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Erinnerung gegen Ablehnung der Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nach §§ 55, 56 RVG;Kein Anspruch auf Festsetzung der bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO abgegoltenen Gebühren im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO, für das Prozesskostenhilfe bewilligt wurde


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 7. Kammer Entscheidungsdatum 14.06.2022
Aktenzeichen 7 KE 11/21.A ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2022:0614.7KE11.21.A.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 15 Abs 1 RVG, § 16 Nr 5 RVG, § 45 RVG, § 55 RVG, § 56 RVG, § 80 Abs 7 VwGO, § 15 Abs 2 RVG

Leitsatz

1. Voraussetzung des Anspruchs auf die gesetzlichen Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nach den §§ 45 ff. RVG ist, dass dem Anwalt insofern ein dementsprechender gesetzlicher Vergütungsanspruch gegenüber der von ihm vertretenen Partei aufgrund des erteilten Auftrags entstanden ist.
2. Daran fehlt es im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO aufgrund der Regelungen der §§ 15 Abs. 1 und 2, 16 Nr. 5 RVG, soweit der Anspruch auf Gebühren und Auslagen gegenüber der Partei bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden ist.
Da die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nach dem RVG die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung einer Angelegenheit entgelten (§ 15 Abs. 1 RVG) und der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal fordern kann (§ 15 Abs. 2 RVG), darf ein Rechtsanwalt die bereits im Ausgangsverfahren abgegoltenen Gebühren von der Partei im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht (noch einmal) verlangen -
vgl. zu Kostenfestsetzungsverfahren OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. August 2020 - OVG 3 K 185.19 -, juris Rn. 5 f.; SächsOVG, Beschluss vom 12. Februar 2018 - 5 B 19/17.A -, juris Rn. 6 f.

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Über die Erinnerung gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Gerichts vom 30. April 2021 über den Antrag auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren VG 4 L 613/20.A entscheidet gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 die Kammer, nachdem der Einzelrichter dieser das Verfahren durch Beschluss vom 14. Juni 2022 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache übertragen hat.

Die statthafte und auch sonst zulässige Erinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Ungeachtet der zugunsten der Erinnerungsführer ergangenen Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO haben weder diese noch der ihnen beigeordnete Bevollmächtigte einen Anspruch auf Vergütungsfestsetzung gemäß den § 45 ff. RVG.

Zwar erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Anwalt die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse (§§ 45 Abs. 1, 48, 49 RVG). Voraussetzung ist aber jeweils, dass dem Anwalt insofern auch ein dementsprechender gesetzlicher Vergütungsanspruch gegenüber der von ihm vertretenen Partei aufgrund des erteilten Auftrags entstanden ist. Dies wird nicht zuletzt auch anhand der Regelungen in § 122 Abs. 1 Nr. 1 b) und Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) deutlich, die davon ausgehen, dass Vergütungsansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Partei grundsätzlich bestehen, diese aber nicht oder nur eingeschränkt gegen die Partei geltend gemacht werden können. An einem solchen zugrundeliegenden Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführer gegen diese bezogen auf das Abänderungsverfahren fehlt es aber aufgrund der Regelungen der §§ 15 Abs. 1 und 2, 16 Nr. 5 RVG.

Nach § 16 Nr. 5 RVG stellen das ursprüngliche Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO (VG 4 L 637/18.A) und das Verfahren auf Abänderung nach § 80 Abs. 7 VwGO (VG 4 L 613/20.A) dieselbe Angelegenheit dar. Da die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nach dem RVG die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung einer Angelegenheit entgelten (§ 15 Abs. 1 RVG) und der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal fordern kann (§ 15 Abs. 2 RVG), darf der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführer die hier streitigen Gebühren von diesen im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht (noch einmal) verlangen. Rechtsanwälte, die bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig waren, können somit dieselben Gebühren nicht nochmals im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO verdienen, weil diese bereits durch die zuvor entstandenen Gebühren abgegolten sind. Ein Wahlrecht, diese Gebühren im Verfahren nach § 80 Abs. 5 oder Abs. 7 VwGO zu verlangen, besteht nicht (vgl. zu Kostenfestsetzungsverfahren OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. August 2020 - OVG 3 K 185.19 -, juris Rn. 5 f.; SächsOVG, Beschluss vom 12. Februar 2018 - 5 B 19/17.A -, juris Rn. 6 f., beide m. w. N.). Dementsprechend geht insoweit auch eine Prozesskostenhilfebewilligung für das Abänderungsverfahren ins Leere und löst keinen Anspruch auf Festsetzung einer Vergütung aus, weil der Partei gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO keine weiteren Kosten entstehen.

Soweit sich die Erinnerungsführer gegenüber der zuvor zitierten, zu Kostenfestsetzungsanträgen ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung auf die Gegenansicht (vgl. u.a. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Februar 2017 - 11 B 769/15.A -, juris Rn. 7 ff. und vom 12. Oktober 2018 - 11 B 1482/15.A -, juris Rn. 6 ff.) berufen, folgt die Kammer dieser Gegenansicht nicht. Neben den zuvor genannten Gründen ist eine Verlagerung der insgesamt nur einmal zu verlangenden Vergütung in das nachfolgende Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nach den gesetzlichen Bestimmungen des Kostenrechts weder vorgesehen noch gerechtfertigt und würde – im Kostenfestsetzungsverfahren – die im Ausgangsverfahren ergangene Kostengrundentscheidung unterlaufen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 13 B 275/18.A -, juris Rn. 11). Vielmehr geht aus § 15 Abs. 1 RVG hervor, dass bereits mit der Vergütung für das Ausgangsverfahren die insoweit im nachfolgenden Abänderungsverfahren anfallenden Gebühren als mit abgegolten gelten. Abgesehen davon lässt sich aus der vom 11. Senat des OVG NRW vertretenen Gegenansicht unmittelbar keine Folgerung dafür ableiten, ob ein Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO als Voraussetzung für den hier geltend gemachten Vergütungsfestsetzungsanspruch im Prozesskostenhilfeverfahren besteht. Denn diese Auffassung stellt maßgeblich darauf ab, dass § 15 Abs. 2 RVG lediglich den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten regle und demzufolge die gebührenrechtliche Zusammenfassung beider Verfahren nach §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG keine Auswirkungen auf die Frage habe, wer die im jeweiligen Verfahren für sich genommen entstandenen Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten habe (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Oktober 2018 - 11 B 1482/15.A -, juris Rn. 18).

Soweit die Erinnerungsführer im Festsetzungsverfahren eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 RVG (VV-RVG) nebst Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV-RVG) und Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG) geltend machen, standen diese ihrem Prozessbevollmächtigten bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu und können von diesem nicht nochmals im vorliegenden Verfahren verlangt werden. Soweit sie geltend machen, zumindest die weiter angefallenen tatsächlichen Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 4,35 Euro nebst Umsatzsteuer seien erstmals im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO angefallen und damit nach Nr. 7001 und 7008 VV-RVG festsetzungsfähig, dringen sie damit ebenfalls nicht durch. Denn diesbezüglich fehlt es schon an einer hinreichend klaren Entscheidung ihres Prozessbevollmächtigten, für diese Leistungen im Rahmen derselben Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 1 und 2, 16 Nr. 5 RVG insgesamt (lediglich) die tatsächlich angefallenen Entgelte nach Nr. 7001 VV-RVG und nicht die Pauschale nach Nr. 7002 VV-RVG abzurechnen. Abgesehen davon, dass eine Vergütungsrechnung für das zuvor abgeschlossene Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht vorgelegt wurde, begehren die Erinnerungsführer im noch nicht abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 164 VwGO bislang weiterhin die Pauschale nach Nr. 7002 VV-RVG zur Erstattung. Die Pauschale kann aber lediglich – für das Verfahren insgesamt – anstelle der tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 VV-RVG gefordert werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 83b AsylG und § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

Die Beschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).