz 2 des Vertrages, wonach die Klägerin für den Beklagten ein laufendes Agenturkonto führt, auf dem sie die von den Partnerunternehmen mitgeteilten Vorschüsse, Provisionen und Provisionsrückforderungen zusammenfasst und etwaige Sollsalden und Habensalden verrechnet, ergibt sich nichts anderes. Bei dem Agenturkonto handelt es sich weder um das in 12.4.7 Satz 1 des Vertrages angesprochene Provisionskonto des Beklagten, noch um das in Ziffer 12.4.7 Satz 2 und Ziffer 13.1 Satz 1 und 13.3 Satz 1 des Vertrages genannte Stornoreservekonto des Beklagten. Denn wie sich schon aus dem Wortlaut der Regelung ergibt, betrifft das Agenturkonto, auch wenn es für den Beklagten geführt wird, nicht das Verhältnis zwischen diesem und der Klägerin, sondern das Verhältnis zwischen der Klägerin und deren Partnergesellschaften. Der Beklagte erhält nach Ziffer 13.3 Satz 2, letzter Halbsatz des Vertrages auch nicht etwa das sich aus dem Saldo des Agenturkontos ergebende Guthaben, sondern das sich nach Abrechnung ergebende Guthaben, womit nur die Abrechnung seines Provisionskontos gemeint sein kann. Das Agenturkonto ist damit nur die Grundlage für die Abrechnung des Provisionskontos des Beklagten und nicht mit diesem identisch.

Bestätigt wird dieses Verständnis der Regelung in Ziffer 13.3 Satz 2 des Vertrages auch durch den Zweck des Agenturkontos. Nach Ziffer 13.2 Satz 2 des Vertrages besteht zwischen den Vergütungszahlungen der Partnergesellschaften an die Klägerin und den Vergütungszahlungen, die die Klägerin aufgrund des Vertrages dem Beklagten schuldet, eine Wechselwirkung. Gleichzeitig bedingen die Verbundenheit der Klägerin mit zahlreichen Partnerunternehmen und die große Produktvielfalt nach Ziffer 13.3 Satz 1 des Vertrages komplexe Abrechnungsvorgänge. Das Agenturkonto soll dem Beklagten nach Ziffer 13.3 Satz 2 des Vertrages einen Überblick über seine jeweiligen aktuellen Einkommensverhältnisses geben.

(bbb) Für die zweite Möglichkeit, dass sich die Kontokorrentabrede sowohl auf das Provisionskonto als auch das Stornoreservekonto des Beklagten bezieht, spricht hingegen der Sinn und Zweck der vertraglichen Regelungen.

Eine Kontokorrentabrede dient der Vereinfachung des Zahlungsverkehrs, indem eine Mehrzahl wechselseitiger Ansprüche auf eine Forderung, den Saldo, reduziert wird (Baumbach/Hopt/Hopt, § 355 Rn. 1; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Steimle/ Dornieden, § 355 Rn. 4), sowie der regelmäßigen Klärung der Berechtigung der in das Kontokorrent eingestellten Einzelforderungen durch periodische Saldoanerkenntnisse (vergleiche dazu Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Steimle/Dornieden, § 355 Rn. 35). Da die Stornoreserve und die Provisionsvorschüsse miteinander zusammenhängen und das Stornoreservekonto auch sonst nicht losgelöst von den Geschäftsvorgängen auf dem Provisionskonto besteht, sondern gerade der Absicherung möglicher Rückzahlungsforderungen dient, ist es nicht sachgerecht, die Konten voneinander getrennt zu betrachten und unterschiedlich zu behandeln. Hinzu kommt, dass sich das Vereinfachungs- und Klärungsbedürfnis aus Sicht der Klägerin nicht nur auf Provisionsvorschüsse, Provisionen und Rückforderungsansprüche, sondern auch auf die Stornoreserve erstreckt und der Beklagte zumindest ein Interesse daran hat, dass die monatlichen Abrechnungen auch die Stornoreserve umfassen, weil er nur so einen wirklichen Überblick über seine finanziellen Verhältnisse bekommt. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Stornoreserve und der beiderseitigen Interessen wäre es deshalb naheliegend, dass sich die Kontokorrentabrede - wie sie von den Parteien auch praktiziert worden war - sowohl auf das Provisions- als auch das Stornoreservekonto des Beklagten bezieht.

(b) Nach § 305c Absatz 2 BGB geht diese Unklarheit zu Lasten der Klägerin als die Verwenderin der Klauseln. Daher ist der ersten Möglichkeit der Vorzug zu geben, da diese für den Beklagten günstiger ist. Denn wenn sich die Kontokorrentabrede nur auf das Provisionskonto bezieht, sind dem Beklagten durch das Saldoanerkenntnis nach Ziffer 13.6 des Vertrages Einwände gegen den Einbehalt der Stornoreserve nicht abgeschnitten. Beispielweise kann er trotz Erteilung einer Saldobestätigung gegen die Reduzierung seines Guthabens auf dem Stornoreservekonto infolge von Rückforderungen weiterhin einwenden, die Forderungen seien nicht berechtigt, weil die Verträge tatsächlich nicht storniert worden seien oder die Klägerin die Stornierungen zu vertreten habe.

(c) Damit ist die Kontokorrentabrede zugleich intransparent im Sinn des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB. Denn, da bei richtiger Auslegung der Kontokorrentabrede keine Verrechnung zwischen dem Provisionskonto und dem Stornoreservekonto stattfindet, kann der Beklagte noch Ansprüche aus Gutschriften auf dem Stornoreservekonto haben, auch wenn wegen der Kontokorrentabrede keine Ansprüche aus dem Provisionskonto mehr bestehen. Dies ist den vertraglichen Regelungen indes - wie oben ausgeführt - nicht mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Daher ist die Kontokorrentabrede geeignet, den Beklagten davon abzuhalten, Ansprüche aus den Gutschriften auf dem Stornoreservekonto geltend zu machen.

(d) Der Verstoß gegen das Transparenzgebot führt dazu, dass die Kontokorrentabrede insgesamt unwirksam ist. Eine geltungserhaltene Reduktion kommt nicht in Betracht (vergleiche BGH 19. Juli 2019 - V ZR 75/18 - Rn. 30 mwN; Grüneberg/Grüneberg, § 306 Rn. 6).

3. Der Verjährung steht auch nicht das von der Klägerin behauptete Anerkenntnis des Beklagten vom 19. Januar 2016 entgegen. Das Anerkenntnis hat für die Verjährung keine Bedeutung. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob die unter dem 19. Januar 2016 angebrachte Unterschrift auf der Saldenbestätigung vom 12. Dezember 2015 - gleichwohl dafür sehr viel spricht - von dem Beklagten stammt oder nicht.

Das Anerkenntnis, das sich sowohl auf die Buchungen auf dem Provisionskonto als auch auf die Buchungen auf dem Stornoreservekonto bezieht und von einer Verrechnung der Salden beider Konten ausgeht, dient den Gesamtumständen nach der Erfüllung der vermeintlichen Verpflichtung des Beklagten aus der Ziffer 13.6 des Vertrages. Es ist deshalb - unterstellt die Unterschrift auf der Saldenbestätigung stammt von dem Beklagten - so auszulegen, dass es von dem Beklagten unter der stillschweigenden Bedingung der Wirksamkeit der Kontokorrentabrede unterzeichnet worden war. Unabhängig davon wäre es aber auch mit dem Schutzzweck des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB nicht zu vereinbaren, den Beklagten an einem Anerkenntnis festzuhalten, das auf einer Kontokorrentabrede beruht, die geeignet ist, den Beklagten von der Geltendmachung berechtigter Ansprüche abzuhalten.

4. Danach sind nach Ziffer 16 des Vertrages alle Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung von nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse und Provisionen bis einschließlich April 2017 verjährt.

Die Klägerin hat die Rückforderungsansprüche monatlich zum 15. des Folgemonats abgerechnet. Die Klage ist am 6. Juli 2018 beim Landgericht Frankfurt (Oder) eingegangen und dem Beklagten am 25. Juli 2018, also demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden. Dass das Landgericht Frankfurt (Oder) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) verwiesen hat, ist unerheblich, da nach § 204 Absatz 1 Nr. 1 BGB der Eintritt der Verjährung auch durch die Erhebung der Klage bei einem unzuständigen Gericht gehemmt wird (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB Neubearbeitung § 204 Rn. 27; BeckOGK (beck-online.GROSSKOMMENTAR)/Meller-Hannich, BGB Stand 1. Dezember 2021 § 240 Rn. 28). Zudem bleiben die Wirkungen der Rechtshängigkeit nach der Verweisung nach § 17b Absatz 1 Satz 2 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) ohnehin bestehen. Damit sind alle bis einschließlich April 2017 entstandenen sowie zugleich fällig gewordenen und spätestens im Mai 2017 abgerechneten Rückforderungsansprüche verjährt.

III. Die nicht verjährten Rückzahlungsansprüche belaufen sich unter Berücksichtigung der Aufrechnungserklärung der Klägerin vom 9. August 2021 auf insgesamt 8.312,04 Euro.

1. Die Rückforderungsansprüche der Klägerin sind anhand der von ihr eingereichten monatlichen Abrechnungen zu berechnen.

a) Der Grundsatz, dass der für die Begründung einer Klage erforderliche Sachvortrag entsprechend § 130 Nr. 3 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen hat (vergleiche BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29), steht dem nicht entgegen.

aa) Zwar sind die Gerichte nicht verpflichtet, sich den erforderlichen Sachvortrag aus umfangreichen ungeordneten Anlagenkonvoluten selbst herauszusuchen. Anlagen können lediglich der Erläuterung und Konkretisierung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht vollständig ersetzen (vergleiche BAG 17. April 2019 - 7 AZR 292/17 Rn. 42; BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29; BGH 2. Oktober 2018 - VI ZR 213/17 - Rn. 8; BGH 17. März 2016 - III ZR 200/15 - Rn. 19).

bb) Eine solche Konstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Die Klägerin hat in den Abrechnungen im Einzelnen übersichtlich aufgelistet, welche Vorschüsse und Provisionen für welche von dem Beklagten oder den ihm unterstellten Finanzdienstleister*innen in welcher Höhe dem Provisionskonto des Beklagten im maßgeblichen Zeitraum gutgeschrieben worden sind und mit welchen Rückforderungen bezogen auf welche Verträge das Provisionskonto in welcher Höhe belastet worden ist. Ferner hat sie die in den Abrechnungen verwendeten Kürzel im Schriftsatz vom 15. November 2018 erläutert. Die Abrechnungen sind als solche nachvollziehbar und verlangen von der Kammer keine weitere Sucharbeit. Es wäre deshalb eine bloße, für die rechtliche Beurteilung des Sachvortrages keinerlei weiteren Nutzen bringende Förmelei, von der Klägerin zu verlangen, den Inhalt der Abrechnungen im Schriftsatz nochmals wiederzugeben (vergleiche dazu auch BGH 2. Oktober 2018 - VI ZR 213/17 - Rn. 8; BGH 23. September 2014 - II ZB 24/13 - Rn. 12).

Soweit der Beklagte pauschal einwendet, die Abrechnungen seien völlig unübersichtlich und nicht ansatzweise nachvollziehbar, ist dies schon deshalb unverständlich, weil die Klägerin dem Beklagten während der mehrjährigen Zusammenarbeit stets entsprechende Abrechnungen erteilt hat und nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte die Art und Weise der Abrechnungen je beanstandet hat (vergleiche dazu auch OLG Köln 25. Januar 2019 - 19 U 135/18 - unter II 4 der Gründe, Blatt 1454 ff. der Akten).

b) Die inhaltlichen Einwände des Beklagten gegen die sich aus den Abrechnungen ergebenden Rückforderungen greifen ebenfalls nicht durch.

aa) Soweit der Beklagte erstinstanzlich behauptet hat, er sei bei der Signal Iduna und der Volksfürsorge als Handelsvertreter direkt angeschlossen gewesen, weshalb der Klägerin insoweit die Aktivlegitimation fehle, hat er sein Vorbringen, gleichwohl die Klägerin das Bestehen separater Handelsvertreterverträge mit beiden Versicherungsgesellschaften bestritten hat, nicht näher konkretisiert und die Verträge auch nicht vorgelegt.

bb) Soweit er pauschal bestritten hat, dass es zu Stornierungen in der von der Klägerin behaupteten Höhe gekommen sei, ist sein Bestreiten angesichts der von der Klägerin als Anlage K6 eingereichten Aufstellung (Blatt 408 ff der Akten) nach § 138 Absatz 2 ZPO unbeachtlich. In der Aufstellung hat die Klägerin für die Zeit nach Dezember 2015 im Einzelnen aufgelistet, welche Verträge wann storniert worden sind und wie sich dies auf die auf den Vertrag angefallene Provision ausgewirkt hat. Der Beklagte wäre deshalb gehalten gewesen, auf das Vorbringen der Klägerin konkret zu erwidern und anzugeben, welche Angaben in der Aufstellung unzutreffend sein sollen.

cc) Entsprechendes gilt bezogen auf die Nachbearbeitung der notleidenden Verträge. Zwar hat der Beklagte behauptet, er habe von den vorgelegten Stornogefahrmitteilungen nur einige wenige erhalten. Er hat jedoch auch insoweit nicht näher substantiiert, welche Stornogefahrmitteilungen er erhalten haben will und welche nicht. Außerdem kommt es nicht darauf an, ob der oder die Versicherungsvertreter*in die Stornogefahrmitteilungen tatsächlich erhalten hat. Denn ein Versicherungsunternehmen oder eine dazwischengeschaltete Vermittlungsgesellschaft wie die Klägerin genügen der Verpflichtung zur Stornogefahrabwehr schon dann, wenn die Stornogefahrmitteilung rechtzeitig an den oder die Versicherungsvertreter*in abgesendet wird (vergleiche BGH 28. Juni 2012 - VII ZR 130/11 - Rn. 20; BGH 1. Dezember 2010 - VIII ZR 310/09 - Rn. 24). Dass die Klägerin die vorgelegten Stornogefahrmitteilungen nicht rechtzeitig abgesandt hat, ist nicht ersichtlich und hat auch der Beklagte nicht behauptet.

Soweit der Beklagte gerügt hat, die in den Stornogefahrmitteilungen enthaltenen Informationen seien für eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung völlig unzureichend, kann dem nicht gefolgt werden. Die Stornogefahrmitteilungen enthalten neben dem vollständigen Namen und der Anschrift des oder der Kund*in, nähere Angaben zum Vertrag, dem Grund für die Stornogefahr und dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Stornogefahr sowie zur Höhe der Abschlussprovision. Welche darüber hinausgehenden Angaben der Beklagte benötigt werden, um Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, erschließt sich nicht.

Die Klägerin war auch nicht gehalten, die Nachbearbeitung ab Februar 2017 selbst vorzunehmen oder durch andere Versicherungsvertreter*innen vornehmen zu lassen. Das Vertragsverhältnis der Parteien endete erst zum 31. Dezember 2017 aufgrund der ordentlichen Kündigung der Klägerin vom 11. Oktober 2016 und nicht bereits im Februar 2017 aufgrund der außerordentlichen Kündigung des Beklagten vom 9. Februar 2017. Denn einen wichtigen Grund, der die außerordentliche Kündigung vom 9. Februar 2017 rechtfertigen könnte, hat der Beklagte auch im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen. Dass die Klägerin das Vertragsverhältnis im August 2017 ihrerseits außerordentlich fristlos durch Herrn K. gekündigt hatte, ist nicht ersichtlich, da der Beklagte weder zu der behaupteten Kündigung noch zur Vertretungsbefugnis des Herrn K. Näheres vorgetragen hat.

dd) Schließlich kann sich der Beklagte auch nicht mit Erfolg auf § 814 BGB berufen. Zum einen handelt es sich um vertragliche Rückforderungsansprüche, für die § 814 BGB nicht gilt. Zum anderen ist die Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen, wenn eine Leistung - wie hier - nur unter Vorbehalt erbracht worden ist (Staudinger/Lorenz, BGB Neubearbeitung § 814 Rn. 7).

2. Die Rückforderung ist nicht mit dem Guthaben des Beklagten auf dem Stornoreservekonto in Höhe von 4.708,66 Euro zu verrechnen, da - wie oben ausgeführt worden ist - die Stornoreserve von der Verrechnungsvereinbarung der Parteien nicht erfasst ist.

3. Allerdings hat die Beklagte für den Fall, dass eine Saldierung nicht möglich ist, hilfsweise ihre nicht verjährte Rückforderung gegen das Guthaben des Beklagten auf dem Stornoreservekonto nach § 388 BGB wirksam aufgerechnet. Der nicht verjährte Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist daher nach § 389 BGB in Höhe des Guthabens erloschen.

4. Damit ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Differenz zwischen dem in der Abrechnung für Dezember 2017 und dem in der Abrechnung für April 2017 ausgewiesenen Salden auf seinem Provisionskonto in Höhe von 13.020,70 Euro (95.804,02 Euro - 82.783,32 Euro) abzüglich des in der Abrechnung für Dezember 2017 ausgewiesenen Guthabens auf seinem Stornoreservekonto in Höhe von 4.708,66 Euro zurückzuerstatten.

II. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Absatz 1 Satz 1, § 247 BGB in Verbindung mit § 253 Absatz 1, § 261 Absatz 1 ZPO. Die Klage ist dem Beklagten am 25. Juli 2018 zugestellt worden. Daher stehen der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 187 Absatz 1 BGB Prozesszinsen ab dem 26. Juli 2018 zu.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 1 und 2 Nummer 1, § 97 Absatz 1 ZPO. Da das Unterliegen des Beklagten verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten verursacht hat, konnten der Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden.

D. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Absatz 2 ArbGG liegen nicht vor.