Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 26.07.2022 | |
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Aktenzeichen | 1 W 15/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0726.1W15.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortige Beschwerde des Streithelfers der Beklagten zu 1) wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Juni 2022 aufgehoben.
Das Verfahren wird an die Hilfszivilkammer zur Entlastung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.
I.
Die Parteien streiten um Sachmängel an einem Bauvorhaben in …. Das Verfahren war zunächst vor der 4. Zivilkammer des Landgerichts anhängig und ging zum 1. April 2021 in die Zuständigkeit der zu ihrer Entlastung gebildeten Hilfszivilkammer über.
In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. November 2021 wurde mit Blick auf eine weitergehend erforderliche Beweisaufnahme mit den anwesenden Parteien und ihren Vertretern ein Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung für den 18. Februar 2022 bestimmt. Dabei war für den Streithelfer der Beklagten zu 1) der in der von ihm mandatierten Anwaltskanzlei tätige Rechtsanwalt K… anwesend. Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2021 beantragte der Streithelfer der Beklagten zu 1) sodann die Verlegung dieses Termins und führte zur Begründung aus, dass der sein Mandat bearbeitende Rechtsanwalt Dr. F… an diesem Tag aufgrund von anderen Verhandlungsterminen verhindert sei. Nachdem der zuständige Einzelrichter eine Verlegung des Termins mit Verfügung vom 3. Januar 2022 abgelehnt hatte, lehnte der Streithelfer der Beklagten zu 1) ihn mit Schriftsatz vom 7. Januar 2022 wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch durch Beschluss der Kammer vom 21. Januar 2022 zurückgewiesen. Die hiergegen durch den Streithelfer der Beklagten zu 1) eingelegte Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 16. März 2022 zurückgewiesen.
Mit Verfügung vom 12. April 2022 bestimmte der zuständige Einzelrichter einen neuen Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Durchführung der Beweisaufnahme auf den 3. Juni 2022, der wegen Verhinderung des zu diesem Termin geladenen Sachverständigen am 10. Mai 2022 auf den 16. Juni 2022 verlegt wurde. Daraufhin beantragte der Streithelfer der Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom 13. Mai 2022 unter Hinweis auf den Umstand, dass dieser Tag am Sitz der ihn vertretenden Rechtsanwaltskanzlei in … ein gesetzlicher Feiertag sei, die Verlegung des Termins. Dabei wies er darauf hin, dass auch der für ihn im Termin am 19. November 2021 aufgetretene Rechtsanwalt K… verhindert sei. Auf die gerichtliche Aufforderung, die Verhinderung näher darzulegen und glaubhaft zu machen, führte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Mai 2022 ergänzend aus, dass die schwerkranke Schwiegermutter des sein Mandat betreuenden Rechtsanwalts an diesem Tag ihren 84. Geburtstag feiere; diesen Umstand versicherte der unterzeichnende Rechtsanwalt an Eides statt. Mit Verfügung vom 25. Mai 2022 lehnte der zuständige Einzelrichter eine Verlegung des Termins ab und führte zur Begründung aus, dass kein hinreichender Grund im Sinne des § 227 ZPO glaubhaft gemacht sei. Der den Streithelfer vertretende Rechtsanwalt habe lediglich ein Ereignis vorgetragen, ohne darzutun, dass in diesem Zusammenhang etwas Konkretes stattfinde, an dem er teilnehmen wolle. Angesichts der bekannten Sorgfaltsanforderungen bei der Begründung und Glaubhaftmachung von Terminsverlegungsanträgen müsse davon ausgegangen werden, dass dieses Vorbringen mit Bedacht erfolgt sei. Die Erheblichkeit des vorgebrachten Grundes könne angesichts der nur andeutend vorgetragenen „schweren“ Krankheit und des Alters der Schwiegermutter des Bevollmächtigten nicht beurteilt werden. Auch werde für den im Termin am 19. November 2021 anwesenden Rechtsanwalt gar keine konkrete Verhinderung dargetan. Zu dieser ihm ohne Beglaubigung zugegangenen Verfügung teilte der Prozessbevollmächtigte des Streithelfers der Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom 27. Mai 2022 ergänzend mit, dass er an der Geburtstagsfeier seiner Schwiegermutter teilnehme, zu deren Gesundheitszustand im Einzelnen er schon mit Blick auf datenschutzrechtliche Gründe keine Angaben machen wolle. Der den Termin vom 19. November 2021 wahrnehmende Rechtsanwalt sei in der Kanzlei angestellt und daher nicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung an gesetzlichen Feiertagen verpflichtet. Im Übrigen befände er sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub. Daraufhin bestätigte der zuständige Einzelrichter am 30- Mai 2022, die Verfügung vom 25. Mai 2022 gefertigt zu haben, und wies auch einen erneuten Antrag auf Terminsverlegung zurück. Zur Begründung führte er aus, dass nach wie vor nicht dargetan sei, was an dem maßgeblichen Tag im Zusammenhang mit dem Geburtstag der Schwiegermutter des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers stattfinde, zu welchem Zeitpunkt er hierzu eingeladen worden sei und sein Erscheinen zugesagt habe, welche Erkrankung seiner Schwiegermutter dieses Ereignis bedeutsam mache und woher seine besondere Bindung zu ihr herrühre. Für den weiteren bereits in dieser Sache tätigen Rechtsanwalt sei zudem nicht dargelegt, wann und vor welchem Hintergrund die kanzleiintern vermerkte Urlaubsplanung erfolgt sei.
Daraufhin lehnte der Streithelfer der Beklagten zu 1) den Vorsitzenden Richter am Landgericht … mit Schriftsatz vom 1. Juni 2022 erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
Dieses Gesuch hat das Landgericht durch Beschluss des abgelehnten Einzelrichters vom 10. Juni 2022 als unzulässig zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 13. Juni 2022 zugestellten Beschluss hat der Streithelfer der Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom selben Tag, der ebenfalls noch am 13. Juni 2022 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat der dort aufgrund des am 16. Juni 2022 durchgeführten Verhandlungstermins bekannten sofortigen Beschwerde durch Beschluss des abgelehnten Einzelrichters von diesem Tag nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, nachdem sie insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden sind.
Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil das Landgericht verfahrensfehlerhaft durch den abgelehnten Einzelrichter selbst über das Ablehnungsgesuch entschieden hat. Für die Entscheidung über das den Einzelrichter betreffende Ablehnungsgesuch war die mit drei Richtern unter Einschluss des Vorsitzenden besetzte Kammer zuständig.
Gemäß § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Gericht im Sinne dieser Vorschrift ist nach allgemeiner Auffassung, der sich der Senat anschließt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Mai 2022, Az.: 1 W 10/22; Beschluss vom 8. Juli 2016, Az.: 1 W 18/16; Beschluss vom 22. Juli 2013, Az.: 1 W 24/13), der durch den geschäftsplanmäßigen Vertreter ergänzte Spruchkörper, dem der abgelehnte Richter angehört (BGH, NJW 2006, 2492 Rn. 14; OLGR Frankfurt 2004, 271; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Auflage, § 45 Rn. 2; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 19. Auflage, § 45 Rn. 2).
Diese Auffassung entspricht auch dem mit dem Zivilprozessreformgesetz zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen. Mit diesem Gesetz wurde der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO dahingehend geändert, dass der nicht zur Zuständigkeit des Einzelrichters passende Nachsatz „ohne dessen Mitwirkung” eingefügt wurde. Die Begründung lässt erkennen, dass damit eine Klarstellung entsprechend der bisherigen Rechtsprechung und eine Anpassung an die Regelung des § 27 Abs. 1 StPO gewollt war (vgl. BT-Drucks. 14/3750, Seite 49). Eine Absicht des Gesetzgebers, nunmehr entsprechend den für die Hauptsache geltenden Anordnungen in §§ 348, 348a ZPO eine Zuständigkeit des Vertreters des Einzelrichters auch für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch zu bestimmen, lässt sich hieraus nicht entnehmen (BGH, NJW 2006, 2492 Rn. 17).
Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist eine Entscheidung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters oder durch den abgelehnten Einzelrichter nur in den Fällen eröffnet, in denen das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig, insbesondere rechtsmissbräuchlich, ist (BVerfG, NJW 2013, 1665; BVerwG, NJW 2014, 953 Rn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Auflage, § 44 Rn. 17). Das kann – wie das Landgericht im Grundsatz zutreffend festgestellt hat – der Fall sein, wenn das Ablehnungsgesuch nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können (BVerfG, a.a.O.; BVerwG, a.a.O.). Demgegenüber ist für eine eigene Entscheidung des abgelehnten Richters kein Raum, wenn das Ablehnungsgesuch lediglich als offensichtlich unbegründet angesehen wird. Eine Entscheidung durch den abgelehnten Richter selbst kann nur dann erfolgen, wenn das Ablehnungsgesuch aus sich heraus und ohne jede weitere Aktenkenntnis offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag; ist hingegen ein – wenn auch nur geringfügiges – Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet diese Möglichkeit aus (BVerfG, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 2. Mai 2018, Az.: AnwZ (Brfg) 10/18, juris Rn. 7; BVerwG, a. a. O.).
Dieser letztgenannte Fall ist hier gegeben.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann angesichts des Verfahrensablaufs gerade nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass durch den Streithelfer der Beklagten zu 1) eine sachlich nicht begründete Terminsverlegung erzwungen werden sollte. Im Gegensatz zu der beantragten Verlegung eines im Beisein aller Verfahrensbeteiligten abgesprochenen Termins, die dem ersten Ablehnungsgesuch zugrunde lag, handelt es sich hier um eine nur etwas mehr als drei Wochen vor dem ursprünglich anberaumten Termin erfolgte Verlegung um knapp zwei Wochen. Bei einem solchen Verfahrensablauf, der häufig Terminsverlegungsersuchen wegen der Verhinderung von Prozessbevollmächtigten nach sich zieht, und in dem der Prozessbevollmächtigte des Streithelfers der Beklagten zu 1) nicht nur auf den an seinem Kanzleisitz geltenden gesetzlichen Feiertag, sondern im Gegensatz zu seinem ersten Terminsverlegungsantrag auf vollkommen andere Verhinderungsgründe privater Natur hinweist, liegt von vornherein kein vergleichbarer Sachverhalt vor, der auch nur im Ansatz den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen zuließe. Diese Einschätzung begründet der abgelehnte Richter in der angefochtenen Entscheidung dementsprechend auch mit einer umfangreichen Bewertung der schriftsätzlichen Äußerungen des Beschwerdeführeres einerseits und seiner eigenen an die Darlegung eines Verhinderungsgrunds gestellten Anforderungen andererseits. Gerade aufgrund dieser – auch aus Sicht des abgelehnten Richters – erforderlichen umfangreichen Würdigung des gesamten Verfahrensverlaufs ergibt sich jedoch zwingend, dass es sich bei dem vorliegenden Gesuch nicht um ein gänzlich untaugliches oder rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch handelt, für dessen Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Verfahrensgegenstand entbehrlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2018, Az.: AnwZ (Brfg) 10/18, juris Rn. 7; Münchener Kommentar/Stackmann, ZPO, 6. Auflage, § 45 Rn. 2).
Die Sache ist deshalb an das Landgericht zu einer Entscheidung durch die Kammer in voller Besetzung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zurückzuverweisen. Einer eigenen Sachentscheidung des Senats steht der Umstand entgegen, dass das Tätigwerden des nicht zur Entscheidung über das Befangenheitsgesuch berufenen Einzelrichters gemäß § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO Auswirkungen auf die Besetzung des Senats bei seiner Entscheidung im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts hat (Senat, Beschluss vom 8. Juli 2016, Az.: 1 W 18/16; OLG Celle, MDR 2003, 523, 524; vgl. OLG Thüringen, Beschluss vom 19. Januar 2006, Az: 1 W 30/06, juris Rn. 6). Wäre der angefochtene Beschluss über das Befangenheitsgesuch durch die Kammer erlassen worden, wäre im Beschwerdeverfahren zur Entscheidung in der Sache der Senat in voller Besetzung berufen, wohingegen sich aufgrund des Tätigwerdens des Einzelrichters die originäre Einzelrichterzuständigkeit beim Beschwerdegericht ergibt. Damit ist dem Senat eine Entscheidung in vollständiger Besetzung verwehrt; eine Möglichkeit der Korrektur des gesetzlichen Richters oder der Nichtbeachtlichkeit eines die Besetzung des Beschwerdegerichts beeinflussenden Verfahrensfehlers sieht die Zivilprozessordnung nicht vor (Senat, a.a.O.; OLGR Frankfurt 2004, 271, 272; vgl. OLG Thüringen, a.a.O.).