Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 5 L 161/22


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer Entscheidungsdatum 25.05.2022
Aktenzeichen 5 L 161/22 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2022:0525.5L161.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 24. Mai 2022 gegen den Teilwiderrufs- und Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 20. Mai 2022 wird wiederhergestellt, soweit mit diesem die mit Bescheid vom 19. Mai 2022 erteilte Ausnahmegenehmigung nach dem Landesimmissionsschutzgesetz zur Durchführung der Veranstaltung „Familien-Frühlingsgarten 2022“ am 26. Mai 2022 in der Zeit von 11:00 Uhr bis 19:00 Uhr auf dem Gelände des B..., 1...aufgehoben wurde.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der eine Event/Catering Agentur betreibt, beabsichtigt die Durchführung eines „Familien– und Frühlingsgartens“ auf dem B...in der Gemeinde H....

Am Donnerstag, dem 26. Mai 2022, sollen folgende Programmteile stattfinden:

11:00 Uhr bis 15:00 Uhr musikalischer Frühschoppen
16:00 Uhr bis 17:00 Uhr Kinderprogramm
18:00 Uhr bis 22:00 Uhr „Schlager trifft Rock“ mit DJ

Hierfür stellte der Antragsteller einen Antrag vom 14. April 2022 auf Ausnahmegenehmigung nach dem Landesimmissionsschutzgesetz. Der Antragsgegner genehmigte mit Bescheid vom 19. Mai 2022 insbesondere auch für den Zeitraum 26. Mai 2022, 11:00 Uhr bis 22:00 Uhr unter Aufnahme von Nebenbestimmungen die beantragte Veranstaltung. Der Antragsgegner ordnete zugleich die sofortige Vollziehung der Ausnahmegenehmigung an.

Mit dem 1. Änderungsbescheid zur Ausnahmegenehmigung nach § 10 Abs. 3 und § 11 Abs. 4 Landesimmissionsschutzgesetz vom 19. Mai 2022 für den „Familien– und Frühlingsgarten 2022“ vom 26. Mai 2022 bis 29. Mai 2022 widerrief der Antragsgegner den oben genannten Bescheid und fasste diesen neu. Der Zeitraum 26. Mai 2022 mit den vom Antragsteller beantragten Zeiten ist im 1. Änderungsbescheid nicht mehr enthalten. Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag die Veranstaltung auch am 26. Mai 2022 durchzuführen beabsichtigte, lehnte der Antragsgegner diesen Veranstaltungsteil sinngemäß gemäß der beigefügten Begründung (VII.) ab und verwies darauf, dass es sich bei dem 26. Mai 2022 um einen kirchlichen Feiertag gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage – Feiertagsgesetz handele. An kirchlichen Feiertagen würden gemäß § 3 Feiertagsgesetz Arbeitsverbote gelten; es herrschte an diesen Tagen ein besonderes Interesse zur Ruhe. Aus diesem Grund sei eine Genehmigungserteilung für den 26. Mai 2022 nicht möglich gewesen. Wiederum ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Ausnahmegenehmigung an.

Der Antragsteller hat hiergegen Widerspruch vom 24. Mai 2022 erhoben, über den noch nicht entschieden worden ist.

Am selben Tag hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er macht geltend, dass die Vorschriften des Feiertagsgesetzes der Durchführung der Veranstaltung am 26. Mai 2022 in der Zeit von 11:00 bis 19:00 Uhr nicht entgegenstehen würden. Insbesondere sei die geplante Veranstaltung nicht geeignet, das Wesen des gesetzlich anerkannten Feiertags „Christi Himmelfahrt“ zu stören. So sei das Wesen dieses Feiertags nicht mehr auf den religiösen Aspekt beschränkt, sondern gelte in erster Linie dem volkstümlichen Vatertag bzw. „Herrentag“ als Anlass zur volksfestartigen Festlichkeiten. Zudem stehe für den Schutz von Feiertagen in erster Linie der Schutz der Gottesdienste im Vordergrund. Diesem Schutz der Gottesdienste werde durch Einhaltung der Ruhezeiten gemäß Veranstaltungsprogramm vollumfänglich nachgekommen.

Schließlich falle die vom Antragsteller geplante Veranstaltung unter den Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 Feiertagsgesetz. Vorliegend stünden Unterhaltungszwecke im Vordergrund und diene die Veranstaltung überwiegend der Freizeitbeschäftigung, wobei die Bevölkerung zur Befriedigung ihrer Freizeitbedürfnisse auf die sonntägliche Arbeit des betreffenden Betriebes angewiesen sei.

Weiterhin handele sich bei der vom Antragsteller geplanten Veranstaltung auch nicht um eine verbotene Veranstaltung im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Feiertagsgesetz, da Hauptzeit des Gottesdienstes gemäß S. 4 der Vorschrift zwischen 6:00 Uhr und 11:00 Uhr sei. Unstreitig beabsichtige der Antragsteller die Durchführung der von ihm geplanten Veranstaltung am 26. Mai 2022 erst ab 11:00 Uhr.

Der Antragsgegner tritt dem Vorbringen des Antragstellers entgegen und meint, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Insbesondere stünden die Regelungen des Feiertagsgesetzes der begehrten Genehmigung nach den §§ 10, 11 Landesimmissionsschutzgesetz entgegen. Weiterhin ist der Antragsgegner der Ansicht, dass nur durch die Marktfestsetzungen die Regelungen des Feiertagsgesetzes überlagert würden. Der in Rede stehende Feiertag „Christi Himmelfahrt“ sei für die dem christlichen Glauben angehörenden Personen ein wichtiger Feiertag. Typischerweise liege der Sinn und Zweck der Schausteller insbesondere am 26. Mai 2022 auf dem Erwerb von Geld durch Verkauf von Waren und durch Anbieten von Schaustellergewerbeleistungen/-spielen. Einer solchen Erwerbstätigkeit stehe indes der Sonn– und Feiertagsschutz entgegen, da dieser nicht vorwiegend der Ruhe der umliegenden Grundstücksanlieger diene, sondern insbesondere der Erholung und dem Schutz davor, jeden Tag der Woche arbeiten zu müssen.

II.

Der vom Antragsteller wörtlich gestellte Antrag,

1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 24.5.2022 gegen den Teilwiderrufs– und Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 20.5.2022 – Az.:32 23 –we – wiederherzustellen, soweit mit diesem die mit Bescheid vom 19.5.2022 erteilte Ausnahmegenehmigung nach dem Landesimmissionsschutzgesetz zur Durchführung der Veranstaltung „Familien – Frühlingsgarten 2022“am 26.5.2022 in der Zeit vom 11 bis 19 Uhr auf dem Gelände des B...in 1...– Aktenzeichen: 32 23 – we– aufgehoben wurde;

2. hilfsweise, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO aufzugeben, die von dem Antragsteller mit Antrag vom 17. April 2022 beantragte Ausnahmegenehmigung nach dem Landesimmissionsschutzgesetz für die Veranstaltung „Familien- Frühlingsgarten 2022“ am 26. 5. 2022 in der Zeit von 11 bis 19 Uhr auf dem Gelände des B...in 1...bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu erteilen,

hat - im Hauptantrag - Erfolg.

1. Das Aktivrubrum und das Passivrubrum waren von Amts wegen zu berichtigen, das Passivrubrum im Hinblick auf die landesrechtliche Regelung des § 8 Abs. 2 des Brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes, wonach (in der Hauptsache zu erhebende) Anfechtungsklagen gegen die Behörde zu richten sind, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat.

2. Bei summarischer Prüfung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen 1. Änderungsbescheides vom 20. Mai 2022.

Der Antragsgegner stützt die Versagung des am 26. Mai 2022 vorgesehenen Veranstaltungsteils des Familien- und Frühlingsgartens 2022 auf Regelungen des brandenburgischen Gesetzes über die Sonn– und Feiertage (Feiertagsgesetz – FTG) vom 27. März 1991 (GVBl I, 44) zuletzt geändert durch Viertes Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes vom 30.4.2015 (GVBl I Nr. 13).

Zufolge § 3 Abs. 1 FTG sind Sonntage und die gesetzlich anerkannten Feiertage Tage der allgemeinen Arbeitsruhe. Öffentlich wahrnehmbare Arbeiten oder Handlungen, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören oder die dem Wesen der Sonntage und gesetzlich anerkannten Feiertage widersprechen, sind verboten, soweit sie nicht nach § 4 FTG erlaubt sind.

a) Erlaubt sind nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 FTG als Ausnahme Arbeiten, die der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung dienen. Eine solche Ausnahme vom Arbeitsverbot an einem gesetzlichen Feiertag ist hier gegeben.

Geht es wie hier um die gesetzliche Ordnung von Lebensbereichen ist der Gesichtspunkt des Sonn– und Feiertagsschutzes kein isolierter – absolut zu setzender – Maßstab, dem sich alle anderen für die Regelung des jeweiligen Lebensbereichs bedeutsamen Gesichtspunkte schlechthin unterzuordnen hätten. Der Sonn– und Feiertagsschutz stellt vielmehr ein verfassungsgesetzlich vorgeschriebenes Regelungselement dar, dass der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zukommenden Gesetzgebungsmacht mit den anderen für den zu regelnden Lebensbereich bedeutsamen Regelungselementen zum Ausgleich bringen und damit im Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Ordnung durch eine eigenständige gesetzgeberische Entscheidung konkretisieren muss. Das gilt auch dort, wo der Sonntagsschutz (und Feiertagsschutz) als solcher den ausschließlichen Regelungsgegenstand bildet, wie dies im hier einschlägigen brandenburgischen Feiertagsgesetz der Fall ist. In diesem Rahmen hat der (Landes–) Gesetzgeber insbesondere darüber zu entscheiden, ob bestimmte Tätigkeiten an Sonntagen verboten sein sollen, oder ob sie beschränkt oder uneingeschränkt zulässig sein sollen. Dabei kann der gesetzliche Schutz des Sonn- bzw. Feiertags auch das gesetzliche Verbot von Tätigkeiten umfassen, die mit der verfassungsgesetzlich festgelegten Zweckbestimmung des Sonn- bzw. Feiertags als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung nicht vereinbar sind. Die Zweckbestimmung des Feiertags rechtfertigt es, Tätigkeiten zu verbieten, die mit dem Charakter des Sonn- bzw. Feiertags als Nichtwerktag unvereinbar sind, und dadurch zu ermöglichen, dass der Sonntag im sozialen Zusammenleben seiner Zweckbestimmung entsprechend begangen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1988 – 1 C 25/84 –, BVerwGE 79, 118-130 Rn. 24-26 juris).

Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich auch der Antragsteller bezieht, ob es sich bei der geplanten Veranstaltung bei objektiver Beobachtung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls des zu beurteilenden Lebensvorgangs seinem Gesamtcharakter nach um eine typisch werktägliche Veranstaltung handelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu entscheidungstragend ausgeführt:

„Es gibt Beschäftigungen, zu denen man erst nach der Berufstätigkeit, möglicherweise nur an Wochenenden kommt, die aber gleichwohl werktäglichen Charakter haben und damit der besonderen Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage zuwiderlaufen, z.B. grundsätzlich alle Erwerbsgeschäfte. Auf der anderen Seite verlieren persönliche Bedürfnisse ihren sonn- und feiertäglichen Charakter nicht schon dadurch, dass sie auch an Werktagen befriedigt werden und werden können (OLG Hamm NJW 1989, 2478). Entscheidend ist, ob die Betätigung nach ihrem Zweck, ihrer Ausgestaltung und ihrem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben einen typisch werktäglichen Lebensvorgang darstellt oder nicht.“

(BVerwG, Urteil vom 25. August 1992 – 1 C 38/90 –, Rn. 26, juris)

Gemessen daran handelt es sich bei dem „Familien- und Frühlingsgarten 2022“ in H...nicht um einen typisch werktäglichen Lebensvorgang, der sich im Einzelfall als eine typisch werktägliche Veranstaltung darstellt. Anhand des Anbieterverzeichnisses (Bl. 27 Gerichtsakte, Rückseite) erschließt sich zwanglos, dass hier Unterhaltungszwecke im Vordergrund stehen und die Veranstaltung mithin überwiegend der Freizeitbeschäftigung dient. Hierfür spricht auch die jährliche Einmaligkeit der Veranstaltung und die Tatsache, dass an dem Feiertag „Christi Himmelfahrt“, der als volkstümlicher Vater– bzw. Herrentag begangen wird, der Besuch von Vergnügungen jeglicher Art typischerweise angestrebt wird. Die durchgeführten Bewirtungen und Belustigungen, der Betrieb von kleinen Fahrgeschäften dient ohne weiteres der Erholung der Bevölkerung im Rahmen ihrer Freizeitgestaltung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 6 FTG.

b) Soweit gemäß § 5 Abs. 1 FTG an Sonntagen und gesetzlich anerkannten Feiertagen, sofern sie nicht nach Bundes- oder Landesrecht zugelassen sind, während der Hauptzeit des Gottesdienstes unter anderem alle der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen, bei denen nicht ein höheres Interesse der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung vorliegt, verboten sind (Nr. 2), soweit hierdurch der Gottesdienst unmittelbar gestört wird, folgt hieraus im Falle des „Familien- und Frühlingsgartens 2022“ nicht das Vorliegen einer verbotenen Veranstaltung im Sinne der Vorschrift. Denn als Hauptzeit des Gottesdienstes gilt lediglich die Zeit von 6:00 Uhr bis 11:00 Uhr (§ 5 Abs. 1 Satz 4 FTG. Ausweislich des Bescheides vom 19. Mai 2022 beantragte der Antragsteller die Durchführung der Veranstaltung am 26. Mai 2022 lediglich für die Zeit von 11:00 Uhr bis 22:00 Uhr, mithin nach den Hauptzeiten des Gottesdienstes im Sinne der genannten Bestimmung.

c) Da sich die Behörde ersichtlich allein auf das Feiertagsgesetz berufen hat, ist eine weitere Prüfung etwa nach den Bestimmungen des Landesimmissionsschutzgesetzes nicht indiziert.

Der Kostenfolge ergibt sich hiernach aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Wert des Verfahrensgegenstandes war gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG zu ermitteln, wobei der hiernach zugrundezulegende Auffangstreitwert von 5000 € im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Begehrens zu halbieren war.