Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 26.10.2021 | |
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Aktenzeichen | 3 U 128/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1026.3U128.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 15.09.2020, Az. 13 O 38/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts
Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Berufungsstreitwert beträgt bis zu 40.000 €.
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages auf deliktischer Grundlage in Anspruch.
Er erwarb gemäß der verbindlichen Bestellung vom 18.10.2017 bei der … GmbH … ein Gebrauchtfahrzeug VW Muttivan T6 2,0 l TDI, Fahrgestellnummer …, km-Stand: 21.572, zu einem Kaufpreis von 46.490 €.
Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor des Typs EA 288 ausgestattet, einem Folgemodell des Motortyps EA 189, der vom sog. VW-Abgasskandal betroffen ist. Anders als der Motortyp EA 189 ist der Motor EA 288 nicht mit einer sog. Umschaltlogik ausgerüstet, die einen Fahrbetrieb auf Rollenprüfständen erkannte und in derartigen Fahrsituationen in einen die Abgasreinigung optimierenden Modus umschaltete. Der streitgegenständliche Motor enthält u.a. ein System zur Abgasreinigung, das u.a. auf einer softwaregesteuerten Abgasrückführung beruht: Das teilweise zurückgeführte Abgas durchströmt dabei einen kennfeldgesteuert unterschiedliche Kühlleistungen erbringenden Wasserkühler (AGR-System) und nimmt anschließend erneut an der Kraftstoffverbrennung teil.
Seit dem 28.08.2018 liegt für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ein verbindlicher Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) vor. Auf Anordnung von und in Abstimmung mit dem KBA führt die Beklagte ein Software-Update an den Motoren durch, mit dem eine sog. Konformitätsabweichung im Hinblick auf die Einhaltung von NOx-Grenzwerten beseitigt wird. Das KBA hat das Update am 19.11.2018 freigegeben und festgestellt, dass sich die neue Programmierung weder auf den Kraftstoffverbrauch, noch die CO2-Emissionswerte, die Motorleistung, das maximale Drehmoment, die Geräuschemissionen und die Dauerhaltbarkeit des Abgasnachbehandlungssystems negativ auswirken. Eine unzulässige Abschalteinrichtung liegt nach Einschätzung des KBA nicht vor.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13.03.2019 (Anlage K 3, Bl. 29 ff GA) ließ der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 29.03.2019 zur Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auffordern. Die Beklagte wies die geltend gemachten Ansprüche zurück.
Am 21.08.2020 wies das Auto eine Laufleistung von 54.934 km auf.
Der Kläger hat bereits erstinstanzlich behauptet, das von ihm erworbene Fahrzeug sei mit einem sog. Thermofenster ausgerüstet, bei dem es sich, wie er meint, um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele; die Abgasrückführung werde dabei bei niedrigeren Außentemperaturen zurückgefahren, und die eingebaute Software erkenne zudem insbesondere anhand von Temperaturmessungen sowie anderer Indizien (Fahrkurven, Entwicklung der Geschwindigkeit oder Fehlen von Lenkbewegungen, Bl. 427 GA) Prüfstandsfahrten, bei denen die Abgasreinigung dann uneingeschränkt funktioniere.
Der Kläger hat ferner behauptet, bei dem Fahrzeugkauf sei es ihm gerade auf die Umweltverträglichkeit des Fahrzeuges angekommen; die tatsächlichen NOx-Werte wichen von den gesetzlichen Vorgaben und Herstellerangaben im technischen Datenblatt derart ab, dass das Fahrzeug die für Fahrzeuge nach Typ des streitgegenständlichen ausgewiesene EU-Schadstoffklasse 6 nicht einhalte; der Vorstand der Beklagten habe umfassende Kenntnis vom Einsatz der entsprechenden Software gehabt und durch die Frei- und Inverkehrgabe der entsprechend konstruierten unzulässigen Abschalteinrichtung eine Schädigung der Vermögensinteressen der Käufer zumindest billigend in Kauf genommen.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, ihm stünden deshalb deliktische Schadenersatzansprüche aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. europarechtlichen Schutznormen sowie § 16 UWG sowie solche aus § 311 BGB zu; die Täuschung über die Umweltverträglichkeit seines Fahrzeugs sei als sittenwidrig einzuschätzen, da sie allein aus Gründen der Gewinnmaximierung erfolgt sei; zudem stünden ihm deliktische Zinsen nach § 849 BGB zu.
Nachdem der Kläger zunächst die Auffassung vertreten hatte, dass bei arglistigem Handeln des Schädigers eine Nutzungsentschädigung nicht zu leisten sei, hat er erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 46.490 € nebst jährlichen Zinsen i.H.v. 4 % seit dem 01.11.2017 bis zum 29.03.2019 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.03.2019 abzüglich einer Nutzungsentschädigung, die sich nach der Formel: Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt berechne, zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Multivan T6 T2,0 l TDI DSG LED mit der FIN: …
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1 in Annahmeverzug befindet und
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.822,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Dazu hat sie behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei auch ohne das Software-Update sicher, uneingeschränkt fahrbereit und seiner Bestimmung entsprechend nutzbar gewesen; das behauptete Thermofenster sei jedenfalls zum Bauteileschutz erforderlich, da die Abgasrückführung bei niedrigen Außentemperaturen Ablagerungsschäden verursache (Versottung); das im Fahrzeug applizierte Thermofenster habe im Zeitraum seiner Entwicklung dem Stand der Technik entsprochen, zudem habe kein Schädigungsvorsatz bestanden, und es sei auch kein Schaden eingetreten.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.09.2020 abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht unter näherer Vertiefung ausgeführt, die Beklagte hafte dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf Schadenersatz; der Kläger habe es nicht vermocht, hinreichend substantiiert darzulegen, dass die Beklagte ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe; die Frage, ob die Applikation eines sog. Thermofensters eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der einschlägigen EU-Normen darstelle, werde selbst in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert, überwiegend jedoch abgelehnt; schon deshalb könne der Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe die Käufer des mit entsprechenden Motoren versehenen Fahrzeugen bewusst und vorsätzlich schädigen wollen;
Gleiches folge auch daraus, dass die Abgasreduktion nicht lediglich unter Prüfstandsbedingungen optimiert erfolge, sondern bei entsprechenden äußeren Bedingungen auch im normalen Straßenverkehr, und die Beklagte habe zudem detailliert zu den Erfordernissen einer temperaturabhängigen Abgasrückführung aus Gründen des Bauteileschutzes vorgetragen; damit liege der Einschätzung der Beklagten, dass es sich bei dem applizierten Thermofenster um eine zulässige Einrichtung im Sinne der VO (EG) Nr. 715/2007 handele, eine zumindest rechtlich vertretbare Gesetzesauslegung zugrunde;
eine Haftung der Beklagten aufgrund von § 823 Abs. 2 BGB scheitere daran, dass Art. 5 Abs. 2 der genannten EG-Verordnung i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FVV keine Schutzgesetze im Sinne der genannten Norm darstellten, bzw. die Angaben der Beklagten in den Prospekten für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp nicht als irreführend im Sinne von § 16 UWG zu werten seien;
Auch § 311 BGB erweise sich als nicht einschlägig, da die für das Fahrzeug ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung nicht als Garantievertrag zu verstehen sei;
Mangels bestehender Schadenersatzansprüche hafte die Beklagte schließlich auch nicht auf die geltend gemachte Nebenforderung.
Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine klagegegenständlichen Ansprüche weiterverfolgt.
Zur Begründung seines Rechtsmittels führt er im Wesentlichen aus, das Instanzgericht habe wesentlichen entscheidungserheblichen Sachvortrag des Klägers insbesondere hinsichtlich der behaupteten Zykluserkennung/Prüfstandserkennung übergangen, und es sei insofern gerade auch nicht unstreitig gewesen, dass das in seinem Fahrzeug verbaute Thermofenster im Straßenbetrieb in gleicher Weise funktioniere wie auf dem Prüfstand: so habe er darauf hingewiesen, dass die in seinem Fahrzeug verbaute Software, die für die Abgaskontrollanlage zuständig sei, mithilfe eines zwischen Scheibenwischern und Frontscheibe angebrachten Steuergerätes (ECU bzw. ECM) Prüfsituationen tatsächlich erkenne, wobei die standardisierten Testsituationen durch ein „unnatürliches Fahrverhalten“ - hohe Raddrehzahlen ohne Bewegung des Fahrzeugs - erkennbar seien und in diesen Situationen die Abgasaufbereitung so optimiert sei, dass möglichst wenige Stickoxide entstünden, während im normalen Fahrbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt würden, weshalb dann die NOx-Emissionen deutlich höher seien; das über an verschiedenen Fahrzeugteilen, u.a. dem Turbolader, angebrachte Sensoren Daten sammelnde ECU erkenne insoweit u.a. anhand der Temperatur, dass sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde; gerade und nur bei den Prüfbedingungen entsprechenden Temperaturen funktioniere das eingebaute Abgasreinigungssystem vorschriftsgemäß; insofern seien entgegen den tragenden Erwägungen der Verordnung Nr. 715/2007 die Prüfstands- und die Bedingungen im normalen Fahrbetrieb auch nicht zu vergleichen; im realen Fahrbetrieb sei sein Fahrzeug gerade nicht dazu in der Lage, die vorgeschriebenen Abgasnormen einzuhalten, stoße vielmehr um ein Vielfaches höhere Mengen an Stickoxiden aus und funktioniere nur bei Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius optimal; demgegenüber arbeite die Abgasreinigungsanlage bei Temperaturen unter 17 und über 30 Grad Celsius gar nicht, mithin unter Witterungsbedingungen, die in hiesigen Breiten bis zu 9 Monate im Jahr herrschten; vor diesem Hintergrund habe der Beklagten bewusst gewesen sein müssen, dass ein unter derartigen Bedingungen verwendetes Thermofenster nicht notwendig und damit unzulässig sei;
sein erstinstanzliches Tatsachenvorbringen sei entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts in jeder Hinsicht substantiiert gewesen, vor allem weiterhin mit Blick auf die behaupteten Manipulationen bei der Harnstoffeinspritzung; so habe er darauf hingewiesen, dass sich aus einer internen Entscheidungsvorlage „Applikationen & Freigabeverfahren EA 288“ der Abteilung „Technische Entwicklung“ der Beklagten von Ende November 2015 ergebe, dass die Steuerungssoftware des streitgegenständlichen Motors mit einer mit einer Zykluserkennung verknüpften, auf physikalischen/witterungstechnischen Parametern gestützten Abschalteinrichtung verbaut ist, die dazu führt, dass der AdBlue-Verbrauch und damit die Wirksamkeit des SCR-Katalysators außerhalb des NEFZ beeinflusst und die Abgasreinigung im normalen Fahrbetrieb abgeschaltet, jedenfalls aber deutlich reduziert werde; gerade unter - für Prüfbedingungen untypische - Kaltstartbedingungen ließen sich die zulässigen Abgasgrenzwerte regelmäßig nicht einhalten; dem zugrunde lägen technische Schwierigkeiten, die sich daraus ergäben, dass der Harnstoffverbrauch zur Abgasreinigung bei hoher Motorleistung sehr groß sei, so dass sich der häufig faktisch zu klein konstruierte Harnstofftank rasch entleere und in kurzen Abständen aufgefüllt werden müsse, große Harnstofftanks in die Karosserie von Fahrzeugen jedoch nur schwer zu integrieren seien; die damit für den Käufer verbundenen Unannehmlichkeiten - häufige Tankstellenbesuche - bildeten für die Fahrzeughersteller einen Anreiz zur Entwicklung technischer Konstruktionen zur Reduktion bzw. Abschaltung der Abgasreinigungseinrichtung unter entsprechenden Bedingungen und dokumentierten entsprechenden Tatvorsatz;
entgegen der Ansicht des Landgerichts rechtfertigten auch nicht Gründe des Bauteileschutzes die (Teil-)Abschaltung des Abgasreinigungssystems; die Ausnahmeregelung in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG-VO 715/2007 sei insoweit eng auszulegen und rechtfertige jedenfalls nicht den Einbau einer dauerhaft arbeitenden Abschalteinrichtung, weshalb auch nicht habe angenommen werden können, dass die Beklagte habe sich im Rahmen einer vertretbaren Gesetzesauslegung bewegt; dabei sei zudem zu bedenken, dass Kfz-Hersteller nach Art. 3 Nr. 9 der DVO zur EG-VO 715/2007 vor Erteilung einer Typengenehmigung nachzuweisen hätten, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei -7 Grad Celsius innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichende Temperatur erreiche (Bl. 663 GA);
auf seinen danach dem Grunde nach bestehenden Schadenersatzanspruch anrechnen lasse er sich lediglich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.098,53 €.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des am 15.09.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 13 O 38/19, zu verurteilen,
1. an ihn 46.490 € nebst jährliche Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.03.2019 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs der Marke Volkswagen des Typs T6 Multivan 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer … abzüglich einer Nutzungsentschädigung in EUR, die nach der folgenden Formel zu berechnen ist: Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : Restlaufzeit im Erwerbszeitpunkt, zu zahlen,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des zuvor bezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.822,96 € nebst jährliche Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie stützt die angefochtene Entscheidung und wendet gegen das Berufungsvorbringen im Wesentlichen ein, der Kläger habe bereits verkannt, dass vorliegend gerade keine prüfstandsoptimierende Umschaltlogik zum Einsatz komme; das KBA habe dies im Ergebnis seinerseits veranlasster Messungen an Fahrzeugen nach Art des streitgegenständlichen feststellen können, wie im Bericht der „Untersuchungskommission Volkswagen“ vom 22.04.2016 dokumentiert; dementsprechend habe es auch keinen Rückruf dieser Fahrzeuge wegen des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegeben; das streitgegenständliche Fahrzeug sei lediglich von einem vom KBA überwachten Rückruf wegen einer beklagtenseitig festgestellten technischen Konformitätsabweichung im Zusammenhang mit dem sogenannten Ki-(Verschlechterungs-)Faktor erfasst gewesen (vgl. Bl. 716 f GA); ein hierzu entwickeltes Software-Update, durch welches die Konfiguration des Diesel-Partikelfilters optimiert werde, stehe seit April 2020 zur Verfügung und in dem Klägerfahrzeug am 17.04.2020 eingebaut worden; negative Auswirkungen der Umrüstung seien nicht bekannt geworden;
Sie meint, dem Kläger gelinge es weiterhin nicht, substantiiert eine Handlung der Beklagten darzulegen, die ein im Rechtssinne deliktisches Verhalten darstellen könne; das Landgericht habe zu Recht eine Beweiserhebung unterlassen, da diese auf eine Ausforschung des Beweisthemas hinausgelaufen wäre, zumal sie, die Beklagte, die entsprechende Freigabebestätigung des KBA vom 19.11.2018 als Anlage B 2 vorgelegt habe; der Kläger versuche, im Zusammenhang mit dem Motortyp EA 189 gewonnene Erkenntnisse pauschal auf mit dem Typ EA 288 ausgerüstete Fahrzeuge zu übertragen, ohne dazu irgendwelche den konkreten, von ihm gekauften, Fahrzeugtyp betreffende entsprechende Anhaltspunkte dokumentiert zu haben; im Übrigen habe sie, die Beklagte, bereits erstinstanzlich dargelegt, dass das sog. Thermofenster keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle und zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs notwendig sei;
mit Blick auf die behauptete Fahrkurvenerkennung (Zyklus-/Prüfstandserkennung) habe der Kläger ebenso wenig greifbare Anhaltspunkte vorgetragen, insbesondere nicht hinsichtlich Pkw des streitgegenständlichen Typs, und dabei außer Acht gelassen, dass die von ihm beanstandete Fahrkurvenerkennung in seinem Fahrzeug bereits nicht mehr hinterlegt und auch nicht grundsätzlich, sondern nur in Kombination mit Veränderungen des Emissionskontrollsystems, unzulässig sei, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen und vom KBA mehrfach bestätigt (Bl. 699 f GA);
die behauptete unzureichende Ad-Blue-Einspritzung im Fahrbetrieb betreffend genüge das Klägervorbringen ebenfalls nicht den zu stellenden Substantiierungsanforderungen, verhalte es sich doch etwa nicht dazu, welche Mengen jeweils eingespritzt würden; dessen ungeachtet erfolge tatsächlich keine höhere Ad-Blue-Einspritzung auf dem Prüfstand, um die Emissionsgrenzwerte einzuhalten; vielmehr werde die Harnstoffdosierung auf dem Prüfstand und im realen Fahrbetrieb nicht unterschiedlich angesteuert, was auch im Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen von April 2016 Bestätigung gefunden habe, hätten sich bei den zugrunde liegend durchgeführten Messungen doch anderenfalls entsprechend differierenden Prüfstandsbedingungen unterschiedliche Messergebnisse ergeben müssen;
das in das Fahrzeug des Klägers applizierte Thermofenster stelle sich von Rechts wegen bereits nicht als unzulässige Abschalteinrichtung dar, sei die Abgasrückführung doch im Temperaturenbereich von -15 Grad Celsius bis +42 Grad Celsius, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, aktiv; das Thermofenster diene im Übrigen dem Motorschutz, käme es doch etwa bei Außentemperaturen unterhalb des Temperaturfensters ohne Korrektur der Abgasrückführung aufgrund der adhäsiven Wirkung des Abgases zu Verklebungen des AGR-Ventils; ferner würde eine hohe AGR-Rate zu massiven Ablagerungen von Ruß und unverbrannten Kohlenwasserstoffen (Versottung) in den AGR-führenden Bauteilen führen (Bl. 710 GA); das Thermofenster habe dabei keine nachteiligen Einflüsse auf die Haltbarkeit des Motors und seiner Komponenten (Bl. 711 GA), was das KBA in seiner Freigabebescheinigung vom 19.11.2018 bestätigt habe (Bl. 717 GA); das KBA habe das Vorliegen eines unzulässigen Thermofensters geprüft und mehrfach verneint (Bl. 712 f GA), wobei sie, die Beklagte, dem KBA sämtliche technische Parameter mitgeteilt habe;
vor diesem Hintergrund fehle es bereits an genügenden Anhaltspunkten für ein schädigendes Verhalten, insbesondere einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung; gegen eine solche spreche zudem der Umstand, dass der Einsatz von Thermofenstern technischer Standard und den Genehmigungsbehörden bekannt gewesen sei.
II.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Ihm stehen keine – mangels eines Vertragsverhältnisses hier allein in Betracht kommenden – deliktsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu.
1. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB bestehen nicht (BGH, Urteile vom 23. März 2021 – VI ZR 1180/20, juris Rn. 19; vom 9. März 2021 –
VI ZR 889/20, juris Rn. 10; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 10 ff., 17 ff.; vom 8. Dezember 2020 – VI ZR 244/20, juris Rn. 20).
2. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung des Kaufpreises aus
§§ 826, 31 BGB zu.
Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr., etwa BGH, Urteile 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, juris Rn. 8; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 541/15, juris Rn. 17; vom 19. November 2013 – VI ZR 336/12, juris Rn. 9 mwN).
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (etwa Urteil vom 25. Mai 2020 –
VI ZR 252/19, juris Rn. 25 ff.) liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Fahrzeugkäufers vor, wenn der Fahrzeughersteller auf der Grundlage einer für seinen Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in hohen Stückzahlen in Deutschland in eigenen und in Fahrzeugen der weiteren Konzernunternehmen Dieselmotoren der Baureihe EA189 in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt (heimlich) so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Abl. L 171 vom 29. Juni 2007 S. 1 ff.) nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 – VI ZR 397/19, juris Rn. 11; vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 juris Rn. 16 ff.; Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 5 ff.). Denn damit einher geht einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zum Fahrzeugkäufer, der eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwarb, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Gebrauchtfahrzeug handelte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 –
VI ZR 252/19, juris Rn. 16).
b) Von einem derartigen sittenwidrigen Verhalten kann hier bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil der teilweise auch widersprüchliche Vortrag des Klägers zu dem Vorhandensein (mindestens) einer unzulässigen Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug bzw. zu einer angeblichen Täuschung der Behörden durch die Beklagte als "Behauptung ins Blaue hinein" zu werten ist und damit unberücksichtigt zu bleiben hat.
aa) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist allerdings bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (std. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 17. November 2020 – II ZR 68/20, juris Rn. 15 mwN; Beschlüsse vom 28. Januar 2020, VIII ZR 57/19, juris Rn. 7; vom 14. Januar 2020 –
VI ZR 97/19, juris Rn. 8; vom 26. März 2019 – VI ZR 163/17, juris Rn. 11). Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (std. Rspr., BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2020, VIII ZR 57/19, juris Rn. 7; vom 26. März 2019 – VI ZR 163/17; jeweils mwN).
Im Regelfall unerheblich ist auch, wie wahrscheinlich die behauptete Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 – VI ZR 300/18, juris Rn. 11). Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält (std. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 29. Januar 2020
– VIII ZR 385/18, juris Rn. 83; vom 7. Februar 2019 – III ZR 498/16, juris Rn. 37; Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 8 mwN). Die Vorschriften über den Beweisantritt (etwa §§ 373, 403 ZPO) verlangen grundsätzlich auch nicht, dass eine Partei sich darüber äußert, welche Anhaltspunkte sie für die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Behauptung hat (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2020 – VI ZR 97/19, juris Rn. 8; vom 1. August 2007 – III ZR 35/07, juris Rn. 7). Wie weit eine Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, hängt von ihrem Kenntnisstand ab (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VI ZR 97/19, juris Rn. 8).
bb) Eine Behauptung ist aber dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist (std. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 29. Januar 2020 – VIII ZR 385/18, juris Rn. 83; vom 7. Februar 2019 – III ZR 498/16, juris Rn. 37; Beschluss vom 28. Januar 2020 –
VIII ZR 57/19, juris Rn. 8 mwN), mithin aus der Luft gegriffen ist und deshalb ein Rechtsmissbrauch vorliegt (BGH, Urteil vom 9. Februar 2018 – V ZR 274/16, juris Rn. 11 mwN). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 8; vom 14. Januar 2020 – VI ZR 97/19, juris Rn. 8; jeweils mwN).
Mangels eigener Sachkunde und hinreichenden Einblicks in die Konzeption und Funktionsweise des in seinem Fahrzeug eingebauten Motors einschließlich des Systems zur Verringerung des Stickoxidausstoßes kann der Laie keine genauen Kenntnisse von dem Vorhandensein und der konkreten Wirkung einer Abschalteinrichtung haben (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 –
VIII ZR 57/19, juris Rn. 9). Er ist letztlich auf Vermutungen angewiesen und kann diese naturgemäß nur auf einige greifbare Anhaltspunkte stützen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 –
VIII ZR 57/19, juris Rn. 10). Von ihm kann daher nicht verlangt werden, dass er im Einzelnen darlegt, weshalb er von dem Vorhandensein einer oder mehrerer Abschalteinrichtungen ausgeht und wie diese konkret funktionieren. Vielmehr ist von ihm nur zu fordern, dass er greifbare Umstände anführt, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen auf (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 10).
cc) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist den Beweisantritten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers zu vermeintlichen unzulässigen Abschalteinrichtungen in seinem Fahrzeug nicht nachzugehen. Er hat seine Behauptungen ohne greifbare Anhaltspunkte, die dem streitgegenständlichen Motortyp zuzuordnen wären, vorgebracht (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.06.2021 - I 13 U 194/20, juris Rn. 55; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 – 18 U 526/19, juris Rn. 31, 43; OLG Köln, Urteil vom 28. April 2021 – 5 U 129/20, juris Rn. 30; OLG Oldenburg, Urteil vom 19. März 2021 – 6 U 283/20, juris Rn. 39, 44; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Januar 2021 – 16a U 196/19, juris Rn. 35; OLG Dresden, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 9a U 2974/19,- juris Rn. 27, 29; Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 4 U 51/20, juris Rn. 14; OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 4 U 171/18, juris Rn. 59).
(1) Mit Blick auf die behaupteten Manipulationen bei der Harnstoffeinspritzung und die Applizierung einer Fahrkurvenerkennung in die Steuerungssoftware des streitgegenständlichen Motors hat die Beklagte - nunmehr zwischen den Parteien unstreitig - vortragen lassen, dass eine solche in Fahrzeuge, deren Produktionsdatum (wie vorliegend) nach der 21. Kalenderwoche des Jahres 2016 liegt, nicht mehr hinterlegt worden ist. Soweit sich der Kläger zur Begründung seiner weitergehenden Behauptungen auf die in der Entscheidungsvorlage „Applikationen & Freigabeverfahren EA 288“ enthaltene Anweisung stützt, „Umschaltungen oder die Platzierung von Abgasnachbehandlungsevents [müssten] auf Basis physikalischer Randbedingungen ... erfolgen“, also anhand witterungstechnischer Parameter, lässt sich daraus der von ihm gezogene Schluss auf den Einbau einer Prüfstandserkennung nicht ziehen. Denn das Gesamtsystem der Abgasnachbehandlung bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug funktioniert unbestritten nach ebensolchen Parametern. Inwieweit die vorliegend eingebaute Motorsteuerungssoftware mithin gerade prüfstandsspezifische physikalische Parameter erkennen - wenn ja, welche konkreten, etwa temperaturspezifischen - und auf dieser Grundlage die Abgasnachbehandlung optimieren würde, ergibt sich daraus mithin nicht. Auch die weitere Anweisung, „SCR: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurve zur Erkennung des Precons und des NEFZ, um die Umschaltung der Rohemissionsbedatung streckengesteuert auszulösen“, deutet letztlich auf keine Prüfstandserkennung hin, hat die dies bestreitende Beklagte hierzu doch substantiiert darauf hingewiesen, dass es entsprechender Umschaltvorgänge aus Sicherheitsgründen bedürfe, und folgt daraus noch nicht, dass dadurch in den genannten Situationen eine unterschiedlich effiziente Abgasreinigung erfolgt, wird doch auch auf dem Prüfstand eine Streckenfahrt zumindest imitiert.
Dessen ungeachtet wäre eine Fahrkurvenerkennung auch nicht an sich unzulässig. Vielmehr ist dies gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 nur dann der Fall, wenn dadurch eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 aktiviert wird, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringert. Zu den Hintergründen der Verwendung einer Fahrkurvenerkennung in früheren Modellreihen des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps hat die Beklagte jedoch - ohne dass es hierauf streitentscheidend ankäme - dezidiert vorgetragen, dass sich keinerlei Auswirkungen auf das Emissionsverhalten der entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ergäben.
(2) Bei der von dem Kläger zur Begründung eines Anspruchs weiter herangezogenen "Temperaturerfassung" bzw. der Registrierung „unnatürlichen Fahrverhaltens“ handelt es sich – wohl auch nach Ansicht des Klägers – um bloße Parameter, um die Zyklus- bzw. Prüfstandsbedingungen zu erkennen. Das Vorhandensein von witterungsphysikalischen Erkenntnisfunktionen an sich wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt und mit den unter I. dargestellten Argumenten von ihr als technisch unerlässlich bezeichnet. Ob die von dem Kläger bemängelten Erkenntnisfunktionen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommen, kann jedoch dahinstehen. Unzulässig wären sie jedenfalls nur dann, wenn sie Einfluss auf eine unterschiedliche Abgasbehandlung zwischen Prüfstand und normalem Fahrbetrieb nähmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 – 18 U 526/19, juris Rn. 46 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 –
4 U 171/18, juris Rn. 53; OLG Oldenburg, Urteil vom 19. März 2021 – 6 U 283/20, juris Rn. 36), was jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht einmal ansatzweise zu erkennen ist. Hinsichtlich des Erkennens „unnatürlichen Fahrverhaltens“ bleibt demgegenüber offen, inwieweit sich daran, ggf. welche, Auswirkungen auf die Abgasnachbehandlung knüpfen sollen und inwieweit es dabei zu Abweichungen im Verhältnis zum Fahrbetrieb im Straßenverkehr kommt.
Für seine Behauptung, bei seinem Fahrzeug erfolge eine unterschiedliche Emissionsbehandlung, je nachdem, ob sich das Fahrzeug in der Prüfstandsanordnung oder im Normalbetrieb befinde, hat der Kläger keine belastbaren Umstände dargetan.
(a) Ohne Belang ist insoweit allerdings, dass ein Rückruf seitens des KBA im Zusammenhang mit der Emissionsbehandlung für Fahrzeuge der streitgegenständlichen Art vom Kläger nicht dargelegt worden und dem Senat auch sonst nicht – insbesondere nicht aus den allgemein zugänglichen Quellen des KBA – bekannt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 13).
(b) Der angeordnete Rückruf hinsichtlich Fahrzeugen der streitgegenständlichen Art vom
28. August 2018 betraf eine technische Konformitätsabweichung. Die Hintergründe des Rückrufes hat die Beklagte im Einzelnen, wie unter I. dargestellt, erläutert. Dem ist der Kläger nicht näher entgegen getreten.
(c) Der nach Bekanntwerden des "Dieselskandals" – und ersichtlich in Kenntnis des KBA auch hinsichtlich der in dem EA 288-Motor verwendeten Fahrkurve/Umschaltlogik – durchgeführte Feldversuch, der in dem Bericht "Untersuchungskommission Volkswagen" niedergelegt ist, hat in Bezug auf Fahrzeuge der hier streitgegenständlichen Art keine Abweichungen der Emissionen im NEFZ und Fahrbetrieb zu keinen Erkenntnissen geführt.
(d) Die Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für den Stickoxidausstoß im Straßenbetrieb bei Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstandsbetrieb wäre als solche auch nicht geeignet, den Rückschluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zu ziehen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22. Juni 2021 - I 13 U 194/20, juris Rn. 75; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Januar 2021 –
16a U 196/19, juris Rn. 59 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 4 U 171/18, juris Rn. 44).
(e) Der in sich auch widersprüchliche Vortrag des Klägers, in dem Motor seines Fahrzeugs sei ein Thermofenster verbaut, das seiner konkreten Ausgestaltung nach nur in einem Bereich von ca. 17°C bis 30°C „optimal“ funktioniere - demgegenüber müsste es einen Bereich eingeschränkter Funktion der Abgasnachbehandlung geben -, außerhalb des Temperaturfensters erfolge jedoch bei Temperaturen unter 20°C sowie über 30°C keine Abgasreinigung, ist - gerade hinsichtlich der Temperaturangaben - bezogen auf sein Fahrzeug nicht näher erläutert oder belegt. Insbesondere ist nicht dargetan, auf welche Erkenntnisgrundlagen der Kläger seine Behauptungen indiziell stützt und inwieweit solche überhaupt für das vorliegende Verfahren etwas hergeben könnten, als sie gerade Fahrzeuge der streitgegenständlichen Art betreffen.
Im Übrigen hat die Beklagte der klägerischen Behauptung detailliert widersprochen und ausgeführt, dass eine Abgasrückführung in sämtlichen EA 288-Fahrzeugen in einem Temperaturbereich von -24°C bis +70°C in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur stattfinde. Lediglich außerhalb dieses weiten Temperaturbereiches sei eine Abschaltung der Abgasrückführung aus Gründen des Motorschutzes und des sicheren Betreibens des Fahrzeugs notwendig. Innerhalb des Fensters finde aus denselben Gründen in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur eine kontinuierliche Abstufung statt. Dies bedeute nicht, dass die AGR entweder zu 100 % aktiv oder inaktiv sei. Im Ergebnis sei die Abgasrückführung in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur bei praktisch allen Fahrten aktiv. Sie werde nur in absoluten Extremtemperaturen vollständig außer Kraft gesetzt, d.h. sei gar nicht mehr aktiv.
Angesichts dieses konkreten Bestreitens der Beklagten und der Überprüfungen, die im Rahmen der "Untersuchungskommission Volkswagen" stattgefunden und nicht zur Feststellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geführt haben, ist mithin auch dieser Vortrag des Klägers zu seinem Fahrzeug als ins Blaue hinein zu bewerten (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22. Juni 2021 -
I 13 U 194/20 juris Rn. 79; OLG Köln, Urteil vom 28. April 2021 – 5 U 129/20, juris Rn. 30; wohl auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 – 18 U 526/19, juris Rn. 33).
(3) Es kann dahinstehen, ob die jedenfalls vorhandene Abschaltung der Abgasreinigung in einem Bereich außerhalb von - 24°C bis + 70°C eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Zulassungsvorschriften darstellt (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – C-693/18, abrufbar unter http://curia.europa.eu). Auch wenn dies der Fall sein sollte, könnte von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten nicht ausgegangen werden. Die Verwendung eines solchen Thermofensters allein rechtfertigt den Vorwurf besonderer Verwerflichkeit in der gebotenen Gesamtbetrachtung nämlich nicht (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 26 ff.). Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 19), die vorliegend jedoch nicht zugrunde zu legen sind.
Für eine Bewertung als sittenwidrig reicht die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 25 ff.; vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 16). Der darin liegende Gesetzesverstoß ist selbst unter Berücksichtigung einer etwaigen damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 16). Eine Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die auf Seiten der Beklagten handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein tätig waren, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 25; vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 19). Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 19).
Anders als bei der ursprünglich vorhandenen Abschalteinrichtung bei Motoren des Typs EA 189 kann nicht aus der Funktionsweise eines "Thermofensters" auf eine Billigung des Gesetzesverstoßes geschlossen werden (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 27). Die in Motoren des Typs EA 189 ursprünglich verwendete Software erkannte einen Prüfstandslauf, schaltete (nur) bei einem solchen die Abgasreinigung ein und war daher ersichtlich auf eine Verheimlichung angelegt. Angesichts der Funktionsweise des "Thermofensters" spricht bei diesem jedoch nichts für eine planvolle Verheimlichung, welche eine Billigung des Gesetzesverstoßes belegen würde. Die temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 i.V.m. Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.) entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 27).
Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die auf Seiten der Beklagten handelnden Personen nur von einer Unzulässigkeit ausgegangen sein können, denn die Zulässigkeit eines solchen "Thermofensters" wird unterschiedlich beurteilt (siehe etwa die Nachweise bei OLG Frankfurt, Urteil vom 9. Dezember 2020 – 17 U 293/19, juris Rn. 61; siehe auch OLG Hamm, Beschluss vom
5. November 2020 – 18 U 86/20, juris Rn. 5; OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2020 – 8 U 169/19, juris Rn. 23).
3. Nachdem die vom Kläger in der Hauptsache geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen, stehen ihm auch die weiteren Nebenansprüche - Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren - von Rechts wegen nicht zu.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts entspricht dem Wert der im Rechtsmittelzug gestellten Anträge.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 543 ZPO fallbezogen nicht vorliegen. Der Rechtsstreit wirft keine höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfragen auf, insbesondere nicht mit Blick auf den Umfang der Darlegungspflichten des Klägers, sondern fußt auf der Anwendung bereits vorhandener Rechtsprechung im Einzelfall.