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Entscheidung DG 1/19


Metadaten

Gericht Dienstgericht Cottbus Entscheidungsdatum 22.10.2021
Aktenzeichen DG 1/19 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:1022.DG1.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Richter am Sozialgericht in ........ und wendet sich u.a. gegen die Nichtverarbeitung eines Diktats.

Unter dem 18. Oktober 2018 übersandte der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der … . Kammer des Sozialgerichts ........ die Gerichtsakte zu dem Verfahren ........ an die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, verbunden „mit der Bitte, das Diktat zu konvertieren“. „Aufgrund der Einschränkungen der hiesigen EDV“ sei eine Konvertierung vor Ort nicht möglich.

Unter dem 29. Oktober 2018 teilte die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg dem Antragsteller unter Verweis auf ein Schreiben des Direktors des Sozialgerichts ........ vom 01. Oktober 2018 daraufhin mit, dass die Konvertierung einer Diktatdatei von einem für das dortige System nicht zugelassenen Aufnahmegerät aus sicherheitstechnischen Gründen nicht in Betracht komme. Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle könnten die vom Antragsteller hinterlegte Datei aus einer unbekannten Quelle nicht lesen und dürften sie auch nicht weiterverarbeiten. Der Antragsteller solle stattdessen die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel nutzen. Die übersandte Gerichtsakte wurde an den Antragsteller zurückgesandt.

Unter dem 1. November 2018 legte der Antragsteller gegen das Schreiben vom 29. Oktober 2018 Widerspruch ein. Er führt aus, die ggf. notwendige Konvertierung des von ihm gefertigten Diktats dürfte weder Sicherheitsbedenken unterliegen, noch den Dienstherrn überfordern. Er würde sie selber vornehmen, würde die EDV am Sozialgericht nicht aufgrund mannigfacher Kindersicherungen dieses ausschließen. Diese seien überzogen, was sich auch daran zeige, dass Dateien, die von Ärzten und Sachverständigen zur Verfügung gestellt würden, nicht ausgelesen werden könnten. Eine ausnahmslose Verpflichtung zur exklusiven Benutzung der Diktiertechnik des Dienstherrn bestehe nicht. Diese halte mit dem Bedarf ohnehin nicht Schritt. Angebliche IT- und Sicherheitsmaßgaben würden als vorgeschoben erachtet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2019 wies die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg den Widerspruch zurück. Zur Begründung führt sie aus, es bleibe bei der Auffassung, dass die Konvertierung einer Diktatdatei von einem fremden Aufnahmegerät aus sicherheitstechnischen Erwägungen nicht in Betracht käme.

Der Antragsteller hat am 01. Februar 2019 Antrag auf gerichtliche Überprüfung gestellt.

Zur Begründung bezieht er sich zunächst auf seinen Widerspruch. Weiterhin führt er aus, die Nichtumsetzung des Diktats sei ein weiterer Punkt in einer Reihe äußerst bedenklicher EDV-Maßnahmen. So sei etwa das CD/DVD-Laufwerk blockiert bzw. entfernt worden und die Installation eines Leseprogramms verhindert worden. Dies führe zu Friktionen, auf die er wiederholt hingewiesen habe. Die bereitgestellte Diktiertechnik sei „unkomfortabel, bedarfsdiskonform“ und störanfällig. Er habe daher Urteile bzw. Gerichtsbescheide auf „ebenso überobligationsmäßiger wie ausreichend dimensionierter privater Diktiertechnik gefertigt“ und in die unter Obhut der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg stehende EDV ordnungsgemäß eingespeist. Dort harrten diese ihrer Umsetzung. Das von ihm erstellte Diktat sei in einem „absolut gängigen Format“.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Maßnahme vom 29. Oktober 2018 bis lfd. in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2019 aufzuheben,

hilfsweise festzustellen, dass die vorgenannte Maßnahme des Antragsgegners in der Gestalt des Widerspruchsbescheides den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt,

weiter hilfsweise festzustellen, dass es die richterliche Unabhängigkeit verletzt, werden Urteils- bzw. Gerichtsbescheidsdiktate, erstellt vom Antragsteller, abgelegt auf der unter der Obhut der PräsinLSG … stehenden richter- bzw. kindergesicherten EDV, nicht umgesetzt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er führt aus, die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers sei durch die aus sicherheitstechnischen Gründen erfolgte Ablehnung der Konvertierung einer Diktatdatei von einem fremden Aufnahmegerät nicht beeinträchtigt. Dem Antragsteller sei das Diktieren durch ein dienstlich zur Verfügung gestelltes Diktiergerät möglich. Auf die ferner bestehende Möglichkeit, die vorhandene Audioquelle analog/akustisch auf das dienstliche Diktiergerät zu übertragen, sei der Kläger hingewiesen worden.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Das Gericht hat ferner die Akten des Verfahrens DG 4/19 beigezogen.

Entscheidungsgründe

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleiben des Antragstellers verhandeln und entscheiden, da die Beteiligten auf diese Folge in der Ladung hingewiesen wurden, vgl. § 80 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG) i.V.m. § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II. Der Antrag bleibt erfolglos.

1. Der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten ist eröffnet. Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht" im Sinne des § 26 Abs. 3 Deutsches Richtergesetz (DRiG) ist nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit weit zu fassen. Es genügt jede Einflussnahme der Dienstaufsicht führenden Stelle, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirkt. Erforderlich ist lediglich, dass ein konkreter Bezug zu der Tätigkeit des Richters besteht (BGH, Urteil vom 25. September 2002, RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 16. November 1990 - RiZ(R) 2/90, BGHZ 113, 36, 38 f.; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 241).

Gegen sie kann mit der - nachvollziehbaren - Behauptung, sie verletze die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht angerufen werden, das darüber im Prüfungsverfahren entscheidet, vgl. § 65 Nr. 4 lit. f BbgRiG.

Die Weigerung der Präsidentin des Landessozialgerichts ist eine solche Maßnahme. Denn diese Weigerung hat zur Folge, dass der Antragsteller das Diktieren seiner Schriftsätze, Urteile und Gerichtsbescheide auf dem vom Dienstherren bereitgestellten Diktiergerät vornehmen oder die Datei selber konvertieren oder eine weitere Ausweichmöglichkeit finden muss; der erforderliche Bezug zu der richterlichen Tätigkeit des Antragstellers ist damit gegeben (vgl. zur Weigerung elektronisch eingehende Anträge auf Eintragung im Handelsregister in Papierform vorzulegen: BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 – RiZ (R) 5/09 –, Rn. 15 - 16, juris).

2. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Maßnahme der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Oktober 2019, mit der diese sich aus sicherheitstechnischen Gründen weigerte, ein Diktat des Antragstellers in einem bestimmten sozialgerichtlichen Verfahren des Sozialgerichts ........ in ein anderes Dateiformat zu konvertieren.

Diese Weigerung ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Antragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit (vgl. zu den nachstehenden Erwägungen schon den Beschluss des erkennenden Gerichts vom 06. August 2020 – DG 4/19 –, juris; nachgehend bestätigt durch: den Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Februar 2021, DGH W 3/20).

Der Antragsteller hat materiell keinen Anspruch darauf, dass ein Diktat, das er in einem anderen Dateiformat auf einem privaten Diktiergerät erstellt, von Stellen des Gerichtes „nutzbar“ gemacht wird.

Eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit kommt durch Maßnahmen in Betracht, die dazu bestimmt oder geeignet sind, die richterliche Rechtsfindung durch psychischen Druck oder auf andere Weise unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen. Ausgehen kann ein solcher Einfluss auch von Anordnungen der Dienstaufsicht im Zusammenhang mit der Benutzung von Geräten und Hilfsmitteln, die der Richter für seine Arbeit benötigt. In den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit sind nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes nämlich nicht nur die Endentscheidung, sondern alle der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienenden - vorbereitenden und nachfolgenden - Sach- und Verfahrensentscheidungen einbezogen (BGH, Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 234 mwN; Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 45). So hat das Dienstgericht des Bundes (Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94 aaO) entschieden, dass Maßnahmen der Dienstaufsicht, die einen Richter veranlassen können, sein Diensttelefon zur Erledigung seiner Aufgaben nicht in dem von ihm für sachgerecht gehaltenen Umfang zu benutzen, die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen können. Gleiches gilt, wenn durch die Dienstaufsicht auf den Richter psychologischer Druck ausgeübt wird, den Inhalt des Protokolls mit einem Aufnahmegerät vorläufig aufzuzeichnen, statt für die Protokollierung einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zuzuziehen (BGH, Urteil vom 21. April 1978 - RiZ(R) 4/77, NJW 1978, 2509).

Der Antragsteller wird durch die angegriffene Weigerung der Dienstaufsicht nicht dergestalt beeinflusst.

Das Dienstgericht des Bundes hat bereits ausgesprochen, dass ein Richter keinen Anspruch gegen die Justizverwaltung auf Schaffung und Bereitstellung der sachlichen, institutionellen und personellen Ausstattung hat, die er zur Ausschöpfung seiner richterlichen Unabhängigkeit für erforderlich und wünschenswert hält (BGH, Urteil vom 3. November 2004 - RiZ(R) 2/03, NJW 2005, 905). Es besteht lediglich ein Anspruch des Richters darauf, dass er bei der Zuteilung der vorhandenen, für die Arbeit erforderlichen personellen und sächlichen Mittel in ermessensfehlerfreier Weise berücksichtigt wird (BGH, Urteil vom 25. September 2002 - RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 – RiZ (R) 5/09 –, Rn. 22, juris).

Dies ist hier geschehen. Dem Antragsteller ist ein Diktiergerät zur Verfügung gestellt worden. Dieses kann er benutzen. Soweit ein Defekt des Diktiergerätes vorliegt, würde dieses nach der unwidersprochen gebliebenen Einlassung des Antragsgegners auf Anfrage ausgetauscht. Ihm steht es gleichermaßen frei, ein anderes Diktiergerät zu benutzen, wenn dies aus welchen Gründen auch immer für seine Tätigkeit von Vorteil ist. Wirft dieses indes die Diktate in einem Dateiformat aus, dass technisch nicht im System des Gerichtes „gelesen“ werden kann oder aus sachlichen Gründen – wie den hier dargelegten sicherheitstechnischen Bestimmungen – nicht im Gericht weiterverarbeitet werden darf, hat der Antragsteller keinen Anspruch darauf, dass die Gerichtsverwaltung ihr (IT-)Personal dazu einsetzt, eine Konvertierung des Dateiformats zu bewirken.

Dies gilt zumal deshalb, da der Antragsteller selbst geltend macht, dass er die Diktatsdatei ohne weiteres selbst in das erforderliche Dateiformat umwandeln könne. Hiergegen führt er an, dies sei ihm aufgrund der „Kindersicherung“ der EDV an seinem Gericht nicht möglich. Dies erschließt sich nicht. Insoweit dürfte es dem Antragsteller freigestanden haben, die Diktatsdatei privat in das Dateiformat umzuwandeln, welches an seinem Gericht nutzbar ist und die Datei sodann mittels des ihm – wie dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt ist – zur Verfügung gestellten USB-Sticks oder seines dienstlichen Diktiergeräts zu übertragen oder alternativ sein Diktiergerät für die Zeit der Abschrift des Diktats seiner Geschäftsstelle zur Verfügung zu stellen, damit diese das Diktat fertigen kann. Darüber hinaus besteht die vom Antragsgegner angeführte Möglichkeit der akustischen Übertragung auf das dienstliche Diktiergerät.

Kann die Datei aber in dem vom Antragsteller verwendeten Dateiformat technisch nicht ausgelesen werden – was der Antragsgegner unwidersprochen vorträgt – und besteht nach dem Vorstehenden kein Anspruch des Antragsstellers auf Konvertierung der Datei, so ist es zwingende Folge, dass das Diktat in dieser Form nicht weiterverarbeitet werden kann. Auch darin ist dementsprechend dann keine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit zu sehen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.