Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 19. Senat | Entscheidungsdatum | 10.06.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 19 AS 429/22 B ER | ECLI | ECLI:DE:LSGBEBB:2022:0610.L19AS429.22B.ER.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Eine Zahlungserinnerung ist keine Vollstreckungsmaßnahme. Eine Vollstreckung droht frühestens, wenn der Beginn der Vollstreckung von der Behörde für einen unmittelbar bevorstehenden Termin konkret angekündigt ist oder sonstige greifbare Vorbereitungshandlungen einer Vollstreckung erkennbar sind.
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für vorbeugenden Rechtsschutz besteht nur, wenn die Verweisung auf nachträglichen Rechtsschutz unzumutbar ist. Für das Begehren nach vorläufigem vorbeugenden Rechtsschutz gilt dies in besonderem Maße.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin A K wird abgelehnt.
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners und Beschwerdegegners (im Folgenden: Antragsgegner), die Vollstreckung aus einem Bescheid vom 1. Februar 2013 vorläufig einzustellen.
Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin mit Bescheid vom 1. Februar 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von August 2008 bis Januar 2009 bewilligt. Ebenfalls mit Bescheid vom 1. Februar 2013 forderte der Antragsgegner von der Antragstellerin die Erstattung von Leistungen in Höhe von 1.046,40 Euro. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2022, das als „Zahlungserinnerung“ bezeichnet war, teilte die Bundesagentur für Arbeit, Inkasso Service, der Antragstellerin mit, dass die am 19. Februar 2013 fällige Forderung bisher nicht beglichen sei. Die Zahlung werde bis zum 14. März 2022 erwartet, nach erfolglosem Verstreichen des Zahlungstermins würden weitere Schritte gegen die Antragstellerin geprüft.
Hiergegen hat sich die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes am 3. März 2022 an das Sozialgericht Berlin gewandt. Sie hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 1. Februar 2013 einzustellen, und ist der Ansicht, die geltend gemachte Forderung sei verjährt.
Mit Beschluss vom 31. März 2022 hat das Sozialgericht den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, neben Zweifeln an der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes sei der Antrag jedenfalls unbegründet, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung sei die streitgegenständliche Forderung nicht verjährt.
Gegen den am 31. März 2022 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am
2. Mai 2022 Beschwerde erhoben. Sie ist der Auffassung, das Vollstreckungsverfahren werde bereits mit der Zahlungserinnerung eingeleitet oder wenigstens vorbereitet. Daraus ergebe sich die Eilbedürftigkeit.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2022 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 1. Februar 2013 vorläufig einzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die den Beschluss tragenden Gründe sowie sein erstinstanzliches Vorbringen.
II.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 173 SGG). Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt, da das Ende der für die Beschwerde geltenden Monatsfrist am 30. April 2022 auf einen Samstag fiel (§ 64 Abs. 2 und 3 SGG).
2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
a. Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass einstweiliger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 SGG zu gewähren ist. Einstweiliger Rechtsschutz durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG kommt nur in Betracht, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt. Dies ist hier der Fall. Denn gegen das als „Zahlungserinnerung“ bezeichnete Schreiben der Bundesagentur für Arbeit, Inkasso Service vom 28. Februar 2022 ist kein Widerspruch gegeben; ihm kommt mangels Regelung nicht die Qualität eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X zu (zur Rechtsqualität von Zahlungsaufforderungen vgl. BSG, Beschluss vom 7. Juni 1999 – B 7 AL 264/98 B –, Juris). Das Schreiben regelt nichts, sondern weist die Antragstellerin lediglich darauf hin, dass eine am 19. Februar 2013 fällige Forderung des Antragsgegners in Höhe von 1046,40 Euro bisher nicht beglichen ist und nunmehr bis zum 14. März 2022 zu begleichen sei. Bei erfolglosem Verstreichen des Zahlungstermins würden weitere Schritte geprüft, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sein könnten.
b. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist bereits unzulässig. |
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mangels Erfolgsaussicht abzulehnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.