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Berufung; Teilstattgabe; vorzeitige Besitzeinweisung nach Bundesfernstraßenrecht; Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der BAB 100; Abriss Wohngebäude Beermannstraße; Teilanfechtbarkeit der Entschädigungspflicht nach; Unanfechtbarkeit der Besitzeinweisung; Entschädigung für den Entzug des Besitzes einer Mietwohnung; Verhältnis von hoheitlicher Besitzeinweisung und zivilrechtlicher Kündigung des Mietvertrages; Sonderfall: Entschädigung für den Entzug einer materiell unberechtigten, aber prozessual geschützten Besitzposition; hier: Beendigung des Mietverhältnisses durch wirksame Kündigung; berechtigtes Interesse i.S.d § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB: Nutzung der Mietsache zur Erfüllung; öffentlicher Aufgaben, Abgrenzung zu Eigenbedarfs- und Verwertungskündigung; formale Kündigungsvoraussetzungenbesonderer Härtefall i.S.d. § 574 BGB; Beschaffung angemessenen Ersatzwohnraums zu zumutbaren Bedingungenzeitliche Beschränkung des Umfangs der Entschädigung auf die Dauer eines zivilrechtlichen Räumungsverfahrens; Unmaßgeblichkeit der durchschnittlichen Mietdauer; Ersatz des Substanzschadens der Mietdifferenz; Erstattungsfähigkeit notwendiger Rechtsverfolgungskosten; Bemessung des Gegenstandswertes an der Mietdifferenz; Quotierung von Besitzeinweisungs- und Enteignungentschädigung; Sonderfall: nicht betriebenes Enteignungsverfahren; Revisionszulassung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 07.04.2022
Aktenzeichen OVG 10 B 9/22 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0407.OVG10B9.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 18f Abs 5 FStrG, § 121 BauGB, § 573 Abs 1 S 1 BGB, § 573 Abs 2 BGB, § 573 Abs 2 S 1 BGB, § 574 Abs 1 BGB, § 574 Abs 2 BGB, § 721 ZPO, § 940a ZPO

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juni 2021 geändert.

Der Bescheid der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 13. Februar 2015 wird dahingehend geändert, dass Ziff. 6 Satz 1 aufgehoben wird, in Ziff. 6 Satz 2 die Worte „vom 01.03.15“ durch die Worte „vom 16.02.15“ ersetzt werden, in Ziffer 7 Satz 1 der Betrag 204,16 € durch den Betrag 232,63 € und die Worte „für die Höchstdauer von 191 Monaten“ durch die Worte „für die Dauer von acht Monaten“ ersetzt werden sowie in Ziffer 7 Satz 2 die Worte „oder … vorgelegt wird“ aufgehoben werden.

Die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen, tragen die Klägerin zu 1/9 und der Beklagte zu 8/9.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollsteckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine zugunsten der Beigeladenen festgesetzte Entschädigung für eine vorzeitige fernstraßenrechtliche Besitzeinweisung und die Höhe von erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks B ... in Berlin-Treptow, das westlich der S-Bahn-Trasse und im Geltungsbereich des Planfeststellungsbeschlusses für den Neubau der Bundesautobahn A 100 zwischen dem Dreieck Neukölln und der Anschlussstelle Treptower Park vom 29. Dezember 2010 gelegen ist. Die Klägerin ist auch Straßenbaulast- und Vorhabenträgerin der Bundesautobahnen, die in ihrem Auftrag bis Ende 2020 von den Ländern verwaltet wurden und seitdem von der Autobahn GmbH des Bundes verwaltet werden.

In dem inzwischen abgerissenen Gebäude B ... hatten die Beigeladenen zum 1. September 1991 von der Wohnungsbaugesellschaft Treptow mbH (i.G.) eine 62,67 qm große Zweizimmerwohnung angemietet, deren Nettokaltmiete sich zuletzt auf 182,37 Euro belief. Der Mietvertrag enthielt in § 2 Abs. 2 Satz 1 eine Klausel, dass die Kündigungsfrist zwölf Monate beträgt, wenn seit der Überlassung des Wohnraumes zehn Jahre vergangen sind.

Nachdem die Klägerin das Vorhabengrundstück Ende 2009 gekauft und den Beigeladenen mit Schreiben vom 4. November 2013 ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt hatte, kündigte sie das Mietverhältnis mit Schreiben vom 25. November 2013 zum 30. November 2014. Die Beigeladenen widersprachen der Kündigung und führten im Wesentlichen an, dass sie im Umfeld langjährig verwurzelt und die angebotenen Ersatzwohnungen zu teuer seien bzw. ihren Ausstattungsanforderungen nicht entsprächen; ferner rügten sie, dass die von der Klägerin angebotene Entschädigung die von ihnen im Einzelnen dargelegten Nachteile des Wohnungsverlustes nicht vollständig kompensiere. Entsprechend ihrer Zusage erfragte die Klägerin unter Vermittlung der S ... die Wohnvorstellungen der Beigeladenen und bot ihnen in der Folge verschiedene Wohnungen an, die diese ablehnten.

Nachdem die Beigeladenen zum Kündigungsstichtag nicht ausgezogen waren, beantragte die Klägerin am 11. Dezember 2014 die vorzeitige Besitzeinweisung in den Besitz an deren Wohnung und sowie vorsorglich die Enteignung des Mietrechts.

In der Folge entschieden sich die Beigeladenen für eine Wohnung, die erst zum 16. Mai 2015 zur Verfügung stand. Daraufhin verständigten sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor der Enteignungsbehörde am 23. Januar 2015 darauf, dass die Klägerin eine Zwischenunterkunft und die endgültige Wohnung zur Verfügung stellen sowie bis zum 14. Februar 2015 eine eventuelle Mietmehrbelastung tragen werde, die durch die Anmietung der Zwischenunterkunft ab dem 1. Februar entstehen könnte. Am 10. Februar 2015 mieteten die Beilgeladenen zum 16. Februar 2015 bis zur Fertigstellung der neuen Wohnung eine Zweizimmerwohnung in der B ... 79a von 58,91 qm für eine Nettokaltmiete von 316,94 Euro und zum 16. Mai 2015 eine Dreizimmerwohnung in der K ... 46 von 80,74 qm für eine Nettokaltmiete von 415,00 Euro an.

Mit insoweit bestandskräftigem Besitzeinweisungsbeschluss der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 13. Februar 2015 – Ziff. 1 und 2 – wies der Beklagte die Klägerin (Beteiligte zu 1.) zum 23. Februar 2015 vorzeitig in den unmittelbaren Besitz der Wohnung der Beigeladenen (Beteiligten zu 2.) ein. Zugleich traf er folgende Entschädigungsregelungen:

6. Die Beteiligte zu 1. hat für die Zwischenunterkunft der Beteiligten zu 2. in der B ... 79A die Nettokaltmiete für den Monat Februar 2015 in Höhe von 316,94 € zu erstatten. Für die Zeit vom 01.03.15 bis 15.05.2015 hat die Beteiligte zu 1. an die Beteiligten zu 2. die Mietdifferenz zwischen der Nettokaltmiete in der B ... . 22 in Höhe von 182,37 € und der Nettokaltmiete in der B ... 79A in Höhe von 316,94 €, also monatlich 134,57 €, jeweils zum Monatsanfang, zu zahlen. Die Zahlungsverpflichtung der Beteiligten zu 1. erlischt vorfristig, wenn der Enteignungsbehörde ein rechtskräftiges Urteil über die Wirksamkeit der Kündigung der Wohnung in der B ... 22 vorgelegt wird.

7. Die Beteiligte zu 1. hat an die Beteiligten zu 2. ab dem 16.05.2015 die monatliche Mietdifferenz zwischen der Nettokaltmiete für die Wohnung in der B ... 22 in Höhe von 182,37 € und der entsprechend angepassten angemessenen Nettokaltmiete für die angemietete Wohnung in der K ... 46 in Höhe von 386,53 €, also monatlich 204,16 €, jeweils zum Monatsanfang, für die Höchstdauer von 191 Monaten zu zahlen. Die Zahlungsverpflichtung der Beteiligten zu 1. erlischt vorfristig im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses in der K ... . 46 oder wenn der Enteignungsbehörde ein rechtskräftiges Urteil über die Wirksamkeit der Kündigung der Wohnung in der B ... 22 vorgelegt wird.“

Zur Begründung führte er aus, dass die durch einen vorzeitigen Entzug der Nutzungsmöglichkeit des Mietobjekts vor Ablauf der statistisch verbleibenden Restmietdauer entstehenden Mehrkosten auf der Grundlage von § 18f Abs. 5 FStrG auszugleichen seien, ohne dass jedenfalls im Eilverfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung die Wirksamkeit der Kündigung zu prüfen sei. Ferner erklärte der Beklagte die Hinzuziehung einer Rechtsanwältin für die Beigeladenen für notwendig – Ziff. 11 Satz 1 – und setzte die zu erstattenden Gebühren auf 2.231,25 Euro fest – Ziff. 11 Satz 2 –. Deren Höhe ermittelte er auf der Basis eines Gegenstandswertes von 19.823,96 Euro – dies entsprach 50 % des nach Ziff. 6 und 7 zuerkannten Entschädigungsbetrages – und eines 2,5-fachen Satzes der Geschäftsgebühr nach § 13 RVG VV Nr. 2300.

Mit ihrer am 16. März 2015 erhobenen Teilanfechtungsklage begehrt die Klägerin die teilweise Aufhebung des Bescheides bezüglich der Regelung in Ziffern 6 und 7 in vollem Umfang sowie bezüglich der Regelung in Ziffer 11 Satz 2, soweit die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren auf der Grundlage eines Gegenstandswerts über 500 Euro – dies entspricht 20 % des gemäß § 41 Abs. 2 GKG maßgeblichen jährlichen Mietbetrages der bisherigen Wohnung von 2.188,44 Euro, aufgerundet auf den minimalen Gegenstandswert – festgesetzt worden ist.

In der Folge erhob die Klägerin gegen die Beigeladenen Zivilklage auf Feststellung der wirksamen Kündigung des Mietverhältnisses, die, nachdem das Amtsgericht Köpenick sie im Urteil vom 14. Januar 2016 – 13 C 123/15 – als unbegründet erachtet hatte, durch das Landgericht Berlin im Urteil vom 1. Juni 2016 – 65 S 62/16 –mangels Feststellungsinteresses als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 10. Juni 2021 im Wesentlichen stattgegeben. Es ist von einer Teilbarkeit der Bescheide ausgegangen. Die Mietdifferenzentschädigung hat es mit der Begründung als rechtswidrig angesehen, dass zu entschädigen lediglich der Entzug eines bestehenden obligatorischen Nutzungsrechts an der Mietwohnung sei, ein solches jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt der Besitzeinweisung nicht mehr bestanden habe, weil die von der Klägerin gegenüber den Beigeladenen ausgesprochene Kündigung wirksam gewesen sei, was die Enteignungsbehörde in eigener Zuständigkeit zu prüfen habe. Ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehe „bei einer ´Eigenbedarfskündigung´ wie hier“, wenn vernünftige, nachvollziehbare Gründe vorlägen, was der Fall sei, wenn der Wohnraum zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt werde. Vorliegend ergebe es sich aus dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss. Das berechtigte Interesse sei gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB in der Kündigung angegeben worden, die Kündigungsfrist sei gewahrt. Trotz Widerspruchs der Beigeladenen scheide ein Kündigungsschutz wegen unzumutbarer Härte gemäß § 574 BGB aus, weil deren private Interessen im Planfeststellungsverfahren bereits umfassend abgewogen worden seien. Der für die Erstattung notwendiger Rechtsanwaltsgebühren maßgebliche Gegenstandswert bestimme sich nach der höchstmöglichen Mietdifferenz, von der auf die Besitzeinweisung lediglich ein Anteil von 20% entfalle; der Ansatz des Höchstgebührensatzes von 2,5 sei nach Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit sowie ihrer Bedeutung für die Beigeladenen gerechtfertigt.

Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 23. Februar 2022 zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor, dass die Klägerin sich die jeweiligen Vorteile der Grundstückbeschaffung durch privatrechtliche Mietvertragskündigung und durch hoheitliche Besitzeinweisung nicht kumulativ zu Nutze machen könne, ohne die jeweiligen Nachteile dieser Verfahren tragen zu müssen. Er rügt, dass eine Teilanfechtung allein der Entschädigungsregelungen der Bescheide unzulässig sei und ist der Ansicht, dass die Klägerin im Fall wirksamer Kündigung der Mietverhältnisse allein den Zivilrechtsweg hätte beschreiten dürfen, im Besitzeinweisungsverfahren nicht abschließend über die Wirksamkeit der Kündigung zu entscheiden sei, die ausgesprochene Kündigung aber jedenfalls unwirksam gewesen sei und deshalb eine Entschädigung für die zu erwartende Mietdauer erfolgen müsse. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei kein Fall des Eigenbedarfs gegeben, da die Klägerin das Mietobjekt nicht zum Wohnen benötigt habe. Auch ein anderes von der Rechtsprechung anerkanntes berechtigtes Interesse sei nicht gegeben, da die Klägerin keine sozialen oder kulturellen Zwecke verfolge und zudem von der bestehenden Möglichkeit einer hoheitlichen Beendigung des Mietverhältnisses hätte Gebrauch machen müssen. Die zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren seien auf der Grundlage von 50 % der höchstmöglichen Mietdifferenz zu berechnen, weil die Besitzeinweisung hier nicht vorübergehend im Vorfeld, sondern dauerhaft anstelle einer Enteignung erfolgt sei, die die Klägerin ungeachtet ihres Antrags nicht betrieben habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juni 2021 zu ändern
und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, erachtet eine Teilanfechtungsklage für zulässig und die Regelungen im angefochtenen Umfang für rechtswidrig. Sie habe sich den Besitz zunächst durch das mildere Mittel der Kündigung des Mietverhältnisses verschaffen wollen, nachdem die Beigeladenen jedoch nicht rechtzeitig ausgezogen seien, habe sie in zulässiger Weise von der Möglichkeit einer hoheitlichen Besitzeinweisung Gebrauch gemacht. Da allein der Verlust bestehender Rechtspositionen zu entschädigen sei, müsse der Beklagte die Wirksamkeit der Kündigung in eigener Verantwortung prüfen. Über ein solches Besitzrecht hätten die Beigeladenen nicht mehr verfügt, da die Kündigung des Mietvertrages wirksam gewesen sei. Ihr berechtigtes, das abstrakte Fortbestandsinteresse der Beigeladenen überwiegendes Interesse an der Kündigung i.S.d. § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB habe sich daraus ergeben, dass der Abbruch der Wohnhäuser B ... 20 und 22 zwingend erforderlich gewesen sei, um den bestandskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2010 zu dem beabsichtigten Zeitpunkt umsetzen zu können. Die Bauablaufplanung habe vorgesehen, ab Dezember 2014 Vorbereitungsarbeiten auf dem Baugrund B ... 20 und 22 vorzunehmen und die aufstehenden Gebäude, nach vorheriger Beprobung, vom 12. Januar 2015 bis August 2015 abzubrechen, um sodann, nach Sicherung der benachbarten Gebäude, ab Januar 2016 die erforderliche Baustelleneinrichtung westlich der S-Bahn-Trasse für die Arbeiten am Los 6 östlich der S-Bahn-Trasse vornehmen zu können. Jedenfalls die im Bescheid festgesetzte Dauer der Mietdifferenz von 191 Monaten sei fehlerhaft, denn die den Beigeladenen ggf. entzogene und zu kompensierende Rechtsposition beschränke sich auf den Zeitraum bis zur nächsten möglichen Kündigung. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht die Rechtsanwaltsgebühren lediglich mit 20 % des Gegenstandswertes bemessen, da die vorzeitige Besitzeinweisung im Vorfeld einer Enteignung oder im Nachgang einer zivilrechtlichen Kündigung lediglich zu einem kurzfristigen Verlust der Besitzposition führe.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Sie berufen sich auf die formelle Unwirksamkeit der Kündigung und gehen vom Vorliegen einer besonderen Härte i.S.d § 574 BGB aus.

 Der Senat hat das vorliegende Verfahren und die Parallelverfahren OVG 10 B 5/22, OVG, 10 B 7/22, OVG 10 B 8/22 und OVG 10 B 10/22 zur gemeinsamen Verhandlung miteinander verbunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Streitakten und den Verwaltungsvorgang des Beklagten dieses Verfahrens sowie der Verfahren OVG 10 B 5/22, OVG 10 B 7/22, OVG 10 B 8/22 und OVG 10 B 10/22, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladene zu 1. in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, weil auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Beklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Klage zu Unrecht in einem Maß stattgegeben, das über den Umfang hinausgeht, in dem die angefochtene Regelungen in Ziffern 6, 7 und 11 Satz 2 des Besitzeinweisungsbeschlusses vom 13. Februar 2015 rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen.

A. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist es gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft, dass die Klägerin eine Teilanfechtungsklage allein gegen die Regelungen zur Entschädigung und zum Ersatz der Rechtsverfolgungskosten erhoben hat.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Regelungen gegenüber den weiter getroffenen Besitzeinweisungsregelungen eigene (Haupt-)Regelungen i.S.d. § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – sind und keine Nebenbestimmungen nach § 36 VwVfG darstellen und die Frage ihrer Selbständigkeit von der Frage ihrer Rechtmäßigkeit zu trennen ist. Weder im Baurecht noch in dem ihm nachgebildeten Bundesfernstraßenrecht es zwingend erforderlich, zeitgleich über die Besitzeinweisung und die Entschädigung zu entscheiden. Nach § 116 Abs. 4 Satz 2 des Baugesetzbuchs – BauGB – genügt es, dass die Entschädigungsregelung für die Besitzeinweisung im Enteignungsbeschluss nach § 113 BauGB getroffen wird („spätestens“). § 18f Abs. 5 Satz 2 das Bundesfernstraßengesetzes – FStrG – gibt lediglich vor, dass die Entschädigungsregelung in „einem Beschluss“ festzusetzen ist, ohne dass insoweit auf den „Beschluss über die Besitzeinweisung“ i.S.d. § 18f Abs. 4 Satz 1 FStrG verwiesen wird. Diese Teilbarkeit rechtfertigt sich dadurch, dass die Besitzeinweisung zwingend eilbedürftig ist – sie setzt tatbestandlich voraus, dass die sofortige Ausführung der Maßnahme dringend geboten ist (§ 116 Abs. 1 Satz 1 BauGB) bzw. der sofortige Beginn der Bauarbeiten geboten ist (§ 18f Abs. 1 Satz 1 FStrG) –, wohingegen die Bestimmung der nach Art und Umfang zu konkretisierende Entschädigung erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann.

Auch zum Schutz der Rechte des Betroffenen ist eine zeitliche Verknüpfung nicht geboten. Zum einen ergibt sich die Entschädigungspflicht dem Grunde nach bereits aus dem Gesetz und kann der Betroffene Untätigkeitsklage erheben, wenn die Behörde ihre konkrete Festsetzung ohne zureichenden Grund verzögert (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1991 – III ZR 96/90 –, juris Rn. 5). Im Regelfall droht dem Betroffenen ein vollständiger Rechtsverlust zudem erst im Rahmen des Vollzugs der Enteignung, welche eine Erfüllung der Enteignungsentschädigung voraussetzt (§ 117 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BauGB i.V.m. § 19 Abs. 5 FernStrG, § 5 des Berliner Enteignungsgesetzes – BlnEntEigG –). Auch der Schutz des Eigentumsgrundrechts gemäß Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG – verlangt es deshalb nicht, dass die Entschädigung für den Betroffenen gleichzeitig mit der Besitzeinweisung für den Begünstigten festgesetzt wird (Dünchheim in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Aufl. 2012, § 18f Rn. 37).

B. Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet. Lediglich soweit die Regelungen in Ziffern 6 und 7 des Bescheides eine Mietdifferenzentschädigung von insgesamt mehr als elf Monaten festsetzen, sind sie i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (dazu I.). Dementgegen verletzt die Regelung über den Ersatz der Rechtsverfolgungskosten in Ziff. 11 Satz 2 des Bescheides die Klägerin nicht in ihren Rechten (dazu II.).

I. Zu Recht hat der Beklagte zugunsten der Beigeladenen in Ziffern 6 und 7 des Bescheides eine Entschädigung in Höhe der Mietdifferenz für die Dauer von insgesamt elf Monaten festgesetzt, die darüber hinausgehende Festsetzung ist rechtswidrig.

1. Rechtsgrundlage für die Entschädigungsfestsetzung ist § 18f Abs. 5 FStrG. Danach hat der Träger der Straßenbaulast für die durch die vorzeitige Besitzeinweisung entstehenden Vermögensnachteile Entschädigung zu leisten, soweit die Nachteile nicht durch die Verzinsung der Geldentschädigung für die Entziehung oder Beschränkung des Eigentums oder eines anderen Rechts ausgeglichen werden (Satz 1); Art und Höhe der Entschädigung sind von der Enteignungsbehörde in einem Beschluss festzusetzen (Satz 2). Die Reichweite der auf dieser Grundlage festzusetzenden Entschädigung ergibt sich aus einer Gesamtschau der Regelungen für die Enteignung und die vorzeitige Besitzeinweisung im Bundesfernstraßengesetz, welche ihrerseits auf die entsprechenden Regelungen des Baugesetzbuchs verweisen bzw. ihnen nachgebildet sind, weshalb auf deren Bedeutungsgehalt Bezug genommen werden kann.

a. Durch eine vorzeitige Besitzeinweisung können grundsätzlich nur materiell berechtigte Besitzpositionen entzogen werden, unberechtigte Besitzpositionen hingegen nur dann, wenn sie umfassend prozessual geschützt sind. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen.

aa. Vorzeitige Besitzeinweisung (§ 18f FStrG, § 116 BauGB) und Enteignung (§ 19 FStrG, § 85 ff. BauGB) betreffen unterschiedliche Gegenstände. Die Enteignung zielt auf den Entzug und die Übertragung eines Rechts, mithin des Eigentums, anderer dinglicher Rechte oder obligatorischer Rechte zum Besitz oder zur Nutzung, beispielsweise aus einem Miet- oder Pachtvertrag (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BauGB i.V.m. § 19 Abs. 5 FStrG; § 2 BlnEntEigG). Dementgegen betrifft die vorzeitige Besitzeinweisung den Entzug und die Übertragung des unmittelbaren oder mittelbaren Besitzes (§ 18f Abs. 4 Satz 4 FStrG, § 116 Abs. 3 Satz 1 BauGB), also des Faktums der tatsächlichen Sachherrschaft i.S.d. § 854 BGB (Dyong/Groß in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 143. EL August 2021, § 116 BauGB Rn. 2, 16; Reisnecker in: Brügelmann, BauGB, Stand Juli 2021 § 116 Rn. 2; Dünchheim in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Aufl. 2012, § 18f Rn. 27; Kromer/Müller in: Müller/Schulz, Bundesfernstraßengesetz, 2. Aufl. 2013; § 18f Rn. 13). Mit dem in dem im Besitzeinweisungsbeschluss bezeichneten Zeitpunkt erlöschen die „Besitzrechte“ des bisherigen Besitzers, d.h. seine Befugnisse aus § 858 ff. BGB (Dyong/Groß, a.a.O., § 116 BauGB Rn. 16). Das dingliche bzw. obligatorische Recht, aus dem die Besitzberechtigung folgt, bleibt hingegen bis zu einer nachfolgenden Enteignung unberührt (Maas in: Kodal, Straßenrecht, 8. Aufl. 2021, Kap. 38 Rn. 60; BGH, Urteil vom 11. Mai 1967 – III ZR 21/66 – BRS Band 19 Nr. 145, S. 291).

bb. Nach der gesetzlichen Konzeption geht die Besitzeinweisung einer Enteignung voraus. Nach dem Baugesetzbuch setzt eine vorzeitige Besitzeinweisung die vorausgehende Einleitung eines Enteignungsverfahrens voraus (vgl. § 116 Abs. 1 Satz 1 BauGB „in den Besitz des von dem Enteignungsverfahren betroffenen Grundstücks einweisen“). Eine solche unmittelbare Verknüpfung beider Verfahren erfolgt im Bundesfernstraßengesetz nicht. Eine Besitzeinweisung nach § 18f Abs. 1 FStrG setzt lediglich voraus, dass der Planfeststellungsbeschluss vollziehbar und der sofortige Baubeginn geboten ist, aber die Besitzüberlassung des hierfür benötigten Grundstücks verweigert wird. Der vorherigen Einleitung des Enteignungsverfahrens bedarf es nicht (Maas in: Kodal, Straßenrecht. 8. Aufl 2021, Kap. 38 Rn. 70; Dünchheim in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Aufl. 2012, § 18f Rn. 14; Kromer/Müller in: Müller/Schulz, Bundesfernstraßengesetz, 2. Aufl. 2013; § 18f Rn. 11); sie ist entbehrlich, weil Einwendungen gegen das Vorhaben und die dafür erforderlichen Enteignungen abschließend im vorausgegangenen Planfeststellungsverfahren berücksichtigt worden sind (Dünchheim, a.a.O, Rn. 14). Dass auch das Bundesfernstraßengesetz mittelbar von einer Verknüpfung beider Verfahren ausgeht, zeigt sich jedoch darin, dass die Besitzeinweisung als „vorzeitig“ bezeichnet wird, mithin also im Vorfeld einer späteren Maßnahme liegt, als welche nur die Enteignung in Betracht kommt, und darin, dass sich die Höhe der Besitzeinweisungsentschädigung nach § 18f Abs. 5 Satz 1 FStrG in Abhängigkeit von der Höhe einer Enteignungsentschädigung bestimmt. Die vorzeitige Besitzeinweisung stellt dementsprechend grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung dar, in deren Folge in absehbarer Zeit ein Enteignungsverfahren zu beantragen ist (Dünchheim, a.a.O., Rn. 14; Maas, a.a.O, Rn. 70; Kromer/Müller a.a.O., Rn. 11). Es liefe Art. 14 Abs. 3 GG zuwider, dem Eigentümer bzw. Rechtsinhaber nur die formale Hülle seines Rechts zu belassen, ohne dessen Verlust durch eine Enteignungsentschädigung zu kompensieren (Kromer/Müller a.a.O., Rn. 11).

cc. Aus der Verknüpfung beider Verfahren folgt bei systematischer Betrachtung, dass eine vorzeitige Besitzeinweisung grundsätzlich nur in Fällen materiell berechtigten Besitzes erfolgen kann. Nur unter dieser Voraussetzung korrespondiert der tatsächlichen Sachherrschaft, in die vorzeitig eingewiesen wird, ein dingliches oder obligatorisches Recht zum Besitz, das nachfolgend Gegenstand der Enteignung sein kann. Wird das Vorhaben dagegen nur durch den unrechtmäßigen Besitz als solchen gehindert, so kann der Vorhabenträger sich diesen grundsätzlich nur auf dem Zivilrechtsweg verschaffen (Reisnecker in: Brügelmann, BauGB, Stand Juli 2021 § 116 Rn. 7). Dass das vorzeitige Besitzeinweisungsverfahren in diesem Fall nicht eröffnet ist, stellt den Vorhabenträger nicht schutzlos, denn sofern die Erlangung eilbedürftig und wesentliche Nachteile drohen, kann er seine Rechte grundsätzlich im Wege einstweiliger Verfügung (§ 940 ZPO) durchsetzen.

dd. Etwas anderes gilt jedoch für den Sonderfall, dass die materiell unrechtmäßige Besitzposition zivilprozessual einen so umfassenden Schutz genießt, dass der Vorhabenträger seine Rechte auf dem Zivilrechtsweg nicht rechtzeitig durchzusetzen vermag.

Dies ist im Bereich des Wohnungsmietrechts der Fall. Kündigen darf der Vorhabenträger nur, wenn er ein berechtigtes Interesse hat (§ 573 BGB), mithin nur unter der Voraussetzung, dass er das Grundstück bei Vertragsende tatsächlich benötigt (sog. Verbot der Vorratskündigung, vgl. dazu unter 2.a.) Kommt der Mieter jedoch trotz wirksamer Kündigung seiner Verpflichtung zur Rückgabe der Mietsache (§ 546 Abs. 1 BGB) nicht nach, so kann der Eigentümer zivilrechtlich in absehbarer Zeit nicht auf diese zugreifen, selbst wenn er sie nunmehr dringend benötigt. Zivilprozessualen Eilrechtsschutz kann er nicht in Anspruch nehmen, da ein solcher in Bezug auf Wohnräume nur eröffnet ist, wenn die Wohnung nicht freiwillig überlassen, sondern durch verbotene Eigenmacht erlangt wurde, konkrete Lebensgefahr besteht oder Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs erhoben wurde (§ 940a Abs. 1 und 3 ZPO). Vielmehr muss er eine Räumungsklage in der Hauptsache anstrengen, welche ungeachtet des Gebotes vorrangiger und beschleunigter Durchführung (§ 272 Abs. 4 ZPO) geraume Zeit in Anspruch nehmen kann. Eine weitere Verzögerung droht dem Vermieter, wenn das Zivilgericht dem Mieter im Räumungsverfahren eine Räumungsfrist gewährt (§ 721 ZPO).

In solchen Fällen fehlenden zivilrechtlichen (Eil-)Rechtsschutzes ist der Vorhabenträger zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken auf das hoheitliche vorzeitige Besitzeinweisungsverfahren angewiesen. Es erscheint daher sachgerecht, eine analoge Anwendung dieser Befugnis für den Entzug materiell unberechtigter, jedoch durch §§ 721, 940a ZPO prozessual umfassend geschützter Besitzpositionen zu eröffnen.

b. Spiegelbildlich erfolgt eine Kompensation durch die vorzeitige Besitzeinweisung entstehender Vermögensnachteile grundsätzlich nur für den Verlust materiell berechtigter Besitzpositionen, für unberechtigte Besitzpositionen hingegen nur dann, wenn sie umfassend prozessual geschützt sind. Diese Vermögensnachteile sind unter Abgrenzung zur Enteignungsentschädigung wie folgt zu bestimmen:

aa. Für die Enteignungsentschädigung gelten im Baurecht (§§ 93-101 BauGB) und im Bundesfernstraßenrecht (§ 19 Abs. 5 FStrG i.V.m. § 4 BlnEntEigG i.V.m. §§ 93-101 BauGB) folgende Grundsätze:

(1) Entschädigung wird gewährt für den Rechtsverlust und für andere Vermögensnachteile, die durch die Enteignung eingetreten sind (§ 93 Abs. 2 BauGB). Nachteile, die den Betroffenen ohnehin getroffen hätten, werden nicht entschädigt (Groß in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 143. EL August 2021, § 93 BauGB, Rn. 33); mit der Enteignung einhergehende Vorteile sind anzurechnen (§ 93 Abs. 3 BauGB). Die Entschädigung für den Rechtsverlust bemisst sich nach dem Verkehrswert des enteigneten Gegenstands zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Enteignungsantrag (§ 95 Abs. 1 BauGB), der um den Wert solcher Rechte zu mindern ist, für die Dritte gesondert kompensiert werden (§ 95 Abs. 4 BauGB). Die Entschädigung für andere Vermögensnachteile (§ 96 BauGB) zielt auf einen angemessenen Ausgleich für solche über den Rechtsverlust hinausgehender Folgeschäden, die kausal auf die Enteignung zurückgehen und ihr nach der gesetzlichen Wertung normativ zuzurechnen sind (Groß, a.a.O, § 96 BauGB Rn. 1, 7). Die Entschädigung ist grundsätzlich in einem einmaligen Geldbetrag zu leisten, der ab der Entscheidung über den Enteignungsantrag bzw. bei vorzeitiger Besitzeinweisung ab deren Wirksamwerden mit 2 v.H. über dem Basiszinssatz verzinst wird (§ 99 Abs. 1 und 3 BauGB). Dabei kompensiert der einmalige Geldbetrag den Verlust der Substanz des Grundstücks/ Rechts, wohingegen die Verzinsung eine abstrakt berechnete Entschädigung für die entgangene Nutzung desselben darstellt (Groß, a.a.O., § 99 BauGB Rn. 18).

(2) Dementsprechend bemisst sich der Umfang der Enteignungsentschädigung für den Verlust eines obligatorischen Mietrechts grundsätzlich nach der Stärke der materiellen Rechtsposition des Mieters im Zeitpunkt des Besitzverlustes.

(a) Diese bestimmt sich bei befristeten Verträgen nach deren Restlaufzeit und bei unbefristeten Verträgen nach der verbleibenden Laufzeit bis zur nächstmöglichen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung (Groß in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 143. EL August 2021, § 95 BauGB Rn. 37; Pasternak in: Aust/Jacobs/Pasternak, Enteignungsentschädigung, 7. Aufl. 2017, Rn. 533). Zugrundezulegen sind zunächst die allgemeinen Kündigungsfristen; ist eine Berufung auf diese aufgrund der besondere Umstände des Einzelfalls rechtsmissbräuchlich i.S.d § 242 BGB, so verlängert sich die Rechtsposition des Betroffenen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Fortsetzung hätte erreicht werden können; Raum für weitergehende Billigkeitserwägungen besteht hingegen nicht (BGH, Urteil vom 02. Oktober 2003 - III ZR 114.02 - juris Rn. 17, 20, 24).

Eine wirksame Kündigung liegt vor, wenn in materieller Hinsicht ein Kündigungsgrund gegeben oder nicht erforderlich war, die formellen Kündigungsvoraussetzungen eingehalten worden sind und die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Dies steht bestandskräftig fest, wenn ein zwischen den Beteiligten geführtes zivilrechtlichen Räumungs- oder Feststellungsklageverfahren bereits durch rechtskräftiges Sachurteil abgeschlossen ist; andernfalls hat die Enteignungsbehörde diese für das Bestehen und den Umfang eines Entschädigungsanspruchs maßgebliche Voraussetzung in eigener Kompetenz zu prüfen. Eine „schwebende Unwirksamkeit“ des Mietverhältnisses im Zeitraum zwischen dem Kündigungsausspruch und der rechtskräftigen zivilgerichtlichen Entscheidung über dessen Wirksamkeit gibt es – anders als vom Beklagten angenommen – nicht. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass § 18f Abs. 5 Satz 2 FStrG und § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Prüfung der Anspruchsvoraussetzung, dass ein konkreter Vermögensnachteil tatsächlich eingetreten ist, der Enteignungsbehörde zuweist. Diese hat mithin vollständig und abschließend auch über die zugrundeliegenden zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse entscheiden und kann diese Prüfung nicht – wie in der Regelung Nr. 7 Satz 2 des Bescheids geschehen ist – auf den Vorhabenträger oder ein Zivilgericht übertragen.

(b) Unerheblich ist demgegenüber, welche Vertragsdauer ohne den hoheitlichen Eingriff durchschnittlich zu erwarten gewesen wäre, denn Art. 14 GG schützt lediglich konkrete subjektive Rechtspositionen, nicht aber rechtlich ungesicherte Hoffnungen, Chancen und Aussichten (BGH, Urteil vom 07. Januar 1982 – III ZR 114/80 –, juris Rn. 12, 15). Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof seinen früheren Ansatz, dass die zu erwartende Vertragsdauer zu entschädigen sei (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1958 – III ZR 40/57 –, juris Rn. 10, 13 f.), ausdrücklich aufgegeben (Büchs, Handbuch des Enteignungs- und Entschädigungsrechts, 3. Aufl. 1996, Rn. 3360).

(c) Der Vorhabenträger hat mithin die Wahl, entweder das Mietverhältnis durch hoheitlichen Eingriff auflösen zu lassen und eine Entschädigung für die Dauer der Kündigungsschutzfrist zu leisten oder den Kündigungsschutz abzuwarten, mit der Folge, dass die Entschädigungspflicht entfällt (Pasternak in: Aust/Jacobs/Pasternak, Enteignungsentschädigung, 7. Aufl. 2017, Rn. 540). Ist die Kündigung bereits wirksam erfolgt, so hat der Mieter grundsätzlich keine Rechtsposition mehr inne, für die er noch eine Entschädigung beanspruchen könnte (BGH, Urteil vom 27. Januar 1969 – III ZR 73.68 – VerwRs 1969 Nr. 128, S. 421, 423).

Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter das Eigentum an der Mietsache gerade zu dem Zweck erworben hat, dem Mieter kündigen zu können. Die mietrechtlichen Schutzvorschriften bewirken zwar den Fortbestand des Mietverhältnisses mit dem neuen Eigentümer, sehen hingegen keine Beschränkung auf die Kündigungsgründe des alten Eigentümers vor. Sie schützen den Mieter deshalb regelmäßig nicht vor einem Rechtverlust dadurch, dass der neue Eigentümer ein weitergehendes Kündigungsinteresse als der alte hat und das Eigentum gerade zu dessen Durchsetzung erwirbt. Einen solchen Schutz sieht die Rechtsordnung nur punktuell vor, beispielsweise durch Hinausschieben der Kündigungsfrist um bis zu zehn Jahre im Fall der Umwandlung in Wohneigentum (§ 577a Abs. 2 BGB) oder durch eine Genehmigungsbedürftigkeit des Eigentumswechsels etwa in Sanierungs- und Milieuschutzgebieten (§ 144 Abs. 2 Nr. 1, § 145 Abs. 2, § 172 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 Satz 1, Satz 3 Nr. 6 BauGB). Für die vorliegende Konstellation, dass der Vorhabenträger das Grundstück vom bisherigen Vermieter zur Abwendung einer Enteignung freihändig erwirbt (§ 87 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 19 Abs. 5 FStrG, § 5 BlnEntEigG), existiert eine solche Regelung jedoch nicht. Kündigt der neue Vermieter (§ 566 Abs. 1 BGB) daraufhin das Mietverhältnis, so verwirklicht sich vielmehr ein der beschränkten rechtlichen Stellung als Mieter von vornherein innenwohnendes Risiko (BGH, Urteil vom 1. Juli 1968 – III ZR 214/65 –, VerwRs 1969 Nr. 96, S. 325, 328).

(d) Etwas anderes gilt in dem vorstehend beschriebenen Sonderfall, dass eine vorzeitige Besitzeinweisung in eine unrechtmäßige, aber prozessual umfassend geschützte Besitzposition erfolgen kann. In diesem Fall bestimmt sich der Umfang der Enteignungsentschädigung nach der Stärke der prozessualen Rechtsposition des ehemaligen Mieters, welche ihm auf Veranlassung des Vorhabenträgers und zu dessen Gunsten durch den hoheitlichen Eingriff entzogen wird. Auch diese Position hat für den ehemaligen Mieter einen materiellen Wert, weil er die Wohnung unter Fortzahlung der bisherigen Miete (§ 546a Abs. 1 BGB) weiter nutzen kann. Der Verkehrswert dieser prozessualen Rechtsposition bemisst sich danach, welcher Zeitraum dafür erforderlich gewesen wäre, anstelle der hoheitlichen Besitzeinweisung eine Räumung im Zivilrechtsweg durchzusetzen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass wirksam gekündigte Mieter – bei entsprechend langen Laufzeiten zivilrechtlicher Räumungsverfahren – ggf. eine höhere Entschädigung erhalten als sie diese im Rahmen eines fortbestehenden Mietverhältnisses – für die Dauer der Kündigungsfrist – hätten beanspruchen können. Dies ist jedoch hinzunehmen, um dem vom Gesetzgeber mit den §§ 721, 940a ZPO intendierten prozessualen Mieterschutz hinreichende Effektivität zu verleihen. Kein Entschädigungsanspruch besteht indes, sofern der ehemalige Mieter die verspätete Rückgabe der Wohnung zu vertreten hat, denn in diesem Fall ist er dem Vorhabenträger zu weiterem Schadenersatz verpflichtet (§§ 546a Abs. 2, 571 Abs. 1 Satz 1 BGB) und müsste eine von diesem erlangte Entschädigung folglich sofort zurückgewähren.

(3) Die Höhe der Entschädigung bemisst sich wie folgt:

Für Nachteile, die ohne den hoheitlichen Eingriff nicht oder in geringerer Höhe eingetreten wären, erfolgt ein voller Ersatz; für Aufwendungen, die auch bei späterer Vertragsbeendigung entstanden wären, liegt der durch die Enteignung verursachte Nachteil allein darin, dass diese vorzeitig angefallen sind und erfolgt deshalb lediglich ein Ersatz des Zinsnachteils (BGH, Urteil vom 15. November 1971 – III ZR 162/69 –, juris Rn. 17 f.; Pasternak in: Aust/Jacobs/Pasternak, Enteignungsentschädigung, 7. Aufl. 2017, Rn. 539, 547).

Der Verkehrswert des Mietrechtsverlustes i.S.d § 95 BauGB ist abweichend vom Grundsatz zu dem Zeitpunkt zu ermitteln, an dem der Mieter tatsächlich den Besitz verloren hat (BGH, Urteil vom 15. November 1971 – III ZR 162/69 –, juris Rn. 14). Er bestimmt sich nicht nach dem individuellen Affektionsinteresse, sondern nach dem objektiven Wert des Restmietrechts für jedermann (BGH, Urteil vom 15. November 1971 – III ZR 162/69 –, juris Rn. 12). Dieser besteht in der Differenz zwischen der marktüblichen Miete und einer bisher gezahlten niedrigeren Vorzugsmiete. Nur in diesem Fall erleidet der Mieter einen finanziellen Nachteil; andernfalls kann er für den entfallenden Mietzins eine gleichwertige Wohnung anmieten oder erspart sogar Aufwendungen. Diese Differenz ist für die entzogene Restmietdauer zu entschädigen (Pasternak in: Aust/Jacobs/Pasternak, Enteignungsentschädigung, 7. Aufl. 2017, Rn. 544 f.; Büchs, Handbuch des Enteignungs- und Entschädigungsrechts, 3. Aufl. 1996, Rn. 3371).

Eine zusätzliche Verzinsung dieses Verkehrswertes mit 2 v.H. über dem Basiszinssatz gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 BauGB (ggf. i.V.m § 19 FStrG und § 4 BlnEntEigG) erfolgt für das Mietrecht nicht. Dies erklärt sich daraus, dass die Entschädigung für das enteignete Recht mit dieser Verzinsung um eine abstrakt berechnete Entschädigung für die entgangene Nutzung des Rechts ergänzt werden soll (Groß in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 143. EL August 2021, § 99 BauGB Rn. 18). Da das obligatorische Mietrecht jedoch allein zur Nutzung der Mietsache berechtigt (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB), bildet der Wert des Rechts hier den Wert seiner Nutzung bereits vollständig ab; ein zusätzlich zu entschädigender Nutzungsentgang existiert mithin nicht.

Als Folgeschaden des Mietrechtsverlustes i.S.d § 96 BauGB sind solche Aufwendungen mit dem Zinsnachteil zu entschädigen, die durch den hoheitlichen Entzug lediglich vorzeitig entstehen, indes bei wirksamer Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls entstanden wären; dies gilt beispielweise für Umzugs- und Renovierungskosten, erforderliche Neuanschaffungen sowie die Kaution für die neue Wohnung. Hingegen sind mit dem Kapitalwert solche Mehrkosten zu entschädigen, die allein durch die Kurzfristigkeit hoheitlichen Entzugs verursacht sind und sich bei einer regulären Kündigung hätten vermeiden lassen.

bb. In Abgrenzung zur Enteignungsentschädigung bestimmt sich die Besitzeinweisungsentschädigung im Baurecht und im Bundesfernstraßenrecht nach folgenden Grundsätzen:

Zu entschädigen sind Vermögensnachteile, „die nicht durch die Verzinsung der Geldentschädigung für die Entziehung oder Beschränkung des Eigentums oder eines anderen Rechts“ (§ 18f Abs. 5 Satz 1 FStrG) bzw. „die nicht durch die Verzinsung der Geldentschädigung“ (§ 116 Abs. 4 Satz 1 BauGB) ausgeglichen werden. Die damit vorgenommene Abgrenzung erfolgt in beiden Fällen zu der Verzinsung einmalig zu zahlender Enteignungsentschädigungen mit 2 v.H. über dem Basiszinssatz gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 BauGB (i.V.m § 19 FStrG und § 4 BlnEntEigG), der abstrakt berechneten Entschädigung für die entgangene Nutzung des enteigneten Rechts. Da diese Verzinsung bereits ab dem Zeitpunkt einer der Enteignung vorausgehenden Besitzeinweisung erfolgt (§ 99 Abs. 3 Satz 2 BauGB), stellt sie die reguläre Entschädigung für den Nutzungsentgang infolge der Besitzeinweisung dar. Die gesonderte Besitzeinweisungsentschädigung nach § 116 Abs. 4 Satz 1 BauGB bzw. § 18f Abs. 5 Satz 1 FStrG greift daher nur insoweit Platz, wie ein durch die Besitzeinweisung verursachter Vermögensnachteil nicht bereits durch diese Verzinsung ausgeglichen ist (Groß, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB 143. EL August 2021, § 116 BauGB Rn. 18). Dies ist in folgenden Konstellationen der Fall:

(1) Ein zusätzlich zu kompensierender Schaden entsteht, wenn der konkret entgangene Nutzungsvorteil den regulären Zinsbetrag übersteigt (Jacobs in: Aust/Jacobs/Pasternak, Enteignungsentschädigung, 7. Aufl. 2017, Rn. 122). In Betracht kommt dies, wenn die Besitzeinweisung zu einem besonders lukrativen Nutzungszeitraum erfolgt.

(2) Ein früher zu kompensierender Schaden liegt vor, wenn über die Besitzeinweisungsentschädigung zeitlich vor der Enteignungsentschädigung entschieden wird. In diesem Fall gleicht die Besitzeinweisungsentschädigung aus, dass dem Betroffenen die Nutzung entzogen wird, ohne dass er zeitgleich den Verkehrswert des Enteignungsgegenstandes erhält. Zwar ist darauf zu achten, dass durch die zuerst gezahlte Entschädigung abgegoltene Nachteile nicht noch einmal mit der später gezahlten Entschädigung auszugleichen sind (Aust in: Aust/Jacobs/Pasternak, Enteignungsentschädigung, 7. Aufl. 2017, Rn. 123). Dafür ist es jedoch nicht erforderlich, die Kompensation eines bereits durch die Besitzeinweisung entstandenen Schadens zurückzustellen, nur um diesen zu einem späteren Zeitpunkt noch im Rahmen der Enteignungsentschädigung kompensieren zu können. Der Wortlaut der Regelung („nicht … ausgeglichen“) gebietet dies nicht, er umfasst vielmehr auch Fälle, in denen der Nutzungsentgang noch nicht ausgeglichen ist.

(3) Ein isoliert zu kompensierender Schaden ist gegeben, wenn der Vorhabenträger entgegen der gesetzgeberischen Konzeption in der Folge des Besitzeinweisungsverfahrens kein Enteignungsverfahren betreibt. Auch in einem solchen Fall ist der Nutzungsentgang nicht durch eine Enteignungsentschädigung oder ihre Verzinsung ausgeglichen. Dementsprechend kann dem Betroffenen der reine Nutzungsentgang auch im Besitzeinweisungsverfahren zugesprochen werden, ohne dass er es auf sich nehmen muss, selbst ein Enteignungsverfahren anzustrengen (zu dieser Möglichkeit vgl. Kromer/Müller in: Müller/Schulz, Bundesfernstraßengesetz, 2. Aufl. 2013; § 18f Rn. 11). Auch in diesem Fall beschränkt sich die Höhe der Entschädigung auf die Laufzeit des obligatorischen Mietrechts bis zur nächstmöglichen Kündigung bzw. die zu erwartende Dauer des Räumungsverfahrens. Nicht maßgeblich ist hingegen die fiktiven Dauer des unterbliebenen Enteignungsverfahrens, denn auch in diesem wäre der Mieter lediglich für den Zeitraum der rechtlich gesicherten Stellung entschädigt worden, welcher mit dem Zeitpunkt der vorzeitigen Besitzeinweisung beginnt (vgl. § 99 Abs. 3 Satz 2 BauGB).

2. Nach diesen Maßgaben haben die Beigeladenen Anspruch auf eine Besitzeinweisungsentschädigung lediglich im tenorierten Umfang, die darüber hinausgehende Festsetzung in Ziffern 6 und 7 des Bescheides ist rechtswidrig. Zwar erweist sich die ausgesprochene Kündigung als wirksam (a.), zu entschädigen sind die Beigeladenen jedoch für einen Zeitraum von elf Monaten, den ein zivilrechtliches Räumungsverfahren voraussichtlich in Anspruch genommen hätte, das ohne die hoheitliche Besitzeinweisung erforderlich gewesen wäre (b.). Für diesen Zeitraum können die Beigeladenen eine Erstattung der jeweiligen Mietdifferenz beanspruchen (c.). Die Aufhebung der darüber hinausgehenden Festsetzung erfordert eine Änderung des Entschädigungstenors (d.).

a. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 25. November 2013 zum 30. November 2014 ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses mit den Beigeladenen war wirksam.

aa. Die Kündigung von Mietverträgen über Wohnraum durch den Vermieter richtet sich nach folgenden Rahmenbedingungen: Mietverträge über Wohnraum können vom Vermieter nur aus bestimmten Gründen ordentlich gekündigt werden (§ 549 Abs. 1 BGB i.V.m §§ 573 ff. BGB als leges speciales zu § 542 ff. BGB). § 573 BGB enthält eine Generalklausel, der zufolge der Vermieter nur kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat (Abs. 1 Satz 1) und konkretisiert dieses nachfolgend negativ dahingehend, dass eine Kündigung zwecks Mieterhöhung ausgeschlossen ist (Abs. 1 Satz 2) sowie positiv durch drei Regeltatbestände (Absatz 2 Nr. 1 bis 3), die nicht abschließend sind, aber eine Sperrwirkung für den Fall haben, dass eine ihrer Voraussetzungen fehlt (Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573 BGB Rn. 185), und die ferner maßstabsbildend für die Auslegung der Generalklausel des Absatzes 1 sind (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – VIII ZR 70/19 –, juris Rn. 16). § 574 BGB gibt dem Mieter eine Widerspruchsmöglichkeit für den Fall, dass die Vertragsbeendigung für ihn auch unter Abwägung der berechtigten Interessen des Vermieters eine nicht zu rechtfertigende Härte darstellt (Abs. 1); welche auch vorliegt, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann (Abs. 2). Gemäß § 574a BGB verlängert sich das Mietverhältnis ggf. so lange, wie es unter Berücksichtigung aller Umständen angemessen ist (Abs. 1); kommt hierüber keine Einigung zustande, entscheidet das Gericht (Abs. 2 Satz 1); ist die Dauer der Härte ungewiss, kann eine unbefristete Fortsetzung bestimmt werden (Abs. 2 Satz 2). Im Rahmen der nach § 573 BGB durch die Regeltatbestände vertypten oder im Einzelfall vorzunehmenden Abwägung stehen sich das Vermieterinteresse und das abstrakte Interesse des Mieters am Fortbestand des Vertragsverhältnisses gegenüber, individuelle Härten für den Mieter fließen hingegen erst auf seinen Widerspruch hin im Rahmen von § 574 BGB in die Abwägung ein (BGH, Urteil vom 10. Mai 2017 – VIII ZR 292/15 –, juris Rn. 40). Ferner verpflichten § 573 Abs. 3 und § 574 Abs. 3 BGB den Vermieter in formeller Hinsicht, die Kündigung zu begründen und beschränken die zu berücksichtigenden Vermieterinteressen in materieller Hinsicht auf die angegebenen und nachträglich entstandenen Gründe. § 573c BGB sieht nach Mietdauer gestaffelte Kündigungsfristen von drei bis neun Monaten vor.

bb. Danach stand der Klägerin dem Grunde nach ein berechtigtes Interesse i.S.d § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB an der Kündigung des Mietvertrages zur Seite.

(1) Eine “Eigenbedarfskündigung“ i.S.d § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB („wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt“) – wie sie das Verwaltungsgericht angenommen hat – scheidet aus, weil die Wohnung der Beigeladenen von der Klägerin nicht genutzt, sondern abgerissen werden sollte. Die hier von der Klägerin erstrebte Eigennutzung des Grundstücks unterfällt nicht dem Regelbeispiel des Abs. 2 Nr. 2, der das typisierte Abwägungsergebnis der regelmäßiger gegenläufiger Vermieter- und Mieterinteressen darstellt, sondern dem Auffangtatbestand des Abs. 1 Satz 1, in dessen Rahmen eine die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung dieser Interessen zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 45/16 – juris LS 1, 4, 6 und Rn. 24 f.). Anders als die Klägerin meint, ist diese Differenzierung nicht willkürlich, sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die gegenläufigen Interessen in Fällen eigenwirtschaftlicher Grundstücksnutzung nicht gleichermaßen typisieren lassen.

(2) Auch eine Verwertungskündigung i.S.d § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB („wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde“) scheidet aus, weil die Klägerin das Grundstück für eigenwirtschaftliche Zwecke, den Bau und Betrieb der Autobahn, nutzen wollte. Eine Verwertung im Sinne dieser Norm beschreibt die Realisierung eines der Mietsache oder dem Grundstück innewohnenden Wertes durch Verkauf oder Gebrauchsüberlassung (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – VIII ZR 70/19 –, juris Rn. 14), also durch ein Marktgeschäft mit Dritten. Die beabsichtigte Eigennutzung stellt keine solche Verwertung dar, denn dabei wird nicht die Ertragskraft der Wohnräume oder des Grundstücks, sondern unter deren Einsatz eine gewerblich oder privat ausgeübte Betätigung realisiert (BGH, Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 45/16 – juris Rn. 45; Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573 BGB Rn. 157).

(3) Die Klägerin verfügte jedoch über ein berechtigtes Interesse i.S.d. des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB.

(a) Da die Generalklausel gleichgewichtig mit den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Kündigungsgründen ist, kommt es für das Vorliegen eines berechtigten Interesses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB darauf an, ob das geltend gemachte Interesse des Vermieters ebenso schwer wiegt wie in den Regelbeispielen des § 573 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 9. Mai 2012 – VIII ZR 238/11 –, juris Rn. 13). Ob dies der Fall ist, hängt anders als bei den typisierten Regelbeispielen des Absatzes 2 von einer von den Gerichten vorzunehmenden einzelfallbezogenen Feststellung und Abwägung des Vermieterinteresses mit dem abstrakten Interesse des Mieters am Fortbestand des Vertragsverhältnisses ab. Da das Eigentum des Vermieters der Sozialpflichtigkeit gemäß Art. 14 Abs. 2 GG unterliegt, gewährt es ihm keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen. (BGH, Urteil vom 28. Januar 2009 – VIII ZR 8/08 –, juris Rn. 14 m.w.N.). Die typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB geben dabei einen ersten Anhalt für die erforderliche Interessenbewertung und -abwägung. Je stärker persönlich der Kündigungszweck motiviert ist, desto geringer muss der Nachteil sein, je stärker geschäftlich motiviert die Kündigung ist, desto größer der Nachteil ausfallen, den der Fortbestand des Mietverhältnisses für den Eigentümer hat. Fälle des Eigenwohnbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB weisen einen hohen personalen Bezug auf, weshalb das Gesetz bereits einen ernsthaften Nutzungsentschluss für ein vorrangiges Erlangungsinteresse des Vermieters ausreichen lässt, in Fällen der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist dagegen ein Vermieterinteresse mit geringerem personalen Bezug betroffen, weshalb das Gesetz dem von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragenen wirtschaftlichen Verwertungsinteresse nur dann den Vorrang gibt, wenn dem Vermieter bei Fortsetzung des Wohnraummietverhältnisses erhebliche Nachteile entstünden, wobei jedoch nicht gefordert werden darf, dass diese die Nachteile weit übersteigen, die dem Mieter im Falle des Verlusts der Wohnung erwüchsen. Die für ein berechtigtes Interesses i.S.d. § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Gewichtigkeit der Belange ist zunächst davon abhängig, mit welchem Regeltatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB das geltend gemachte Interesse am ehesten vergleichbar ist; darüber hinaus ist – weil die typisierten Regeltatbestände nicht vollständig erfüllt sind, das angeführte Interesse jedoch ebenso schwer wiegen muss wie diese – ein weiterer für das Erlangungsinteresse des Vermieters sprechender Gesichtspunkt zu fordern; beides richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. In den Fällen, in denen das Vermieterinteresse eine größere Nähe zum Eigenbedarfstatbestand hat – weil es einen persönlichen Bezug aufweist –, reicht es regelmäßig aus, dass die Vorenthaltung der Mieträume für den Vermieter einen beachtenswerten Nachteil begründet. Ist das angeführte Interesse dagegen mehr mit der von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfassten wirtschaftlichen Verwertung vergleichbar – weil es einen geschäftlichen Bezug aufweist, der den Mietgegenstand oder das Grundstück auf seine wirtschaftliche Ertragskraft reduziert –, muss der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen deutlich gewichtigeren Nachteil darstellen, der je nach Fallgestaltung auch die von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorausgesetzte Intensität eines erheblichen Nachteils erfordern kann (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 45/16 – juris Rn. 38 ff.; Urteil vom 10. Mai 2017 – VIII ZR 292/15 –, juris Rn. 43 ff.).

(b) Nach diesen Grundsätzen kann eine Kündigung auch gerechtfertigt sein, wenn der Wohnraum oder das Grundstück zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt wird. Nicht jedes beliebige öffentliche Interesse rechtfertigt jedoch eine Kündigung durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft (Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573 BGB Rn. 205). Voraussetzung ist zunächst – nach absoluter Betrachtung – eine entsprechend gewichtige öffentliche Aufgabe. Dieser Maßstab wird in der Rechtsprechung dahingehend beschrieben, dass aus der Durchführung des Bauvorhabens ein gewichtiger Vorteil für die Allgemeinheit erwachsen muss (OLG Frankfurt, Rechtsentscheid vom 6. März 1981 - 20 RE-Miet 1/80 – juris Rn. 17). Dies setzt keine rechtliche Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Körperschaft zur Erfüllung der betreffenden Aufgabe voraus (BGH, Urteil vom 09. Mai 2012 – VIII ZR 238/11 –, juris Rn. 12 f.). Auch ein gemeinnütziges, vornehmlich karitatives, Nutzungsinteresse kann daher ein solches Gewicht erreichen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2017 – VIII ZR 292/15 –, juris Rn. 42). Weitere Voraussetzung ist – nach relativer Betrachtung –, dass das Gewicht des öffentlichen Vermieterinteresses gegenüber dem abstrakten Interesse des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses überwiegen muss, wobei die erforderliche Gewichtigkeit des Belangs bzw. Erheblichkeit der im Fall der Vertragsfortführung drohenden Nachteile auch hier davon abhängt, welche Nähe zu den Tatbeständen der Verwertungskündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB und der Eigenbedarfskündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB besteht (BGH, Urteil vom 10. Mai 2017 – VIII ZR 292/15 –, juris Rn. 43 ff.).

Nicht zu folgen ist der Ansicht, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei (so Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573 BGB Rn. 205). Denn eine Kündigung, die der Beschaffung der für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlichen Sachgüter dient, stellt ein fiskalisches Hilfsgeschäft dar, das nicht dem Verwaltungsrecht, sondern allein dem Zivilrecht unterliegt. Aus diesem Grund hängt die Zulässigkeit der Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des OLG Frankfurt (Rechtsentscheid vom 6. März 1981 - 20 RE-Miet 1/80 – juris Rn. 17) - auch nicht davon ab, ob der öffentlich-rechtlichen Körperschaft alternativ hoheitliche Mittel zur Verfügung stehen, sich die Mietsache zu beschaffen. Eine solche Rangfolge zwischen hoheitlichem und fiskalischem Handeln besteht nicht; vielmehr hat die öffentliche Hand die Wahl, welcher Handlungsform sie sich bedient. Es steht ihr auch frei, diese miteinander zu kombinieren, sofern nur die Voraussetzungen für beide Handlungsformen vorliegen. Die von der Beklagten befürchtete Vorteilsbündelung ist dadurch zu vermeiden, dass beide Befugnisse unabhängig voneinander zu beurteilen sind. Bei der Gewichtung der Vermieterbelange im Rahmen von § 573, 574 BGB hat kein „Zuschlag“ oder „Abschlag“ für die öffentlich-rechtliche Prägung des vom Vermieter mit der Kündigung verfolgten Ziels zu erfolgen, das „gewichtige öffentliche Interesse“ stellt mithin lediglich ein „gewichtiges Interesse“ gerade der öffentlichen Hand dar. Ein – wie hier – wirtschaftlich geprägtes Vorhaben der öffentlichen Hand ist zu beurteilen wie ein ebensolches gewerbliches Vorhaben eines privaten Unternehmers, ein der Allgemeinheit zugutekommendes Vorhaben der öffentlichen Hand wie ein philanthropisches Projekt einer Privatperson. Überwiegt nach diesem Maßstab das privatrechtliche Vermieterinteresse der öffentlichen Hand, so kann diese privatrechtlich kündigen und dem Mieter so die Rechtsposition entziehen bzw. verkürzen; folglich muss die öffentliche Hand den Mieter im Rahmen eines parallelen hoheitlichen Vorgehens nicht mehr bzw. nur noch für die verbleibende Vertragslaufzeit entschädigen. Ist das privatrechtliche Vermieterinteresse der öffentlichen Hand hingegen nach diesem Maßstab nicht gewichtig genug, so kann die öffentliche Hand das Vorhaben ausschließlich durch hoheitliches Vorgehen durchsetzen und muss den Mieter in diesem Rahmen für den Verlust seiner fortbestehenden privaten Rechtsposition vollumfänglich entschädigen.

(c) Nach dieser Maßgabe war vorliegend ein überwiegendes Interesse der Klägerin gegeben.

Das allgemeine private Interesse der Beigeladenen, in einer Wohnung zu verbleiben, die für sie den räumlichen Mittelpunkt der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit bildet und deren Verlust deshalb den engeren persönlichen Lebenskreis betrifft (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 10. Mai 2017 – VIII ZR 292/15 –, juris Rn. 39), war abzuwägen gegen das private Erlangungsinteresse der Klägerin. Dessen erhebliches Gewicht ergab sich vorliegend daraus, dass die Klägerin mit der Kündigung den allgemeinnützigen Zweck verfolgte, ein Großvorhaben zu realisieren, das mit erheblichen Investitionen verbunden ist (die Gesamtkosten des 16. Bauabschnitts belaufen sich auf 473 Mio. Euro, vgl. AbgH-Ds. 17/14872 vom 21.November 2014, Frage 20) und nach der Fertigstellung einer Vielzahl von Nutzern zur Verfügung stehen wird. Da dieses Vorhaben einen stärker geschäftlichen als personalen Bezug und damit eine stärkere Ähnlichkeit zur Verwertungskündigung i.S.d § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufwies, bedurfte es ferner eines deutlich gewichtigeren bis erheblichen Nachteils. Dieser lag vorliegend darin begründet, dass das Gesamtvorhaben ohne den Gebäudeabriss nach Mietvertragsbeendigung auf Dauer nicht hätte realisiert werden können und die Verkehrsanbindung einer Vielzahl von Nutzern unzureichend geblieben wäre. Maßgeblich ist insoweit die Bewertung der Klägerin, da ein Vorhabenträger die Disposition über sein Eigentum an seinen subjektiven Interessen ausrichten darf.

Dass die Klägerin das Grundstück erst im Nachgang des Planfeststellungsbeschlusses erworben hat, steht dem Vorrang ihrer Interessen nicht entgegen, vielmehr hat sie mit dem freihändigen Erwerb des Grundstücks ihrer aus gemäß § 87 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 19 Abs. 5 FStrG, § 2 BlnEntEigG resultierenden Verpflichtung genügt, die andernfalls erforderliche Enteignung der früheren Vermieterin nach Möglichkeit abzuwenden.

cc. Im Zeitpunkt des durch die Kündigung intendierten Vertragsendes zum 30. November 2014 machte dieses berechtigte Interesse eine Kündigung erforderlich.

(1) Insoweit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob lediglich das – nicht ausreichende – noch unbestimmte Interesse einer möglichen späteren Eigennutzung oder Verwertung besteht oder ob sich der diesbezügliche Wunsch bereits soweit „verdichtet“ hat, dass ein „konkretes“ Interesse an der „alsbaldigen“ Umsetzung der Eigennutzung bzw. der im Kündigungsschreiben dargelegten Pläne angenommen werden kann (zu § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB: BGH, Urteil vom 23. September 2015 - VIII ZR 297/14, juris Rn. 22; zu § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB: BGH, Urteil vom 27. September 2017 – VIII ZR 243/16 –, juris Rn. 19). Feste zeitliche Anforderungen an die „alsbaldige“ Umsetzung gibt es nicht (Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573 BGB Rn. 85). Da das Eigentumsgrundrecht des Eigentümers auch dessen Dispositionsfreiheit schützt, ist insoweit kein kleinlicher Maßstab anzulegen.

Es ist nicht erforderlich, dass sich die Eigennutzung unmittelbar an das Vertragsende anschließt (Blank/Börstinghaus Blank/Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573 BGB Rn. 85). Der Eigentümer ist auch nicht verpflichtet, den Mieter durch eine schnellstmögliche Bedarfsumsetzung nach spätestmöglicher Kündigung zu schützen; vielmehr dürfen sich die Arbeiten über einen längeren als üblichen Zeitraum erstrecken (BGH, Urteil vom 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03 –, juris Rn. 15). Ist jedoch absehbar, dass der Bedarf erst später eintritt oder dass der Realisierbarkeit des Vorhabens objektive Hindernisse entgegenstehen, so darf der Vermieter erst zu diesem Zeitpunkt kündigen (Blank/Börstinghaus a.a.O. Rn. 88). In diesem Fall gebietet es eine Abwägung der jeweils von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechtsposition von Vermieter und Mieter (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, juris Rn. 19, 26f.), dem Mieter seine Rechte so lange zu belassen, wie dem Vermieter durch deren Fortbestand tatsächlich kein ein Nachteil droht.

Der zulässige zeitliche Vorlauf umfasst die Kündigungsfrist, jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die zu erwartende Dauer einer Räumungsklage für den Fall, dass der Mieter die Wohnung trotz wirksamer Kündigung nicht zurückgibt. Zwar sind solche Klagen häufig und wäre es deshalb aus Vermietersicht wirtschaftlich vernünftig, dieses Risiko in die Zeitplanung einzubeziehen, damit würde jedoch der Mieter seine geschützte Eigentumsposition wegen eines ihm unterstellten Rechtsbruchs vorzeitig verlieren und der mit §§ 721, 940a ZPO intendierte Mieterschutz in sein Gegenteil verkehrt. Einem aus der verspäteten Rückgabe der Mietsache resultierenden Eilbedarf des Vermieters ist deshalb sachgerechter durch die vorstehend beschriebene Eröffnung der Besitzeinweisungsmöglichkeit auf materiell unberechtigte, aber prozessual geschützte Rechtspositionen Rechnung zu tragen, welcher eine entsprechende Entschädigungspflicht korrespondiert.

(2) Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats dargetan, dass ab dem 5. Dezember 2014 ein Bedarf bestand, auf die Gebäude in einer Art zuzugreifen, die eine Fortdauer des Mietverhältnisses mit den Beigeladenen unmöglich machte.

(a) Die Klägerin hat zunächst schlüssig dargelegt, dass die Inanspruchnahme der in Los 7 des Gesamtablaufplans belegenen Grundstücksflächen B ... 20 und 22 zur Vorbereitung der in Los 6 des Gesamtablaufplans geplanten Arbeiten an der Eisenbahnüberführung der Ringbahn erforderlich war. Sie hat vorgetragen, dass das Los 6 zum weitaus größten Teil westlich der Ringbahnquerung liege, die baustellentechnische Erschließung aufgrund der Lage der späteren Eisenbahnüberführung und des S-Bahn-Unterwerks jedoch ausschließlich von der westlichen Seite über die B ... erfolgen könne. Der Vorhabenträger habe sich unter Verzicht auf die ursprünglich vorgesehene Inanspruchnahme der Grundstücke B ... 16 und 18 auf die für die Baumaßnahmen zwingend benötigten Flächen beschränkt, eine weitere Verringerung der Baustelleneinrichtungsflächen sei mit Blick auf die Bautechnik und Baulogistik jedoch nicht möglich gewesen. Anhaltspunkte, an dieser Darstellung zu zweifeln, die sich mit den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im Planfeststellungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – BVerwG 9 A 19.11, juris Rn. 70) und der ausführlichen Würdigung durch den Beklagten im Besitzeinweisungsbeschluss (dort S. 11 bis 14) deckt, sind weder dargetan noch ersichtlich.

(b) Die Klägerin hat weiter schlüssig dargelegt, dass die Baustelleneinrichtung für das Los 6 auf dem Gebiet des Loses 7 Ostseite der S-Bahn bereits im Dezember 2014 beginnen musste. Dies folgt aus dem grundstücksbezogenen Bauablaufplan – Stand 28. November 2014 –, der einen Maßnahmebeginn am 1. Dezember 2014 (dort unter 2. Urgeländeaufmaß und Vermessung, 3. Baumfällungen im Straßenbereich) bzw. am 5. Dezember 2014 (dort unter 4. Beprobung Gebäude B ... / Altlasten) vorsieht. An dessen Darstellung zu zweifeln sieht der Senat keinen Anlass. Dass dieser erst nach Vertragsende erstellt wurde, gereicht der Klägerin hier nicht zum Nachteil. Denn vorliegend deutet nichts darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Kündigung noch keine hinreichend präzise Zeitplanung bestanden hätte oder die damalige Zeitplanung für die Beigeladenen günstiger gewesen wäre.

Dass der Baubeginn für das Los 6 im Ablaufplan Gesamtmaßnahme – Stand 25. Oktober 2013 – mit Januar 2016 angegeben ist (dort unter 19.), stellt keinen Widerspruch dar, denn diese Angabe bezieht sich nicht auf die bauvorbereitenden, sondern auf die dem Los spezifisch zuzuordnenden Baumaßnahmen. Dies erweist der Umstand, dass in beiden Plänen zwischen unspezifischen und einzelnen Losen zuzuordnenden Maßnahmen unterschieden wird. Auch in dem grundstücksbezogenen Bauablaufplan – Stand 28. November 2014 – ist eine dem Los 6 zuzuordnende Maßnahme erst am 20. Januar 2016 vorgesehen (dort unter Nr. 14).

Ebenfalls keine Zweifel begründet der Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren, Los 6 könne erst errichtet werden, wenn die Entwässerung über Los 4 gewährleistet sei und dieses Los von März 2015 bis Januar 2018 fertiggestellt werde. Daraus folgt nicht, dass mit den bauvorbereitenden Maßnahmen für Los 6 erst nach Abschluss der Arbeiten am Los 4 im Januar 2018 hätte begonnen werden können. Nach der unwidersprochen gebliebenen Feststellung im Besitzeinweisungsbeschluss (dort S. 13) sollte die Entwässerung parallel zu den Arbeiten an Los 6 erfolgen und bereits während der Errichtungsphase in Los 4 gewährleistet sein. Ferner hatte die Klägerin die Notwendigkeit der Entwässerung nur für die eigentlichen Bauarbeiten an Los 6, nicht hingegen für deren Vorbereitung behauptet.

(c) Die Klägerin hat schließlich schlüssig dargelegt, dass im Rahmen der Baustelleneinrichtung für das Los 6 der Abriss der Gebäude bereits am 5. Dezember 2014 beginnen musste.

Zwar sieht der grundstücksbezogene Bauablaufplan – Stand 28. November 2014 – den Beginn der „Baufeldberäumung/ Abbruch B ... 20/22“ erst ab dem 12. Januar 2015 (dort unter 10.); dem ging jedoch ab dem 5. Dezember 2014 „Beprobung Gebäude B ... “ (dort unter 4.) voraus, die mit dem Fortbestand des Mietverhältnisses ebenfalls nicht zu vereinbaren war. Eine solche Gebäudebeprobung hat den Zweck, die unterschiedlichen verbauten Materialien zu ermitteln, um ein Rückbaukonzept erstellen zu können, welches zum einen der Verpflichtung nach § 6 KrWG Rechnung trägt, Abfälle nach Schadstoffen zu trennen, um sie nach Möglichkeit einer Verwertung zuzuführen, und dadurch zum anderen die Rückbaukosten möglichst gering zu halten. Typische Maßnahme einer solchen Beprobung ist die Entnahme von Bohrkernen vor Ort. Damit deren Analyse zuverlässige Rückschlüsse auf die jeweils verbauten Materialien zulässt, muss der Eigentümer die Entscheidung, wo und wie viele Bohrungen er vornimmt, an technischen Erfordernissen ausrichten können und beispielsweise auch Rohrleitungen und tragende Bauteile durchtrennen dürfen, ohne im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflichten auf Nutzungsbelange und Gefährdungen von Mietern Rücksicht nehmen zu müssen. Diese Möglichkeit ist im Rahmen eines fortdauernden Mietverhältnisses nicht zu gewährleisten.

Anhaltspunkte dafür, dass diese Planung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung nicht dem tatsächlichen Willen der Klägerin entsprach, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat, die Maßnahme müsse spätestens in der 8. Kalenderwoche, d.h. bis zum 16. Februar 2015, beginnen, lag darin eine nachträgliche Anpassung der Zeitplanung, die der durch den Verbleib einiger Mieter entstandenen Verzögerung geschuldet war. Ebenso sind Überlegungen, in den Gebäuden vorübergehend Flüchtlinge unterzubringen, die erst im Nachgang der Kündigung erfolgten, nicht weiter verfolgt worden. Laut eines Zeitungsartikels („Kein Platz für Flüchtlinge“, TAZ vom 16./17. Januar 2015) war der Mietervorschlag einer Zwischennutzung der leerstehenden Wohnungen durch Flüchtlinge zwar durch den Sozialsenator aufgegriffen worden, dem war der Stadtentwicklungssenator jedoch unter Verweis darauf entgegengetreten, dass die Häuser ohne die Mieter bereits abgerissen wären und der Rückbau im Herbst 2015 abgeschlossen sein müsse.

dd. Auch in formeller Hinsicht war die Kündigung wirksam.

(1) Diesbezüglich setzt die Wirksamkeit einer Kündigung gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB voraus, dass die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben angegeben sind. Der Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen; zu hohe formale Anforderungen sind dabei mit Blick auf diesen Schutzzweck unangebracht (vgl. BT-Drucksache 14/4553, S. 66). Dem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Eine solche Konkretisierung ermöglicht es einem Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten, den nachzuschieben dem Vermieter verwehrt werden soll. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend. Nur auf diese sog. Kerntatsachen erstreckt sich das in § 573 Abs. 3 BGB geschützte Informationsbedürfnis des Mieters (BGH, Urteil vom 28. April 2021 – VIII ZR 6/19 –, juris Rn. 14 m.w.N.).

Von diesem Informationsbedürfnis des Mieters, aus dem sich die formalen Kündigungsvoraussetzungen ableiten, zu unterscheiden ist die Frage, ob die materiellen Kündigungsvoraussetzungen tatsächlich gegeben sind und welche prozessualen Anforderungen an ihre substantiierte Darlegung zu stellen sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Juni 1998 – 1 BvR 1575/94 –, Rn. 6; BGH, Urteil vom 28. April 2021 - VIII ZR 6/19 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Ob die Kündigung materiell gerechtfertigt ist, hat das Gericht im Bestreitensfall nicht auf der Grundlage des Kündigungsschreibens, sondern nach einer umfassenden gerichtlichen Prüfung zu entscheiden. Fälle eines berechtigten Vermieterinteresses sind dabei abzugrenzen von Fällen eines nur vorgeschobenen Bedarfs und Fällen unzulässiger Vorratskündigung, in denen das Interesse an einer möglichen späteren Eigennutzung oder Verwertung noch nicht hinreichend konkret und verdichtet ist. Dabei obliegt dem Vermieter der Beweis, dass der angegebene Kündigungsgrund auch tatsächlich vorliegt, hierzu muss er diesen im Bestreitensfall substantiieren. Zu diesem Zweck können sog. Ergänzungstatsachen, die der näheren Erläuterung, Ergänzung, Ausfüllung sowie dem Beweis des geltend gemachten Kündigungsgrundes dienen, grundsätzlich auch noch im Prozess nachgeschoben werden. Eine weitergehende Verpflichtung wäre weder aus Vermietersicht praktikabel, weil regelmäßig nicht vorhersehbar ist, in welchem Umfang der Mieter den Kündigungsgrund bestreiten und deshalb eine Substantiierung geboten sein wird, noch aus Mietersicht erforderlich, um eine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten und dessen Auswechselung zu verhindern. Eine formelle Anforderung, sämtliche zur Rechtfertigung der Kündigung relevanten Umstände bereits im Kündigungsschreiben zu benennen, würde dementsprechend eine unverhältnismäßige Beschränkung der Grundrechte des Eigentümers aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG darstellen. Der Eigentümer hat mithin einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass das Gericht seinen Vortrag auf Entscheidungserheblichkeit und im Bestreitensfall auf Beweistauglichkeit hin überprüft. Schutzwürdige Mieterinteressen oder verfahrensrechtliche Erfordernisse, die es rechtfertigen könnten, diese Prüfung von vornherein auszuschließen, sind nicht erkennbar (BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Juni 1998 – 1 BvR 1575/94 –, juris Rn. 14 f.).

(2) Diesen formellen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben vom 25. November 2013. Der von den Beigeladenen gerügte Umstand, dass der Zeitpunkt der beabsichtigten Inanspruchnahme des Grundstückes darin nicht benannt wird, steht dem nicht entgegen.

Das Kündigungsschreiben vom 25. November 2013 begründet die Kündigung damit, dass das Grundstück für den Bau des 16. Abschnitts der Bundesautobahn komplett in Anspruch genommen wird, verweist insoweit auf die im Oktober 2012 eingetretene Rechtskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 29. Dezember 2010 und führt aus, dass die Kündigung nötig sei, um einen fristgerechten Baubeginn sichern zu können. Damit sind die Kerntatsachen benannt, die – sofern sie tatsächlich vorliegen – ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses begründen. Ob die Kündigung tatsächlich für einen fristgerechten Baubeginn erforderlich war, ist hingegen eine Frage der materiellen Kündigungsberechtigung, die – sofern der Mieter diesen Umstand bestreitet – einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt und in diesem Fall einer nachträglichen Plausibilisierung durch Angabe des konkreten Zeitpunktes der beabsichtigten Inanspruchnahme bedarf.

Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der betreffenden Zeitangabe um eine Ergänzungstatsache handelt, die einer nachträglichen Plausibilisierung durch den Vermieter zugänglich ist; er teilt nicht die vom Amtsgericht Köpenick im Urteil vom 14. Januar 2016 – 13 C 123/15 – geäußerte Ansicht, dass bei einem für mehrere Jahre geplanten Bauvorhaben die Darlegung der Bauplanung und des konkreten Zeitpunkts der Notwendigkeit der Räumung des Grundstücks und des Abrisses des Gebäudes zu den Essentialia der Kündigungserklärung gehört. Das Amtsgericht hat seine Auffassung damit begründet, dass die Mieter nur dann in der Lage seien, sich auf der Grundlage der ausgesprochenen Kündigung Klarheit über ihre Rechtsposition zu verschaffen und insbesondere zu erkennen, wann tatsächlich das Grundstück zur Realisierung des Bauvorhabens konkret in Anspruch genommen werden sollte. Dies überzeugt nicht, denn die Mieter hätten nicht besser gestanden, wenn der Vermieter das Kündigungsschreiben in der geforderten Art konkretisiert hätte:

Auch ohne dass der Vermieter den Inanspruchnahmezeitpunkt konkret benennt, bringt er mit der Kündigung zum Ausdruck, dass er die Mietsache alsbald nach Vertragsende benötigt. Eine Überprüfung des Wahrheitsgehaltes dieser Behauptung kann – unabhängig davon, ob der Vermieter den Zeitpunkt bereits im Kündigungsschreiben angibt oder erst auf entsprechendes Bestreiten nachträglich benennt – nur dadurch erfolgen, dass seine Behauptung mit Belegen über die bestehende Planung abgeglichen wird. Auch ein umfassend konkretisiertes Kündigungsschreiben vermag dem Mieter daher keine Klarheit über seine materielle Rechtsposition zu vermitteln, den Kündungsgrund beweisen kann und muss das Kündigungsschreiben mithin nicht. In beiden Fällen muss der Mieter vielmehr die subjektiv behauptete Erforderlichkeit bestreiten, um den Vermieter zur Plausibilisierung durch objektive Umstände zu bewegen. Die Auffassung der Beigeladenen, dass der Mieter nicht verpflichtet sei, „sich selbst, etwa durch Einsicht … zu informieren“, geht an der vorgenannten Differenzierung zwischen Kern- und Ergänzungstatsachen vorbei.

Ebenso wenig ist eine konkrete Zeitangabe im Kündigungsschreiben geboten, um den Mieter vor einer nachträglichen Auswechselung des Kündigungsgrundes durch den Vermieter zu schützen. Denn im Bestreitensfall hat der Vermieter nicht nur zu beweisen, dass er aktuell über eine hinreichend präzise Zeitplanung verfügt, er hat vielmehr auch darzutun, dass bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine hinreichend konkrete Planung bestanden hat.

Dass die Inanspruchnahme vorliegend für ein Großvorhaben erfolgt, gebietet keine andere Bewertung, denn nach dem vorgenannten Maßstab erwächst aus diesem Umstand keine Gefahr für den Mieter. In materieller Hinsicht muss bereits zum Kündigungszeitpunkt einer konkrete Einzelplanung bestanden haben, die Mietsache zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Phase des Gesamtvorhabens zu einem bestimmten Zweck zu gebrauchen. In formeller Hinsicht genügt es zur Individualisierung dieses Kündigungsgrundes, das Gesamtvorhaben im Kündigungsschreiben zu benennen. Im Bestreitensfall ist es zur Plausibilisierung der materiellen Kündigungsvoraussetzungen erforderlich, aber auch ausreichend, die Einzelplanung im Nachhinein offenzulegen.

ee. Ferner hat die Klägerin die maßgebliche Frist für die Kündigung des Mietverhältnisses eingehalten. Gemäß § 573c BGB ist die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig (Abs. 1 Satz 1), verlängert sich die Kündigungsfrist für den Vermieter nach fünf und acht Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate (Abs. 1 Satz 2) und ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam (Abs. 4). Zugunsten der Beigeladenen findet stattdessen die günstigere formularvertragliche Regelung aus § 2 Ziff. 2 ihres Mietvertrages Anwendung, der zufolge die Kündigungsfrist nach zehnjähriger Nutzung ein Jahr beträgt. Die damit formularmäßig vereinbarte Geltung der bis zum 1. September 2001 gültigen Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB a.F. ist für vermieterseitige Kündigungen weiterhin gültig (vgl. Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB; Blank/ Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 573c Rn. 23, 25). Die am 25. November 2013 zum 30. November 2014 ausgesprochene Kündigung hält diese Jahresfrist ein.

ff. Eine Verlängerung des Mietverhältnisses nach § 574 BGB konnten die Beigeladenen, welche rechtzeitig Widerspruch eingelegt hatten, nicht beanspruchen.

(1) Gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Eine solche Härte liegt gemäß § 574 Abs. 2 BGB auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Gemäß § 574b BGB ist der Widerspruch schriftlich zu erklären (Abs. 1 Satz 1), auf Verlangen des Vermieters unverzüglich zu begründen (Satz 2) und kann nach entsprechender Belehrung vom Vermieter zurückgewiesen werden, wenn ihn der Mieter nicht spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses erklärt hat (Abs. 2 Satz 1).

Die Voraussetzungen einer besonderen Härte i.S.d § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB sind streng: Unter einer „Härte“ sind alle Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die infolge der Vertragsbeendigung auftreten können; sie müssen nicht mit absoluter Sicherheit feststehen, vielmehr genügt bereits die ernsthafte Gefahr ihres Eintritts (Hartmann in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 574 BGB Rn. 20 m.w.N.). Das Ausmaß der Nachteile muss bei einer Gesamtbewertung aller Gründe „nicht zu rechtfertigen‟ sein, dabei muss indes keine sittenwidrige Härte vorliegen. Kündigungstypische Belastungen wie die Mühen und Kosten der Wohnungssuche, des Umzugs und der Neuherrichtung muss ein durchschnittlicher Mieter jedoch hinnehmen, weil diese Teil des abstrakten Interesses am Fortbestand des Mietverhältnisses sind, dessen Berücksichtigung bereits im Rahmen von § 573 BGB erfolgt ist. Weiter kann der Begriff der nicht zu rechtfertigenden Härte nicht allgemein formuliert werden, weil er sich erst aus einer vergleichenden Einzelfallbetrachtung der wechselseitigen Interessen ergibt. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist bei einer gerichtlichen Vertragsfortsetzung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, bis dahin entfallene Härtegründe sind nicht mehr zu berücksichtigen (Hartmann, a.a.O. Rn. 26). Übliche Fälle einer besonderen Härte i.S.d. § 574 BGB sind hohes Alter, Behinderung und Krankheit, insbesondere Suizidgefahr, Schwangerschaft sowie berufliche und schulische Schwierigkeiten.

Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 BGB liegen vor, wenn der Mieter die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Erlangung einer Ersatzwohnung erfolglos ergriffen hat (Hartmann, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 574 BGB Rn. 30. m.w.N.). Er muss beweisen, dass er sich kontinuierlich um Ersatzwohnraum bemüht hat, indem er darlegt, welche Wohnungen er wann und mit welchem Ergebnis besichtigt hat und woran die Anmietung gescheitert ist. Auf die Ersatzraumsuche kann verzichtet werden, wenn eine allgemeine Wohnungsmangellage besteht und der Mieter in schlechten finanziellen Verhältnissen lebt (Hartmann, a.a.O, Rn. 26); gleiches muss gelten, wenn die Beschaffung von Ersatzraum zu den Obliegenheiten des Vermieters gehört. Angemessen ist Wohnraum, der nach Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage – jedenfalls – den bisherigen Lebensumständen des Mieters entspricht, dabei sind ihm gewisse Einschnitte zuzumuten; auch muss der Mieter bestimmte Lebensgewohnheiten aufgeben, wenn er über längere Zeit keine diesen entsprechende Wohnung gefunden hat (Hartmann, a.a.O, Rn. 33 m.w.N.). Diese Wohnung darf grundsätzlich im gesamten Gemeindegebiet liegen; anderes gilt lediglich bei alten, langjährig in einem Wohnviertel verwurzelten Mietern und bei Mietern, die auf Betreuung durch eine nahe wohnende Person angewiesen sind, nicht hingegen bei lediglich erstrebter Nähe zu Freunden und Bekannten bzw. zur Vermeidung eines Kindergarten- oder Schulwechsels (Hartmann, a.a.O, Rn. 34 m.w.N.). Zu den die Zumutbarkeit bestimmenden Mietbedingungen gehört zum einen der Mietpreis; dieser ist zumutbar, wenn er dem Wert der Wohnung entspricht und der Mieter auf Grund seiner finanziellen Verhältnisse in der Lage ist, ihn zu bezahlen. Objektiv angemessen ist die ortsübliche Miete und bzw. der ortsübliche Neuvermietungspreis. Für die subjektive Angemessenheit kommt es auf den Einzelfall an; die jeweilige Belastungsgrenze hängt vom Einkommen an; zu berücksichtigen sind die Einkünfte aller Haushaltsangehörigen sowie ein Anspruch auf Wohngeld bzw. Sozialhilfe, dessen Geltendmachung geboten ist (Hartmann, a.a.O, Rn. 35 m.w.N.). Zu den sonst relevanten Bedingungen gehören die Vertragslaufzeit und die Erfüllbarkeit von Nebenbedingungen (Hartmann, a.a.O, Rn. 36 m.w.N.).

(2) Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben.

(a) Den Beigeladenen stand angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung. Die von der Klägerin im Zeitraum zwischen Kündigungsausspruch und Besitzeinweisungsbeschluss angebotenen Ersatzwohnungen spiegeln die den Beigeladenen tatsächlich zur Verfügung stehende Marktlage wieder. Dass die Beigeladenden andere, selbst gesuchte Wohnungen nicht erhielten, ist unerheblich, weil sich unter den von der Klägerin vermittelten Angeboten genügend angemessene Wohnungen befanden. Der Größe nach angemessen für die Beigeladenen, die bislang eine Zweizimmerwohnung von 62,67 qm für eine Nettokaltmiete von 182,37 Euro bewohnten, waren alle 24 ihnen von der Klägerin angebotenen Zweizimmerwohnungen von über 56 qm (90 % der bisherigen Fläche) mit Nettokaltmieten zwischen 299,96 und 495,44 Euro, darunter die schlussendlich angemietete Dreizimmerwohnung von 81 qm mit einer Nettokaltmiete von 415,00 Euro, ebenso wie die als Zwischenunterkunft angemietete Zweizimmerwohnung von 58 qm mit einer Nettokaltmiete von 316,94 Euro. Soweit die Beigeladenen einige der angebotenen Wohnungen unter Verweis auf deren Größe, Renovierungszustand oder das Fehlen eines Balkons abgelehnt hatten, waren ihnen auch Wohnungen ohne diese Eigenschaften zuzumuten, da es sich nicht um wesentliche preisbildende Merkmale der bisherigen Wohnung handelte. Ebenso wenig sind die Beigeladenen in einem Alter oder haben gesundheitliche Gründe vorgetragen, auf eine Wohnung im Umfeld angewiesen zu sein, die ihnen im Übrigen angeboten worden ist.

Der Angemessenheit steht auch nicht entgegen, dass die Beigeladenen es vorgezogen hätten, unter Inkaufnahme eines schlechten Instandhaltungszustandes weiterhin eine preiswertere Wohnung zu bewohnen. Ihre bisher geringe Miete war dem Instandhaltungsrückstau geschuldet, der auf den lange absehbaren Abriss des Gebäudes zurückzuführen war; bei einem Fortbestand des Mietverhältnisses wäre hingegen eine Instandhaltung und Anpassung an den Mietspiegel bzw. Modernisierung auf ein zeitgemäßes Ausstattungsniveau zu erwarten gewesen. Diese hätte von den Beigeladenen ebenfalls geduldet werden müssen, da diese nicht mit Blick auf eine drohende Mietsteigerung verweigert werden kann (vgl. § 555d Abs. 1 und 2 Satz 2 BGB). Der bestehende Vertrag vermittelt dem Mieter kein Recht auf den Fortbestand des Wohnungszustandes, vielmehr entscheidet allein der Vermieter, welcher Erhaltungs- und Ausstattungszustand der Immobilie für ihn am wirtschaftlichsten ist. Im Regelfall entspricht es der wirtschaftlichen Vernunft, das Gebäude instandzuhalten, um Substanzschäden zu vermeiden, und es zeitgemäß auszustatten, um marktübliche Mieten zu erzielen. Nur unter besonderen Umständen, beispielsweise, wenn der Vermieter nicht liquide ist oder das Gebäude perspektivisch aufgeben will, ist es wirtschaftlich sinnvoll, hierauf zu verzichten. Grundlage der bisher günstigen Miete der Beigeladenen war folglich nicht nur der unterdurchschnittliche Erhaltungszustand des Gebäudes, sondern auch das absehbare Ende seines Bestehens. Das damit verbundene, vom Mieter mit dem Verbleib in der preiswerten Wohnung in Kauf genommene Risiko realisierte sich nunmehr in einer Mietmehrbelastung, die mit dem Wechsel in eine besser ausgestattete Wohnung einhergeht.

Die Anmietung der genannten Wohnungen war den Beigeladenen auch zumutbar. Da die Wohnungsangebote von kommunalen Wohnungsgesellschaften stammten, kann davon ausgegangen werden, dass die verlangte Miete objektiv der ortsüblichen Vergleichsmiete entsprach und im Bedarfsfall mit Hilfe von Wohngeld zumutbar zu decken war bzw. im Rahmen eines SGB II/ XII-Bezugs übernommen worden wäre (vgl. § 22 Abs. 1 SGB II, § 35 Abs. 1 SGB XII). Ebenso hätte die Grundsicherung im Bedarfsfall die erforderlichen Umzugskosten und die Mietkaution übernommen (§ 22 Abs. 6 SGB II, § 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII) sowie durch eine Unterbrechung der Unterstützung ggf. eintretende Mietschulden übernehmen können, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft geboten war (§ 22 Abs. 8 SGB II). Eine Inanspruchnahme dieser Leistungen war den Beigeladenen im Bedarfsfall zuzumuten.

(b) Sonstige besondere Härtegründe sind nicht ersichtlich.

Dass die Beigeladenen eine Wohnung aufgeben mussten, in der sie seit 23 Jahren lebten, in der ihre Tochter aufgewachsen war und in deren Umfeld ihre Freunde und Ärzte ansässig waren, ist eine allgemeine Härte, der über die Voraussetzungen des § 573 BGB hinaus abschließend durch die entsprechend verlängerte Kündigungsfrist des § 573c BGB Rechnung getragen wird.

Eine besondere Härte folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin nicht sämtliche Folgekosten des Wohnungsverlustes ausgeglichen hat, beispielsweise die Aufgabe eines der Nähe angemieteten PKW-Stellplatzes. Die Annahme, jeglicher Nachteil des Mieters stelle eine besondere Härte dar, die vom Vermieter entweder zu kompensieren sei oder eine Kündigung dauerhaft ausschließe, geht fehl. Die regelmäßigen Folgekosten eines kündigungsbedingten Umzuges gehören vielmehr zu den Umständen, die vom abstrakten Fortbestandsinteresse des Mieters erfasst sind und deshalb, sofern sich die Kündigung nach § 573 BGB als zulässig erweist, von diesem selbst zu tragen sind. Im Rahmen der vorzeitigen Besitzeinweisung ist lediglich der (Zins-)Schaden ihrer vorzeitigen Entstehung zu kompensieren.

b. Zu entschädigen sind die Beigeladenen für einen Zeitraum von elf Monaten. Dieser entspricht der zu erwartenden Dauer des zivilprozessualen Räumungsverfahrens, das die Klägerin ohne die vorzeitige Besitzeinweisung hätte anstrengen müssen, um den Besitz der Wohnung von den Beigeladenen zu erlangen.

aa. Die von den Beigeladenen infolge des Verbleibs in der Wohnung trotz wirksamer Kündigung erlangte, materiell unberechtigte, aber von §§ 721, 940a ZPO umfassend prozessual geschützte Rechtsposition ist ihnen durch die hoheitliche Besitzeinweisung entzogen worden.

Dieser Verlust ist aus den zu 1. b. aa. (2) (d) dargestellten Gründen zu kompensieren, weil die Beigeladenen die verspätete Rückgabe der Wohnung nicht i.S.d. § 571 Abs. 1 Satz 1 BGB zu vertreten hatten. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Mieter aufgrund eines unverschuldeten Rechtsirrtums davon ausgehen konnte, ein Zivilgericht werde die Räumungsklage abweisen, das Mietverhältnis über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortsetzen oder eine Räumungsfrist gewähren (Häublein in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 571 BGB Rn. 4; Blank/Börstinghaus in: Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl. 2020, § 571 BGB Rn. 4) So lag der Fall hier, weil von den Beigeladenen keine weitergehende rechtliche Würdigung gefordert werden konnte, als sie in dem zu ihren Gunsten ergangenen erstinstanzlichen Urteil durch die Vizepräsidentin des Amtsgerichts Köpenick vorgenommen worden ist.

Einen Anhaltspunkt für die zeitlichen Reichweite dieser Rechtsposition bietet vorliegend die Dauer der im Nachgang der Besitzeinweisung durch die Klägerin betriebenen Feststellungsklagen. In einem der Parallelverfahren – OVG 10 B 6/22 – hat die Klägerin mitgeteilt, dass die Klage am 22. Juli 2015 erhoben wurde, in den fünf anderen Verfahren identischer Problematik, in denen die Klägerin die gleiche Prozessvertreterin beauftragt hatte, dürfte dies zeitgleich erfolgt sein. Rechtskräftig abgeschlossen waren die sechs Verfahren mit der Zustellung der zweitinstanzlichen Entscheidung vom 1. Juni 2016, die im vorliegenden Verfahren am 16. Juni 2016 erfolgte. Dagegen, dass eine zusätzliche Frist nach § 721 ZPO für die Räumung bewilligt worden wäre, spricht die von der Klägerin gewährleistete Verfügbarkeit zumutbarer Ersatzwohnungsangebote. Dementsprechend ist hier von einer prozessual vermittelten Rechtsposition von elf Monaten Dauer auszugehen.

bb. Eine darüber hinausgehende Entschädigung für die durchschnittliche Dauer des Mietverhältnisses, wie sie der Beklagte in Ziff. 7 des Bescheides festgesetzt hat, können die Beigeladenen hingegen nicht beanspruchen. Insoweit handelt es sich um rechtlich ungesicherte Erwartungen der Mieter, zu kompensieren ist jedoch lediglich der Verlust konkreter subjektiver Rechte. Dies gilt, anders als der Beklagte meint, nicht nur im Rahmen einer Enteignung, sondern auch im Rahmen einer vorzeitigen Besitzeinweisung, welche die Wirkung der Enteignung lediglich vorwegnimmt und deren Kompensation deshalb aus den vorgenannten Gründen ebenfalls eine materiell bzw. prozessual gesicherte Rechtsposition voraussetzt.

c. Ausgehend davon ergibt sich folgender Entschädigungsanspruch für die jeweilige Mietdifferenz:

aa. Dass die Anmietung der neuen Wohnungen bereits vor der Besitzeinweisung erfolgte, hindert den Ersatzanspruch nicht, weil der Bedarf der Beigeladenen bereits absehbar war. Dies rechtfertigt es auch, den Beginn der Entschädigung auf einen Zeitpunkt vor der Besitzeinweisung vorzuverlegen. Zutreffend knüpft die Entschädigung ferner an den Fortbestand des neuen Mietverhältnisses, ohne den keine Mehrkosten entstehen; für den Fall einer Neuanmietung wäre ggf. eine neue Entschädigungsregelung zu treffen. Einer Abzinsung bedarf es nicht, weil die Entschädigungsregelung eine zeitversetzte monatliche Zahlung anstelle einer vorzeitigen einmaligen Vorabentschädigung ausspricht.

bb. Dass die Beigeladenen eine Zwischenunterkunft angemietet haben, statt sich für eine sofort verfügbare Wohnung zu entscheiden, ist unschädlich, weil hierdurch geringere Mietmehrkosten angefallen sind. Eine Vollerstattung der Zwischenmiete für Februar 2015 (Ziffer 6 Satz 1) war indes nicht geboten. Insbesondere bezog sich die entsprechende Zusage der Klägerin auf eine Mietmehrbelastung bis zum 14. Februar 2015, die nicht eingetreten ist, weil deren Anmietung erst zum 16. Februar 2015 erfolgte. Für die zweite Februarhälfte, ebenso wie für den Zeitraum 1. März bis 15. Mai 2015 (Ziffer 6 Satz 2) – mithin insgesamt drei Monate –, können die Beigeladenen lediglich die Differenz zur alten Nettokaltmiete von 182,37 Euro verlangen, welche sich auf 134,57 Euro beläuft.

bb. Die Miete der endgültigen Wohnung beträgt 415,00 Euro, die Differenz zur alten Nettokaltmiete von 182,37 Euro mithin 232,63 Euro (statt 204,16 Euro). Diese ist für die verbleibenden acht Monate der prozessual vermittelten Rechtsposition von elf Monaten zu erstatten.

d. In dem darüber hinausgehenden Umfang ist die Entschädigungsregelung als rechtswidrig aufzuheben. Die erforderliche Aufhebung kann nur als Änderung dahingehend tenoriert werden, dass Ziff. 6 Satz 1 aufgehoben wird, in Ziff. 6 Satz 2 die Worte „vom 01.03.15“ durch die Worte „vom 16.02.15“ ersetzt werden, in Ziffer 7 Satz 1 der Betrag 204,16 € durch den Betrag 232,63 € und die Worte „für die Höchstdauer von 191 Monaten“ durch die Worte „für die Dauer von acht Monaten“ ersetzt werden sowie in Ziffer 7 Satz 2 die Worte „oder … vorgelegt wird“ aufgehoben werden.

II. Die Regelung über den Ersatz der Rechtsverfolgungskosten in Ziff. 11 Satz 2 des Bescheides verletzt die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten.

1. Rechtsgrundlage für die Entschädigungsfestsetzung ist § 121 BauGB in entsprechender Anwendung.

Das Baurecht enthält in § 121 BauGB eine von der Entschädigungspflicht abgekoppelte Kostenregelung für das Enteignungs- und Besitzeinweisungsverfahren. Danach setzt die Enteignungsbehörde die Kosten im Enteignungsbeschluss oder durch besonderen Beschluss fest (Abs. 4 Satz 2), der auch bestimmt, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war (Abs. 2 Satz 1). Zu diesen Kosten gehören neben den Kosten des Verfahrens auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (Abs. 2 Satz 1). Dabei sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts bis zur gesetzlichen Höhe (Abs. 2 Satz 3) erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (Abs. 2 Satz 2). Diese Kosten trägt der Entschädigungsverpflichtete, wenn dem Antrag auf Enteignung stattgegeben wird (Abs. 1 Satz 2). Einem sonstigen Beteiligten, dessen Antrag abgelehnt oder zurückgenommen wird, sind die durch die Behandlung seines Antrags verursachten Kosten nur dann aufzuerlegen, wenn sein Antrag offensichtlich unbegründet war (Abs. 1 Satz 4).

Dass das Bundesfernstraßengesetz eine vergleichbare Regelung nicht enthält, stellt eine planwidrige Regelungslücke dar, die nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch eine entsprechende Anwendung des § 121 Abs. 2 BauGB zu schließen ist. Mit der in § 121 BauGB getroffenen grundlegenden Systementscheidung hat der Gesetzgeber in Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Regelungsspielraums die Kostenvorschriften außerhalb der Entschädigungsregelungen normiert. Diese Herauslösung des Erstattungsanspruches für die Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung aus den Folgeschäden der Enteignung soll die Unbilligkeit beseitigen, dass im Falle der Ablehnung des Enteignungsantrages keine Enteignungsentschädigung erfolgt. Demgegenüber stellt § 121 BauGB unabhängig vom Verfahrensausgang sicher, dass die Kosten einer anwaltlichen Vertretung erstattungsfähig sind, wenn sie zur zweckentsprechenden und erfolgreichen Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen notwendig waren (BT-Drucks 7/2496, S. 61); diese eigenständige Kostenregelung entfaltet Sperrwirkung gegenüber den Vorschriften über die Enteignungsentschädigung. Die Grundentscheidung, die der Bundesgesetzgeber für Enteignungskosten – einschließlich der Kosten vorläufiger Besitzeinweisungen – in § 121 Abs. 2 BauGB getroffen hat, hat Auswirkungen auch auf den in § 18f FStrG geregelten Fall der vorzeitigen Besitzeinweisung. Sie schließt es aus, die notwendigen Rechtsverfolgungskosten dort als Teil der Entschädigung (§ 18f Abs. 5 FStrG) aufzufassen. Denn es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber an der seinerzeit als unbillig empfundenen, durch die Neufassung des § 121 BauGB überwundenen Rechtslage gerade im Zusammenhang mit § 18f FStrG hätte festhalten wollen (BVerwG, Beschlusse vom 8. Mai 2014 – BVerwG 9 B 4.14 –, juris Rn. 6 f.)

2. Dass der Beklagte den Gegenstandswert der notwendigen Rechtsverfolgungskosten unter Zugrundelegung von 50 % des nach Ziff. 6 und 7 zuerkannten Entschädigungsbetrages mit 19.823,96 Euro bemessen hat, verletzt die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten.

a. Zutreffend hat der Beklagte den Gegenstandswert nicht lediglich aus dem jährlichen Betrag der bisherigen Wohnungsmiete ermittelt. Die Regelung des § 41 Abs. 2 GKG, der zufolge in Streitigkeiten über das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses für die Wertberechnung maximal das einjährige Entgelt maßgebend ist, ist vorliegend nicht einschlägig, weil Gegenstand des Verfahrens, dessen Rechtsverfolgungskosten ersetzt werden, nicht das Bestehen eines Mietverhältnisses, sondern die Enteignungsentschädigung für die Besitzeinweisung in ein solches Recht ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, bezweckt § 41 GKG eine Begrenzung des Gebührenstreitwerts aus der sozialpolitischen Erwägung der Dämpfung der Kosten für Streitigkeiten über Wohnraum, welche hier nicht geboten ist.

b. Ebenfalls zutreffend hat der Beklagte auf die höchstmögliche Mietdifferenz abgestellt. Maßgeblich für den Gegenstandswert der Rechtsverfolgungskosten der Beigeladenen ist nicht der tatsächlich berechtigte, sondern der von ihnen erstrebte Entschädigungsumfang. Vorliegend richtete sich das Begehren der Beigeladenen darauf, alle mit dem Verlust der Wohnung einhergehenden Nachtteile kompensiert zu erhalten, also so gestellt zu werden, als sei das Mietverhältnis dauerhaft unkündbar.

c. Dass der Beklagte 50 % dieser höchstmöglichen Differenz zugrunde gelegt hat, verletzt die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten. Zu Unrecht hingegen hat das Verwaltungsgericht lediglich 20 % dieses Betrages in Ansatz gebracht.

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. September 1973 – III ZR 131/71 –, auf das das Verwaltungsgericht seine Rechtsauffassung stützt, lag der Fall einer Einweisung in den Besitz eines Grundstücks knapp zwei Jahre vor der Enteignung des betreffenden Grundstückseigentums zugrunde. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass die Wertfestsetzung einfach vor sich gehen solle und nicht ohne Schematisierung auskomme, weshalb es berechtigt und geboten sei, den Streitwert nach einem Bruchteil des Wertes des in Frage kommenden Enteignungsgegenstandes zu bestimmen (Rn. 52). Dieser Bruchteil sei in der Regel mit 20 % des Grundstückswertes angemessen und ausreichend angesetzt. Obwohl die Besitzeinweisung einen schwerwiegenden Eingriff darstelle, sei der – vorinstanzlich zugrunde gelegte – Wert von einem Drittel regelmäßig zu hoch, weil es meist um die Regelung für eine verhältnismäßig kurze Zeit gehe. Entscheidend sei darauf abzustellen, dass es rechtlich nicht um die Enteignung als solche, sondern lediglich um eine Vorverlegung der Wirkung der Enteignung gehe.

Einer Übertragung dieser Erwägungen auf den vorliegenden Fall steht entgegen, dass die Besitzeinweisung hier keine bloße „Vorverlegung der Wirkung der Enteignung“ darstellt, sondern wirtschaftlich betrachtet bereits der Enteignung entspricht. Sowohl das im Rahmen der Enteignung zu entziehende obligatorische Mietrecht als auch der im Rahmen der Besitzeinweisung zu entziehende berechtigte Besitz erlauben dem Mieter allein die Nutzung der Mietsache, deren Substanzwert ihm – anders als dem Grundeigentümer im Fall des Bundesgerichtshofs – nicht gebührt. Der zu entschädigende Verlust eines solchen Rechts bildet daher sowohl im Rahmen einer Besitzeinweisung als auch im Rahmen einer Enteignung den Wert der Nutzung ab. Diese wird dem Mieter in beiden Verfahren insgesamt nur einmal entzogen und ist deshalb insgesamt nur einmal zu entschädigen. Danach ist es sachgerecht, den Gegenstandswert für den Regelfall, dass beide Verfahren durchgeführt werden, hälftig aufzuspalten und für den Sonderfall, dass nur eines der Verfahren durchgeführt wird, allein diesem zuzuordnen.

Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin das von ihr lediglich vorsorglich eingeleitete Enteignungsverfahren hätte tatsächlich durchführen wollen. Insbesondere hat sie das Enteignungsverfahren nach unwidersprochener Angabe des Beklagten in der Berufungsverhandlung über sieben Jahre nicht betrieben, obwohl der Beklagte ihrer Ansicht, das obligatorische Mietrecht der Beigeladenen sei bereits durch Kündigung erloschen, im Besitzeinweisungsverfahren nicht gefolgt war. Dies war aus Sicht der Klägerin auch nicht erforderlich, weil sie den unmittelbaren Besitz der Beigeladenen, welcher allein die Verwirklichung des Vorhabens hinderte, bereits erlangt hatte. Ist hier mithin von einem isolierten Besitzeinweisungsverfahren auszugehen, so wären sogar 100 % des Gegenstandswertes in Ansatz zu bringen gewesen und ist mithin keine zu hohe Festlegung zu Lasten der Klägerin erfolgt.

Nichts anderes folgt entgegen der Ansicht der Klägerin daraus, dass es lediglich „um den kurzfristigen Verlust einer Besitzposition“ im Nachgang einer bereits ausgesprochenen Kündigung gegangen sei, denn dieser Umstand war zwischen den Beteiligten streitig. Die Beigeladenen, auf deren Begehren für die Wertbemessung abzustellen ist, gingen von der Unwirksamkeit dieser Kündigung und der Dauerhaftigkeit des Rechts zum Besitz aus. Zwar war das Entschädigungsbegehren unbegründet, soweit es über die tatsächliche Dauer bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit hinausging. Dies war jedoch ausweislich der getroffenen Behördenentscheidung nicht offensichtlich, so dass eine eigene Kostentragung der Beigeladenen nach dem Rechtsgedanken des § 121 Abs. 1 Satz 4 BauGB ausscheidet.

Schließlich hat der Umstand, dass der Beklagte seiner Entscheidung, 50% zugrundezulegen, im Bescheid auf die unzutreffende Begründung einer besonderen Kompliziertheit der Sach- und Rechtslage gestützt hat (dort S. 22), keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Festsetzung, bei der es sich um eine gebundene Entscheidung handelt.

3. Zutreffend ist der Beklagte schließlich davon ausgegangen, dass die Höchstgebühr von 2,5 Gebühren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 2300 RVG nach Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit sowie Bedeutung der Angelegenheit für die Beigeladenen angemessen war. Soweit die Klägerin zutreffend darauf verweist, dass die Komplexität des Falles nicht doppelt zu ihren Lasten berücksichtigt werden dürfe, ist dies entgegen der Bescheidbegründung nicht erfolgt, weil sich der Gegenstandswertes aus den vorgenannten Gründen unabhängig von diesem Umstand bestimmt.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Bei der Bildung der Kostenquote hat der Senat berücksichtigt, dass die Klage nicht in vollem Umfang Erfolg hatte und das Unterliegen der Klägerin mehr als geringfügig war. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie im Verfahren keinen Antrag gestellt haben und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen sind (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

D. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Frage, ob ein wirksam gekündigter Wohnungsmieter für den Verlust seiner durch §§ 721, 940a ZPO prozessual geschützten Besitzposition an der Mietsache gemäß § 18f Abs. 5 FStrG zu entschädigen ist, grundsätzliche Bedeutung hat.