Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 4 U 154/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 15.06.2022
Aktenzeichen 4 U 154/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0615.4U154.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.07.2021, Az. 13 O 19/21, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wegen einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

Der Kläger erwarb am … 2011 von der Autohaus … OHG in … einen BMW 330d xDrive Touring zu einem Kaufpreis von 43.590 € brutto; der Kauf wurde durch ein Darlehen finanziert. Das am 12.11.2010 erstzugelassene Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 4.500 km auf.

In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte und entwickelte Motor des Typs N 57 (in der Applikation N57D30O0) der Schadstoffklasse Euro 5 mit einer Leistung von 180 kW verbaut. Der Motor und dessen Steuerung wurde von der Systemgenehmigungsbehörde NSAI (National Standards Authority of Ireland) vorab geprüft und zugelassen. Die Bescheinigung wurde dem KBA im Rahmen des Antrags auf Erteilung der Typengenehmigung vorgelegt und von ihm zugrunde gelegt. Eine Abgasnachbehandlung durch einen SCR- oder NOx-Katalysator findet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug, das von einem Rückruf nicht betroffen ist, nicht statt.

Mit Anwaltsschreiben vom 23.11.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur "entsprechenden Rückabwicklung" bis zum 07.12.2020 auf.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über diverse unzulässige Abschalteinrichtungen. Nur so lasse sich erklären, dass von der Beklagten hergestellte Fahrzeuge die Schadstoffgrenzwerte (NOx) der Euronorm 5 im realen Straßenbetrieb im Unterschied zu den Messergebnissen auf dem Prüfstand im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens massiv überschritten. Dies hätten insbesondere Messungen des Bundesumweltamtes sowie der Deutschen Umwelthilfe ergeben, wonach bei vergleichbaren Motoren der zulässige Grenzwert an NOx von 180 mg/km deutlich überschritten werde. Diese Messergebnisse seien auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar, da in den getesteten Fahrzeugen ebenfalls ein vergleichbarer Motor der Beklagten verbaut sei.

In dem Fahrzeug sei ein Thermofenster eingebaut, das bewirke, dass nur in einem Temperaturbereich von +17 bis +33 Grad Celsius die Emissionsstrategie zu 100 % funktioniere. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasreinigung iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Da diese Abschaltung von den Außentemperaturen abhänge, sei die Abschaltung in den kalten Monaten von November bis einschließlich Februar dauerhaft aktiv und eher die Regel als die Ausnahme.

Darüber hinaus erkenne die Motorsteuerungssoftware im Rahmen des sog. „Hard Cycle Beating“ anhand diverser Parameter, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand des Typgenehmigungsverfahrens befinde, nur in diesem Fall funktioniere die Abgasreinigung optimal; sofern sich das Fahrzeug im Normalbetrieb befinde, werde das Abgasrückführungsventil im Unterschied zum Betrieb auf dem Prüfstand – jedenfalls ab 3000 Umdrehungen - komplett geschlossen und eine Abgasrückführung finde nicht mehr statt. Werde der Fahrzyklus des NEFZ durchlaufen, werde die Abgasrückführung entsprechend aktiviert. Werde hingegen der NEFZ-Zyklus in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen, werde die Abgasrückführung reduziert, wie auch Tests des englischen „Department for Transport“ gezeigt hätten. Ferner sei eine Standzeiterkennung implementiert: Stehe das Fahrzeug zur „Konditionierung“ 6 Stunden oder länger in einer Umgebungstemperatur von 20-30 Grad Celsius, werde die Prüfstandserkennung aktiviert. Wie der frühere Vorstandsvorsitzende der Beklagten, Herr D…, eingeräumt habe, habe es bei der Beklagten eine intern als "14/15-V"-Funktion bezeichnete Abschalteinrichtung gegeben, die mit der bei Volkswagen eingesetzten Umschaltlogik vergleichbar sei. Überdies schalte die Abgasrückführung ab einer Gesamtlaufleistung von 60.0000 km schlicht aus, da bei derartig "alten" Fahrzeugen i.d.R. keine NEFZ-Prüfungen mehr durchgeführt würden. Zudem sei die sog. On-Board Diagnose-Einheit dahingehend manipuliert, dass bei Änderung der Abgasreinigungsstrategie des Fahrzeuges durch Schließung der Abgasrückführung eine Fehlermeldung nicht ausgegeben werde.

Die Beklagte habe das Vorhandensein dieser Abschaltvorrichtungen dem Kraftfahrbundesamt im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens nicht offen gelegt; jedenfalls treffe die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast für die Angabe aller relevanten Daten im Genehmigungsverfahren. Die Abschalteinrichtungen seien auch nicht aus Motor- oder Bauteileschutzgründen erforderlich, so dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht eingreife. Jedenfalls hätten diesen Gefahren auch durch andere Maßnahmen begegnet werden können, die keinen oder weniger Einfluss auf die Abgasrückführung gehabt hätten. Soweit die Beklagte auf Auskünfte des KBA verweise, wonach bei ihren Motoren keine unzulässigen Abschaltvorrichtungen implementiert seien, seien diese Auskünfte wenig aussagekräftig, da sie offensichtlich auf mangelnder Kompetenz oder – was zu befürchten sei – auf einer eindeutigen Befangenheit zu Gunsten der Automobilindustrie beruhten. Die Manipulationen seien nur dadurch zu erklären, dass der Vorstand der Beklagten festgestellt habe, dass mit zugelassenen und günstig zu entwickelnden bzw. implementierenden Mitteln die Grenzwerte nicht hätten eingehalten werden können, so dass er sich entschlossen habe, zur Reduzierung von Kosten die Fahrzeuge mit unzulässigen Abschaltvorrichtungen zu versehen; der damit einhergehende Verstoß insbesondere gegen die Normen der VO 715/2007 EG sei den Beteiligten der Beklagten hierbei bewusst gewesen. Es sei diesen aber ausschließlich darum gegangen, den „Erfolgskurs“ der Beklagten fortzuführen und entsprechende Gewinne für das Unternehmen zu generieren.

Es sei charakteristisch für Abschaltfunktionen, dass sie die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ bewirkten, nicht hingegen im normalen Fahrbetrieb. Dies werde auch durch die Leitlinien der Europäischen Kommission vom 26.01.2017 zur Erkennung von Abschaltvorrichtungen bestätigt. Dort würden selbstverständlich auch die Werte im Realbetrieb herangezogen. Auch die Kommission gehe davon aus, dass es Unklarheiten bei der Auslegung des Verbotes von Abschalteinrichtungen von vornherein nicht gegeben habe. Nach den Vorgaben der Europäischen Kommission bestehe bei Prüfungen auf der Straße im Realbetrieb (Kategorie 3) und Überschreitung der Grenzwerte um das 2 bis 5-Fache ein Verdacht auf das Vorhandensein einer unzulässigen Abschaltvorrichtung. Bereits die DUH Messungen, die als NEFZ-Prüfungen auf der Straße durchgeführt worden seien und damit einer Prüfung der Kategorie 2 der Leitlinien der Kommission entsprächen, belegten, dass die Emissionen die zulässigen Euro 6-Grenzwerte im Realbetrieb um den Faktor 1,9 bis 7,58 überschreiten würden, was ein hinreichendes Indiz für das Vorhandensein unzulässiger Abschaltvorrichtungen sei. Diese Einschätzung werde durch ein vom Landgericht Hannover eingeholtes Sachverständigengutachten von Prof. Dr.-Ing. B… ebenfalls bestätigt.

Der Kläger sei davon ausgegangen, ein wertstabiles und technisch einwandfreies Fahrzeug zu erwerben, welches die gesetzlichen Schadstoffwerte einhalte. Dabei seien ihm Sparsamkeit, Umweltfreundlichkeit und der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs besonders wichtig gewesen. Bei Kenntnis der zahlreichen Manipulationen hätte er vom Kauf dieses Fahrzeugs Abstand genommen. Das Fahrzeug habe bei Klageerhebung einen Kilometerstand von 100.000 km gehabt, ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km rechne er sich als Nutzungsvorteil einen Betrag von 8.401,30 € auf den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises an; von der Beklagten zu erstatten seien ferner Deliktszinsen auf den Kaufpreis in Höhe von 15.716,28 €.

Die Beklagte hat gegen ihre Inanspruchnahme im Wesentlichen eingewandt, in dem Fahrzeug komme keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz. Dies sei auch das Ergebnis der Untersuchungskommission Volkswagen, die die Unauffälligkeit des streitgegenständlichen Motors N57 bestätige. Der Rückruf von Fahrzeugen mit dem Motor N57 (BMW 750d und M 550d) sei hingegen nicht wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt, sondern auf eine versehentlich falsche Bedatung zurückzuführen. Die verschiedenen Modelle der Motoren der Beklagten seien überdies nicht baugleich. Auch im Übrigen seien keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorhandensein von unzulässigen Abschaltvorrichtungen ersichtlich. Der klägerische Vortrag erfolge hierzu ins Blaue hinein und sei daher unbeachtlich. Soweit der Kläger auf erhöhte Emissionswerte im Realbetrieb verweise, komme es hierauf für den NEFZ nicht an, und diese seien nicht geeignet, das Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen zu belegen. Im Übrigen belegten die vom Kläger eingereichten Messungen, dass die Grenzwerte des NEFZ auch im Realbetrieb nicht wesentlich überschritten worden seien.

Ein „illegales Thermofenster“ sei nicht vorhanden. Der Grad der Abgasrückführung hänge aufgrund physikalischer Notwendigkeiten immer von einer Vielzahl von Parametern ab. Die Außentemperatur sei indes kein Parameter, nach dem die Abgasrückführung geregelt sei. Im Übrigen sei eine Anpassung der Abgasrückführungsrate aus Gründen des Motorschutzes erforderlich und damit zulässig. Das sog. Thermofenster sei daher ohnehin nicht geeignet, eine Haftung der Beklagten zu begründen. Die Beklagte habe dem KBA auch keine Informationen vorenthalten, sondern diesem sämtliche Beschreibungen zur Verfügung gestellt. Eine Funktion mit der Bezeichnung „14/15-V“ gebe es nicht. Es gebe weder ein Update für das Fahrzeug noch drohe der Widerruf der Typengenehmigung oder sonstige behördliche Maßnahmen

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.07.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen hinsichtlich der Antragstellung verwiesen wird (§ 540 Abs. 1 ZPO), abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin ergebe sich nicht aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB. Allein das Vorhandensein von Steuerungen eines Emissionskontrollsystems, das in der realen Fahrsituation in derselben Weise arbeite wie im Prüfzyklus, könne den Sittenwidrigkeitsvorwurf nicht rechtfertigen. Selbst wenn das behauptete Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, müsse eine möglicherweise falsche, aber vertretbare Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe der Beklagten in Erwägung gezogen werden. Die Gesetzeslage zu Inhalt und Reichweite des Art. 5 Abs. 2 S. 2a der VO 2007/57/EG sei nicht eindeutig und seinerzeit nicht geklärt gewesen - so habe ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung und der zur Dieselaffäre eingesetzte Untersuchungsausschuss die in der Verordnung aufgeführten Ausnahmen als nicht eindeutig definiert angesehen.

Auch im Übrigen bestünden keine Anhaltspunkte für die Annahme, Organe der Beklagten hätten die Zulässigkeit bestimmter Softwareeinrichtung als kaum vertretbare Abschalteinrichtung bewerten müssen. Die Prüfstandserkennung als solche sei nicht unzulässig, sondern nur dann, wenn dadurch eine Abschalteinrichtung i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 aktiviert werde, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringere. Einige der vom Kläger beanstandeten Funktionen - etwa die drehzahlabhängige Steuerung der Abgasrückführungsrate - arbeiteten nach seinem Vortrag in der Prüfsituation genauso wie auf der Straße. Aber auch bei anderen beanstandeten Funktionen sei nicht zu erkennen, dass es sich um unzulässige Abschalteinrichtungen handele; der Klägervortrag sei mangels greifbarer Anhaltspunkte für Manipulationen i.S. einer Umschaltlogik im Prüfstand als "ins Blaue hinein" zu bewerten. Sein Vortrag lasse nicht erkennen, worauf er stütze, dass die beanstandeten Funktionen nicht an das Vorliegen äußerer Bedingungen wie etwa Luftdruck, Drehzahlen und Beschleunigung anknüpfe, die ebensogut auf dem Prüfstand wie auf der Straße greifen können. Das behauptete Nichtoffenlegen von Anknüpfungspunkten der Abgasrückführungsrate gegenüber dem KBA betreffend, hätte der Vorwurf einer sittenwidrigen Täuschung mindestens Vortrag dazu erfordert, dass konkrete Angaben zur Verschleierung des tatsächlichen Sachverhalts nicht getätigt worden seien.

Die Einräumung einer Schriftsatzfrist im Hinblick auf die als Vortrag ins Blaue hinein verstandene Behauptung, das System der Abgasrückführung schalte ab einer bestimmten Laufzeit ab, sei nicht geboten. Denn der Kläger sei nach dem Bestreiten der Beklagten nicht mehr hierauf zurückgekommen, es gehe mithin nicht um Vortrag, bei dem grundsätzlich eine Erklärung zur gerichtlichen Nachfrage möglich sei.

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB scheitere überdies an der fehlenden Stoffgleichheit der behaupteten Vermögenseinbuße und dem vermeintlich von der Beklagten angestrebten Vermögensvorteil, ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG am fehlenden Schutzbereichscharakter der Vorschriften.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiter geltend macht und seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt. Er meint, das Landgericht habe die Anforderungen an einen schlüssigen und substantiierten Vortrag überzogen, da es dem Kläger aufgebürdet habe, zu Vorgängen detailliert vorzutragen, in die er naturgemäß keinen Einblick habe. Er habe - wie kürzlich vom BGH in seinem Beschluss VIII ZR 57/19 bestätigt - hinreichend konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschaltvorrichtung dargelegt. Da nach dem BGH das bloße Berufen darauf, dass das KBA bei der gleichen Motorreihe - nicht dem gleichen Fahrzeugtyp - (noch nicht rechtskräftige) Rückrufe angeordnet worden seien, für ausreichend erachtet habe, müsse das Vorbringen mit konkreten Messwerten zu der streitgegenständlichen Motorreihe, wenngleich in der Variante Euro 6, und Benennung der Abschaltfunktionen erst recht ausreichen.

Auch hinsichtlich des Thermofensters habe das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Das Vorliegen einer solchen Vorrichtung sei unstreitig, für die Ausnahme der Zulässigkeit nach Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007 trage hingegen die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast, der sie nicht hinreichend nachgekommen sei.

Entgegen der Sichtweise des Landgerichts komme sowohl den §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV als auch der VO 715/2007/EG drittschützende Wirkung zu und bei richtiger Sachverhaltsauswertung sei auch eine Verurteilung gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB unumgänglich gewesen.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2022 trägt der Kläger zu einer weiteren unzulässigen Abschalteinrichtung, der sogenannten „Kaltstartheizen“-Funktion, vor, die bei praktisch allen Motorsteuerungen des Motors B37 und B47 mit Baujahr bis 2017 vorhanden sei – damit auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug. Der sachverständige Zeuge Dr. H… habe diese Funktion bei einer Untersuchung von 69 untersuchten „Binärdateien“ der Motorsteuerungen von Fahrzeugen aus den Jahren 2011 bis 2018 festgestellt. Sie werde nur im Prüfstand aktiviert, da ihr Einsatz auch im Realbetrieb schädlich für den Abgasstrang sei und zu häufigeren Wartungsintervallen führen würde. Hintergrund sei, dass der NOx-Speicherkatalysator eine sehr hohe Temperatur erreichen müsse (zwischen 250 bis 500 Grad Celsius), um NOx wirksam zu filtern. Im NEFZ mit geringer Last, Drehzahl und Geschwindigkeit könnten diese Temperaturen nicht, oder allenfalls am Ende, erzielt werden, so dass das Einhalten von Grenzwerten nicht erreicht werden könne. Daher habe die Beklagte das „Kaltaufheizen“ entwickelt, das unter sehr engen – realistischerweise nur im Prüfstand auftretenden – Bedingungen nach Motorstart die Verbrennung so regele, dass Kraftstoff unverbrannt den Motor verlassen könne und erst im Abgasstrang verbrannt werde, um diesen sehr schnell auf Temperatur zu bekommen. Folgende Bedingungen müssten hierfür kumulativ vorliegen: Außentemperatur im Temperaturbereich zwischen 15 und 35,5 Grad Celsius; Motor (Kühlmittel-)Temperatur bei über 15 Grad Celsius; Luftdruck unter einem Wert, der eine Höhe über Null von 900 m entspreche. Diese Bedingungen lägen aufgrund der vorherigen Konditionierung typischerweise im Prüfstand vor, im realen Straßenbetrieb hingegen selten. Die Beklagte habe diese Funktion weder dem KBA noch der irischen Zulassungsbehörde offengelegt.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.07.2021

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 37.169,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.12.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typ BMW 330d mit der Fahrzeug- Identifikationsnummer …,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.783,16 € Deliktszinsen zu bezahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typ BMW 330d mit der Fahrzeug- Identifikationsnummer …,

3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Antrag 1. genannten Fahrzeuges seit dem 08.12.2020 in Verzug befindet,

4. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten der außergerichtlichen

Rechtsverfolgung in Höhe von 1.832,01 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Auch weiterhin habe der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorhandensein unzulässiger Abschaltvorrichtungen dargelegt. Abgesehen davon, dass es in dem vom Kläger herangezogenen Beschluss des BGH um die Frage hinreichend substantiierten Vorbringens zum Vorliegen eines kaufrechtlichen Sachmangels gegangen sei, sei der dort gegenständliche Motor OM 651 der Daimler AG - anders als der hier streitgegenständliche Motor N 57 Euro 5 - von einem Rückruf betroffen und es seien staatsanwaltliche Ermittlungen wegen des Einbaus unzulässiger Abschalteinrichtungen eingeleitet gewesen. Die angebliche aktuelle Laufleistung werde mit Nichtwissen bestritten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat die Berufung indes keinen Erfolg.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Mangels eines Vertragsverhältnisses oder einer vertragsähnlichen Beziehung zwischen den Parteien kommen vertragliche Ansprüche von vornherein nicht in Betracht. Doch auch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung (§§ 826 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV, §§ 831, 31 BGB) der Beklagten sind - wie der Senat bereits mehrfach in vergleichbaren Fällen (und mit nahezu demselben Klägervortrag) bereits entschieden hat (Urteile vom 22.12.2021 - 4 U 19/21 - zu einem BMW 116d, N47 Euro 5; vom 16.03.2022 - 4 U 82/21 - zu einem BMW 520d, N47 Euro 6; vom 11.05.2022 - 4 U 155/21 - zu einem BMW 318d, N47 Euro 6, und - 4 U 23/21 - zu einem BMW X 1, N47 Euro 5; vom 08.06.2022 - 4 U 148/21 - zu einem BMW 330d, N57 Euro 5, und – 4 U 153/21 – zu einem BMW 116d, Euro 6) - nicht erfüllt. Infolgedessen ist auch der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ebenso unbegründet wie der geltend gemachte Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadenersatz aus § 826 BGB. Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Die erforderliche Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn die schädigende Handlung nach ihrem Inhalt bzw. ihrem Gesamtcharakter im Widerspruch zum Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden steht und daher mit den grundsätzlichen Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar ist.

aa) Der Vortrag des Klägers zum Thermofenster begründet keinen Anspruch aus §§ 826, 31 (analog) BGB.

aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., BGH, Beschl v. 29.09.2021 – VII ZR 126/21 – Rn. 10; Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 13; Urt. v. 13.07.2021 - VI ZR 128/20 - Rn. 11; Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 29; Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 - Rn. 15, jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 13; Beschl. v. 09.03.2021 - VI ZR 889/20 - Rn. 12; Beschl. v. 19.01.2021 - VI ZR 433/19 - Rn. 14; Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 29).

bb) Es ist bereits zweifelhaft, ob der Vortrag des Klägers, nur in einem Temperaturbereich von +20 bis +30 Grad Celsius bzw. +17 bis +33 Grad Celsius funktioniere die Emissionsstrategie zu 100 %; außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasreinigung iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet; da diese Abschaltung von den Außentemperaturen abhänge, sei die Abschaltung in den kalten Monaten von November bis einschließlich Februar dauerhaft aktiv und eher die Regel als die Ausnahme, ausreicht, um eine unzulässige Abschalteinrichtung anzunehmen und angesichts des substantiierten Bestreitens in Bezug auf diese Behauptungen in eine Beweisaufnahme einzutreten.

Selbst wenn man dieses Vorbringen zugunsten des Klägers als wahr unterstellt und eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 qualifiziert (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 17.12.2020 – C 693-18-), wäre der darin liegende - hier unterstellte - Gesetzesverstoß für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Für die Sittenwidrigkeit eines Verhaltens genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. So setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit in diesen Fällen jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschl. v. 29.09.2021 – VII ZR 126/21 – Rn. 14; Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 16; Urt. v. 20.07.2021 - VI ZR 1154/20 - Rn. 13; Urt. v. 13.07.2021 - VI ZR 128/20 - Rn. 13; Beschl. v. 09.03.2021 - VI ZR 889/20 - Rn. 28; Beschl. v. 19.01.2021 - VI ZR 433/19 - Rn. 19).

Ein solches Vorstellungsbild der für die Beklagte handelnden Personen zeigt der Vortrag des Klägers hier nicht auf.

(1) Nach allgemeiner Auffassung kann aus der Funktionsweise der Abschalteinrichtung auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten geschlossen werden, etwa wenn sie nur außerhalb des Prüfstandes aktiviert wird (sog. Prüfstandsbezogenheit, vgl. BGH, Beschl. v. 29.09.2021 – VII ZR 126/21 –Rn. 15ff.). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich die Funktionsweise des Thermofensters mit der bei den Motoren EA 189 von der Volkswagen AG verwendeten „Umschaltlogik“ nicht vergleichen. Denn bei letzterer wurden die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten. Anders als bei der in den EA 189-Motoren zum Einsatz gekommenen Umschaltlogik unterscheidet die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Davon geht auch der Vortrag des Klägers aus, wonach im Bereich zwischen +20 bis +30 Grad Celsius bzw. +17 bis +33 Grad Celsius die Abgasrückführung nicht reduziert werde. Ein System der Prüfstandserkennung liegt damit nicht vor (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 19; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021 – I-18 U 526/19 – Rn. 26; Senatsurteile vom 16.03.2022 - 4 U 82/21 - und vom 11.05.2022 - 4 U 155/21 -).

(2) Der Kläger hat auch nicht hinreichend dargetan, dass die Beklagte – was ebenfalls ein Indiz für die bewusste Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sein kann – das Thermofenster im Typgenehmigungsverfahren verschleiert oder das KBA auf sonstige Weise arglistig getäuscht habe (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19 –, Rn. 24; vgl. auch BGH, Beschl. v. 09.03.2021 – VI ZR 889/20 –, Rn. 24, 28; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.07.2021 – 22 U 97/20 – Rn. 121ff.). Das pauschale Vorbringen, das KBA bzw. die irische Zulassungsbehörde NSAI sei von der Beklagten getäuscht worden, reicht hierfür nicht aus.

Ob die Beklagte verpflichtet war, im Typgenehmigungsverfahren Angaben zur temperaturabhängigen Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems zu machen, lässt sich überdies nicht eindeutig feststellen. Die Beklagte trägt insoweit vor, eine detaillierte Angabe zur Funktionsweise der Abgasrückführung sei erst ab Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 646/2016 ab dem 10.05.2016 erforderlich gewesen. Erst seitdem müsse der Typgenehmigungsbehörde detailliert dargestellt werden, welche Emissionsstrategien in dem zu genehmigenden Fahrzeugtyp zum Einsatz kämen. Bei der Rechtslage zum Zeitpunkt der Beantragung der Typgenehmigung sei dies nicht erforderlich gewesen. Diese Rechtsansicht ist jedenfalls im Hinblick auf die tatsächlich erst mit der Art. 1 Nr. 4 vorgenannten Verordnung eingefügten Regelungen des Art. 5 Nr. 11 und 12 in der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 nicht offensichtlich unvertretbar (OLG Brandenburg, Urt. v. 25.02.2021 – 5 U 99/20 – Rn. 109; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.07.2021 – 22 U 97/20 – Rn. 125). Insoweit kann allein aus einer - unterstellt - fehlenden Angabe der Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführung nicht geschlossen werden, dass die Beklagte einen in dem Thermofenster liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahm. Selbst wenn die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren – erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der Abgasrückführung unterlassen haben sollte, wäre zudem die Typgenehmigungsbehörde gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschaltvorrichtung zu prüfen (BGH, Beschl. v. 29.09.2021 – VII ZR 126/21 – Rn. 20 m.w.N.). Dies ergibt sich für das KBA als deutsche Genehmigungsbehörde aus dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG. Für die irische Genehmigungsbehörde NSAI, die nach dem unstreitigen Vortrag die Genehmigung für den Motor erteilt hat, gilt nichts anderes, da diese ebenfalls von Amts wegen alle Möglichkeiten zur Ermittlung der Umstände auszuschöpfen hat, von denen die Anwendung der gemeinschaftlichen Bestimmungen – hier der VO (EG) 715/2007 - im Einzelfall abhängt (vgl. EuGH, Urt. v. 21.09.1983 – C 205/82 - Rn. 35 „Deutsche Milchkontor“; Schneider in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 24 VwVfG, Rn. 21; Senat, Urt. v. 22.12.2021 – 4 U 19/21 – Rn. 47). Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, legt der Kläger mithin nicht dar.

Dem Antrag des Klägers, gemäß § 142 ZPO von der Beklagten die Antragsunterlagen für das Typgenehmigungsverfahren anzufordern, ist aus vorstehenden Gründen ebenfalls nicht zu entsprechen. Die bloße Vermutung von Falschangaben rechtfertigt die Anordnung der Vorlage von Unterlagen nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.07.2021 – 22 U 97/20 – Rn. 126f.).

(3) Hinzu kommt, dass für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp BMW 330d (Euro 5) kein Rückruf des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt ist. Der Umstand, dass das Kraftfahrtbundesamt bei anderen Fahrzeugtypen der Beklagten (BMW 750d und 550d) einen Rückruf angeordnet hat, ist bei dieser Sachlage kein hinreichendes Indiz für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug der Klägerin und erst recht nicht für ein besonders verwerfliches Handeln der Beklagten. Die vom Rückruf betroffenen Fahrzeuge waren zwar ebenfalls mit einem Motor des Motortyps N57, allerdings der Schadstoffklasse Euro 6, ausgestattet. Dass für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp und für Fahrzeuge mit dem Motor N57 Euro 5 auch mehrere Jahre nach der Zulassung kein Rückruf erfolgt ist, spricht im Umkehrschluss dagegen, dass das KBA das hier vermeintlich verwendete Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung einstuft und zeigt ebenfalls, dass eine dementsprechende Einschätzung der Beklagten zumindest nicht als sittenwidriges Verhalten zu qualifizieren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021 – I-18 U 526/19 – Rn. 36 OLG Dresden, Urt. v. 01.07.2021 – 11a U 1085/20 – Rn. 36).

(4) Der Feststellung, das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen sei objektiv sittenwidrig gewesen, steht überdies entgegen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des hier in Rede stehenden Fahrzeugs (spätestens) im Jahr 2010 (die Erstzulassung ist laut Zulassungsbescheinigung Teil I, Bl. 1ff Anlagenhefter Kläger, am 12.11.2010 erfolgt) die rechtliche Wertung zur (Un-)Zulässigkeit von Thermofenstern unklar war. Nach Einschätzung der vom BMVI eingesetzten Untersuchungskommission liegt ein Gesetzesverstoß durch die von allen Autoherstellern eingesetzten "Thermofenster" jedenfalls nicht eindeutig vor. So heißt es im Bericht der Kommission zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a) VO (EG) 715/2007 ausdrücklich (BMVI, Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“ aus dem Jahr 2016, S. 123 – eingereicht als Anlage K C3, Bl. 17 ff Anlagenheft Kläger): "Zudem verstößt eine weite Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könnte sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein."

Schließlich zeigt auch der in der Literatur (vgl. Führ, NVwZ 2017, 265) betriebene erhebliche Begründungsaufwand, um das "Thermofenster" als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen, dass keine klare und eindeutige Rechtslage gegeben ist, gegen die die Beklagte bewusst verstoßen hätte (vgl. OLG Koblenz Urt. v. 18.01.2021 - 12 U 569/20 - Rn. 32). Schließlich musste sich auch Gerichtshof der Europäischen Union auf Vorlage eines französischen Gerichts mit der Frage der Auslegung der genannten Vorschrift befassen (vgl. EuGH, Urt. v. 17.12.2020 - C-693/18, NJW 2021, 1216). Eine Auslegung, wonach ein Thermofenster eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, war daher jedenfalls zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs des Klägers (spätestens) im Jahr 2010 nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann aber nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden (OLG Koblenz, Urt. v. 18.01.2021 - 12 U 569/20 - Rn. 32; OLG Brandenburg, Urt. v. 09.06.2021 – 11 U 176/20 – Rn. 30 m.w.N.). Insoweit zeigt der Kläger weder erstinstanzlich noch in der Berufung auf, dass zu diesem Zeitpunkt in der Praxis einhellig von der Unzulässigkeit temperaturbedingter Abgassteuerung ausgegangen worden sei. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt aber für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 31; Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 190/20 – Rn. 31).

cc) Ebenso fehlt es an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt beziehungsweise vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 28.06.2016 - VI ZR 536/15 - Rn. 25 m.w.N.). Allein aus der hier zu unterstellenden objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage - hinsichtlich des vermeintlich im Fahrzeug des Klägers verbauten Thermofensters fehlt es bis heute an einer behördlichen Stilllegung oder einem Zwang zu Umrüstungsmaßnahmen - ist nicht dargetan, dass die für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers für möglich gehalten und diese billigend in Kauf genommen hätten (vgl. BGH, Beschl. v. 29.09.2021 – VII ZR 126/21 – Rn. 24; Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 31).

b) Auch aus den weiteren behaupteten Abschaltvorrichtungen im Rahmen des sog. „Hard Cycle Beating“ ergibt sich ein Anspruch des Klägers aus § 826 BGB nicht.

aa) Die Behauptung des Klägers, die Motorsteuerungssoftware erkenne anhand diverser Parameter, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens befinde, nur in diesem Fall funktioniere die Abgasrückführung optimal; sofern sich das Fahrzeug im Normalbetrieb befinde, werde das Abgasrückführungsventil im Unterschied zum Betrieb auf dem Prüfstand komplett geschlossen und eine Abgasrückführung finde nicht mehr statt, rechtfertigt die von dem Kläger beantragte Beweiserhebung nicht, da insoweit ein Vortrag ins Blaue hinein vorliegt.

(1) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten. Einer Partei ist es damit grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (vgl. BGH, Beschl. v. 28.01.2020 - VIII ZR 57/19 - Rn. 7 f.; BGH, Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 22).

Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue" aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2021 - VI ZR 128/20 - Rn. 22; Beschl. v. 28.01.2020 - VIII ZR 57/19 - Rn. 8). Insoweit ist allerdings Zurückhaltung geboten; in der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte die Annahme eines Rechtsmissbrauchs rechtfertigen können (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2021 - VI ZR 128/20 - Rn. 22; Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 322/20 – Rn. 23 m.w.N.).

(2) Ausgehend hiervon hat der Kläger - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - für seine Behauptung, die Beklagte habe mittels diverser Vorkehrungen eine der Umschaltlogik des EA 189 vergleichbare Manipulation der Abgaswerte bei dem hiesigen Fahrzeug sowie aller Fahrzeuge mit dem gleichen Motor implementiert, keine greifbaren Anhaltspunkte dargelegt.

(a) Soweit der Kläger darauf verweist, diverse Messungen, insbesondere der DUH, hätten im realen Straßenverkehr eine Überschreitung der Abgasgrenzwerte ergeben, ist dies kein hinreichendes Indiz für das Vorliegen einer Umschaltlogik. Die Testzyklen für die Emissionen der Fahrzeuge im Rahmen des für die Prüfung der Einhaltung der Werte maßgeblichen NEFZ beruhen nicht auf Bedingungen des realen Verkehrs. Dementsprechend verlangt Erwägungsgrund 15 der VO 715/2007/EG auch eine Prüfung, ob der NEFZ angepasst oder ersetzt werden muss, "um zu gewährleisten, dass die bei der Typgenehmigungsprüfung gemessenen Emissionen, denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen". Infolgedessen weisen Fahrzeuge tatsächlich häufig im realen Fahrbetrieb höhere Emissionen auf als im NEFZ. Dies rührt insbesondere daher, dass auf dem Prüfstand eine bestimmte ideale, nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben wird, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage etc. Infolgedessen führen die erzielten Werte zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugmodellen, entsprechen aber nicht dem realen Ausstoß im Straßenverkehr. Dementsprechend weist eine Überschreitung der Abgasgrenzwerte im realen Fahrbetrieb als solche nicht einmal auf eine unzulässige Abschalteinrichtung, geschweige denn auf ein sittenwidriges Verhalten hin (BGH, Beschl. v. 15.09.2021 - VII ZR 2/21 - Rn. 30; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021 – I-18 U 526/19 – Rn. 40 m.w.N.; OLG Dresden, Urt. v. 01.07.2021 – 11a U 1085/20 – Rn. 42 OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021 – I-13 U 434/20 – Rn. 75; Senat, Urt. v. 11.05.2022 - 4 U 155/21 - Rn 61; Urt. v. 22.12.2021 - 4 U 19/21 - Rn 58; Beschl. v. 06.05.2020 – 4 U 216/19 – Seite 8 n.v.; OLG Bremen, Beschl. v. 14.10.2020 – 1 U 4/20 – Rn. 48). Selbst nach den Vorgaben der - zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des hiesigen Fahrzeugs noch nicht geltenden - VO 2017/1151/EU vom 01.06.2017, mit dem der früher geltende gesetzliche Prüfzyklus NEFZ ab September 2017 durch den RDE ersetzt wurde, durfte der für den Prüfstand geltende Grenzwert von (ab dem 01.09.2015) 80 mg/km NOx zunächst noch um das 2,1-fache (110 % des Grenzwertes) überschritten werden (OLG Stuttgart, Urt. v. 11.12.2020 – 3 U 101/18 - Rn. 39).

Soweit bei einer erheblichen Überschreitung der Emissionen im Realbetrieb im Vergleich zum Testbetrieb eine Indizwirkung für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erwogen wird (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 14.10.2020 – 1 U 4/20 – Rn. 48), setzt dies jedenfalls voraus, dass die angegebenen Untersuchungen sich auf denselben Fahrzeugtyp und denselben Motor mit gleicher Schadstoffklasse und Leistung beziehen sowie konkrete Angaben zu den vorgegebenen Messbedingungen (Außentemperatur, Feuchtigkeit u.ä.) enthalten, um eine Vergleichbarkeit mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug sicherstellen zu können (ähnlich OLG Bremen, Beschl. v. 14.10.2020 – 1 U 4/20 – Rn. 48). Derartige - einen konkreten Bezug zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufweisende - Messungen (vgl. zu diesem Erfordernis zuletzt BGH, Urt. v. 15.09.2021 - VII ZR 2/21 - Rn. 30) hat der Kläger hier indes nicht vorgetragen:

(aa) Die von dem Klägerin zitierten DUH-Messungen (Anlage K C2, Bl. 231 d.A.) betreffen zwar auch 2 Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 5; sie beziehen sich aber sämtlich auf Fahrzeuge mit geringerer Motorleistung (135 kW, 160 kW) als das streitgegenständliche Fahrzeug (180 kW), so dass bereits aus diesem Grund die Messergebnisse nicht auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar sind. Eine Vergleichbarkeit, die mangels näherer Angabe zu den vorgegebenen Messbedingungen (Außentemperatur, Feuchtigkeit u.ä.) ohnehin fraglich ist, ist damit nicht gegeben. Die Überschreitung des Grenzwertes von 180 mg NOx/km bei einem Faktor von 3,5 bzw. 4,5 liegt überdies noch in einem Bereich, der keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Aktivierung unzulässiger Abschalteinrichtungen im realen Fahrbetrieb bietet.

(bb) Die von dem Kläger als Anlage KC 3 (Bl. 17 ff. Anlagenheft Kläger und Bl. 238 ff. d.A.) vorgelegten und im Abschlussbericht der Untersuchungskommission Volkswagen ab Seite 26 bewerteten Messungen beziehen sich auf Fahrzeuge der Euro 6 Abgasnorm. Soweit Fahrzeuge der Beklagten mit der Schadstoffklasse EU 5 Gegenstand von Messungen waren (BMW 320 2,0 L), sind diese zum einen mit dem hier streitgegenständlichen Fahrzeug nicht hinreichend vergleichbar - welcher Motor dort eingebaut worden ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich - zum anderen lagen die Überschreitungen des Grenzwertes von 180 mg NOx/km bei einem Faktor von 1,9 (RDE-Fahrt) bis 2,67 (NEFZ +10%) noch in einem Bereich, der keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Aktivierung unzulässiger Abschalteinrichtungen im realen Fahrbetrieb bietet.

(cc) Bei den in der Klageschrift zitierten CADC-Messungen des Bundesumweltamtes und der TU Graz (Anlage K C1, Bl. 15 Anlagenheft Kläger und Bl. 230 d.A.) haben die dort angegebenen Vergleichsfahrzeuge die Schadstoffklasse 6 und nicht – wie das klägerische Fahrzeug – die Schadstoffklasse 5. Soweit in der Anlage K C1 auch Fahrzeuge der Beklagten mit der Schadstoffklasse 5 untersucht worden sind (BMW 118d, 318d ED, 320d ED), ist klägerseits nicht vorgetragen, welche Motoren hier jeweils eingebaut worden waren. Es verhilft dem Kläger auch nicht weiter, dass er die Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 12.03.2021 (dort S. 51, Bl. 154 el Akte), nur in den in der Tabelle aufgeführten Fahrzeugen BMW X5 (Euro 6) und BMW 530d (Euro 6) sei der Grundmotor N 57 eingebaut, nicht bestritten hat. Denn für jene Fahrzeuge weist die Tabelle, mit einer Ausnahme (BMW X5: CADC Autobahn, betriebswarmer Motor), durchweg Abgaswerte aus, bei denen die Überschreitung des Grenzwertes unterhalb des Faktors 2,1 liegt. Auch handelt es sich bei den aufgeführten Fahrzeugtypen und Motorleistungen um andere als den hier in Rede stehenden BMW 330d.

(dd) Auch die Behauptungen des Klägers, interne Untersuchungen des KBA (Anlage K C4, Bl. 151 ff Anlagenheft Kläger und Bl. 232ff d.A.) hätten ergeben, die mit dem Motor N 57 ausgestatteten BMW Modelle 750d 3.0 Euro 6b und BMW X5 M50d 3.0 Euro 6b hätten bei Messfahrten im realen Fahrbetrieb zwischen 152,5 und 607,7 mg NOx/km emittiert, sind unerheblich. Die dort angegebenen Vergleichsfahrzeuge haben die Schadstoffklasse 6 und nicht – wie das klägerische Fahrzeug – die Schadstoffklasse 5 und sind - was bereits die Motorentypbezeichnung N57D30S1 nahelegt - mit einem anderen Motorapplikation ausgestattet. Zudem sind die betroffenen Fahrzeuge - anders als dasjenige des Klägers - mit einem NOx-Speicherkatalysator ausgestattet. Da nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten nur ein kleiner Teil der mit einem Motor N 57 ausgestatteten Fahrzeuge von einem Rückruf betroffen war, kann der Rückruf - ungeachtet der Ausführungen der Beklagten zu einer fehlerhaften "Bedatung" der betroffenen Fahrzeugtypen - nicht mit der Verwendung des Motors N 57 (in der Applikation N57D30O0) im Zusammenhang stehen und scheidet als Indiz für eine in dem klägerischen Fahrzeug verbaute unzulässige Abschalteinrichtung aus.

(b) Das in einem Verfahren vor dem OLG Frankfurt eingeholte Gutachten des Sachverständigen F… vom 03.02.2020 (Anlage K C9, Bl. 351ff Anlagenheft Kläger und Anlage BK 5, Bl. 222ff d.A.) verweist lediglich darauf, dass das dortige Fahrzeug - bei dem es sich ohnehin um ein anderes Modell (BMW 116d Euro 5) als das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem anderen Motortyp (N 47) handelt - mit Sensoren ausgestattet sei und es im laufenden Fahrbetrieb Eingriffe in die Emissionskontrollsysteme gebe. Zu deren Zulässigkeit erfolgen in dem Gutachten, bei dem es sich überdies um eine „vorläufige Beurteilung“ handelt, keinerlei Ausführungen. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten hat der Sachverständige überdies das dortige Fahrzeug weder gesehen noch getestet. Für Erkenntnisse im hiesigen Verfahren ist es daher unergiebig.

(c) Das in einem weiteren Parallelverfahren eingeholte Gutachten B… vom 18.12.2020 (als Anlage K C11 benannt und dem Senat u.a. aus den Verfahren 4 U 155/21, 4 U 19/21, 4 U 148/21 bekannt -) erlaubt bereits deswegen keine Rückschlüsse für das hiesige Verfahren, da dort ein anderes Fahrzeug (BMW 320d) mit einer anderen Motorleistung (120 kw) und einem anderen Motortyp (N 47) gegenständlich war. Es besteht überdies lediglich aus einer Seite und beschränkt sich darauf, die Messungen der DUH und des KBA zu zitieren. Die dort festgestellten Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und Werten im realen Fahrbetrieb erklärt der Sachverständige mit dem Vorhandensein eines Thermofensters oder mit anderen Abschalteinrichtungen. Wie der Sachverständige zu der Auffassung gelangt, die festgestellten Überschreitungen mit einem Faktor 2,7 seien wesentlich, begründet er hingegen nicht näher, insbesondere berücksichtigt er nicht, dass zum Zeitpunkt der Erstzulassung des dortigen Fahrzeugs (2011) - ebenso wie bei dem hiesigen Fahrzeug (2010) - der ab Inkrafttreten der Verordnungen (EU) 2016/427 und (EU) 2016/646 am 16.05.2016 geltende Umrechnungsfaktor von 2,1 noch gar nicht galt. Eine Untersuchung des Fahrzeugs auf das Vorhandensein von Abschalt-vorrichtungen ist ebenfalls nicht erfolgt, so dass sich auch aus diesem Grund keine hinreichend greifbaren Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschaltvorrichtung aus diesem Gutachten ergeben.

(d) Soweit der Kläger behauptet, in einem Gespräch zwischen Herrn J… und Herrn D… habe letzterer am 22.07.2015 gemeint, auch bei der Beklagten gebe „es eine Abschaltvorrichtung, die der von Volkswagen vergleichbar sei; die Funktion heiße 14/15-V“, ist dieser Vortrag ebenfalls nicht geeignet, um in eine Beweisaufnahme zu treten. Denn es fehlt jeder konkrete Bezug zu dem hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp und Motor. Selbst wenn man die - bestrittene - Behauptung als wahr unterstellt, wäre sie daher nicht geeignet, für dieses Verfahren sachdienliche Erkenntnisse zu gewinnen. In einem solchen Fall ist eine beantragte Zeugenvernehmung ausnahmsweise nicht durchzuführen (BGH, Beschl. v. 12.12.2018 – XII ZR 99/17 – Rn. 14 m.w.N.).

(e) Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 03.05.2022 auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2021 - III ZR 202/20 - verweist, um seine Ansicht, aufgrund greifbarer Anhaltspunkte müsse ein Sachverständigengutachten zu den behaupteten Abschaltvorrichtungen eingeholt werden, zu bestätigen, rechtfertigt dies vorliegend keine abweichende rechtliche Beurteilung. Denn anders als in dem von dem Bundesgerichtshof zugrunde liegenden Sachverhalt - dort lag die behauptete Grenzwertüberschreitung bei einem Faktor von 9,7 - weist die hier behauptete maximale Überschreitung der Grenzwerte für den NOx-Ausstoß im realen Fahrbetrieb um den Faktor 4,5 (DUH-Messungen) keinesfalls einen hinreichenden Anhaltspunkt für die Aktivierung unzulässiger Abschalteinrichtungen im realen Fahrbetrieb auf (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2022 – 16a U 138/19 – Rn. 50, bei einer identischen Grenzwertüberschreitung). Eine Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ in diesem Größenbereich ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (noch weitergehend: BGH, Beschl. v. 15.09.2021 – VII ZR 2/21 – Rn. 30).

bb) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger schließlich auf die angeführte Bekanntmachung der Europäischen Kommission vom 26.01.2017 über die "Leitlinien für die Bewertung zusätzlicher Emissionsminderungsstrategien und des Vorhandenseins von Abschalteinrichtungen im Hinblick auf die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6)" (Anlage K E7, Bl. 491ff. d.A.) und die dort vorgesehenen Schwellenwerte. Selbst wenn das hier streitgegenständliche Fahrzeug die dort angegebenen Grenzwerte unter den dort genannten modifizierenden Prüfbedingungen überschreiten würde, ließe sich allein daraus ein verwerfliches Handeln der Beklagten nicht ableiten. Denn zum Zeitpunkt der Typgenehmigung des hiesigen Fahrzeugs (spätetsens) im Jahr 2010 galt als alleiniges Standardverfahren der NEFZ. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte die Vorgaben der Verordnung (EG) 715/2007 bewusst missachtet hat.

Selbst wenn man – wie der Kläger - davon ausgeht, dass auch zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs die Überschreitung von NEFZ-Werten im Realbetrieb nach den Vorgaben der Verordnung (EG) 715/2007 unzulässig gewesen wäre (vgl. etwa LG Stuttgart, EuGH-Vorlage vom 13.03.2020 – 3 O 31/20 – Rn. 125), verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Denn auch in diesem Fall setzt die Annahme von Sittenwidrigkeit jedenfalls voraus, dass die Beklagte den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 15.09.2021 – VII ZR 3/21 – Rn. 12). Hierfür ist nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger mit dem von ihm eingereichten Gutachten des Sachverständigen F… selbst vorgetragen, dass allen beteiligten Fachleuten, Entwicklern, Aufsichts- und Prüfbehörden bekannt war, dass der auch für das hiesige Fahrzeug geltende NEFZ nicht geeignet ist, die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen zu überprüfen, die bei normalen Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind. Dies ist auch die Auffassung der Beklagten, die insbesondere auf den Seiten 27ff. in der Berufungserwiderung (Bl. 385ff. d.A.) vorgetragen hat, dass ihre Euro 5 bis 6c – Fahrzeuge - zu denen auch das streitgegenständliche Fahrzeug gehört - im NEFZ anhand konkret definierter Parameter getestet worden seien und die entsprechende Typgenehmigung erhalten hätten, während der Realbetrieb kein Maßstab für diese Fahrzeuge sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass sich diese Einschätzung aller beteiligten Fachleute einschließlich der zuständigen Typgenehmigungsbehörden nachträglich als unzulässig herausstellen sollte, lägen damit keine Anhaltspunkte für ein verwerfliches Verhalten der Beklagten vor, sondern allenfalls für eine fahrlässige, industrieweite Fehleinschätzung der rechtlichen Rahmenbedingungen (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 30.03.2020 – 9 U 185/19 – Seite 11 - Anlage B 10).

cc) Für die im Berufungsrechtszug lediglich wiederholte Behauptung, die Abgasrückführung ab einer Gesamtlaufleistung von 60.0000 km schalte schlicht aus, da bei derartig "alten" Fahrzeugen i.d.R. keine NEFZ-Prüfungen mehr durchgeführt würden, fehlen - wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, jegliche greifbaren Anhaltspunkte. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil Folge einer solchen vollständigen Abschaltung der Abgasrückführung unerklärlich wäre, wie solche Fahrzeuge gleichwohl die für die Erlangung der Prüfplakette erforderliche Abgasuntersuchung bestehen könnten.

c) Unbeachtlich ist auch die Behauptung des Klägers, eine Schadensersatz rechtfertigende weitere Abgasmanipulation erfolge über das OBD, das trotz deutlich erhöhter NOx-Werte im realen Fahrbetrieb ihres Fahrzeugs keinen Fehler melde. Hierin liegt weder unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 noch eine für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten sprechende Funktion.

(1) Eine Abschalteinrichtung liegt schon deshalb nicht vor, weil das OBD unstreitig die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems selbst weder aktiviert, verändert, verzögert noch deaktiviert i.S.d. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 (vgl. Senat, Urt. v. 12.05.2021 - 4 U 34/20 - Rn. 67; Urt. v. 22.12.2021 - 4 U 19/21 - Rn 72 Urt. vom 11.05.2022 - 4 U 155/21 -).

(2) Die weitergehende Behauptung des Klägers, die Beklagte habe in das OBD eingegriffen, damit dieses keine Fehlermeldung bei der unzureichenden Abgasreinigung anzeige, indiziert kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten. Das On-Board-Diagnose-System soll Fehlfunktionen der Emissionskontrollsysteme erkennen und melden. Seine Funktionsweise ist auch nach dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers mithin stets unmittelbar verknüpft mit dem Vorhandensein einer - zulässigen oder unzulässigen - Abschalteinrichtung. Hat der Hersteller eine aus seiner Sicht zulässige Abschalteinrichtung verbaut, wird das OBD-System, wenn diese greift, eine Fehlfunktion der Abgasreinigung nicht anzeigen; hat der Hersteller bewusst eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, stellt sich die Programmierung des OBD-Systems dahin, Fehlfunktionen bei Wirksamwerden der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht anzuzeigen, als notwendiger Teilbeitrag zum Verheimlichen der unzulässigen Abschalteinrichtung dar. Eine eigenständige Bedeutung als Indiz für eine bewusste Manipulation des Fahrzeugemissionssystems kommt den behaupteten Eigenschaften des OBD-Systems daher nicht zu (vgl. Senat, Urt. v. 12.05.2021 - 4 U 34/20 - Rn. 68; Urt. v. 22.12.2021 - 4 U 19/21 - Rn 73).

d) Die erstmals mit Schriftsatz vom 03.05.2022 aufgestellten Behauptungen zur „Kaltaufheizen“-Funktion betreffen andere Motortypen (B37 und B47) und sind auch deshalb nicht relevant, weil das Fahrzeug des Klägers gar nicht über einen NOx-Speicherkatalysator verfügt.

2.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, offensichtlich nicht im Aufgabenbereich der vorgenannten Vorschriften liegt; ein Vorabentscheidungsverfahren ist wegen der eindeutigen Rechtslage nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 10 ff.; Beschl. v. 15.09.2021 – VII ZR 3/21 – Rn. 18; Beschl. v. 04.05.2022 - VII ZR 656/21 - Rn 1ff). Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB fehlt es bereits an der Stoffgleichheit der etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers durch den Abschluss des Kaufvertrags mit einem Autohaus über ein Gebrauchtfahrzeug mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte (BGH, Urt. v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20 - Rn. 24 ff.).

3.

Ein Anspruch auf Deliktszinsen (§ 849 BGB) besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat uneingeschränkt folgt, ohnehin nicht. Einer Anwendung des § 849 BGB steht schon entgegen, dass der Kläger als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhielt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 354/19 - Rn. 17 ff.).

4.

Einen Anspruch auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Annahmeverzug befand, hat der Kläger mangels Bestehens eines Hauptanspruchs nicht. Überdies hat sie der Beklagten das Fahrzeug nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Die Forderung eines nicht nur unerheblich höheren als des geschuldeten Betrages schließt ein ordnungsgemäßes Angebot der Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung aus; maßgeblich für die Beurteilung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz (BGH, Urteil vom 29.06.2021 - VI ZR 130/20 - Rn. 16). Der Kläger hat auch in der Berufungsinstanz an seiner Forderung auf Zahlung von Deliktszinsen festgehalten.

5.

Der geltend gemachte Nebenanspruch auf Freistellung von ihm entstandener außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten teilt das Schicksal der Hauptforderung.

III.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Revisionszulassung ist nicht veranlasst, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung orientiert sich an den gefestigten Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 37.169,38 € festgesetzt. Die geltend gemachten Deliktszinsen wirken nicht streitwerterhöhend, § 4 Abs.1 Hs 2 ZPO.