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Entscheidung 11 U 239/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 04.05.2022
Aktenzeichen 11 U 239/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0504.11U239.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Beide Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 14.10.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 6 O 180/21 - aus den nachfolgend dargestellten Gründen gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

II. Für die Klägerin besteht Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Zurückweisung ihres Rechtsmittels binnen drei Wochen ab der Zustellung dieses Beschlusses zu äußern. Ihr bleibt anheimgestellt, die Berufung - aus Gründen der Kostenersparnis gemäß GKG-KV Nr. 1222 - vor dem Ablauf dieser Frist zurückzunehmen.

Gründe

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die (im Übrigen zulässige) Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, es der vorliegenden Rechtssache an grundsätzlicher - über den Streitfall hinausgehender - Bedeutung fehlt, weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung durch das Berufungsgericht im Urteilswege erforderlich ist und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO). Da die Berufungsbegründung der Klägerin im Wesentlichen allgemein abgefasst ist und sich mit den Ausführungen des Landgerichts nur kursorisch auseinandersetzt, kann sich der Senat in gebotener Kürze auf Folgendes beschränken:

A. Zutreffend hat das Landgericht zunächst entschieden, dass die Geltendmachung der Klageanträge zu 3) bis 5) im Wege der Stufenklage unzulässig ist (LGU 11). Dieses Begehren verfolgt die Klägerin mit der Berufung als Anträge zu 3) bis 5) weiter (BB 2, 3; 7 f.).

1. § 254 ZPO regelt einen privilegierten Sonderfall der objektiven Klagehäufung. Die Stufenklage ermöglicht die Verbindung eines auf Auskunft gerichteten Klageantrags mit einem noch unbezifferten bzw. noch unbestimmten Leistungs- und/oder Feststellungsantrag. Bei dem zunächst unbezifferten Feststellungsantrag kann es sich - wie hier - auch um eine Zwischenfeststellungsklage handeln (vgl. hierzu allgemein BGH, Urt. v. 27.11.1998 -VZR 180/97, WM 1999, 746). Die einstweilige Befreiung von der Bezifferungspflicht des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO setzt jedoch voraus, dass die auf erster Stufe begehrte Auskunft als bloßes Hilfsmittel (nur) der konkreten Bestimmung des Leistungsanspruchs dient. Sie kommt daher nicht in Betracht, wenn die Auskunft der Beschaffung von sonstigen Informationen über die Rechtsverfolgung des Klägers dienen soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 18.04.2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953 und vom 29.03.2011 - VI ZR 117/10, NJW 2011, 1815 Rn. 8 jeweils m.w.N.; hierzu insgesamt auch OLG Nürnberg, Endurt. v. 14.03.2022 – 8 U 2907/21, BeckRS 2022, 7415 Rn. 17).

2. So liegt der Fall jedoch hier: Die von der Klägerin begehrte Auskunft dient nach der landgerichtlichen Argumentation, die von der Berufung nicht angegriffen wird, der erstmaligen Prüfung, ob und wann in den Jahren 2011 bis 2016 überhaupt Beitragsanpassungen erfolgt sind und infolgedessen ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte bestehen könnte (LGU 11). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass als Einzelelement des Auskunftsantrags die Höhe der Anpassungen unter Benennung der Tarife gefordert wird. Insoweit handelt es sich um einen unselbstständigen Teil des Antrages, was daran deutlich wird, dass auch bei Kenntnis der Höhe weiterhin der Anspruchsgrund unklar bliebe. Denn auch bei Kenntnis des Erhöhungsbetrages wäre eine Prüfung der formalen Rechtmäßigkeit nicht möglich (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.).

B. Selbst wenn die unzulässige Stufenklage in eine allgemeine Klagehäufung gemäß § 260 ZPO umzudeuten sein sollte (vgl. hierzu etwa in „Prämienerhöhungsfällen“ OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 19; OLG Dresden Urt. v. 29.03.2022 – 4 U 1905/21, BeckRS 2022, 8743 Rn. 36, jeweils unter Hinweis auf die allgemeine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Umdeutung einer Stufenklage in eine Klagehäufung), änderte dies nichts am vorgenannten Ergebnis.

1. Dem Feststellungsantrag (Ziffer 4) fehlt es auch im Streitfall an der hinreichend konkreten Bezeichnung eines Rechtsverhältnisses i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO und in seiner negativen Komponente (fehlende Verpflichtung zur Zahlung des Erhöhungsbetrages) an der erforderlichen Bezifferung. Letzteres gilt auch für den am Ende sinngemäß gestellten Zahlungsantrag (vgl. hierzu auch OLG Nürnberg, a.a.O. in einem gleichgelagerten Fall).

2. Auch der ggf. als selbständiges Auskunftsbegehren anzusehende Berufungsantrag zu 3) ist jedenfalls unbegründet.

a). Ein solcher Auskunftsanspruch folgt - entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung (BB 9) - zunächst nicht aus § 3 Abs. 3 S. 1 VVG, da diese Vorschrift keinen solchen Auskunftsanspruch begründet (vgl. hierzu OLG München, Hinweisbeschl. v. 24.11.2021 – 14 U 6205/21, r+s 2022, 94, Rn. 36). Diese Vorschrift bezieht sich nämlich nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nur auf abhandengekommene oder vernichtete Versicherungsscheine sowie auf die eigenen Erklärungen des jeweiligen Klägers, die er als Versicherungsnehmer in Bezug auf den Vertrag abgegeben hat (statt vieler, OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 25). Darum geht es hier jedoch nicht und dies wird mit dem Klageantrag auch nicht verlangt. Die mit dem Auskunftsbegehren maßgeblich herausverlangten Anschreiben werden von § 3 VVG von vornherein nicht erfasst (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., OLG München, a.a.O., Rn. 36).

b) Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Denn der Beklagten steht ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DS-GVO zu. Der Senat schließt sich insoweit der überzeugenden, einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung hierzu an (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 19; OLG Dresden, a.a.O., Rn. 37; OLG Hamm, Beschl. v. 15.11.2021 – 20 U 269/21, BeckRS 2021, 40312). Die Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung (BB 9-11) rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht.

c) Auch aus § 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag lässt sich der begehrte Auskunftsanspruch - entgegen der allgemein gehaltenen Ausführungen in der Berufungsbegründung (BB 11-12) - nicht rechtfertigen.

aa) Zwar kann sich aus einem Schuldverhältnis nach Treu und Glauben auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies kann auch zu der Verpflichtung eines Vertragspartners führen, dem anderen Teil Unterlagen zur Verfügung zu stellen (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 22 m.w.N.). Es genügt jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Anspruchsteller über den Inhalt der geforderten Information in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 08.02.2018 - III ZR 65/17, NJW 2018, 2629 Rn. 23 m.w.N.) und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bestimmter durchsetzbarer Anspruch existiert (vgl. insoweit auch zu einem „Prämienerhöhungsfall“ OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 23).

bb) Hieran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat in der gem. § 520 Abs. 3 ZPO maßgeblichen Berufungsbegründung (vgl. hierzu BB 11, 12) schon nicht konkret vorgetragen, aus welchen Gründen sie nicht (mehr) über Informationen betreffend etwaige Beitragserhöhungen und damit verbundene Unterlagen verfügt. Nachvollziehbare Gründe dafür, warum der Klägerin die im Laufe des Vertrages übersandten Dokumente abhandengekommen sind, vermag der Senat nicht zu erkennen (vgl. hierzu insgesamt auch OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 24).

d) Auch § 810 BGB verhilft dem Auskunftsbegehren der Klägerin nicht zum Erfolg. Die dahingehenden Ausführungen der Berufung (BB 12, 13) verfangen nicht. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, kann nach dieser Vorschrift von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind. Der hier geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen ist davon nicht erfasst (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2021, 40312 Rn. 17; OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 26; OLG Dresden, a.a.O., Rn. 37). Zudem darf die Einsicht nicht der „Ausforschung“ dienen, um erst dadurch Anhaltspunkte für eine spätere Rechtsverfolgung gegen den Besitzer der Urkunde zu gewinnen (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2014 -XI ZR 264/13, NJW 2014, 3312 Rn. 24 m.w.N.; OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 26). Letzteres ist hier – wie auch im vorgenannten Fall des OLG Nürnberg - jedoch ersichtlich das Ziel der Klägerin.

C. Ohne Erfolg bezieht sich die Berufung der Klägerin auf vermeintliche Ausführungen des Landgerichts zur Verjährung der geltend gemachten Ansprüche (BB 13, 14). Der Senat kann der angefochtenen Entscheidung keine Aberkennung geltend gemachter Forderungen aufgrund eingetretener Verjährung entnehmen. Die dahingehenden Ausführungen der Berufung gehen daher ins Leere.

D. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach bei den hier in Rede stehenden Tarifen die Beitragsanpassung der Beklagten zum 01.07.2017 und 01.04.2018 formell und materiell wirksam erfolgt sind.

1. Das Landgericht hat zutreffend die vom Bundesgericht benannten Voraussetzungen an die formelle Begründungspflicht herausgearbeitet (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19, juris) und zutreffend subsumiert (LGU 8 f.). Der Senat teilt das Ergebnis, wonach die hier in Rede stehenden Beitragsanpassungen der gesetzlichen Anforderung des § 203 Abs. 5 VVG gerecht werden. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Berufung (BB 16 f. und 17 f.) hat der Senat geprüft. Sie führen jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere kann insoweit zur Begründung nicht von einem „bunten Allerlei für die Beitragsberechnung“ gesprochen werden.

Infolgedessen stehen der Klägerin auch keine weitergehenden Zahlungsansprüche zu, die sie erstmals mit ihrer Berufungsbegründung in den Rechtsstreit eingeführt hat (BB 5). Insoweit kann dahinstehen, ob es sich um eine an den Voraussetzungen des § 533 ZPO zu messende Klageerweiterung handelt (vgl. hierzu BB 6).

2. Ohne Erfolg meint die Klägerin (BB 20 f.) schließlich, die Beitragserhöhung sei wegen gesunkener Leistungsausgaben unwirksam. Maßgeblich ist insoweit, dass die Überprüfung der Prämie ausgelöst wird, sobald der Schwellenwert überschritten worden ist, und zwar unabhängig davon, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist. Insoweit besteht auch keine Mitteilungspflicht des Versicherers (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2021 - IV ZR 148/20, a.a.O. Rn. 29 f.; vgl. auch zu einer gleichgelagerten Fallkonstellation OLG Celle, Urt. v. 13.01.2022 – 8 U 134/21, BeckRS 2022, 1230 Rn. 34).